39. Kapitel
HERKAN-STATION, GOLAN-III- RAUMVERTEIDIGUNGSPLATTFORM, ÜBER NAM CHORIOS
Die neue Schicht der Geschützmannschaft verließ im Gänsemarsch das Shuttle, um die Station durch die Luftschleuse zu betreten. Einige Meter den ersten Korridor hinunter befand sich eine Sicherheitsstation, kaum mehr als ein Schreibtisch, der den halben Gang blockierte, und ein gelangweilt wirkender menschlicher Korporal der Allianzarmee, der mit einem Scanner die Identikarten und Einsatzbefehle überprüfte, die ihm jedes Besatzungsmitglied hinhielt.
Eine Angehörige der Schichtablösung, eine schlanke junge Frau mit rotbraunem Haar, das unter ihrer Armeekappe verstaut war, kniete sich hin, um sich am Verschluss ihres rechten Stiefels zu schaffen zu machen. Als sie damit fertig war und sich wieder erhob, hatten alle anderen Mitglieder der Mannschaft den Tisch bereits passiert.
Sie trat vor, hielt jedoch keinerlei Karten hoch, damit der Korporal sie einscannen konnte.
Er musterte sie und bemerkte ihre Rangabzeichen. »Wo sind Ihre Befehle, Gefreite?«
Sie winkte, wie um anzudeuten, dass sie das nicht wüsste, doch ihre Geste war sonderbar anmutig. Als sie sprach, war ihre Stimme tief und sanft. »Sie brauchen meine Befehle nicht zu sehen.«
»Ich brauche Ihre Befehle nicht zu sehen.«
»Ich bin mit einem Spezialauftrag hier. Wenn Sie mich aufhalten, wird das den General sehr verärgern.«
»Der General wäre sehr verärgert.«
»Tatsächlich wäre es am besten, wenn Sie vergessen, dass Sie mich je gesehen haben.«
Er nickte mit leeren Augen. »Das wäre am besten.«
Jysella ging an ihm vorbei und seufzte erleichtert. Es hatte sich ausgezahlt, tagelang an Bord der Koval-Station zu warten und Informationen über die Schichtwechsel und Sicherheitsvorkehrungen auf der Geschützplattform zu sammeln. Jetzt befand sie sich unbemerkt – fürs Erste – an Bord der Plattform.
Mit Glück und Geschick würde es ihr gelingen, ihre Mission hier erfolgreich zum Abschluss zu bringen und das Gleichgewicht jeder potenziellen Auseinandersetzung, die die Herrin des wahren Jedi-Ordens bedrohte, zu ihren Gunsten zu neigen.
KRISTALLTAL
Luke lag auf einer Kristallsanddüne auf dem Bauch, von der aus man die Ausläufer der Ortschaft Kristalltal überblickte, und studierte die Stadt durch sein Makrofernglas. Die matten, violetten Sonnenstrahlen verschafften ihm keine Erleichterung. Der Sand war viel zu erfolgreich darin, ihm zuzusetzen und trotz der schützenden Kleidungsschichten die Wärme aus seinem Körper zu ziehen.
Er ließ das Makrofernglas sinken. »Das Zugangsgebäude der Pumpstation befindet sich etwa auf einem Drittel des Weges. Die meisten Zugänge sind mit Sicherheit in den unteren Ebenen. Außerhalb des Gebäudes müsste es eigentlich Notausstiegsluken geben, aber ich kann sie nicht entdecken.«
Links von Luke lag Ben ebenfalls bäuchlings da, und hinter ihm lag Kandra. Sie musterte ihr Datapad. »Ich komme nicht in das Gemeindesystem hinein. Sämtliche Kom-Wellen sind bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Ich wette, dass das zu der Informationssperre gehört, von der ich erzählt habe.«
Der Gamorreaner, der links von ihr lag, grunzte langgezogen.
Kandra sah ihn an. »Nein, wir sollten nicht verschwinden. Ich will Aufnahmen von dieser Abeloth haben.«
Luke schüttelte den Kopf. »Das wären dann vielleicht die letzten Aufnahmen, die Sie jemals machen. Sie sollten nach Hweg Shul zurückkehren, Ihre Story in die richtige Form bringen und sich bereithalten, sie abzuschicken, sobald ich Ihnen die Freigabe dazu erteile … und wenn Ihnen schlechte Neuigkeiten über mich zu Ohren kommen.«
»Aber wir wissen nicht, ob sie wirklich hier ist. Falls Beurth und ich verschwinden, ist es Euch vielleicht nicht möglich, uns mitzuteilen, wo Ihr als Nächstes hingeht.«
Luke blickte auf die Stadt hinab. »Nein, sie ist hier.«
Kandra warf ihm einen zweifelnden Blick zu. »Woher wisst Ihr das? Durch die Macht?«
»Nicht unbedingt. Die Tsils verstehen Richtungen nicht auf dieselbe Art und Weise, wie wir es tun. Sie haben kein Verständnis für Orte oder Kartenkoordinaten, aber sie haben einen Begriff von Nähe. Als ich heute Morgen vor Sonnenaufgang mit ihnen kommuniziert habe, war dem Tsil, der uns von hier aus am nächsten ist, unbehaglich zumute, falls das ein zutreffendes Wort dafür ist. Beinahe schwermütig. Ich denke, dass sie ihre Kräfte der Dunklen Seite einsetzt, um in denen um sie herum Kummer zu erzeugen, und das greift auf die Spukkristalle über.«
Kandra seufzte. »Den Zuschauern solches Esoterikzeug zu verkaufen ist ziemlich schwierig.«
Ben konnte ein Lachen nicht unterdrücken. »Bauen Sie doch stattdessen einen Werbespot für Droch-Spray in Ihren Bericht ein. Nam Chorios ist zwar der einzige Planet, auf dem es gebraucht wird, aber ich wette, Ihnen fallen mit Sicherheit ein paar Abschreckungstaktiken ein, um das Zeug in der ganzen Galaxis an den Mann zu bringen.«
»Gute Idee … Also, was machen wir als Nächstes?«
Rechts von Luke ließ Vestara ihr eigenes Makrofernglas sinken, ohne die Augen von der Stadt abzuwenden. »Wir warten auf das nächste große Staubgestöber und schleichen uns rein. Wir klinken uns direkt in die Landkabel des städtischen Computernetzwerks ein und finden heraus, wo sich diese Luken befinden. Dann gehen wir rein. Die Skywalkers und ich, meine ich. Nicht Sie, es sei denn, Sie legen es darauf an, sich umzubringen.«
Kandra setzte zu einer Erwiderung an, doch Luke unterbrach sie. »Sie können trotzdem kriegen, was Sie wollen, Kandra. Sie können Ihre Aufnahmen von Abeloth bekommen, uns einen weiteren großen Gefallen tun und trotzdem außerhalb der Gefahrenzone bleiben.«
Sie sah ihn argwöhnisch an. »Wie das?«
»Während wir uns in das Netzwerk einklinken, beschaffen Sie und Beurth uns einige zusätzliche Komlinks und Datapads. Außerdem – und das ist noch wichtiger – ein paar Kilometer abgeschirmtes Datenkabel. Wir werden eine Reihe von Datenverbindungen einrichten, um Daten aus der Pumpstation weiterzuleiten, und einen an der Oberfläche, der mit einem Kabel verbunden ist, das Sie so weit von hier wegschaffen, dass Sie aus dem Kom-Störsignal raus sind. Wir werden Ihnen einige Bilder von Abeloth verschaffen. Sie bleiben einfach außerhalb der Störer-Reichweite und heimsen den Lohn für Ihre Mühen ein.«
Sie dachte darüber nach. »Abgemacht.«
Eine Stunde später kam einer der periodischen Staubstürme auf, der die Sichtweite bis auf wenige Meter sinken ließ. Die fünf brachen auf und machten sich auf den Weg in die Stadt. In den Außenbezirken angelangt, an der langgezogenen Rückwand eines Cu-Pa-Stalls, stießen sie auf einen städtischen Daten- und Energieverteilerkasten. Ben entfernte die Abdeckung und stöpselte sich in die Datenbuchsen ein.
Innerhalb weniger Sekunden fand er, was er brauchte: einen alten Notfall-Evakuierungsplan einschließlich einer Karte, die die Ausgangspunkte der Pumpstation zeigte. Luke entschied sich für den Zugang, bei dem es am unwahrscheinlichsten war, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt unter Beobachtung stand, eine Luke, die sich mitten auf einem großen Topato-Feld befand. »Dort treffen wir uns in zwanzig Minuten.«
Ben, Luke und Vestara brauchten insgesamt zwei Minuten, um das Feld zu erreichen und sich zu dem Zugang zu schleichen. Die Luke, eine Durastahlscheibe mit einem wetterfesten alphanumerischen Tastenfeld und einem großen Metallring, um das Schloss zu öffnen und zu entriegeln, bildete die Abdeckung eines Permabetonzylinders, der ungefähr einen Meter aus der Erde aufragte.
Ben warf seinem Vater einen neugierigen Blick zu. »Irgendwie hatte ich erwartet, dass wir zu einer der anderen Luken gehen und diese beiden Reporter hier zurücklassen, damit sie in Sicherheit sind.«
Luke bedeutete ihm, sich am Schließmechanismus ans Werk zu machen. »Nein, wir brauchen das Relaissystem, um das ich gebeten habe, tatsächlich. Wir brauchen es, und die Galaxis braucht es.«
Vestara musterte ihn mit einem fragenden Stirnrunzeln. »Warum?«
»Jedi-Geheimnis.«
Sie stieß einen verbitterten Laut aus. »Nicht gerade sehr vertrauensvoll von Euch.«
»Korrektur – Jedi-Großmeister-Geheimnis. Du wirst feststellen, dass ich Ben das ebenfalls nicht verrate.«
Ben konzentrierte sich auf das in die Oberfläche eingelassene Tastenfeld. »Mein Dad vernachlässigt und missbraucht mich.«
»Stimmt«, sagte Luke. »Und wenn du irgendwann selbst Vater bist, wirst du feststellen, wie viel Spaß das macht.«
Zehn Minuten später stießen Kandra und Beurth wieder zu ihnen. Kandra trug einen Stoffbeutel, der sich vor lauter kleinen Duraplastkästen wölbte. Beurth hatte eine Kabelspule über der Schulter, die halb so groß wie ein Mann war. Beide kamen vornübergebeugt näher, in Holodrama-Spion-Manier, obwohl der tobende Staubsturm derartige Sicherheitsvorkehrungen unnötig machte.
Luke besah sich ihre Beute. »Sind die Datapads und Komlinks in dem Beutel?«
Kandra nickte. »Alles brandneu. Wir sind durch die Hintertür in einen Elektroladen eingebrochen und haben das Geschäft ausgeraubt. Nun, nicht richtig ausgeraubt. Wir haben unsere ganzen Credmünzen und einige allgemeingültige Credkarten als Bezahlung dagelassen.«
Luke rollte das Kabelende von der Spule ab und wandte sich an Beurth. »Graben Sie am Rande des Felds eine kleine Furche – Ihre Stiefelferse wird genügen –, dann entlang irgendwelcher Sand- oder Erdstraßen, bis hinaus zum Stadtrand. Legen Sie dann den ersten Abschnitt des Kabels in diese Furche und decken Sie es mit Erdreich zu. Ich möchte nicht, dass irgendjemand im Ort das Kabel entdeckt. Rollen Sie diese Spule dann so weit aus, wie das Kabel reicht, und stöpseln Sie an dieser Stelle das letzte Datapad ein.«
Beurth grunzte, nickte und machte sich an die Arbeit.
»Geschafft.« Ben stöpselte sein Datapad aus der Außenbuchse der Luke aus und tippte dann einen achtstelligen Code in das Tastenfeld ein. Die Luke zischte. Ben packte den Metallring darauf und zog sie auf. Warme Luft strömte heraus.
Luke spähte in die Tiefe, schätzte ab, welche Abschnitte des Permabetonzylinders frei von elektronischen Schaltkästen waren, und richtete sich auf. Er löste sein Lichtschwert vom Gürtel und aktivierte es, ehe er die Spitze langsam seitlich in den Permabeton stieß, um ein sauberes Loch durch das Material zu brennen.
Ben sah ihn mit gespielter Verärgerung an. »Wenn du das ohnehin vorhattest, warum musste ich mir dann die ganze Mühe machen, das Sicherheitssystem zu knacken?«
»Vertrau mir.«
»Grrr.«
Luke schaltete seine Waffe aus, hängte sie an seinen Gürtel zurück und schob ein etwa zehn Meter langes Stück von Beurths Kabel in das Loch. »Verwende etwas Raumklebeband, um das am Permabeton zu befestigen, und mach das Kabel irgendwie unkenntlich. Und stöpsel das Loch wieder zu, das ich gemacht habe.«
Nach Beurths Rückkehr, sobald er und Kandra damit begonnen hatten, die Spule in der Furche auszurollen und das Kabel mit Erde zu bedecken, kletterten die Skywalkers und Vestara durch die Luke und zogen sie hinter sich zu. Sie stiegen eine Leiter hinab, die aus nichts weiter bestand als aus in die Permabetonmauer eingelassenen Durastahlsprossen, und kletterten in die Pumpstation hinunter. Der Fußboden fünf Meter tiefer war aus Naturstein, ein abschüssiger Tunnel, vor Urzeiten geschaffen von Wasserbewegungen.
Als er den Boden erreicht hatte, verwendete Luke weiteres Klebeband, um das Kabel an der Wand zu befestigen, und stöpselte dann eins der Datapads am Kabelende ein. Er verbrachte einige Minuten damit, sich Zugriff auf ein einfaches Kom-Programm zu verschaffen. Dann nickte er. »Wir haben eine Bestätigung von Kandra. Sie haben den Transmitter am anderen Ende aufgestellt. Fürs Erste verfügen wir über eine zuverlässige Verbindung zur Außenwelt.« Er schaute zu Vestara auf. »Die Sith, die uns angegriffen hat – kannst du ihr oder auch ihren Kameraden eine Nachricht zukommen lassen?«
Sie bedachte ihn mit einem erstaunten Blick. »Ich habe keinen Kontakt zu ihr. Aber ich kenne sämtliche normalen Vorgehensweisen. Die Kom-Frequenzen, die sie überwachen, die Alarmcodes, die mein Volk üblicherweise verwendet. Wenn ich auf eine Handvoll unterschiedlicher Arten eine Botschaft rausschicken würde, würden eine oder alle sie erreichen.«
Luke reichte ihr das Datapad. »Bitte tu das. Sag ihnen, wo wir sind, und dass Abeloth hier ist.«
Sie nahm das Datapad entgegen, sah ihn jedoch unsicher an.
»Komm schon, Vestara! Du hast die Sith doch nach Nam Chorios gerufen, oder? Weil du wusstest, dass wir sie ohne die Stärke, die sie aufbringen können, niemals in Schach halten und vernichten können.«
»Ja.«
»Ich bin nicht wütend auf dich, bloß enttäuscht. Du hast im Interesse der Galaxis eine taktisch kluge Entscheidung getroffen als Reaktion auf eine, wie du dachtest, schlechte Entscheidung meinerseits. Ich will dich nicht kritisieren. Tatsächlich hatte ich sogar gehofft, dass du das tun würdest. Aus diesem Grund habe ich auch darauf gebaut, dass die Sith uns hierher folgen, doch deine Beteiligung hat sichergestellt, dass sie schneller und mit größerer Wahrscheinlichkeit hier eintreffen.«
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem Datapad zu und tippte eine Nachricht ein. »Meine einzige Sorge gilt der Vernichtung von Abeloth. Ich bringe mich selbst in Gefahr, indem ich die Sith hierhergeführt habe.«
»Ich weiß.«
Als ihre Aufgabe erledigt war, gab Vestara Luke das Datapad zurück. Er verstaute das Gerät und das Kabel in einer schattigen Spalte der Natursteinwand. Dann übernahm er die Führung, den Tunnel hinunter.