33 »Diese hinterhältige, bösartige Hure von einer Göttin!«

Éibhear hörte eine Stimme, die er seit fünf Jahren nicht mehr gehört hatte, die er aber sehr gut kannte. Annwyls Stimme. Doch als er sich umdrehte und die Gefährtin seines Bruders sehen wollte, schlug ihm Celyn ins Gesicht.

Knurrend richtete er seine ganze Aufmerksamkeit wieder auf seinen Vetter. Annwyl und der Grund, warum sie plötzlich in diesen Tunneln war, konnten warten.

Ein Horn, das kein Südländerhorn war, ertönte in der Ferne, und Edana, die zusammen mit Austell versucht hatte, ihn und Celyn zu trennen, hielt sofort inne.

»Edana?«, fragte Breena. Éibhear hörte die Warnung in der Stimme seiner Cousine. Die Angst. Nun erbebte der Boden unter ihnen, und Edana packte sowohl Éibhear als auch Celyn am oberen Teil ihrer Brustpanzer. Ihr Schwanz peitschte hin und her und fand schließlich Halt an einem der Felsen, die aus dem Höhlenboden ragten. Kaum eine Sekunde später tat sich der Boden auf. Alle waren völlig überrascht und fielen hin. Aber Edana hielt Éibhear und Celyn fest gepackt. Breena erwischte Annwyl, und Nesta fing Breena auf und riss die beiden auf sicheres Gelände. Doch niemand, absolut niemand kümmerte sich um Austell. Der Sturz war so kurz, dass seine Flügel ihm auch dann nicht von Nutzen gewesen wären, wenn er daran gedacht hätte, sie auszubreiten. Außerdem war es nicht der Sturz, der ihn tötete – es war die Reihe der angespitzten Stahlstäbe, die nebeneinander im Boden steckten.

Éibhear blieb nur ein kurzer Augenblick, um zu begreifen, dass sein Freund und viele seiner Kameraden von diesen Stacheln aufgespießt worden waren, bevor die Eisendrachen aus der Öffnung strömten, die die gesamte Länge und Breite des Tunnels durchzog. Während sie monatelang ihren Tunnel gegraben hatten, hatten die Eisendrachen darunter einen weiteren angelegt. Und auf diesen Moment gewartet.

»Alle raus!«, brüllte Edana. »Raus! Bewegt euch!« Sie warf Éibhear und Celyn in die Luft, und die beiden breiteten die Flügel aus und stiegen in die Höhe. Doch alles, was Éibhear sah, war Austell. Er sah, wie das eigene Gewicht seinen Freund auf den Stab spießte; er sah dessen weit geöffnete, glasig werdende Augen, als er noch zweimal zu atmen versuchte und dann reglos wurde.

»Éibhear!«, rief Celyn. »Komm schon!«

Ein Eisendrache stürmte heran und stieß mit seinem Stahlspeer in Éibhears Richtung. Aber Éibhear packte die Waffe und verbog sie mit einer Klaue.

Und da kam eine Wut über ihn, die er nie zuvor gekannt hatte.

Wie schon einige Stunden zuvor erbebte auch nun wieder die Erde unter Gwenvaels Klauen. Er schaute nach unten und erwartete, dass sich der Boden auftat oder etwas explodieren würde, wie die Eisendrachen die Polycarp-Berge hatten explodieren lassen. Doch nichts geschah. Zumindest nicht in seiner unmittelbaren Umgebung. Dann aber hörte er, wie einer seiner jüngeren Vettern vom Eingang zu ihrer Höhle aus rief: »Die Tunnel! Sie kommen unter den Tunneln hervor!«

Gwenvael sah seine Brüder an, und sie alle dachten dasselbe. Éibhear.

Doch dann griffen die Eisendrachen plötzlich an und trieben sie zurück.

Breena hielt die Königin noch in den Armen, während die Truppen, die an dem Tunnel gearbeitet hatten, aber nicht in die Todesfalle unter ihnen gestürzt waren, in die Höhle stürmten. Ihre ältere Schwester Delen versuchte alles unter Kontrolle zu bringen, damit ein Gegenangriff gestartet werden konnte. Aber es waren junge Rekruten und die meisten von ihnen unerfahren. Für einige war es ihre erste richtige Schlacht, und sie gerieten in Panik.

»Bring mich dahinten hin!«, befahl Annwyl ihr. »Setz mich auf diesem Felsblock ab.«

Breena gehorchte, und Annwyl rief mit einer Stimme, die die Wände erzittern ließ: »He!«

Jeder Soldat und Korporal, der daran gewöhnt war, von seinem Vorgesetzten angeschrien zu werden, sah sofort zu ihr.

»Beruhigt euch!«, befahl die Herrscherin. »Sofort. Ihr habt keine Zeit für so etwas. Ihr da …« Sie deutete mit ihrem Schwert auf Celyn und einige seiner Geschwister. »Ihr geht wieder hinein und helft Éibhear. Er kämpft ganz allein dadrinnen.« Als sie weiterhin einfach stehen blieben und sie anstarrten, brüllte sie: »Steht nicht herum, ihr Schwachköpfe! Bewegt euch!« Endlich gehorchten sie.

»Du!« Sie zeigte auf Delen. »Hol eure Mutter. Hol Ghleanna. Hol sie alle! Sag ihnen, was passiert ist. Sag ihnen, dass die Eisendrachen durch den Boden des Tunnels eindringen.«

»Aber …«

»Sie werden alle überwältigen und die Armee von innen heraus vernichten. Das können wir nicht zulassen, also beweg dich!«

Edana trat vor. »Was sollen wir tun, Annwyl?«

»Die Cadwaladr-Drillinge.« Sie grinste. »Ihr kommt alle mit mir.«

Fearghus wich einem Eisendrachenspeer aus, der auf sein Gesicht zugeflogen kam, und wehrte ein Schwert ab, das auf seinen Bauch zielte. Eine seiner Cousinen kam von hinten und rammte einem Drachen ihr Breitschwert in den Rücken, während Fearghus einem anderen die Beine abhackte.

»Fearghus!« Delen landete neben ihm. »Wo ist Mum? Ghleanna?«

Er zeigte mit seinem Schwert vor sich. »Eine Meile in diese Richtung. Warum?«

»Die Eisendrachen.« Delen schüttelte den Kopf. »Sie haben den Tunnelboden aufgerissen und strömen nun in die Festung. Annwyl sagt …«

Fearghus sah nur noch seine Cousine an und beachtete den Eisendrachen zu seinen Füßen nicht mehr, der sich ohne Beine wegzuschleppen versuchte. »Annwyl? Annwyl ist hier?«

»Ja. Sie ist mit den Drillingen weitergezogen.« Delen schüttelte noch einmal den Kopf. »Hier drinnen werden wir überrannt, Fearghus.«

»Briec, Fearghus, geht!«

»Was ist mit dir?«, fragte Briec. Gwenvael rief bereits seine Truppen zusammen, damit sie ihm folgten.

»Mach dir um mich keine Sorgen. Éibhear ist dadrin«, rief er ihm in Erinnerung. »Und Mum wird uns den Kopf abreißen, falls dem kleinen Mistkerl etwas zustößt.«

Colonel Ampius saß auf seinem Pferd neben Lord Laudaricus Parthenius.

»Wie lange noch?«, fragte Parthenius Ampius.

»Bald ist es so weit. Oberherr Thracius hat die Südländer-Drachen zwischen seiner Armee und den Hesiod-Bergen eingekesselt. Und die Armee von Annwyl der Blutrünstigen wird beim Eingang zum Pass aufgehalten.«

»Gut. Sobald Thracius den Befehl gibt, vernichten wir alles, was noch von der Armee der Königin übrig ist.«

»Ja, Herr.«

Ein anderer Kommandant beugte sich vor. »Weitere Drachen, Herr.«

»Setzt die Speere ein.«

»Ja, Herr.«

Die anderen Kommandanten gaben lautstark Laudaricus’ Befehle weiter, und er lehnte sich zurück und sah zu. Die Soldaten luden das gigantische Katapult; einige fünfundzwanzig Fuß lange Holzspeere waren bereits in den Mechanismus eingelegt.

Die Drachen kamen näher und wichen im Flug den Pfeilen aus, die auf sie abgeschossen wurden.

»Beeilt euch mit den Speeren, ihr wertlosen Bastarde!«, brüllte Ampius.

Sobald der Befehl gegeben war, flogen die Speere. Sie hatten ihre Ziele fast erreicht, als die drei Drachen gleichzeitig in der Luft wendeten und die Speere an ihnen vorbeiflogen. Es war seltsam, dass sie sich alle gleichzeitig in die gleiche Richtung bewegen konnten. Normalerweise wurde mindestens ein Drache getroffen, während die anderen den Speeren auszuweichen versuchten.

Die Drachen flogen weiter auf sie zu.

»Macht die Speere wieder fertig!«, befahl Parthenius.

Rasch wurde der Mechanismus nachgeladen und in Stellung gebracht. Die drei Drachen hatten sie nun schon fast erreicht. Sie waren fast über den Kriegern. Wenn sie nun niedergingen, um direkt anzugreifen, würden die Pfeile und Speere sie sicherlich aus der Luft holen. Doch stattdessen wich derjenige in der Mitte plötzlich zur Seite aus, und etwas fiel von seinem Rücken herunter.

»Was bei allen Höllen ist das denn?«, fragte Parthenius.

»Ich weiß es nicht, aber …« Ampius verstummte und sah mit offenem Mund zu, wie eine Frau auf dem Rücken von Parthenius’ weißem Hengst landete, dem Anführer zwei Schwerter in Schulter und Rückgrat rammte und ihn damit sofort tötete.

Die Frau zog ihre Klingen wieder hervor, stieß Parthenius’ Leichnam von dem unruhigen Pferd und setzte sich selbst in den Sattel.

Grinsend sah sie die Männer um sie herum an.

»Hallo, Jungs.« Ihr Grinsen wurde breiter, und Ampius verspürte zum ersten Mal seit langer Zeit wieder richtige Angst. »Ich heiße Annwyl.«

Fearghus und Ragnar standen nun Seite an Seite und kämpften sich durch die Reihen der hereindrängenden Eisendrachen. Aber da sich die Truppen seines Bruders in den Höhlen befanden, würden sie schnell überwältigt werden, das wussten sie beide.

»Rückzug!«, rief Ragnar nach einem Nicken von Fearghus. »Rückzug!«

Sofort zogen sich die Truppen zurück, und die Eisendrachen drängten nach und griffen an.

»Mist«, murmelte Ragnar.

»Ja. Ich weiß.« Aber den Truppen rief er zu: »Die Schilde!« Die Soldaten stellten sich auf und hielten die Schilde gegeneinander. »Stellung halten!«

Die Eisendrachen prallten gegen die Schilde. »Stellung halten!«, schrie Fearghus und schlug mit seinem Schwert auf die Eisendrachen ein.

Wenige Augenblicke nach dem Befehl zum Rückzug – den er nur sehr ungern gegeben hatte – blitzte ein Licht auf, und Fearghus beobachtete, wie Drachen und Menschensoldaten von irgendwoher – er wusste nicht, woher sie kamen – gegen die Eisendrachen anrannten und sie zerschmetterten.

Die vorrückenden Eisentruppen wandten sich diesem neuen Angriff zu und eilten ihren Kameraden zu Hilfe.

Aus dem Getümmel von Drachen und Menschen ragte eine Gestalt hervor. Sie schien ein Eisendrache zu sein, hatte die Farbe von Stahl, aber lange Haare wie die Südländer und eine Augenklappe.

Mächtig stand die Gestalt da und starrte aus ihrem unverletzten Auge auf das, was um sie herum vorging.

»Wer zum Henker ist das denn?«, fragte Fearghus.

»Ich glaube, das ist der … warte. Ist das da nicht Izzy?«

Fearghus beugte sich vor und kniff die Augen zusammen. Ja. Ja, das war Izzy, die gerade auf Branwens Rücken kletterte. Die beiden stiegen in die Lüfte auf.

»Was bei allen Höllen …«

Die Eisendrachen bildeten erneut eine Formation; ihre Kommandanten hatten wieder Ordnung in ihre Reihen gebracht. Aber der Eisendrache mit der Augenklappe schien nicht in der Stimmung zu sein, abzuwarten. Er gab den Befehl zum Angriff, und die Eisendrachen, die bei ihm waren, gehorchten sofort. Doch sie griffen nicht die Südländer an, sondern die anderen Eisendrachen. Thracius’ Soldaten!

Mitten im Gemenge sah Fearghus, wie zwei andere Drachen landeten. »Das ist Rhona!« Er grinste. »Und dein Bruder.«

Ragnar senkte den Kopf und schloss kurz die Augen. »Er lebt«, sagte er leise. »Er lebt.«

»Und irgendwo hier ist auch Annwyl. Vermutlich tötet sie gerade alles, was sich ihr in den Weg stellt.«

Brannie landete hinter einigen Bäumen, von wo aus sie einen klaren Blick auf die Schlacht hatte. »Wir müssen Annwyl finden«, sagte sie zu Izzy.

»Nein.«

»Nein? Was soll das heißen?« Brannie war der Meinung gewesen, dass Izzy genau das und nichts anderes tun wollte.

»Sieh mal nach dort drüben.«

Sie folgte mit dem Blick Izzys ausgestreckter Hand. »Ja, und?«

»Das kann nur er sein, oder? Sieh dir die Rüstung an … und die Art, wie er hoch oben auf diesem Hügel steht und Befehle erteilt. Das muss er sein.«

»Wer muss das sein? Wovon redest du?«

»Das ist Oberherr Thracius.«

»Ach ja?« Als Izzy nichts weiter sagte, explodierte Brannie. »Du hast den Verstand verloren!«

»Hör mir zu …«

»Nein!«

»Sie erwarten keinen Angriff von uns.«

»Dafür gibt es einen guten Grund. Ich bin eine einfache Soldatin, und du bist ein Knappe.«

»Ich sage ja nicht, dass wir ihn töten sollen.«

»Das können wir auch nicht.«

»Aber vielleicht gelingt es uns, ihn zu verwunden, sodass Gaius ihn erledigen kann. Ansonsten fliegt er davon, und das Ganze hat noch immer kein Ende.«

»Du bist genauso verrückt wie Annwyl.«

»Aber sie hat recht. Sie mag verrückt sein, aber sie hat recht.« Sie legte die Hand auf Brannies Schulter. »Wir müssen ihn bloß verwunden, Bran. Und dann rennen wir um unser Leben.«

»Versprochen?«

Sie klopfte Brannie auf den Rücken. »Versprochen. Ich habe noch große Pläne. Schließlich kann ich keine Generalin mehr werden, wenn ich tot bin.«

»Ja. Das nimmt mir wirklich alle Sorgen, Cousine.«

Und Izzys Lachen … machte es auch nicht gerade besser.

»Es hätte für ihn einen einfacheren Weg geben müssen«, beschwerte sich Rhona, als sie sich nach der Landung im Matsch den Schmutz von ihren Schuppen zu wischen versuchte.

»Sei froh, dass du dich zurückverwandelt hast, bevor wir hierhergekommen sind.« Vigholf zuckte zusammen. »Einigen von Gaius’ menschlichen Truppen ist es nicht so gut ergangen.«

Sie sah sich um und nickte. »Wenigstens sind wir hier. Wir sind zurück. Ich muss meine Schwestern finden.«

Rhona wollte weggehen, doch Vigholf ergriff ihre Klaue. »Sei vorsichtig. Wir haben viel zu besprechen, wenn das hier vorbei ist.«

»Allerdings«, stimmte sie ihm zu.

Er nickte und sagte plötzlich: »Hinter dir.«

Sie riss ihren Speer hoch, wirbelte herum und pfählte den Eisendrachen, der auf sie zugelaufen war. Sie schleuderte ihn herum, und Vigholf hieb mit seinem Hammer auf ihn ein, zerschmetterte ihm den Schädel und gab ihm damit den Rest.

Sie lächelten einander lange an; dann breitete Rhona ihre Schwingen aus, flog hoch in den Himmel und spießte währenddessen etliche Eisendrachen auf.

Vigholf stieß einen Seufzer aus und versuchte, nicht zu beachten, wie sehr ihn allein ihr Anblick erregt hatte. Er drehte sich um und befand sich plötzlich Schnauze an Schnauze mit seinem Bruder.

»Du … lebst also noch?«, fragte Ragnar.

»Soweit ich weiß, ja.«

»Und der Drache da drüben? Der mit der sexy Augenklappe, wie Keita sich ausdrücken würde?«

»Das ist Gaius, der Rebellenkönig.«

»Also hat Annwyl es geschafft?«

»Hast du je daran gezweifelt?«

Ragnar schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich.«

Vigholf schulterte seine Waffe. »Wir sollten es endlich hinter uns bringen, Bruder. Wir müssen einen Oberherrn loswerden, ich möchte eine Frau in Besitz nehmen, und wir müssen ein paar Stammeskrieger von der Insel Garbhán vertreiben.«

Ragnar seufzte. »Verdammt viel Arbeit. Ich kann es nicht erwarten, endlich einen richtigen Urlaub zu machen.«

»Wir sind Nordländer. Wir machen keinen Urlaub.«

»Um der Götter willen, halt doch wenigstens ein einziges Mal deinen verdammten Mund.«

Brastias atmete etwas leichter, als er einen Luftangriff in Gestalt von drei Drachinnen beobachtete. Sie waren klein, aber das schien sie nur schneller zu machen – und noch ein bisschen gemeiner. Sie schleuderten die feindlichen Soldaten herum wie Spielzeugpuppen und zerstörten mit einem Lächeln alle Waffen, die auf Drachen gerichtet waren.

Eine von ihnen flog zu Brastias hinunter, fuhr dabei die Hinterbeine aus und zerschmetterte mehrere Soldaten, mit denen er gekämpft hatte.

»Lauf weg!«, befahl sie und deutete in die Richtung, in der die Armee unterwegs war. »Annwyl ist da drüben. Sie kämpft ganz allein!«

Entsetzt hielt Brastias inne und starrte die Drachin an.

»Steh nicht dumm herum, du Tölpel! Beweg dich!«

Er pfiff sein Pferd herbei und saß auf. »Danelin! Ruf die Truppen zu mir! Wir gehen zu Annwyl!« Er konnte nicht anders, als seinen Stellvertreter anzugrinsen. »Wir gehen zu unserer Königin.«

Rhona bog um die Ecke und sah, wie Annwyl vom Pferderücken aus einige feindliche Kommandanten niedermetzelte, während ihre Truppen sich aus einem Seitenpass ergossen und auf die gegnerischen Soldaten losgingen.

»Rhona!«, riefen drei Stimmen im Chor, und dann waren die Drillinge bei ihr, umarmten sie und quietschten vor Vergnügen wie frisch geschlüpfte Küken. Sie erwiderte die Umarmungen und war froh, sie alle wohlauf zu sehen.

»Ich bin so glücklich, dass du wieder da bist, Rhona«, sagte Edana. »Um ehrlich zu sein, wissen wir nicht, wie du das alles schaffst. Dich um alles zu kümmern. Das ist doch ein verdammter Albtraum.«

»Edana hat sich damit abgemüht, du zu sein«, neckte Breena sie.

»Wir haben sie ausgelacht«, gab Nesta zu.

»Ich bin froh, dass es euch gut geht. Wie ist die Lage?«, fragte Rhona.

Die Drillinge wurden sofort wieder ernst, und Edana sprach als Erste. »Sie haben uns eine Falle gestellt, Rhona. Sie haben ihre Falle direkt unter unseren Tunneln gebaut.«

»Vor ein oder zwei Tagen haben wir plötzlich ein paar von ihnen in den Höhlen gefunden, aber wir glaubten, nur einen weiteren Zugang übersehen zu haben. Aber sie waren die ganze Zeit unter uns – wörtlich gesprochen.«

»Sie haben den richtigen Zeitpunkt abgewartet«, fügte Breena hinzu. »Und der war wohl heute Morgen gekommen. Zuerst haben sie die Polycarp-Berge dem Erdboden gleichgemacht und uns damit hervorgelockt.«

»Wie viele haben wir verloren?«, fragte Rhona, die nicht vor der Wahrheit zurückschreckte, auch wenn es ihr um jeden toten Soldaten schmerzlich leidtat.

»Ein paar von den Rekruten«, antwortete Edana. »Wir waren gerade dabei, die Tunnel zu evakuieren, als sie losgeschlagen haben. Sie haben uns im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen weggezogen.«

Nesta senkte den Blick, in dem der Schmerz offensichtlich war. »Wir haben Austell verloren, Rhona. Sie hatten Speere unter dem Tunnel aufgestellt, und als der Boden zusammengebrochen ist …«

Rhona hob die Klaue und schnitt ihr das Wort ab. »Austell ist tot? Wo sind Éibhear und Celyn?« Austell entfernte sich nie weit von den beiden. Wenn er in dem Tunnel gewesen war, dann hatten sich vermutlich auch ihre dummen, dummen Vettern darin befunden.

»Sie kämpfen gegen die Eisendrachen, die durch den Tunnel kommen.«

»Aber der Feind schickt seine Elitetruppen dorthin. Die beiden können nicht mehr lange …«

»Celyn ist zurückgegangen, um nach Éibhear zu sehen«, erklärte Edana. »Éibhear wollte nicht weggehen. Er ist wütend, Rhona.«

Im Chor sagten die Drillinge: »Sehr, sehr wütend.«

»Ich glaube, er macht sich Vorwürfe«, sagte Nesta leise. »Wegen Austells Tod.«

»Ich weiß nicht, wie es jetzt ist«, fuhr Edana fort, »aber eine Zeitlang war Éibhear der Einzige, der die Eisendrachen aufhalten konnte – bis Gwenvael und Briec mit ihren Truppen eingetroffen sind.«

Breena nickte und sagte: »Meinhard ist auch da.«

»Was sollen wir tun, Schwester?«, fragte Edana.

»Ihr müsst die Botschaft verbreiten, dass wir den Rebellenkönig mitgebracht haben, der uns im Kampf gegen Thracius hilft.«

»Wer?«

»Das erkläre ich später. Er und seine Truppen sind Eisendrachen, und es sind auch Menschen aus den Hoheitsgebieten darunter, aber es sind keine Freunde des Oberherrn. Diese Drachen tragen ihr Haar lang, und die Menschen sind nicht in das Rot und Gold gekleidet, das unsere Feinde tragen, sondern in Schwarz und Silber. Ihr müsst es allen Kommandanten sagen.« Sie seufzte leise. »Insbesondere Mum. Sie müssen wissen, dass Gaius und seine Truppen zu unserer Allianz gehören. Sie dürfen nicht absichtlich verletzt werden. Besonders Gaius nicht. Er ist möglicherweise der Einzige, der Thracius töten kann. Und jetzt geht und sagt es allen.«

Als ihre Schwestern fort waren, ließ sich Rhona neben Annwyl nieder.

»Annwyl! Ist alles in Ordnung?«

Die Königin zog gerade ihr Schwert aus einem Leichnam. »Mir geht es gut. Ich fühle mich großartig! Wie schlagen wir uns?«

»Ich weiß es noch nicht. Es war eine Falle, Annwyl. Die Eisendrachen haben sich durch die Tunnel nach oben gegraben. Ich will nachsehen, wie es um die Truppen dadrinnen steht.«

»Geh nur. Bei mir ist alles in Ordnung.« Sie grinste und deutete auf ihre Armee, die vom Pass herbeigeritten kam. »Meine Truppen sind hier. Sieh nur, Morfyd ist ebenfalls angekommen.« Sie schwenkte ihre Schwerter, um Morfyds Aufmerksamkeit zu erregen, und Rhona musste sich nach hinten beugen, um von den verdammten Dingern nicht getroffen zu werden.

»Morfyd!« schrie die Königin. »He! Morfyd!« Als Morfyd endlich auf sie zukam, winkte Annwyl Rhona fort. »Hilf den anderen. Ich komme schon zurecht.«

Rhona nickte und wollte gerade in die Luft steigen, als Annwyl sagte: »Oh, übrigens waren die Drillinge großartig. Du hast sie gut angelernt.«

Überrascht stotterte Rhona: »Oh, äh … danke.«

»Geh jetzt. Ich will das hier zu Ende bringen, und dann werden meine Truppen Gaius helfen.«

»Ich danke dir, Annwyl.«

»Nein.« Ganz kurz sah Rhona die wahre Annwyl. Die geistig gesunde, die ihre Nachkommen und ihren Gefährten liebte, ihr Volk verehrte und bereit war, für sie alle zu sterben. Mehr als einmal. »Ich danke dir. Für alles.« Dann kehrte dieses verrückte Grinsen zurück, und Annwyl sagte: »Geh jetzt. Ich muss noch eine Menge Köpfe rollen lassen, bevor der Tag vorbei ist.«

Morfyd kam schlitternd vor ihnen zum Stillstand, nachdem sie ihre Krallen in einige feindliche Soldaten gebohrt hatte.

»Morfyd!«, begrüßte Annwyl fröhlich ihre Kriegszauberin.

»Du Kuh!«, gab Morfyd knurrend zurück.

Annwyl keuchte. »Warum blaffst du mich an? Was habe ich getan?«

»Was du getan hast? Du bist weggegangen! Das hast du getan, du unmögliche Frau! Ohne mir oder Brastias ein Wort zu sagen! Und hast einfach meine leicht zu beeindruckende Nichte und meine junge Cousine mitgenommen!«

»Wage es nicht, mich anzuschreien, Prinzessin! Ich bin die Königin! Ich herrsche! Und wenn ich mich mit deiner Nichte und deiner Cousine oder ohne sie auf eine Selbstmordmission begeben will, dann darf ich das! Weil ich die Königin bin!«

»Du bist die närrischste und unerträglichste Frau, die mir je begegnet ist!«

»Und du bist nichts als eine weinerliche Prinzessin! Da! Ich habe es gesagt! Jetzt kennen alle die Wahrheit!«

Rhona wollte sich nicht einmischen. Sie breitete ihre Schwingen aus, erhob sich in die Lüfte und flog auf die Höhlen und den Albtraum zu, der sie dort vielleicht erwartete.

Dragon Sin: Roman
titlepage.xhtml
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_000.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_001.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_002.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_003.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_004.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_005.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_006.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_007.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_008.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_009.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_010.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_011.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_012.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_013.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_014.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_015.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_016.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_017.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_018.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_019.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_020.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_021.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_022.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_023.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_024.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_025.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_026.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_027.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_028.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_029.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_030.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_031.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_032.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_033.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_034.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_035.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_036.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_037.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_038.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_039.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_040.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_041.html
CR!CKN6Y7DTQD7HH81PDKWZNZYQTGAY_split_042.html