21 Rhona war beeindruckt, als Vigholf die Früchte nicht zurück auf das Pferd schleuderte, sondern sie einfach aufaß. Diese beiden würden nie Freunde werden, und worin lag der Sinn, Nahrungsmittel zu verschwenden?
Wie sie bereits befürchtet hatte, gehörte Vigholf zu jenen, die nach dem Vögeln immer hungrig waren. Es ist, als wollte man ein bodenloses Loch füllen.
Er gab ihr ein Stück Brot, und Rhona war dankbar dafür, dass er wenigstens teilen konnte.
»Wir müssen etwas mit unseren Haaren machen«, verkündete Vigholf plötzlich. Es klang seltsam dafür, dass sie gerade nackt nebeneinander auf dem Schlafsack saßen.
»Was denn?«
»Wir haben Kriegerzöpfe. Die Haare der Soldaten aus den Hoheitsgebieten mögen dafür zu kurz sein, aber bei Fremden werden sie es bemerken.«
Er hatte recht.
Rhona schob sich den letzten Bissen Brot in den Mund und wischte sich die eine Hand an der anderen ab. »Ich kümmere mich zuerst um deine Haare«, sagte sie, während sie hinter ihn kroch. Sie kniete sich hin, ergriff einen seiner Zöpfe und machte sich daran, ihn zu entwirren. Je weiter sie kam, desto öfter fuhr sie mit den Fingern durch seine Haare und genoss es, wie sich Vigholf dabei entspannte. Es dauerte einige Zeit, aber es musste getan werden, wenn sie darauf hoffen wollten, nicht aufzufallen, während sie sich auf der Straße den Provinzen näherten.
»Jetzt bist du an der Reihe«, sagte Vigholf und drehte sie zu sich um.
Zu ihrer Überraschung gelang es ihm, ihre Haare ohne Hilfe zu entflechten. Sie war sich nicht sicher gewesen, ob seine Finger dazu in der Lage waren, doch inzwischen musste sie eingestehen, dass sie ziemlich … geschickt waren.
Sie lachte leise, und Vigholf fragte: »Was ist?«
»Nichts.« Rhona legte die Hände auf Vigholfs Knie, aber wenn er seine langen Beine anwinkelte, lagen ihre Arme zu hoch, und so schlang sie sie ihm um die Hüften. Es fühlte sich verwerflich an, so im Schoß des einstigen Feindes zu liegen. Aber es gefiel ihr. Es gefiel ihr, verwerfliche Dinge zu tun.
Rhona wartete geduldig darauf, dass der Nordländer mit ihren Haaren fertig wurde. Sie hatte den Eindruck, dass das, was er gerade tat, intimer war als das, was er vorhin mit ihrem Körper gemacht hatte.
»Lässt du dir manchmal die Haare über die Schultern wachsen?«, fragte er.
»Eigentlich nicht. Wenn sie zu lang werden, gehe ich das Risiko ein, dass meine eigenen Haare sich im Nahkampf gegen mich wenden. Ich kann sie allerdings nicht so kurz tragen wie meine Tante Ghleanna. Sie hat das Gesicht dafür, ich aber nicht.« Sie klopfte sich auf die Wangen. »Ich habe nicht so hohe Wangenknochen wie sie.«
»Aber du hast Grübchen.«
»Sei still.«
»Hast du aber.«
»Ich weiß, sei aber trotzdem still.«
Er kicherte, und seine Finger strichen über ihre Kehle, während er einen neuen Zopf aufnahm. Als er fertig war, fuhr er mit den Händen durch ihre offenen Haare, und Rhona stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte er, während er ihr sanft die Kopfhaut massierte. Das hatte noch nie jemand bei ihr getan.
»Man könnte sogar sagen, mir geht es bestens. Im Augenblick zumindest.«
Er küsste sie auf den Hals. »Gut.«
Rhona schloss die Augen und plante bereits den nächsten Tag. Sie mussten durch gefährliches Feindesgebiet reisen und nach einer verrückten Königin suchen. Das war nicht gerade ein Spaß. Und dennoch …
»Ich bin froh, dass du mich begleitest.« Sie sah Vigholf über die Schulter an. »Es ist schön, dass mir jemand den Rücken freihält.«
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
Sie glitt mit der Hand in seine Haare, packte einige Strähnen mit festem Griff und zog ihn näher an sich heran. »Gut. Aber komm mir nicht in die Quere.«
»Da besteht keine Gefahr. Nicht wenn du andauernd versuchst, mich mit deinem verdammten Speer aufzuspießen.«
Sie grinste und küsste ihn heftig.
Ja, sie war wirklich froh, dass er bei ihr war.
Rhonas Kuss war heftig und voller Lust, was ihn überraschte, da Vigholf sich schon immer gefragt hatte, ob sie im Bett wohl genauso militärisch war wie auf dem Schlachtfeld. Sie war es nicht. Nicht einmal annähernd. Sie nahm, sie gab, und sie hielt sich nicht zurück. Zumindest nicht bei ihm. Gerade war sie damit beschäftigt, ihn zu Boden zu drücken, auf ihn zu klettern und seine Männlichkeit in ihr zu versenken.
Sie lächelte auf ihn herunter, die braunen Haare hingen ihr ins Gesicht, und mit ihren verdammten Grübchen sah sie unglaublich bezaubernd aus.
Vigholf packte ihre Hüften, und das Gefühl ihrer Muschi, die sich abwechselnd zusammenzog und wieder dehnte, machte ihn wahnsinnig. Sie lehnte sich zurück und ritt ihn, hielt seine Schenkel gepackt und grub ihre Nägel in das Fleisch. Sie genoss es, und er genoss sie.
Er umfasste ihre Brüste und reizte die Nippel mit den Fingerspitzen. Doch bald brauchte er mehr. Er stieß sich vom Boden ab, legte die Arme um ihre Hüfte und drückte den Mund auf ihre Brust. Dann kreiste er mit der Zunge um den Nippel, zupfte mit den Lippen daran. Rhona stieß wieder ihren leisen, jammernden Laut aus, als sie ihn umschlang und fest gegen ihren Körper presste.
Er saugte und reizte sie weiter, während sie sein Glied drückte, ihn beinahe folterte, so unerträglich gut fühlte es sich an.
Rhona vergrub die Hände in seinen Haaren und drückte ihn an sich, während er ihre andere Brust packte. Sie beide ächzten und schwitzten, obwohl unter dem Schlafsack, auf dem sie saßen, Schnee lag. Es war kalt, aber es kümmerte sie nicht.
Vigholf hörte ein Schluchzen in Rhonas Kehle. Er rollte sie herum, sodass sie auf dem Rücken lag, und stützte sich mit den Handflächen rechts und links von ihr ab. Dann stieß er in sie, während ihr Körper unter ihm erbebte und ihre Lustschreie die Pferde im Schlaf störten.
Er kam sofort nach ihr; die Macht des Orgasmus fuhr ihm vom Kopf bis in die Zehen. Er brüllte vor Lust auf, ergoss sich in sie und brach so erschöpft und befriedigt, wie er es noch nie gewesen war, auf ihr zusammen.
Rhona gab ihm einen Stoß und schob ihn von sich. Vigholf stöhnte, als sein Glied aus ihr rutschte.
»Du bist nicht gerade federleicht, Nordländer.«
»Du auch nicht«, erwiderte er, was ihm einen kaum überraschenden Stoß in die Rippen einbrachte. Er hatte es verdient. Lachend zog er Rhona in seine Arme und drückte sie fest an sich.
Nach einer Weile meinte sie: »Weißt du, wir können so nicht weitermachen.«
Er beschloss, nicht zu heftig darauf zu reagieren, sondern fragte: »Nein? Und warum nicht?«
»Wir müssen diese ganze Sache hinter uns bringen und ins Tal zurückkehren.«
»Das werden wir auch. Du tust so, als hätten wir alle verraten.«
»Das haben wir vielleicht tatsächlich.«
Er zog sie noch enger an sich und küsste sie auf die Stirn. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich bin sicher, sie sitzen gelangweilt herum und warten darauf, dass dieser verdammte Tunnel fertig wird, damit wir die Eisendrachen fertigmachen können. Wir werden rechtzeitig zurück sein.«
»Aber …«
»Der Krieg geht schon seit fünf Jahren nicht voran, Rhona«, rief Vigholf ihr in Erinnerung. »Ich bezweifle, dass sie uns überhaupt vermissen.«
Ragnar überprüfte gerade die Vorräte, als Fearghus der Zerstörer und Briec der Mächtige hereinkamen. Ihre königlichen Rüstungen glänzten nicht mehr so wie damals, als sie an jenem frühen Morgen vor fünf Jahren in den Dunklen Ebenen aufgebrochen waren. Nun wiesen die Stahlplatten Kratzer auf, und in den Ritzen klebte Blut, das nicht mehr abgewaschen wurde. Briec hatte eine Speerwunde am Hals, die er nur knapp überlebt hatte. Eine Speerspitze hatte sich an Fearghus’ Schuppen, Fleisch und Muskeln vorbei in den Knochen gebohrt, sodass er nun humpelte, was sich in den Wintermonaten stets noch verschlimmerte.
»Wo ist unsere Schwester?«, wollte Briec wissen. Ragnar war inzwischen an dessen arrogante und grobe Art gewöhnt, was aber nicht bedeutete, dass er sie schätzte.
»Sie ist in die Dunklen Ebenen zurückgekehrt«, gab er zu.
»Allein?«
»Ren ist bei ihr.«
»Warum?«
»Zu ihrer eigenen Sicherheit.« Das war keine Lüge. Er hatte Keitas Rückkehr zugestimmt, weil er wusste, dass sie in den Südländern in Sicherheit sein würde. Aber den Rest erwähnte er nicht, denn Keita hatte wieder einmal, wie er widerstrebend zugeben musste, recht gehabt. Sie konnten es sich nicht leisten, die Soldaten und Drachenkrieger der beiden Feuerspuckerprinzen zu verlieren, vor allem da die meisten Cadwaladrs mit ihnen gehen würden, wenn sie zurück in die Dunklen Ebenen ziehen sollten, um ihre Kinder zu beschützen. In diesem Clan drehte sich alles um den Schutz seiner Mitglieder, vor allem der jüngsten.
Also antwortete Ragnar kurz und ausweichend. Das war die sicherste Art, mit Keitas Brüdern umzugehen.
Fearghus, der klügere der beiden – oder vielleicht auch nur der heimtückischere –, umkreiste Ragnar.
»Du hast es einfach zugelassen, dass sie zurückgeht? Ohne Fragen zu stellen?«
»Ja. Aber ich werde in den nächsten Tagen sehr genau darauf achten, was ich esse.« Keita war berühmt und berüchtigt für ihre rachsüchtige Art, und ihre Rache bestand meistens darin, gewisse Kräuter in das Essen des Gegners zu schmuggeln. Dabei spielte es keine Rolle, ob der Gegner zur Familie gehörte oder nicht.
»Wahrscheinlich ist es das Beste so«, murmelte Fearghus.
»Aber warum gerade jetzt?«, wollte Briec wissen. »Warum soll sie ausgerechnet jetzt zurückkehren?«
»Weil wir mit dem Tunnel fast fertig sind. Und sobald er so weit ist, werden wir zuschlagen. Ich weiß nicht, wie es euch beiden geht, aber ich will diese Angelegenheit endlich hinter mich bringen und die Eisendrachen für immer aus unserem Leben entfernen. Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen wollt …«
»Wo ist dein Bruder?«, fragte Fearghus.
»Welcher?«
»Der einzige, der andauernd in deiner Nähe ist. Unseren Vetter Meinhard habe ich gesehen, aber Vigholf ist mir schon seit Tagen nicht mehr unter die Augen gekommen. Wo steckt er?«
»Ich habe ihn gebeten, Keita und Ren zu begleiten.«
»Ren braucht keinen Blitzdrachen als Schutz. Ren braucht überhaupt keinen Schutz.«
»Ich fühle mich aber besser, wenn mein Bruder bei ihnen ist. Er wird in ein paar Tagen zurück sein, also brauche ich nicht …«
Ragnar brach ab, als er sah, wie Fearghus’ Blick sich zur Decke hob.
Briec beobachtete seinen Bruder. »Was ist los?«
Fearghus hob die Vorderklaue und streckte eine Kralle aus. »Hört ihr das nicht?«
Jetzt erst bemerkte Ragnar das pfeifende Geräusch. Sein Körper spannte sich in Erwartung des Einschlags an, als etwas Großes und außerordentlich Schweres plötzlich von außen gegen die Höhlenwände prallte.
»Belagerungswaffen«, rief Fearghus, bevor er sich umdrehte und aus der Höhle schoss. Die anderen folgten ihm.
Sie drängten sich an Soldaten und Kriegern vorbei, die allesamt auf die Nordseite zueilten, wo eine Bergkette die Feuerspucker und Blitzdrachen von den Eisendrachen trennte.
Sie erreichten den breiten Höhlenausgang. Die Streitkräfte, die für gewöhnlich dieses wichtige Gebiet schützten, gingen in Deckung, als gewaltige Felsbrocken über die Gipfel flogen und in ihre Festung einschlugen.
»Rückzug!«, befahl Briec, packte Fearghus am Kragen seiner Rüstung und riss ihn zur Seite, kurz bevor ein Felsblock dort einschlug, wo Fearghus soeben noch gestanden hatte. »Rückzug!«
Ragnar half zwei Drachen aus seiner Sippe auf die Beine und stieß sie auf den Eingang zu. »Hinein! Alle! Sofort!«
Die Luft um Ragnar veränderte sich. Mithilfe seiner Schwingen warf er seinen Körper rasch nach hinten, weg von dem Eingang. »Briec!«, rief er, als er sah, wie ein Felsbrocken auf den Rücken von Keitas Bruder zuflog. Aber der Drache war gerade damit beschäftigt, anderen zu helfen. Er sah die Gefahr nicht. Und der Brocken traf den Rücken des Silbernen mit ungeheurer Macht und rammte seinen großen Körper gegen die Felswand.