Kapitel 48

Die letzte Tür


Noïrun erhob sich nach traumlosem Schlaf zu gewohnter Stunde von seinem Lager; er brauchte niemanden, der ihn weckte. Während seine Gedanken bereits bei den Befehlen weilten, die er gleich erteilen würde, wusch er sich, nahm ein wenig Trockenfrüchte und ein Glas Wasser zu sich, dann gürtete er sich und verließ das Zelt.

Und blieb abrupt stehen, denn dort draußen war es still, keine Bewegung gab es. Obwohl sich Soldaten, Ritter seiner Garde und einige Befehlshaber in der Nähe aufhielten, doch sie alle standen reglos und sahen ihn an.

Der Fürst wusste sofort, dass etwas geschehen war. Aus dem Nachbarzelt kam Olrig angehastet, der ebenfalls augenblicklich die Lage erfasst hatte.

Fabor trat auf den Heermeister zu und hielt ihm wortlos mit zitternden Händen ein Bündel hin. Noïrun spürte, wie er innerlich kalt wie ein schneebedeckter Stein wurde. Er öffnete das Bündel und sah ein blutiges Wappenhemd und ein zerrissenes, gleichfalls blutiges Hemd. Kornährenhelle Haare lagen darauf.

Auffordernd sah er Fabor an, der mehrmals schluckte und sich räuspern musste, bevor er Bericht erstatten konnte. »Ein Bote Dubhans brachte es gerade eben, übergab es der Lagerwache und verschwand wieder. Er sagte noch ein paar Worte dazu, nämlich dass Tracharh der Taur es aus dem Dämonenland an Femris geschickt habe, und dass wir wüssten, was das zu bedeuten habe.«

Sein Inneres gefror. »Olrig, hol Graum«, sagte Noïrun mit ausdrucksloser Stimme. »Und bring Angmor mit.«

»Bin sofort zurück«, stieß der Kriegskönig rau hervor und eilte davon.

Noïrun blieb nun ebenso reglos stehen wie seine Soldaten, bis Olrig zusammen mit Graum und Angmor eintraf, nach ihnen stampfte Fashirh heran. Dem Schattenluchs sträubte sich das Fell, und er schnupperte mit einem Ausdruck des Entsetzens an den Sachen.

»Das sind eindeutig Rowarns Haare, und er hat diese Sachen getragen, und es ist auch sein Blut«, erklärte er schließlich. Seine Tasthaare zitterten.

In Angmors Gesicht regte sich nichts.

Der Heermeister dachte an Morwen, seine Tochter. Damals hatte er sich gehenlassen, als er von ihrem Tod erfuhr. Jetzt konnte er es nicht. Er durfte sich nichts anmerken lassen. Aber er vermochte den Anblick der Männer und Frauen um sich herum kaum zu ertragen, konnte nicht in ihre nassen Augen blicken; viele Tränen rollten ungehindert über aschfahle Wangen.

Dankbar für die Lehren, die er empfangen hatte, für die Unnachgiebigkeit seines Vaters, der ihn zur ständigen Disziplin gezwungen hatte, brachte er es fertig, sich zu sammeln, ruhig zu bleiben und seine Stimme unter Kontrolle zu halten.

»Das muss nichts zu bedeuten haben«, sprach er mit klarer, starker Stimme in die Runde. »Wir haben seinen Leichnam nicht gesehen.«

Niemand glaubte ihm. Sie wollten es, aber sie konnten es nicht. Glaubte er daran?

Ja. Weil er es musste.

Es durfte nicht sein. Nicht jetzt, nicht nach all dem.

»Fashirh!« schrie Graum mit klagender miauender Stimme. »Was hat dein Bruder getan?«

Der Rote Dämon  neigte den Kopf, seine Kinnauswüchse verschlangen sich ineinander. »Er wird dafür büßen«, sagte er leise.

»Eine List ist es, sage ich!«, rief Noïrun. »Angmor! Sag mir, was du siehst!«

Der Visionenritter schwieg eine lange Weile. Erst als Noïrun kurz davor schien, die Geduld zu verlieren, sprach er mit tiefer, unverändert sanfter Stimme: »Ich sehe nichts, Noïrun. Ich habe ihn verloren.«

Jemand schluchzte laut auf, und der Heermeister donnerte sofort: »Ruhe! Ich erwarte Disziplin von euch, niemand hier lässt sich gehen, verstanden? Wir spielen sonst dem Feind in die Hände, denn genau das hat er beabsichtigt! Eine List ist es, wiederhole ich, er will uns demoralisieren, erschrecken, zugrunde richten, ohne dass er auch nur eine einzige Waffe erheben muss!«

Er wandte sich zur linken Seite, wo Olrig stand, der Poet und Kriegskönig der Zwerge, und still weinte. »Olrig, wo ist deine Zuversicht?«, herrschte er seinen Freund an. »Hast du mich aufgegeben, obwohl ich bereits ein toter Mann war? Was bedeutet schon ein blutiger Fetzen, sag mir das! Und ein paar Haare, wenn kein Körper dran hängt, dessen Herz nicht mehr schlägt? Er lebt, sage ich, das sage ich euch allen, und er wird zurückkehren. Habt Vertrauen! Rowarns Aufgabe ist noch lange nicht beendet, und unsere ist es, ihm den Weg zu bereiten. Olrig!«

»Aye, Heermeister«, sagte der Zwerg einigermaßen gefasst. Er stellte sich vor den Fürsten und fuhr laut fort: »Also, ihr kennt eure Befehle! Macht euch daran, sie auszuführen, und zwar zackig!«

Sie gehorchten, im Grunde ihres Herzens froh, sich der Autorität unterwerfen zu können, eine Aufgabe zu haben. Noïrun wusste, dass sie sich fassen würden, dass sie bald wieder voll konzentriert und verlässlich waren. Und überzeugt, nicht aufgeben zu dürfen, jetzt erst recht nicht.

»Laradim, Reeb, Oïsin, Norem, ihr bleibt hier«, erklang unerwartet Angmors Stimme. Die Ritter verharrten augenblicklich. Zu Noïrun gewandt, fuhr der Visionenritter fort: »Wir machen uns sofort auf die Suche, und im Freien Haus fangen wir an. Zuerst müssen wir Arlyn finden, denn sie wird wissen, was geschehen ist, und unseren Schutz brauchen.«

»Ich werde vorauslaufen und …«, setzte der Schattenluchs an, doch sein Herr unterbrach ihn. »Du bleibst hier und bewachst Noïrun.«

»Ich lasse mir …«, begann der Fürst, kam jedoch ebenfalls nicht weiter. 

Angmor schien plötzlich zu wachsen, und sein riesiger finsterer Schatten fiel über den Heermeister. Seine eisglühenden Augen zwangen ihn, stillzustehen und zu schweigen. »Ich sage das nur einmal«, sprach er leise in seiner Dämonenstimme. »In dieser Angelegenheit wirst du gehorchen, denn dies ist keine Sache des Heermeisters. Wir können es uns nicht leisten, dass du eine Dummheit begehst. Graum ist von nun an dein Leibwächter und wird nicht von deiner Seite weichen. Und ihr beide, Olrig, Fashirh, ihr werdet dafür sorgen, dass alles weiterläuft wie geplant und nicht das Heer auseinanderfällt.« Er hob den Kopf, und seine mächtigen Hörner glitzerten wie silberner Schnee in der Sonne. »Zwingt mich nicht, meine Macht einzusetzen, ich warne euch nur ein einziges Mal. Es würde euch nicht gefallen, wenn ich das tue.«

Noïrun sah, wie Graum sich duckte; der Schattenluchs hatte deutlich sichtbar Angst. Auch Fashirh beugte den Nacken. Kein Wunder, die Aura des Dämons loderte hell, und Noïrun hatte das Gefühl, dass seine Barthaare angesengt wurden. Der Fürst wusste, dass Angmor, damals noch Nachtfeuer, auf dem Titanenfeld dabei gewesen war, Rowarn hatte es ihm erzählt. Und auch, dass Femris ihm die Schuld an der Schlacht zuschob. Daran glaubte der Fürst nicht, denn in erster Linie ging es um den Herrschaftsanspruch der Götter. Aber Nachtfeuer hatte wohl einen erheblichen Anteil am Verlauf der Schlacht gehabt. Daher wusste er, dass er den Dämon jetzt nicht herausfordern durfte.

»Wir sind alle in Sorge, Angmor«, sagte er ruhig.

»Und ich werde sie zerstreuen«, erwiderte der Dämon kalt, aber deutlich zurückhaltender. »Wir werden dem Feind keinen Gefallen tun, sondern ihn verwirren. Holt eure Pferde, ihr Ritter, wir brechen auf.«

Dann war Noïrun allein. Einer einzigen Träne gestattete er, sich davonzustehlen, während er den Blick nach Norden richtete. Das blutige Gewand und die hellen Haare fielen zu Boden, und er ließ alles liegen, während er sich auf den Weg zum Versammlungszelt machte.

Dafür werden sie bezahlen, dachte er. Ich werde sie alle umbringen, einen nach dem anderen.



In der Nacht kam Rowarn zu sich. Ein kühler Wind strich durch seine Haare, als er sich aufsetzte. Sein Körper wurde von einer dicken Decke schützend umhüllt, und staunend sah er seine Kleidung und das Schwert neben sich liegen, alles, was er am anderen Ufer des Sees zurückgelassen hatte. Ein freundlich knisterndes Feuer hieß ihn willkommen zurück in der Welt. Neben ihm saß ein großer dunkler Mann. Und nahebei erblickte Rowarn einen riesigen, weißgolden schimmernden Körper mit Schuppen und Zacken.

»Ihr seid es«, flüsterte er. Der Annatai, der dunkle Zauberer, dem Rowarn damals in dem Freien Haus im Westen begegnet war, der seine Hand von dem Chalumi-Biss geheilt hatte und der mit einem Drachen durch die Welt reiste.

Halrid Falkon wandte sich ihm zu. »Du bist wach. Gut.« Er reichte Rowarn einen dampfenden Becher. »Trink«, forderte er ihn auf. »Dann wirst du dich gleich besser fühlen.«

Rowarn nahm den Becher. »Danke, Herr ...«

Der mächtige, gehörnte Drachenschädel schien durch die Dunkelheit heranzuschweben. »Hallo, Junge«, schnaubte Fylang. »Freut mich, dass du wieder bei uns bist. Du brauchst nicht förmlich zu sein, die Annatai legen keinen Wert darauf, und ich auch nicht. Und in einem Moment wie diesem sollte das ohnehin nicht von Bedeutung sein.«

Vorsichtig schluckte Rowarn das fürchterlich schmeckende, heiße Gebräu und fühlte, wie es ihn zusehends stärkte und innerlich wärmte. »Ich war tot, nicht wahr?«, fragte er leise und schloss für einen Moment bebend die Augen.

»Beinahe«, antwortete der Zauberer. Er stopfte sich eine Pfeife und zündete sie an. »Deine Seele wollte sich gerade auf den Weg machen. Ich konnte sie glücklicherweise überreden, noch eine Weile zu bleiben.«

Der Schmerz überwältigte Rowarn für einen Moment, er legte die Hand über die Augen, als könne er so die Tränen zurückdrängen. »Wäre ich doch gestorben, dann könnte ich jetzt bei ihr sein ...«, schluchzte er auf.

»Aber dann könntest du deine Aufgabe nicht mehr beenden«, sagte Fylang. »Und wenn du von den Toten sprichst, so bedenke wohl, dass sie keine Zeit mehr messen. Nicht so wie die Lebenden. Manche verweilen noch ein wenig an den Silbernen Gestaden, wenn etwas unerledigt ist.«

Nicht einmal die Pein, die Heriodon ihm zugefügt hatte, war so grausam gewesen. Rowarn glaubte, der Schmerz würde ihm den Verstand rauben und ihn endgültig das Leben kosten. Aber Fylang hatte recht – er durfte noch nicht nachgeben und trauern. Er musste es zurückdrängen. Eine Weile kämpfte er still, dann hatte er sich wieder in der Gewalt, trocknete die Tränen ab und wandte sich dem Zauberer zu.

»Warum habt Ihr ... hast du das getan?« Rowarn sah scheu zu dem großen dunklen Mann auf, der gerade Holz nachlegte.

»Die Èta Garon Marú bat mich darum.«

»Dieses ... wundervolle, göttliche Wesen, das durch das Portal kam?«

»Ganz recht. Weißt du, wer die Èta Garon Marú ist?« 

Rowarn schüttelte den Kopf.

»Die Große Mutter der Dämonen. Sie gebar die ersten Nachkommen und begründete das Volk. Ihr schlägt man keine Bitte ab.« Der Zauberer sog an seiner Pfeife und grinste dann unerwartet. »Außerdem«, fuhr er fort, »ist sie Nachtfeuers Mutter.«

»Oh«, machte Rowarn. Auf einmal wurde ihm siedend heiß, als er begriff, was das für ihn bedeutete. »Oh«, wiederholte er flüsternd, und dann wich alle Farbe aus seinem Gesicht.

Halrid Falkon holte ein kleines flaches Behältnis aus dem Reisebeutel, entkorkte es und goss eine im Feuerschein goldblitzende Flüssigkeit in einen Becher. »Hast du ausgetrunken?«

Rowarn beeilte sich, den Becher zu leeren, obwohl es ihn fürchterlich schüttelte, und gab ihn hustend dem Zauberer zurück. 

Der Annatai spülte kurz mit Wasser aus, füllte etwas Goldwasser ein und hielt ihm den Becher erneut hin. »Das hier wird dir besser munden. Edelster Ushkany, siebenundzwanzig Jahre in einem hundertjährigen Rotweinfass gelagert, aus schwerer Blutmondrebe. Das wird deine Lebensgeister wecken und dir bewusst machen, dass du noch lebst.« Er nickte Rowarn zu und trank.

Rowarns Augen begannen trotz allem zu leuchten, als er vorsichtig daran nippte und dann seufzte. »Olrig hätte seine Freude ...«

»Mhm. König Jokim hat noch drei Fässer davon. Dein Freund sollte sich also beeilen, wenn er etwas davon abhaben will. Und eine Menge Gold mit sich führen.« 

»König Jokim hat mir für Olrig ein Fläschchen mitgegeben, und für Noïrun und mich ...«

»Nicht von diesem edlen Tropfen, das kann ich dir versichern, denn es hat selbst mich erhebliche Mühe gekostet, ihm wenigstens diese paar Schlucke abzuringen.«

Halrid schüttete sich ein paar Tropfen in die Handfläche und hielt sie Fylang hin, der behutsam mit gespaltener Zunge daran nippte. Der Drache grunzte verzückt.

Dann deutete der Zauberer auf Rowarns Arm. »Was macht deine Hand?«

»Keine Beschwerden mehr«, erklärte Rowarn. »Auch das habe ich dir zu verdanken ...«

»Du schuldest mir nichts, Rowarn.«

Die Nacht war kühl, der Himmel bedeckt. Vom Frühling war hier noch nichts zu spüren, wo immer auch dieses »hier« sein mochte. Auf Waldsee, zweifelsohne, und im Land Valia, wahrscheinlich noch hoch im Norden. Rowarn wickelte sich fester in die Decke und spürte plötzlich etwas Grobkantiges an der Seite. Er tastete danach und zog erstaunt den Splitter hervor. »Sie hat ihn mir also doch gegeben ...«

Der dunkle Zauberer lächelte. »Du hattest gute Gesichtspunkte. Niemand will den Schwarzen Herrn hier haben, einschließlich mir. Diese Welt gehört uns, wir haben hart darum gekämpft und viel dafür bezahlt. Egal ob Gott oder Mächtiger, Regenbogen oder Finsternis, wir werden es nicht zulassen, dass der Sôrgol sich mit dem Flammenthron hier niederlässt. Seine Macht würde ins Unermessliche steigen.«

»Ist er das Böse?«, fragte Rowarn.

»Das Böse gibt es nicht als Prinzip, Rowarn«, erwiderte Halrid Falkon. »Ebenso wenig wie das Gute. Dies sind nur persönliche Werte, die von denjenigen aufgestellt werden, welche ihre Taten rechtfertigen oder die der anderen verdammen wollen. Sich selbst hält man immer für gut, und das ist auch verständlich. Allerdings ist das eigene Handeln nicht unbedingt immer richtig und damit gut.«

»Ich weiß nicht, ob ich dem folgen kann ...«

»Aber das ist doch ganz einfach, Junge. Nur Taten können gut oder schlecht sein, Gutes oder Böses bewirken. Jemand, der zwar an schlimme Dinge denkt, aber keine Fliege vom Sahnekuchen verjagen kann, ist wohl kaum böse, oder? Durch seine Gedanken, die nur er mit sich teilt, fügt er anderen kein Leid zu. Das geschieht erst durch die Tat. Und allein anhand seiner Taten kann jemand be- oder verurteilt werden.«

»Aber der Schwarze Annatai tut Böses«, wandte Rowarn ein. »Wenn sogar seine eigenen Reihen ihn fürchten ...«

»Gewiss«, bestätigte Halrid. »Aber das hast du auch schon getan. Genauso wie ich.« Versonnen blickte er ins Feuer. »Damals«, sagte er leise, »führte ich Krieg gegen meinen Vater, auf Kosten vieler unschuldiger Leben. Fast mein ganzes Heer habe ich geopfert, nur um einen einzigen Mann zu stellen. Meine Frau und mein bester Freund waren darunter. Danach war meine Insel befreit, aber würdest du das eine gute Tat nennen?«

»Ich weiß nicht«, sagte Rowarn zögernd. »Ich ... bin verwirrt. Was soll ich dann von dem Sôrgol halten?«

»Du sollst ihn fürchten, denn er wird uns die Dunkelheit bringen. Ein Leben in Knechtschaft, abhängig von seinem Willen. Das Universum würde sich grundlegend wandeln und die Harmonie zerstört. Es gäbe nur noch eine einzige Melodie – sein Lied. Und hier würde es seinen Anfang nehmen. Das können und werden wir nicht zulassen.«

»Dann muss Femris aufgeben?«

»Er ist weit davon entfernt, Rowarn von Weideling. Dein schwerster Kampf steht dir erst noch bevor.«

»Wirst ... werdet ihr mitkommen, du und Fylang?«, bat Rowarn schüchtern, wie schon einmal.

Halrid Falkon schüttelte auch diesmal den Kopf. »Wie ich damals im Freien Haus sagte: Du hast genug Verbündete. Mehr, als du ahnst. Ich habe die Bitte der Großen Mutter erfüllt, damit mag es gut sein. Lange genug haben wir gebraucht, um auch noch deine überall verstreuten Sachen zu finden. Für alles Weitere brauchst du mich nicht mehr.«

Rowarn trank die letzten kostbaren Tropfen aus und starrte in seinen Becher. »Ist es wegen meines Vaters?«

»Nachtfeuer? Aber nein. Ich weiß, er hegt einen Groll gegen die Annatai, aber ich keinen gegen ihn.« Der dunkle Zauberer lachte und klopfte seine Pfeife aus. »Es ist eher wegen meines Vaters. Ich möchte nicht, dass er auf dumme Gedanken kommt und das Tabernakel am Ende für sich beanspruchen will. Die Sache mit dem Stern der Götter hat er mir nie verziehen. Es ist also besser, wenn ich mich heraushalte, um weitere Komplikationen zu vermeiden.« 

»Aber ... mein Vater ... Femris sagte über ihn ...« Rowarn quälte dies schon so lange. Er hatte es Noïrun in einem schwachen Moment erzählt, aber keinen richtigen Trost gefunden, obwohl der Fürst ihm viel Beruhigendes dazu zu sagen hatte. Aber er war ein Mensch, das war … etwas anderes.

Halrid Falkon verharrte und richtete die schwarz leuchtenden Augen auf ihn. »Die Eliaha«, sagte er.

Rowarn nickte. »Ich glaube, sie verfolgte mich deshalb, weil mein Vater dort war. Auf dem Titanenfeld. Sie spürte seine Essenz in mir. Femris sagte, Angmor trüge die Verantwortung ...«

»Nicht er allein, Rowarn. Es ist richtig, er hat wohl mit am schlimmsten gewütet, doch das Massaker ausgelöst hat nicht er. Daran waren alle beteiligt.« Der Annatai sprach ruhig und freundlich. »Interessant, dass Femris dir das sagte.«

Rowarn war unangenehm berührt und zugleich erleichtert. Das hatte auch der Fürst schon zu ihm gesagt. »Er hat mich aufgesucht, in seinem Aurenkörper«, gestand er. »Tamron liegt versteinert auf dem Altar, doch Femris kann sich von ihm freimachen. Er hat nur keinen Körper zur Verfügung, weil ihm die Kraft fehlt.«

»Du hast also nur einen Bruder mit deinem Schwert getroffen? Ich bin fasziniert. Aber das wird ihm nichts nützen. Doch kommen wir zu dem zurück, was dich quält: Verfolgt die Eliaha dich immer noch?«

»Nein.«

»Dann hast du also endlich beherzigt, was ich dir sagte. Ja, du bist einen weiten Weg gegangen, junger Rowarn von Weideling. Bald schon wirst du eine Legende sein.« Halrid Falkon stand auf und nahm Rowarn den Becher ab, um ihn in seinem Reisebeutel zu verstauen.

Rowarn wollte noch Eines wissen. »Gynvar, die Gründerin des Ordens der Visionenritter, war auch eine Annatai. Bist du wirklich ihr Sohn?«

»Allerdings«, bestätigte Halrid Falkon. »Aber ich kannte weder Gynvar noch einen der Ordensbrüder. Ich wusste lange Zeit nicht einmal, was meine Mutter getan hat, bevor sie nach Erytrien kam. Erst, als ich die Insel verließ, erschloss es sich mir nach und nach.«

»Aber dann hat er ihr verziehen – seiner Mutter, meine ich«, rumpelte Fylang. »Nicht wahr?«

»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Halrid. »Darüber reden wir ein andermal.« Er drückte leicht Rowarns Schulter. »Erhol dich noch ein wenig, Junge. Das Holz reicht bis morgen früh. Neben der Glut findest du etwas Braten und frisches Zehrbrot, und Wasser ist auch vorhanden. Die Tür zum Freien Haus findest du am Baum dort.« Er deutete auf einen einzelnen alten Riesen mitten in der Ebene. »Du wirst es schaffen.« Er befestigte den Beutel an einer Schlaufe, die seitlich an Fylang herunterhing, und kletterte in den Nacken des Drachen.

»Werden wir uns wiedersehen?«, rief Rowarn, dem das auf einmal viel zu schnell ging.

»Waldsee ist ziemlich klein für Mächtige«, prustete Fylang, und dann breitete er zu Rowarns Überraschung seine zierlich aussehenden Hautflügel zu gewaltigen Schwingen aus, die einen regelrechten Sturm auslösten, als er einmal damit auf und abschlug.

»Aber sicher sehen wir uns wieder«, antwortete der Zauberer, und Rowarn sah seine Zähne durch die Dunkelheit leuchten, als er lachte. »Lebe wohl und in Frieden, Perlmond, junger König von Ardig Hall. Es war mir eine Ehre.«

Kurz darauf war der Drache mit seinem Reiter nur noch ein kleines fernes Licht in der Dunkelheit, ein Stern von vielen, der ruhig über den Himmel zog.

»Ganz meinerseits«, sagte Rowarn völlig verdattert, aber nur die fröhlich flackernden Flammen konnten ihn noch hören.



Rowarn aß und trank, dann legte er sich hin. Er fühlte sich tatsächlich sehr erschöpft und nicht in der Lage, gleich ins Freie Haus zu gehen. Eine Weile benötigte er für sich, um wieder ganz in die Welt der Lebendigen zurückzukehren. An seinen Tod hatte er keine Erinnerung mehr, er wusste nur noch, dass er in ein finsteres Loch gefallen und dann hier erwacht war. Vielleicht wäre es besser gewesen, in die Vergessenheit einzutauchen, und er war Halrid Falkon auch jetzt nicht dankbar, die Bitte der Èta Garon Marú erfüllt zu haben.

Trotz seiner Müdigkeit konnte er lange nicht schlafen. Stundenlang lag er wach und starrte zum finsteren Himmel hoch, dessen Sterne ihm heute keinen Trost bieten konnten. Seine Augen waren trocken, denn er gestattete sich nach wie vor keinen Kummer, obwohl sein gebrochenes Herz entsetzlich schmerzte. Erst, wenn der Kampf um das Tabernakel beendet war, durfte er sich Trauer erlauben. Jetzt brauchte er alle seine Kräfte, und es war besser, nicht darüber nachzudenken. Oder gar ihren Namen auszusprechen. Der Ring war noch immer bei ihm, obwohl er nur eine schmerzliche Erinnerung darstellte, die vermutlich nie verblassen würde. Aber Rowarn brachte es nicht über sich, ihn jetzt abzuziehen und wegzuwerfen. Später, vielleicht, wenn ... es vorüber war. Dann würde er alles beenden und entscheiden, wie es danach weitergehen sollte.

Rowarn wandte eine Übung der Tiefen Ruhe an, die ihm schließlich dabei half, alle Gedanken, die nichts mit Femris oder dem Tabernakel zu tun hatten, zu verbannen. Und als er endlich soweit war, schlief er ein.

Im frühen Morgengrauen erwachte er wieder, rieb sich mit dem Rest des Wassers Gesicht und Körper ab und zog sich an; es erschien ihm seltsam, nachdem er so lange nackt gewesen war. Er wäre lieber so geblieben, entblößt und leer, denn es gab nichts mehr zu verbergen oder zu offenbaren. Doch sein Körper war anderer Ansicht, denn er fror in der kalten Morgenluft.

Als Rowarn sich umsah, erblickte er eine vertraute Steppe und einen tiefhängenden, bewölkten Himmel, der an den unteren Rändern violett leuchtete. Er musste sich nahe der südlichen Grenze des Dämonenlandes und der östlichen Grenze von Warinland befinden, abseits aller Wege. Nicht einmal Tiere schienen sich hierher zu verirren, alles war still. 

Der große alte Baum war versteinert. Vielleicht war er die letzte Erinnerung an den Wald, den es hier einst gegeben haben mochte.

Rowarn ging darauf zu und hoffte, dass Halrid Falkon ihn nicht genarrt hatte – und der Zugang sich inzwischen nicht geschlossen hatte. Aber als er den Stamm erreichte, sah er den eingeritzten Rahmen einer Tür und ein hervorstehendes Stück Borke, wie ein Knauf.

Als Rowarn die Borke berührte, glühte der geritzte Rahmen auf, Licht strömte heraus, dann löste sich der Baum innerhalb der Umrandung auf, und Rowarn erkannte undeutlich einen Tisch und Bänke in einem holzverkleideten Raum.

Mit schweren Schritten und gesenkten Hauptes, ohne sich noch einmal umzusehen, betrat er das Freie Haus.



Es war heller Tag, und das durchs Fenster hereinströmende Sonnenlicht blendete ihn. Rowarn blinzelte und beschattete seine Augen, doch mehr als dunkle Konturen und Schemen konnte er noch nicht erkennen.

Da hörte er eine weiche melodische Stimme. »Rowarn! Endlich. Ich hatte solche Angst ...«

Er sah dorthin, von wo er den Klang hörte, und da stand sie, seine Königin, lebendig und unversehrt. Sie lächelte leicht, doch sie war blass vor Sorge.

»Arlyn«, stieß Rowarn hervor. 

Das war zu viel für ihn. Er verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war, und verlor das Bewusstsein.



Als Rowarn wieder zu sich kam, lag er im Bett des Gastzimmers, und Arlyn hielt ihn in ihren Armen. Er sah sie an und weinte. »Er ließ mich glauben, du seist tot ...« Er konnte kein Glück empfinden, dafür war der Schmerz zu groß, der Schock saß zu tief.

»Mir ist nichts geschehen«, wisperte sie und strich durch seine Haare. »Ich war die ganze Zeit hier. Aber ich konnte spüren, wie du dich verloren hast. Lange Zeit brauchte es, bis ich erkannte, dass du immer noch da warst. Doch dann versiegte deine Lebenskraft, und das Licht deiner Seele erlosch. Ich wollte dir folgen, aber ich konnte die Tür nicht öffnen. Ich befürchtete bereits, du seist ...«

Er wischte die Tränen ab und richtete sich leicht auf, hob die Hand zu ihrem Gesicht und betrachtete sie. »Du hast denselben Schmerz durchlitten«, erkannte er kummervoll. »Aber wie ist es möglich, dass du lebst? Ich kann das nicht geträumt haben ...«

»Erzähl es mir«, forderte sie ihn auf. »Was ist passiert?«

Und er berichtete ihr von dem Wächter an der Grenze zum Reich der Dämonenfrauen. »Es war so wirklich, und du hast Dinge gesagt, die nur wir beide wissen konnten ... ich roch dein Blut ... und ich spürte, wie du ...« Er konnte nicht zu Ende sprechen.

Arlyns schlanke Finger berührten seine Wange. »Rowarn, was dort geschehen ist ... war pure Magie. Sie ist der eigentliche Wächter. Sie ballt sich zusammen, sobald jemand die Grenze betritt, der keine Dämonenfrau ist, und dann ...« Sie zögerte, schien nicht zu wissen, wie sie fortfahren sollte. 

»Bitte«, wisperte er. »Ich muss es verstehen.«

»Monuur«, sagte sie daraufhin langsam, »warst du

Ihm stockte der Atem. Für einen Moment wurde ihm schwindlig, alles drehte sich vor seinen Augen. »Aber ...«

»Die Magie holte deine größte Angst hervor«, fuhr Arlyn fort. »Sie erkannte, wovor du dich am meisten fürchtest und konfrontierte dich damit. Du hast dir selbst diese Prüfung auferlegt und dich ihr zugleich unterworfen. Du bist auf den Grund deines Selbst getaucht, und der darin lauernde Schrecken und deine größte Verletzlichkeit manifestierten sich in Monuur.«

Rowarn brach erneut in Tränen aus. »Was habe ich nur getan ... o Arlyn, verzeih mir, ich bin zu weit gegangen ...«

»Du redest Unsinn«, flüsterte sie. »Nun weißt du, wie weit du gehen kannst und notfalls wieder gehen wirst. Du bist weiter gegangen als jeder andere, weiter als dein Vater und, ja, ich möchte behaupten, als die meisten Götter. Du hast den letzten Pfad beschritten und Erkenntnis erlangt. Jetzt wirst du fähig sein, das Tabernakel zu heilen. Und Ardig Hall wird als Wahrzeichen des Friedens mächtiger denn je sein.« Sie küsste zart seine kalte Stirn. 

Ganz zaghaft regte sich sein wiedergeborenes und gesundendes Herz. Rowarn spürte es schlagen, und je mehr es erstarkte, desto mehr wich der Schmerz. Er bettete den Kopf an Arlyns Brust, spürte dankbar ihre heilende Aura, die ihn schützend umhüllte, schloss die Augen und schlief ein.



Als er erwachte, war es bereits dunkel, und ein Nachtlicht spendete milden Trost. Arlyn öffnete die Augen, als Rowarn sich regte. Er richtete sich auf, berührte ihr Gesicht, tastete die feinen Linien und Konturen ab. Neigte den Kopf und berührte ihre Lippen mit seinen, schmeckte die unvergleichliche Süße, spürte ihre lebendige Wärme. Rowarn drehte sich auf die Seite, schloss seine Arme um Arlyn und zog sie an sich, hielt sie so fest, wie er nur konnte. Darüber schlief er wieder ein.

Beim dritten Erwachen dämmerte bereits ein neuer Morgen, und nun fand Rowarn die Kraft, Arlyn alles über seine Fahrt zu berichten; das dauerte, bis der Vormittag anbrach. Er zog den zweiten Splitter aus seiner Wamstasche und zeigte ihn ihr. Das Bruchstück des Artefaktes pulsierte heiß in seiner Hand, seine Macht durchströmte ihn, doch ohne ihn zu beeinflussen. Die Königin strich mit der Fingerkuppe darüber und nickte.

»Sehr genau hast du mich übrigens heute noch nicht angesehen«, lächelte Arlyn schließlich und zeigte ihm dann ihr entzückendes kleines Ohr. Das Ohrgehänge funkelte kostbar im ersten hereintastenden Sonnenstrahl.

»Oh, es ist ... wunderschön«, sagte Rowarn staunend. »So prächtig hatte ich es gar nicht in Erinnerung.«

»Ja, das ist wahre Zwergenmagie«, antwortete Arlyn mit strahlenden Augen. »Nicht jeder unscheinbare Schmuck ist tatsächlich nur hübscher Tand, sondern entfaltet seine Wirkung erst, wenn man ihn trägt. Du hast mir ein überaus seltenes, kostbares Geschenk gemacht. Allein das Schultertuch ... so manche Frau würde dafür einen Mord begehen. Mirella besitzt ein begnadetes Talent für dieses Handwerk, wie es nur wenige Männer und höchstens ein oder zwei Frauen der Zwerge besitzen.«

»Ich ... das war mir nicht bewusst ... das hat Mirella mir nicht gesagt ...«, stotterte er. Dann lachte er glücklich. »Wie bin ich froh, das Richtige gefunden zu haben.« Er küsste ihr Ohr, dann schwang er die Beine über den Bettrand. »Ich werde mich jetzt gründlich waschen, und dann werden wir essen«, verkündete er. »Ich könnte eine ganze Kuh vertilgen. Von Fisch habe ich in der nächsten Zeit allerdings genug.« Es schüttelte ihn.

»Und was willst du danach tun?«

»Die nächste Tür öffnen. Vor deinen Augen, das verspreche ich dir, ich schleiche mich nicht nochmal davon. Aber nur, wenn du mich nicht mehr so ansiehst, sonst schrumpfe ich nämlich zu einem ausgetrockneten Dörrapfel zusammen und traue mich keinen Schritt mehr weiter.«



Um die Mittagszeit fühlte Rowarn sich bereit, den nächsten Schritt zu wagen. Er war ausgeglichen und voller Erwartung; nun, so war er sicher, konnte nichts Schlimmeres mehr folgen. Er lachte über Arlyns kritische Miene, als er auf die Tür zuschritt, die er schon zweimal geöffnet hatte. »Was befürchtest du?«

»Deinen Leichtsinn«, sagte sie. »Und ich glaube, du wirst gleich eine böse Überraschung erleben.«

Und so war es auch. Hinter der Tür erwartete Rowarn eine feste Steinmauer ohne Fugen und Kanten.

»Was ...«, begann er verdutzt.

»Damit hast du doch rechnen müssen«, bemerkte Arlyn. »Du bist schon bis zum Äußersten gegangen. Dieser Splitter ist nicht mehr auf dem Wege zu erreichen, den du erwartest.«

»Handelt es sich hier vielleicht um einen männlichen Hüter? Bisher waren es Frauen ...«

»Das hat damit nichts zu tun, Rowarn. Der Weg durchs Freie Haus ist beendet. Hier kannst du nicht mehr weitersuchen.«

Der junge König stieß einen lang anhaltenden Seufzer aus. »Und was ist mit dem siebten Bruchstück? Gibt es nicht eine Möglichkeit, ihm auf die Spur zu kommen?«

»Dafür ist es zu lange verschollen. Ich glaube, den letzten Splitter können wir erst dann finden, wenn die anderen sechs Teile zusammengeführt sind. Dann wird uns das Tabernakel selbst den Weg weisen.« Arlyn wandte sich ab. »Wir sollten nach Eisenwacht reiten, Rowarn. Der sechste Splitter muss dort zu dir kommen. Anders kann es nicht sein.«

»Bist du sicher?«

»Ja. Zieh endlich die Lumpen aus, kleide dich wie ein König, und lass uns aufbrechen.«

Aber so leicht gab Rowarn nicht nach. Er war ratlos und verärgert, weil sich ihm das Freie Haus verweigerte. Also schloss er die Tür und öffnete sie erneut, doch wieder versperrte ihm die Mauer den Weg. »Gut, dann eben der siebte Teil, vielleicht finde ich einen Hinweis«, knurrte er und unternahm einen letzten Versuch.

Als er die Tür diesmal öffnete, erwartete ihn ein greller, kreischender Wirbel, der ihn mit unwiderstehlicher Kraft an sich reißen und einsaugen wollte. Rowarn verlor den Halt, bevor er sich gegen die gewaltig zerrenden Kräfte stemmen konnte, und schrie auf, als seine rechte Hand den Rand des kreisenden Mahlstroms berührte. Seine Finger standen plötzlich in Flammen, und es stank nach verbranntem Fleisch. In heller Panik und mit letzter Kraft zog Rowarn die Hand zurück, doch der Wirbel saugte ihn unerbittlich weiter zu sich, Rowarns Stiefel rutschten über den Boden wie über Glatteis.

Da warf Arlyn sich gegen die Tür und schlug sie zu. Rowarn verlor den Halt und stürzte, neben ihm prallte Arlyn auf, stemmte sich jedoch im Fall noch gegen die Tür, damit sie auch wirklich zu blieb.

»Nächstes Mal«, sagte die Königin streng und zornig, »nächstes Mal hörst du auf mich!« Sie rappelte sich auf, glättete ihre Haare und ordnete die Kleidung.

»Ja, Herrin«, sagte Rowarn deutlich eingeschüchtert, erschrocken und beschämt. Er verkniff sich einen Schmerzlaut, als Arlyn unnötig grob seine Hand packte und untersuchte.

»Du hast gerade noch Glück gehabt, das ist nur oberflächlich und in zwei Tagen verheilt«, urteilte sie. »Aber ich muss es verbinden.« Sie ließ seine Hand los und stand auf. »Los jetzt, zieh dich um, dann behandle ich dich, und wir brechen auf. Oder möchtest du vorher noch eine weitere Tür ausprobieren?«

»Ich glaube nicht«, antwortete Rowarn vorsichtig und trollte sich hastig ins Zimmer. Doch schon einen Augenblick später strahlte er wieder, und sein Herz sprang ihm schier aus der Brust. Das ist meine Frau, dachte er voller Stolz. Du hast dich in allem getäuscht, Femris. Ich habe keine Angst mehr vor dir.