SECHZEHN

Die Blätter legten gerade den ersten grünen Schleier über die Weiden, als der Posten der Innanigani-Garnison in Sconet Ford am Leynap-Fluß das Donnern einer fernen Explosion durch das Tal dröhnen hörte. Er rappelte sich in seiner Holzbastion auf, wo er faul herumgelegen hatte und schaute, die Hand über den Augen, über den Fluß.

Von einer Reihe von Reitern am Ufer trieb eine Rauchwolke weg. Er blies das Horn und begann zu zählen. Ein Leutnant kam hastig die Treppe herauf und fragte: »Was ist? Was ist los?«

»Die Westländer, Sir. Ein ganzer Haufen. Auf ihren verfluchten Tieren, glaube ich. Sie haben eine Fahne.«

Während sie noch hinsahen, trieben vier Männer ihre Pferde in den Fluß hinein und hielten schräg gegen die Strömung auf die lange, bewaldete Insel zu, die etwa ein Drittel der Breite vom Ostufer entfernt lag. Die Fahrrinne lag auf der Ostseite und führte rei-

ßendes, kaltes Frühlingsschmelzwasser. Der Leutnant sog die Luft ein und sagte: »Ich glaube, die wollen mit uns reden.«

Er lief die Treppe hinunter und brüllte Befehle.

»Unterführer Tawy! Rollt die Kanone heraus! Ich möchte alle Männer auf den Mauern sehen, bis auf den Bootstrupp. Raze, hol mir das Dokument – von der gesetzgebenden Versammlung! Aus der oberen, rechten Schublade. Du, Cathet, bereite das Lazarett vor! Vielleicht brauchen wir es.«

Garet reichte Kahdi seine Zügel und saß ab, als sich das erste Boot der Innanigani der Insel näherte. Er trat auf die abgerundeten Steine am Ufer hinaus, faßte den Bug, hob ihn ein wenig an und zog ihn herauf, bis er festsaß. Dann ging er in Deckung und sah zu, wie die Ostländer die beiden Boote hereinbrach-ten und festmachten.

Er hob die Hand und sagte: »Garet Westläufer im Namen der Föderation. Wir wollen Gefangene zu-rückbringen und eine geordnete, sichere Übergabe vereinbaren. Wir schlagen vor, daß wir sie auf diese Insel herüberbringen, ihr könnt sie dann von hier ab-holen. Ihr zieht euch auf euer Ufer zurück, ehe wir anfangen. Dann wartet ihr hier, bis wir uns zurück-gezogen haben. In Ordnung?«

Der Leutnant starrte ihn an. »Gefangene? Meinst du den Opwel-Zug? Sind die etwa noch am Leben?«

»Alle bis auf einen. Er ist vor ungefähr zwanzig Tagen an irgend etwas gestorben. Wir konnten nichts dagegen machen.«

»Wo sind sie?«

Garet deutete mit dem Kopf zum Westufer hin-

über. Der Leutnant blinzelte. »Ich kann nicht ...«

»Auf den Pferden. In der Mitte.« Garet sah ihn scharf an. »Das ist einfacher als gehen. Und schneller.

Nun. Seid ihr einverstanden?«

Der Leutnant zog die Luft ein. »Ja. Wir sind einverstanden. Und nun habe ich eine Botschaft von unserer gesetzgebenden Versammlung. Wirst du dafür sorgen, daß sie zur ... Föderation, oder wie ihr euch nennt, gebracht wird?«

»Wir nennen uns die Heart-Fluß-Föderation, das wißt ihr sehr genau – ihr alle von der östlichen Bande oder dem Pöbel oder dem Komplott, wie immer ihr euch nennt. Ja, ich werde dafür sorgen, daß die Föderation das Dokument bekommt.«

»Es wird euch nicht gefallen. Und jetzt ist es, laut diesem Dokument, meine Pflicht, euch mitzuteilen, daß ihr widerrechtlich in das Territorium der Innanigani eingedrungen seid, denn die gesetzgebende Versammlung behauptet, ihre Grenze führte den Cwanto entlang. Wir werden unseren Anspruch mit Waffen-gewalt durchsetzen und müssen euch auffordern, auf euer eigenes Territorium zurückzukehren.« Der Leutnant schaute Garet ängstlich an.

Kahdi spuckte lautstark hinter Garet auf den Boden, aber Garet lächelte nur. »Willst du damit sagen, daß ihr euren Anspruch auf alles Land von dort bis zum Leuchtenden Meer des Westens aufgebt?« Er lachte. »Ich werde eure Botschaft überbringen, aber ich glaube, wir sollten zu einer Verständigung gelangen. Wir werden dieses Gebiet bewachen, bis wir eine Antwort von der Föderationsversammlung bekommen. Es wäre für uns beide einfacher, wenn wir die Angelegenheit bis dahin ruhen ließen. Einverstanden?«

»Ich kann dem nicht zustimmen. Das ist unser Land.«

»Willst du damit sagen, daß ihr jetzt anfangen wollt zu kämpfen? Nach dem, was letzten Herbst geschehen ist?«

»Wir haben kein Verlangen, zu kämpfen. Wir wollen nur unseren Anspruch aufrechterhalten. Das erscheint mir vernünftig.«

»Schon gut, Innanigani. Wie ihr wollt. Aber ihr werdet unsere Patrouillen sehen. Wenn ihr kämpfen wollt, ist das eure Sache. Wir werden euch hierher ei-ne Antwort bringen und euch von dieser Insel aus Zeichen geben. Könnt ihr das akzeptieren?«

»Soweit ich dazu ermächtigt bin, sichere ich euch freies Geleit hierher und wieder zurück zu.«

»Nicht so wie bei unserem letzten Boten, dem alten Peshtak. Er hat sich weitgehend von euren Miß-

handlungen erholt, aber nicht ohne Mühe. Wenn ihr euch jetzt zurückzieht, werden wir mit der Übergabe anfangen. Einverstanden?«

»Einverstanden«, sagte der Leutnant und schluckte hart. Er befahl seinen Männern, wieder in die Boote zu steigen und abzustoßen. Ehe er das Ufer erreichte, sah er, wie die Reiter mit den auszutauschenden Gefangenen ihre Tiere ins Wasser trieben.

»Haltet alle Boote bereit!« schrie er und watete ans Ufer. »In jedem fünf Bogenschützen. Wenn ihr die Insel erreicht, besetzt ihr sie. Wir bringen die befreiten Männer nach hinten und bringen dann denen auf der Insel Nachschub. Ihr haltet die Insel bis zum Einbruch der Nacht besetzt.«

»Was soll das denn bedeuten?« murmelte ein Mann.

»Wir wollen ihnen zeigen, daß wir die Herren sind«, erklärte ein anderer. Er hatte ein sternförmiges Brandmal auf seiner linken Hand.

Zweiunddreißig Tage später las Sagan die Erklärung der Innanigani der Föderationsversammlung vor. Die Peshtak sprangen fluchend auf, und die anderen machten ernste Gesichter. Es folgte eine lange Debatte darüber, wie man vorgehen solle. Einige wollten in das Territorium der Innanigani einmarschieren. Andere wollten nur das strittige Gebiet verteidigen. Die See-Sentani waren gegen eine Invasion, weil dadurch ihre Beziehungen zu den Seligani gefährdet würden, welche einen Verteidigungspakt mit den Innanigani hatten. Sie erklärten sich jedoch bereit, das Gebiet westlich des Leynap zu verteidigen.

Schließlich stand Ahroe auf und sagte: »Was ich jetzt vorschlagen werde, wird, glaube ich, sehr unpo-pulär sein, aber ich bin der Ansicht, wir müssen die Sache gründlicher untersuchen, als wir es bisher getan haben. Was könnten die Innanigani im Sinn haben? Wir haben sie im Felde entscheidend geschlagen. Aber wir wissen, daß sie ein zahlenmäßig starkes, erfinderisches und fortgeschrittenes Volk sind.

Sie würden nicht so handeln, wenn sie sich nicht irgendeinen Vorteil davon versprächen.

Ich glaube, diese Erklärung deutet darauf hin, daß sie sich für fähig halten, ihren Schachzug zu stützen.

Das wiederum läßt neue Waffen vermuten, vielleicht besser als alles, als wir haben. Es deutet auch auf Stolz hin, von der Art, wie er dieser Schlange Borund jedesmal aus dem Gesicht grinste, wenn er mit uns sprach.

Möglicherweise liegt der Schlüssel zu unserem Problem in Baligan. Ich habe aus meinen Gesprächen mit den Gefangenen, besonders mit Borund, ent-nommen, daß die Ostländer sich auf ihre Verbündeten verlassen. Sie hoffen, sie nach Belieben rufen zu können. Das weist auf Zwang hin. Ich bezweifle, daß die Baligani so begeistert davon sind, eine Menge Soldaten zu entsenden, damit sie für die Eroberungen der Innanigani kämpfen. Vielleicht können sie nicht anders. Vielleicht ist es wirtschaftlich notwendig. Die See-Sentani haben uns eben von den Seligani berichtet. Die scheinen nicht übermäßig aggressiv zu sein.

Ich glaube auch nicht, daß irgend jemand von uns begierig darauf ist, Leute im Kampf zu verlieren, wenn es nicht sein muß. Aus diesen Gründen schlage ich vor, ihnen ein Gegenangebot zu machen, in dem wir ihre Bedingungen im Grunde akzeptieren.«

Igant sprang auf und schrie: »Verräterin! Ich wußte immer, daß wir dir nicht trauen können!«

Als sich das Tohuwabohu gelegt hatte, sagte Ahroe: »Igant, ich verstehe deine Besorgnis, aber du müßtest einsehen, daß schon Pelbar, genau wie Sentani und Shumai für eure Sache gestorben sind. Mein eigener Sohn war den ganzen Winter über bei diesem Feldzug und ist erst jetzt mit ihrem Dokument zu-rückgekehrt. Bei allen weiteren Kämpfen werden die Peshtak und der Besitz der Peshtak den Hauptteil jeder Strafe zu ertragen haben. Wenn das vermieden werden könnte, wäre das auch für euch von Vorteil.

Das Land östlich des Cwanto ist im Moment nicht besiedelt. Die Innanigani brauchen es offensichtlich nicht. Aber wir sollten nicht übersehen, daß ihre Er-klärung ein Zugeständnis enthält – ein recht bemerkenswertes. Sie haben im Prinzip ihre Ansprüche auf Gebiete westlich des Cwanto aufgegeben. Das ist neu.

Wenn sie sich an ihre Erklärung halten würden, könnten wir sicher – fast sicher – damit leben.

Ich glaube, wir müssen eine Antwort aufsetzen.

Auf zwei Punkten sollten wir bestehen: Erstens, wir werden ihren Anspruch akzeptieren, wenn sie sich einverstanden erklären, niemals in das Land westlich des Cwanto vorzudringen. Zweitens müssen wir über den Baligani-Kanal Zugang zum Östlichen Ozean bekommen, um so den toten Gebieten im Süden von Innanigan auszuweichen. Das bedeutet, freie Schiff-fahrt auf dem Cwanto und die Anerkennung der Baligani.

Wenn sie sich mit diesen Bedingungen einverstanden erklären, bleibt uns ein Krieg erspart. Die Gruppe unter ihnen, die hofft, von einem Krieg zu profitieren, wird enttäuscht sein. Diejenigen, welche auf Frieden hoffen, werden ermutigt. Unsere Stellung gegenüber den beiden anderen Städten wird gestärkt werden.

Wenn wir die Grenze zu den Innanigani dichtmachen und die Baligani durch den Handel mit uns reich werden, könnte das die anderen ermuntern, entge-genkommender zu sein.

Deshalb hoffe ich, daß ihr diesen Vorschlag ernsthaft diskutiert und ihn annehmt, und daß ihr Jestak darüber informiert, damit er ihn in seine Gespräche mit den Baligani einbeziehen kann. Wir würden na-türlich Baligani-Beobachter bei unseren Patrouillen entlang des Cwanto benötigen.«

»Wenn du damit rechnest, daß diese Schlangen den Cwanto überqueren, warum halten wir sie dann nicht schon am Leynap auf?« grollte Igant.

»Aus zwei Gründen. Es wird keinen Zweifel geben, daß es ein aggressiver Akt ist, wenn sie den Cwanto überqueren. Und wir ersparen es uns, gegen vielleicht sechshundert bis tausend Baligani zu kämpfen, wenn deren Beobachter Zeugen eines aggressiven Akts der Innanigani werden. Und dann die Nachschublinien – diese langen, hübschen, empfindlichen Nachschublinien.«

Mokil begann zu lachen. »Du rechnest damit, daß sie den Cwanto überqueren, Ahroe«, rief er schadenfroh.

»Du drehst es nur so hin, daß sie verlieren müssen.«

»Nun«, entgegnete sie. »Nein. Ich rechne nicht wirklich damit. Es kann sein. Ich würde aber wirklich sehr gerne alles so einrichten, daß sie verlieren.«

Mokil lachte wieder, und diesmal stimmte Igant ein und einige andere auch. Die Debatte wurde fortge-setzt, aber es schien klar, daß am Ende Ahroes Vorschlag angenommen werden würde.

Es ging auf den Sommer zu, und die Temperaturen stiegen schnell an, als der Präsident der gesetzgebenden Versammlung von Innanigan eine Sondersitzung einberief. Er schlug mit dem zeremoniellen Ord-nungsstein auf den Tisch und sagte: »Ich habe eine unerwartete Ankündigung zu machen, die eurer Aufmerksamkeit bedarf. Zuerst einmal eine Überra-schung. Die Heart-Fluß-Föderation hat unsere Erklä-

rung bezüglich der Westgrenze akzeptiert. Sie werden die Linie entlang des Cwanto nach Norden bis zur Westbiegung und dann geradeaus weiter bis zum Gebiet der See-Sentani anerkennen.

Sie verlangen jedoch einige Zugeständnisse. Das erste ist ein Versprechen, niemals weiter westlich als bis zum Cwanto zu ziehen. Das zweite ist ein freier und sicherer Schiffsverkehr auf dem Cwanto zum Kanal und weiter ins Meer. Andere Auflagen machen sie nicht. Sie haben dem Dokument ein kleines Paket mit Schriften beigefügt, die ihre Akademie herausge-geben hat. Diese Schriften handeln von Weizendüngung und Fischzucht, von den Zuglinien der Wasservögel, der Züchtung von Pflanzenhybriden und so weiter. Und nun, was meint ihr? Wollt ihr die Auflagen akzeptieren? Aha. Repräsentant Borund?«

»Niemals. Niemals werden wir uns verpflichten, den Cwanto nicht zu überschreiten. Wir können gehen, wohin uns unsere Interessen und unser Wille auch immer führen. Es tut mir leid. Ich kann keine der beiden Auflagen akzeptieren. Wir können diesen Dieben und Mördern auch nicht gestatten, den Fluß hinunterzufahren. Sie müssen die Richtlinien genauso akzeptieren, wie wir sie formuliert haben.«

»Danke, Repräsentant Zogab?«

»Warum sollten sie die Richtlinien jemals so akzeptieren, wie sie formuliert wurden? Sie hätten doch nur einen Gebietsverlust davon. Wenn wir ihnen die Sicherheit ihrer Grenze nicht garantieren, könnten sie genausogut das Gebiet bis an den Leynap behalten.

Seit wir die Peshtak daraus vertrieben haben, hat niemand Siedler dort. Ich finde, es ist ein großartiges und wahrlich unerwartetes Zugeständnis von ihrer Seite. Der einzig mögliche Einwand dagegen könnte nur der Wunsch sein, einen Krieg vom Zaun zu brechen, den wir nicht nötig haben. Ich habe den Verdacht, daß das einige der Industrialisten enttäuschen könnte, die hoffen, von einem solchen Krieg zu profitieren, aber die meisten von uns ...«

Borund sprang auf. »Das ist ungeheuerlich! Dagegen verwahre ich mich ganz entschieden. Es ist unsere patriotische Pflicht ...«

»Zogab hat das Wort.« Der Präsident hämmerte mit dem Stein.

»Die meisten von uns sind höchst erfreut darüber, Frieden zu haben. Die Westländer haben uns sogar Kohlegebiet zugestanden. Damit müßten sich sogar die Industrialisten zufriedengeben, wenn sie überhaupt zufriedenzustellen sind. Nein. Ich glaube, die Westländer haben sich wieder einmal als zivilisiert erwiesen, genau wie heuer im Frühjahr, als sie den Opwel-Zug unversehrt und in gutem Zustand zu-rückbrachten. Niemand hat sie dazu gezwungen.«

Die Debatte ging noch einige Zeit weiter, aber schließlich wurde das Zugeständnis der Föderation mit seinen Auflagen akzeptiert. Borund wurde unter vier Augen von einem Freund getröstet, der feststellte, daß einer Invasion eigentlich trotz allem nichts im Wege stand. Man brauchte nur einen Vorwand, und wenn die Zeit gekommen war, konnte man einen er-finden. Das Zugeständnis der Westländer verschaffte Innanigan zusätzliches Gebiet und Zeit, um die neuen Waffen zu vervollkommnen. Borund überlegte sich das und zog dann seinen Einspruch zurück, dem Anschein nach widerstrebend und angeblich, um sich dem Willen der Mehrheit zu beugen.

Sconet Ford erhielt die Nachricht von der Entscheidung der gesetzgebenden Versammlung durch Boten, der Leutnant zog ob der Tatsache, daß ein anderer Leutnant – mit Namen Oberly – das Dokument brachte, die Augenbrauen hoch.

»Wir haben Befehl, den Leynap zu überqueren und zuerst Patrouillen auszuschicken, Oberly. Wir werden schon bald auf die Westländer treffen und ihnen den Erlaß übergeben.«

»Ich bringe ihn den Westländern, wenn du willst.«

»Hast du Befehl dazu?«

»Ich bin diesen Sommer außer Dienst.«

»Was hast du mit deiner Hand gemacht?«

Oberly hob seine linke Hand. Der ganze Handrük-ken war verbrannt und voller Narben. »Ach, in einem Schmiedefeuer verbrannt. Sie ist praktisch so gut wie neu.«

»Sieht abscheulich aus. Diese Sterne waren schon schlimm genug. Hast du dir damit den Urlaub verdient?«

»Tja. Eigentlich deshalb.«

»Dann wollen wir uns bereitmachen. Hör zu, Leutnant, ich habe zu wenig Leute. Führ doch du eine Patrouille hinüber. Geht direkt nach Westen. Macht eine Menge Lärm. Zündet nachts Feuer an. Dann werden sie schon aufkreuzen. Du gibst ihnen das Dokument und weist sie von unserem Gebiet herunter.

Höflich. Es wäre keine schlechte Idee, es höflich zu tun. Wir haben hier sehr wenig Leute. Aber das ist sowieso alles albern.«

»Ich weiß. Keine Sorge. Ich werde ein Muster an Höflichkeit sein.«

Als Oberlys Patrouille drei Tage später um das Lager-feuer saß und aß, spielte ein Mann auf der Panflöte, und Oberly glaubte, einen schwachen Pferdegeruch wahrzunehmen. Er blickte auf. Hinter ihm standen zwei Männer. Er sprang auf und sah sie mit klopfen-dem Herzen an.

»Was habt ihr mit den Posten gemacht?«

»Nichts. Wir haben sie umgangen. Ich vermute, ihr habt eine Botschaft für uns.«

»Ja. Wir haben das Zugeständnis akzeptiert – und auch eure Auflagen. Ihr befindet euch jetzt auf unserem Gebiet. Ich habe Anweisung, euch zu bitten, es zu verlassen und euch auf das Westufer des Cwanto zurückzuziehen. Wollt ihr etwas essen?«

»Nein. Danke. Hast du das Dokument dabei?«

Oberly kramte in seinem Schulterbeutel, zog es heraus und strich es glatt. »Hier«, sagte er.

Garet nahm es und stopfte es in seine Hemdtasche.

»Deine Hand«, sagte er. »Sieht schlimm aus.«

»Ach nein. Ist schon besser jetzt. Wollt ihr wirklich nichts essen?«

»Nein. Wir müssen unsere Männer auf die andere Seite des Flusses bringen. Das wird eine Weile dauern. Wenn ihr auf euren Streifen welche seht, dann sind sie es, aber ich glaube, wir werden sie vor euch erreichen. Von euch sind noch nicht viele hier.«

»Nur wir. Sag mal, hm, du ... du bist ein Pelbar, richtig?«

»Richtig.«

»Kennst du irgendwelche Sentani?«

»Ein paar. Wir haben einige dabei. Willst du mit einem sprechen?«

»Nein. Hm, keine Frauen?«

»Nein. Nur stinkende Männer, die voll Abscheu ih-re massigen Leiber betrachten.«

Kahdi, der hinter Garet stand, kicherte.

»Du kennst nicht zufällig eine Sentani-Frau namens Miggi, oder?«

»Miggi?« Aufdämmerndes Begreifen zauberte ein breites Grinsen auf Garets Gesicht. Er stieß ein joh-lendes Gelächter aus. »Ach so. Du bist Oberly. Ha.

Meine Mutter hat mir von dir erzählt.« Er lachte wieder, aber als er sah, wie verärgert der Leutnant war, trat er vor, umarmte ihn lachend und schlug ihm auf den Rücken. Oberly stieß ihn weg.

»Paß auf, Oberly!« sagte Garet ein wenig ernüchtert. »Du und ich, wir machen jetzt einen kleinen Spa-ziergang. Ich muß dir einiges erklären.«

Kahdi schaute den Unterführer an, verdrehte die Augen und setzte dann wieder seine teilnahmslose Miene auf.

Oberly und Garet schlenderten an den Rand des Feuerscheins und setzten sich. »Du hast dir doch tatsächlich die Hand verbrannt, nur um den Stern auszulöschen. Erstaunlich. Was hat Miggi getan? Hat sie dich mit Tränken verzaubert?«

»Kennst du sie?«

»Ich habe sie einmal getroffen. Schau, Oberly! Hast du eine Ahnung, wie schwierig das ist, was du vorschlägst?«

»Wir haben doch praktisch Frieden, nachdem die Grenze jetzt festgelegt ist. Vielleicht könnte ich irgendwann nach Westen reisen.«

»Du glaubst, wir haben Frieden? Eine Zeitlang vielleicht. Bis der nächste Sharitan sich entschließt, den Cwanto zu überschreiten. Oder dieser Borund.«

Oberly war schlagartig ernüchtert. »Das wird nicht geschehen. Du glaubst doch nicht ...« Er hielt inne, starrte auf das ferne Feuer und scheuchte mit der Hand die Insekten weg.

»Mutter sagt, Miggi war es peinlich, daß du ihr soviel Aufmerksamkeit gewidmet hast«, wagte sich Garet vor. »Wie kannst du soviel Hoffnung haben, daß du dein Leben dafür einsetzen würdest? Ich kann das wirklich nicht verstehen.«

»Wirst du ihr eine Nachricht mitnehmen?«

»Ich schicke sie weiter. Irgendwann wird sie sie bekommen, wenn alles gutgeht.«

Oberly griff in seine Tasche und zog ein zusam-mengefaltetes, mit einem Papierklebestreifen ver-schlossenes Blatt heraus. Er lächelte schüchtern. »Ich hatte es schon vorbereitet«, murmelte er. »Nur für alle Fälle.«

Garet nahm das Papier und steckte es mit dem Dokument ein. Sie schlenderten wieder zum Feuer und zu den gaffenden Männern. »Leutnant, wir sind ein paar Ayas westlich von euch. Morgen früh ziehen wir ab. Ich wäre dankbar, wenn ihr uns Zeit lassen würdet«, verkündete Garet.

»Etwas. Aber wurzelt nicht hier fest.«

Garet lächelte. »Nein. Keine Wurzeln. Also, dann lebt wohl. Vielleicht winken wir euch manchmal über den Cwanto zu.«

»Vielleicht. Ich nehme an, jeglicher Informations-austausch wird sich an der Furt südlich von Tremai abspielen.«

»Nichts dagegen«, rief Garet über die Schulter zu-rück, während er sich umdrehte und in die Dunkelheit hineinmarschierte. Kahdi ging neben ihm rück-wärts, gleich darauf waren beide verschwunden.

»Was sollte das alles, Leutnant?« fragte der Unterführer.

»Nur das Dokument, Wali. Ich bin froh, daß es so einfach ging. Hoffentlich bleibt es so.«

»Mir reicht der Kampf mit diesen Moskitos, Sir«, bemerkte einer der Männer.