SECHS
Tor und Tristal gingen zwei Tage langsam weiter, jagten und beobachteten, dann ließen sie sich nieder und rasteten. Sie waren wieder auf einer Steppe mit kurzem Gras, kalt und winddurchweht. Tristal hatte einen gewundenen Bach gefunden, klein und klar, bis ein plötzliches Gewitter ihn zu einem schäumenden, schlammigen Sturzbach anschwellen ließ.
Sie hatten sich darüber am Ufer eine Hütte gebaut, aber die zeigte sich dem Unwetter nicht gewachsen, und bald schlängelten sich Ströme schlammigen Wassers durch die Rückwand und über den Fußboden. Ihr winziges, auf einer Plattform vorne in der Hütte brennendes Feuer rauchte im verwehten Dunst und beschwerte die Luft mit dem Gestank des getrockneten Mists, mit dem es hauptsächlich geschürt wurde.
Tristal legte sich in einer Ecke auf seinem Graslager zurück, kaute auf einem Stengel und grübelte über etwas nach. Er ärgerte sich sowohl über seine eigene Niedergeschlagenheit wie über die Gelassenheit seines Onkels. Raran kuschelte sich vom Donner geängstigt an Tristal, der der Rätsel und Rechenspiele mü-
de war, mit denen sich die Shumai sonst in solchen Zeiten zu unterhalten pflegten. Tor kannte einen un-erschöpflichen Vorrat davon und schien niemals zweimal die gleichen Aufgaben zu stellen. Tristal hatte seinen Onkel gebeten, keine Fragen mehr an ihn zu richten. Er lehnte sich in dumpfem Trübsinn zu-rück.
»Du hast im Leben schon genügend solcher Unwetter ausgesessen, um dir deshalb keine Sorgen zu machen, Tris. Das hört schon wieder auf.«
Tristal schwieg lange, während er einen Flicken in seine Laufstiefel nähte. »Aber ich habe sie auch in Pelbarigan ausgesessen. Da war es gemütlicher.«
Tor warf den Strohhalm in den Regen hinaus. »Die alte Art war in manchem schlecht. Wir wissen das.
Wir wissen es, weil wir sie alle so schnell aufgegeben haben, als sich eine neue Möglichkeit eröffnete. Aber sie hatte auch ihre guten Seiten. Ich hätte das hier auf keinen Fall missen mögen.«
»Das hier? Du hättest das hier nicht missen mö-
gen?«
»Nein.«
Tristal blickte hinaus in die graue Landschaft, den vom Wind gepeitschten Regen, den brodelnden Bach unter ihnen. Er fühlte sich entmutigt, fast verzweifelt.
Tor hatte zugegeben, anormal zu sein, als er mit dem überlebenden Shumai gesprochen hatte. Tristal fragte sich allmählich, ob er sich von einem wirklich fremden Menschen in völliges Elend führen ließ.
»Ehe du über meine Worte urteilst, denk wenigstens einen Viertelnachmittag darüber nach«, sagte Tor.
Raran knurrte. Jenseits des Flusses, im treibenden Regen konnten sie Gestalten sehen – Tiere, die am Rand des Bachbetts entlang nach Norden trabten. Die Tiere rochen das Feuer und drehten sich um, fielen in Schritt, blieben stehen. Sie waren fast so groß wie Wildrinder. Ihr Zottelhaar wurde von den Böen hochgewirbelt. Sie hielten den Kopf gesenkt. Hörner schwangen sich seitlich nach unten und wölbten sich nach außen. Eines der Tiere schniefte laut, alle drehten sich um und trabten schwerfällig nach Osten davon.
Tristal war es, als sei sein Gefühl für die Fremdar-tigkeit dieser Gegend plötzlich lebendig geworden.
Er wandte sich an Tor und sah, daß die Augen seines Onkels leuchteten.
»Was waren das für Tiere?«
»Ich weiß es nicht. Aber sie sind an die Kälte ge-wöhnt. So viele Haare. Das gäbe einen Wintermantel!
Ich hoffe jedenfalls, daß das eines zu bedeuten hat.«
»Was?«
»Daß wir jetzt in ein neues Land kommen. Vielleicht in Disdans Eisland.«
Tristal starrte in den Regen, die eingefädelte Nadel und den weichen Stiefel müßig in den Händen. Raran grub ihre Nase unter seinen Arm. Tor rutschte zur Seite, und Tristal sah, daß er die Augen geschlossen hatte und ein entrückter Ausdruck auf seinem Gesicht lag.
Der nächste Morgen dämmerte klar, die Luft war reingewaschen und kühl. Als Tristal erwachte, wik-kelte Tor schon sorgfältig Streifen von Trockenfleisch in das weiche Leder seines Essensbeutels.
»Bereit zum Aufbruch?«
»Kein Grund, hierzubleiben«, erwiderte Tristal.
Wie sich herausstellte, fanden sie an diesem und auch am nächsten Tag nichts Neues. Der dritte brachte wogendes Land und ein paar Felsnasen. Weit im Norden sahen sie noch mehr von den fremdartigen Tieren grasen. Auf höheren Erhebungen erschienen Kiefern und Fichten. Am Nachmittag blickte Tristal nach vorne und sagte: »Sieht so aus, als hätten wir wieder eine Kette von Unwettern vor uns.«
Am Horizont schimmerte mattes Weiß, das über der Landschaft schwebte. Tor blinzelte. »Mmmmm!«
Tristal wirbelte herum und schaute noch einmal hin. »Eis? Ist das das Eis? Sollen wir da hinüber?« Als er sich an seinen Onkel wandte, sah er, daß der lachte.
»Wer weiß? Wir gehen erst mal hin und sehen es uns an.«
Tor lag auf dem Bauch in den Felsen und schaute hinunter auf eine kleine Gruppe von Menschen, die um ein Lagerfeuer saßen. Sie waren weitere zwei Ta-ge unterwegs gewesen, das Eis im Nordwesten wuchs allmählich vor ihnen. Das Gelände war rauher und höher geworden. Dann hatten sie eine Rauchfahne gesehen und waren in den Felsen in Deckung gegangen, Tor hatte sich langsam nach vorne geschoben, um zu sehen, was los war.
Unten saß ein alter Mann, umringt von drei Kna-ben und einer jungen Frau am Feuer. Er hielt ein dik-kes Stück Leder auf seinem Knie, darauf hatte er einen großen Steinsplitter, den er gegen seinen Schenkel preßte, während er mit einem langen Knochen-werkzeug daran arbeitete und ihn formte. Rings um ihn verriet ein Haufen Steinscherben, wie lange er schon an solchen Werkzeugen arbeitete.
Einer der Jungen half der Frau beim Kochen. Die anderen spielten das Shumaispiel ›Na, na‹. Aber sie waren anders als alle Shumai, die Tor kannte. Sie waren kleiner und von dunklerem Typ, obwohl das geflochtene Haar des Mädchens in der Sonne blond schimmerte.
Der Alte hielt das Stück hoch, an dem er arbeitete, und betrachtete es blinzelnd. Dann blies er darauf. Er wischte sich die Hände ab, hob ein Knochenstückchen auf und rieb damit die Kanten des Werkstücks ab. Dann fing er wieder an, mit leisen, klickenden Ge-räuschen die Kanten des Steins zu behauen. Tor war fasziniert. Daneben lagen zwei Speere – Schäfte mit hohlen Enden – und ein kleiner Stapel von Stöcken mit Steinspitzen, die offensichtlich in die Schäfte paßten.
Plötzlich hielt der Mann inne, als lausche er. Er begann wieder zu arbeiten, hielt aber erneut inne.
»Abry«, sagte er zu dem größten Jungen. »Sag Mann in Felsen, er kann hier herunterkommen, wenn er zuschauen will.« Seine Stimme war klar, er hatte einen anderen Akzent, war aber nicht schwer zu verstehen.
Abry schrie auf und wollte auf einen Speer zustürzen, aber Tor erhob sich sofort und suchte sich den Weg durch die Felsen nach unten. Er schaute den Alten an und lachte.
Der lachte zurück. »Abry«, rief er. »Laß das!« Der Junge schien verwirrt.
»Tristal!« schrie Tor über die Schulter nach hinten.
»Bring Raran mit!«
Tristal erhob sich oberhalb von Tor und folgte ihm, Raran am Halsband festhaltend.
Tor streckte Abry die Hand entgegen, aber der Junge kannte das Aneinanderdrücken der Handflä-
chen nicht. Tor ging an dem Jungen vorbei, der ihn anstarrte, und näherte sich dem Alten. »Tor«, sagte er. »Mein Neffe, Tristal. Der Hund, Raran.«
»Allein? Keine Bande diesmal?«
»Ihr seid also schon Shumai begegnet? Ja. Wir sind allein.«
»Vor langer Zeit. Wir haben getauscht. Zwei-oder dreimal. Und der verrückte Stamm.«
»Ich werde wohl unvorsichtig. Oder ich rieche. Wie hast du ...?«
Der Alte winkte ab. »Ich habe Interesse von dir ge-spürt. Du hast Gedanken ausgeschickt.«
Innerlich schauderte Tor leicht zusammen. »Lehre mich, so etwas zu machen«, sagte er.
»Das kannst du nicht über Nacht lernen.«
»Nein. Wohl nicht.«
Tristal wandte seine Augen von der jungen Frau ab, bückte sich und kramte in seinem Rucksack.
»Hier«, sagte er. »Die habe ich gefunden. Weit weg von hier.«
Er reichte dem Alten seine alte Speerspitze. Der nahm sie und drehte sie vor sich hinmurmelnd hin und her. Dann hielt er sie auf Armeslänge von sich.
»Möchtest du sie haben? Nimm sie!« sagte Tristal.
Der Alte lachte. »Nein. Behalte sie nur. Du brauchst sie später. Ich kann welche machen. Sie ist sehr hübsch. Wir haben auch ein paar alte. In Sedge. Unser Ort. Hier. Ich bin Tegrit. Abry, meinen Enkel, kennst du schon. Seine Brüder Prent und Doce. Meine Enke-lin Orsel. Habt ihr Hunger? Wir essen bald. Habt ihr was beizusteuern?«
Tristal reichte Orsel zwei Schneehühner, die er an seinem Gürtel trug. Sie lächelte ihn an. Tristal fand ihre Züge ein wenig stumpf, ihre Augen klar und ihren Blick verwirrend direkt. Er lächelte zurück, dann wandte er sich Tegrit wieder zu.
»In Sedge gibt es nicht richtigen Stein«, erklärte Tegrit. »Ist einfacher, Werkzeug hier zu machen, als ganzen Stein zurückzutragen und zu Hause zu ver-arbeiten. Natürlich nehmen wir etwas mit zurück.
Und wir lassen das meiste, was wir hier machen, roh.
Machen zu Hause fertig. Wenn du mitkommst, können wir mehr tragen.«
»Ja. Natürlich.«
»So, Tristal, du rührst um, während Orsel Vogel säubert. Junge, du holst noch Holz. Und Stroh für Bett. Du – Tor – willst du zuschauen? Ich glaube, du kannst es mit einer Hand. Aber nicht einfach. Du mußt dir Lederpolster machen und Stein draufdrük-ken. Oder laß deinen Neffen erste, schwere Stücke abhauen.«
Tor gab nur ein Gemurmel zur Antwort und hockte sich nieder, um dem Alten zuzusehen, wie der den Stein zu einer langen, blattförmigen Spitze formte.
»Ich mache die hier ganz fertig, damit du siehst«, sagte Tegrit. Dann schwenkte er sein Knochenwerk-zeug und stellte fest: »Anscheinend wollen das nur ältere Leute machen. Jüngere lassen sich von den älteren alles Werkzeug machen.« Die beiden schauten sich in plötzlichem Einverständnis grinsend an. Aber Tor war auch beunruhigt. Tegrit hatte seine Anwesenheit gespürt. Was ahnte er sonst noch? Seine Fä-
higkeit war zu klar umgrenzt, um der von Tor ähnlich zu sein. Er spürte keine Gefahr, wollte aber doch vorsichtig sein.
Sie blieben vier Tage lang, Tegrit arbeitete an Werkzeugen, Tor war die ganze Zeit bei ihm, aber seine eigenen Versuche fielen lächerlich plump aus.
Tegrit unterwies und kommentierte. Tristal ging die meiste Zeit mit den Jungen, die noch nie einen Bogen gesehen hatten, auf die Jagd. Zuerst betrachteten sie ihn mit Verachtung, aber bald staunten sie über seine Zielgenauigkeit und die Flugweite seiner Pfeile.
Manchmal kam auch Orsel mit. Sie schwieg meistens, aber Tristal spürte ihre Gegenwart, merkte, wie sie ihn ansah. In der dritten Nacht richtete sie es so ein, daß sie in der Reihe zwischen dem Feuer und einem großen Felsen neben ihn zu liegen kam.
Er spürte, wie ihr Fuß an seinem Bein auf-und ab-strich, dann legte sich ihr Arm über ihn, während alle still dalagen und das erlöschende Feuer flackerte.
Von dem Arm, der auf ihm ruhte, ging Rauch-und Schweißgeruch aus. Er lag ganz still, als ob er schliefe. Sie rutschte näher heran. Das Gewicht ihres Arms drückte Tristal in das grobe Stroh unter seinem Körper. Mindestens drei spitze Halme bohrten sich von unten in seine Seite. Ihr Knie hob sich und legte sich über das seine, und ihr Knöchel hakte sich um sein Schienbein. Tristal entdeckte auch darunter Halme.
Er blieb völlig reglos und atmete mit geübter Gleichmäßigkeit, obwohl sein Körper nach Erleichterung, nach Bewegung schrie. Orsel war warm, ihre Haut glatt und fein wie das Fell zwischen Rarans Ohren.
Ihr Atem drang dicht an sein Ohr und kitzelte ihn. Er roch schwach nach Äpfeln.
»Hör auf, dich schlafend zu stellen, Tristal!« flü-
sterte sie.
Tegrit rollte herum, stand auf und klopfte sich ab.
Er ging zum Feuer, schob die Glut zusammen, legte Holz nach und ging dann in die Dunkelheit hinaus.
Das aufflackernde Feuer beleuchtete die Schläfer. Orsel rollte sich weg. Tristal bewegte sich noch immer nicht, sein niedergedrückter Arm verlangte bohrend nach Entlastung. Endlich kehrte Tegrit zurück, schaute noch einmal nach dem Feuer, schob es erneut zusammen und warf ein kleines Scheit hinein. Tristal setzte sich auf, als sei er gerade wachgeworden, reckte und streckte sich.
Tegrit schaute ihn mit einem leisen Lächeln an. Tristal legte sich wieder hin, drehte sich um und machte es sich bequem. Er warf keinen Blick auf Orsel, hörte aber bald an ihrem Atem, daß sie wirklich schlief.
Am Morgen weckte Tegrit Tristal bei Sonnenaufgang und schickte ihn mit den Jungen auf die Jagd. Als sie am Spätnachmittag zurückkehrten, behaute der Alte mit Tor, dessen Hand zerschnitten und blutig war, immer noch Steine. Sein Mund war in frustrierter Entschlossenheit verkniffen. Tegrit schien belustigt.
Orsel war nicht da. Als sie zurückkam, schaute sie Tristal nicht an. Er war darüber erleichtert, aber auch ein wenig beunruhigt. Was hatte er getan? Er war versprochen. Mußte er das jedem mitteilen, dem er begegnete?
In dieser Nacht legten sich die Jungen gleich nach Sonnenuntergang nieder, aber Tor arbeitete weiter an seinen Steinen und Tegrit schaute ihm im Feuerschein zu und gab Kommentare ab. Tristal sah ebenfalls zu und fertigte langsam und umständlich einen Pfeil. Irgendwie lag Spannung in der Luft.
Endlich stand Tegrit auf und wischte sich die Hän-de an den Schenkeln ab. »Du, Tristal. Du machst mit Orsel Spaziergang. Nicht zu weit in Dunkelheit.« Sie schauten ihn beide an. »Geht nur!« sagte er. »Geht spazieren! Nicht zu weit, habe ich gesagt.« Er wandte sich an Tor. »Ein Problem, wenn man Gedanken hö-
ren kann, ist Lärm. Bei den beiden wird man fast taub. Du verstehst, nicht wahr?«
Tor verzog das Gesicht. »Ich höre Gedanken nicht so deutlich. Wenn du meinst, habe ich nichts dagegen. Wahrscheinlich sollten sie miteinander reden.
Aber Tristal ist versprochen.«
»Das habe ich dir nie gesagt«, stellte Tristal fest.
»Du weißt also auch!« Tegrit amüsierte sich.
»Einiges. Manches ist offensichtlich.«
»Was bedeutet ›versprochen‹?«
»Es bedeutet, daß er heiraten wird, wenn er nach Hause zurückkehrt. Sie haben es vereinbart.«
»Ist das denn so fest bei euch?«
»Normalerweise ja. Frag ihn!«
Tristal war ein wenig verärgert. Was bildete sich Tor denn ein, daß er sich dazwischendrängte und alles regelte? Natürlich hatte er recht. Es war vereinbart. Aber hier draußen schien das alles zu brutal, so lächerlich.
»Ich möchte nicht Spazierengehen«, sagte Orsel.
»Ich bin dein Großvater, und ich sage dir, du sollst es tun! Ich halte es nicht aus, wie ihr euch anschreit.«
»Wir haben nichts gesagt.«
»Ich habe alles gehört. Geht jetzt! Ihr braucht kein Wort miteinander zu reden, wenn ihr nicht wollt.
Aber geht. So weit weg, daß es hier ruhig wird.«
»Hast du denn gar keine Angst um mich?« fragte Orsel plötzlich weinerlich. »Glaubst du, ich habe kein Schamgefühl? Keine Zukunft?«
»Tristal ist recht guter Junge. Von euch weiß sowieso keiner, was er will. Geht! So, Tor. Kante zu uneben.
Nimm Knochengelenk und reibe darüber. Du brauchst flachere Stelle zum Arbeiten.«
Keiner der Männer schaute Tristal und Orsel mehr an. Sie konzentrierten sich auf den rauhen Stein, den Tor abzusplittern versuchte. Tor schlug sich wieder auf den Stumpf seines rechten Handgelenks und schwenkte ihn leise pfeifend. Tegrit kicherte.
Tristal schaute Orsel an. Sie senkte den Blick. Sie trafen sich auf der anderen Seite des Feuers und gingen hinaus in das dunkle Grasland. Tristal nahm ihre Hand. Schließlich blieben sie stehen, sahen sich an und legten sich gegenseitig die Arme um die Taille.
Orsel roch nach Schweiß und Rauch. Tristal sagte sich, daß es bei ihm wahrscheinlich nicht anders war.
Ihr Atem roch nach Äpfeln, und als er ihre Lippen suchte, fand er dort die gleiche Apfelsüße.
»Wie versprochen bist du?« fragte Orsel.
»Völlig versprochen. So sehr, daß ich einsam bin.
Was haben sie mit uns vor?«
»Nicht so viel.« Orsel küßte ihn aufs Ohr. »Du hast schönes Ohr. Nicht alles. Etwas dazwischen.«
»Wie sollen wir das wissen?«
»Großvater sagt, du bist guter Junge.« Sie hielt inne und kicherte über diesen Gedanken. »Guter Junge«, wiederholte sie, die Worte in die Länge ziehend. »Er meint, du wirst es wissen. Wenn nicht, dann weiß ich es. Ich habe meine Grenze. Du wirst nicht bleiben. Ich werde wahrscheinlich Mann namens Dardan heiraten. Viel größer als du. Guter Fang. Und jetzt sei still!« Sie stieß mit ihrer Stirn gegen die seine.
Die Sterne waren ein wenig anders im Norden, und nach einiger Zeit sagte Tristal Orsel von vielen die Shumai-Namen. Aber das war eine Ablenkung. Der Mond schien auf Orsel und ließ sie glatt und fast hellgrün aussehen, unwirklich, wie eine Pelbar-Schnitzerei, die sich bewegte und murmelte. Einmal seufzte sie und sagte: »Wir sind schon lange hier draußen. Großvater arbeitet langsam und redet. Und mein Vetter. Ist gut, daß du gekommen bist. Du bist so groß. Was ist mit deiner Brust passiert? Nein. Sag es mir nicht! Ein andermal.«