NEUN
Am nächsten Abend spielte Stel auf seiner Flöte für die Ozar, während sie alle in der Halle des Terminals saßen. Der erste Hauch spätsommerlicher Kühle hatte sich auf das Plateau gesenkt, und ein kleines Feuer im offenen Herd erinnerte ihn an Pelbarigan. Die meisten Ozar saßen mit leerem Blick da, einige schlurften jedoch geistesabwesend hinaus, um sich etwas zu trinken zu holen oder ohne Grund. Fitzhugh spann wie gewöhnlich, bis sie weitere Fasern schlagen mußte, und lieber aufhörte, als ein anderes Geräusch zu verursachen. McCarty war nicht da.
Stel endete mit einer langen Hymne an Aven, die Herrscherin über Himmel und Erde, deren Schönheit alles Irdische übersteigt, deren Gerechtigkeit und Vollkommenheit man nur in den reinsten Augenblik-ken flüchtig erschauen kann, wenn ihre absolute Ma-kellosigkeit wie hundert Sterne in einer klaren Nacht erglänzt. Er war selbst gerührt von dem Gedanken an diese Transzendenz und von seiner Erinnerung an die große Kapelle in Pelbarigan mit ihrer hohen Dek-ke, ihren Galerien und ihrem Chor, der an Winter-abenden sang, wenn der Atem der Sänger dampfend ins Licht der Lampen hinaufstieg. In diesem Winter würde Ahroe dabei sein, dachte er. Sie würde den Kopf zur Musik neigen, vielleicht trauriger, als sie letztes Jahr gewesen war, als sie zu ihm, der bei den Flötisten stand, herüberschauen konnte, mit blitzen-dem Lächeln, weil sie an ihr Zusammensein nach der Musik dachte.
Ehe er es merkte, hatte er schon einige Zeit nicht mehr gespielt, und die Halle war beinahe verlassen.
Nur drei von den Alten blieben am Feuer sitzen und starrten in die Flammen. Fitzhugh hatte wieder angefangen, Fasern zu schlagen und ließ sich von Taglio helfen, er oder sie schlug mechanisch auf die Strähnen zäher Fasern ein, die über das Holzscheit mit der weichen Oberfläche gespannt waren.
Auf dem Weg nach draußen sagte Stel: »Fitz, aus irgendeinem Grund wird das Holz, das ich für den Winter gesammelt habe, weniger. Nicht gravierend, aber merklich.«
»Ja, ich weiß.«
»Du weißt es? Ich dachte, es sei ein Vorrat.«
»Das ist es auch. McCarty hat es irgendwohin geschafft. Immer ein bißchen auf einmal.«
»Was willst du tun?«
»Ich habe keine Zeit, sie zu beobachten. Es ist auch ihr Holz. Wir werden es finden.«
»Nun, dann gute Nacht.«
»Gute Nacht, Stel. Deine Musik hat zu viele Erinne-rungen heraufbeschworen. Sie ist anders als die, die wir hatten, aber die Wirkung ist die gleiche. Sie tut im Herzen weh. Du mußt große Traurigkeit erfahren haben. Warum hast du dein Volk verlassen?«
»Vielleicht erzähle ich es dir eines Tages. Gute Nacht.«
Stel verließ hastig das Terminal und marschierte zwischen den Reihen trocknender Bohnen über das Feld. Er hatte sich fünf Schlafplätze gesucht und wählte jede Nacht einen anderen. Warum, das wußte er nicht. Er hatte eine unbestimmte Vorahnung. In aller Heimlichkeit, wie es für die Pelbar vor dem gro-
ßen Frieden typisch gewesen war, hatte er jeden Tag seine Sachen versteckt. Heute ging er zum Hügel hinter dem Haus von Ozar, um sie zu holen, und als er sie an sich nahm, sah er wieder das winzige Licht aus dem sonderbaren Gebäude, unbestimmt und flackernd, auf der dem Terminal abgewandten Seite.
Als er näher kam, stellte er fest, daß ein jetzt größ-
tenteils verfaulter Holzklotz weggerollt worden war und das Licht von innen kam. Als Stel sich in die Öffnung beugte, sah er eine schattenhafte Gestalt neben der großen Masse Ozars gebückt stehen und Holz am Fuß eines großen Holzpfeilers aufschichten.
Er schlüpfte hinein, schlich sich auf die andere Seite der Konstruktion und sah dort weitere kleine Stapel um die Pfeiler.
McCarty ging fort. Stel regte sich nicht. Sie kroch durch das kleine Loch, schob dann den Klotz zurück und tauchte Stel damit in völlige Dunkelheit. Er tastete sich um den großen, gewölbten, kühlen Rumpf von Ozar, suchte die Wand ab und drückte gegen die Klötze, bis er den richtigen gefunden hatte. Er schob ihn sanft beiseite und wand sich durch das Loch. Er sah McCarty im Mondschein zum Terminal zurückgehen, ihre magere Gestalt ragte zwischen den Boh-nenreihen hoch auf.
Stel sah ihr nach, bis der Mond über drei Kiefern-wipfel hinweggewandert war, dann nahm er seine kleine Lampe aus seinen Sachen, kroch wieder durch das Loch und zog den Klotz hinter sich zu. Er zündete die Lampe an und ging die gewölbte Seite Ozars entlang. Ja, da stand der Name, schwach braun, ab-geblättert und verblassend. Von einer Seite von Ozars Rumpf war ein schmales, flaches Teil abgerissen und lehnte schräg am Hügel. Stel setzte sich darauf. Ozar war riesig und bestand aus einem weißlichen Metall, aus Platten, die mit Hunderten von kleinen, an der Oberfläche abgeschliffenen Nägeln aneinander befestigt waren. Fenster in einer hoch oben liegenden Reihe traten in den Schatten zurück, und Stel rutschte über die flache Konstruktion und wieder auf das ge-zackte Ende von Ozar, oberhalb des R. Verbogenes Metall und Drähte ragten daraus hervor wie Weinre-ben. Er kletterte vorsichtig hinauf und kam in eine lange Halle mit Sitzen auf beiden Seiten, von denen aber nur noch die Metallrahmen vorhanden waren.
Ozar roch nach Dunkelheit und Verfall. Ein Sam-melsurium von Gegenständen und Werkzeugen, wie Stel sie sich nie hätte vorstellen können, lag über den Boden verstreut. Von der Wand blätterte eine cremige Substanz ab, die weder Metall noch Holz war. Stel brach ein Stück davon mit der Hand ab. Es war mür-be, hatte aber eine leichte Krümmung. Korrodiert war es nicht. Hie und da verstreut lagen perlweiße Trink-becher, dünn, zerbrechlich und unglaublich leicht, und kleine Flaschen aus Glas. Stel sah auch faltige Metalltabletts wie die im Archiv. Vorne, wo Ozar schmäler wurde, war die Tür, von der Fitzhugh gesprochen hatte, mit der verblaßten Aufschrift: EINTRITT VERBOTEN. Stels Hand zögerte, aber dann packte er entschlossen den Türgriff und zog. Die Tür öffnete sich knirschend. Mehrere kleine Tiere flitzten im Dunkeln an ihm vorbei und erschreckten ihn so, daß er beinahe seine Lampe fallen ließ. Er schlüpfte hinein und zog die Tür hinter sich zu, dann machte er sie wegen des dumpfen Geruchs wieder auf.
Stel schauderte, als er die beiden Skelette sah, die jetzt ziemlich durcheinandergewürfelt waren, aber noch in ihren Stühlen saßen. Das Gerippe auf der linken Seite lehnte an der linken Wand, der Kopf war fast weggekippt. Der Schmutz, der sich durch das Fenster ergossen hatte, füllte den Schädel zur Hälfte.
Das Skelett auf der rechten Seite neigte sich nach vorne gegen Gurte. Der Schädel lag auf dem Boden. In der Stille starrte Stel die Scheiben an, von denen Fitzhugh gesprochen hatte. Auf jeder Scheibe waren eine Beschriftung und ein Bogen mit Zahlen. Kleine Knöp-fe ragten in Reihen hervor. Vor jedem Skelett standen ein Stab und der Teil eines Rades schräg aus dem Boden heraus.
Während Stel das alles anstarrte und ihm von all den fremdartigen Dingen ganz schwindlig wurde, hörte er ein leises Geräusch. Er deckte seine Lampe ab, hatte aber Angst, sie auszublasen. Von draußen schien ein schwaches Licht durch die Fenster von Ozar. Stel erhob sich langsam und spähte hinaus.
Durch das Loch zwischen den Klötzen kamen mehrere Gestalten herein. Zuerst glaubte Stel, es seien Ozar, aber dann sah er, daß die kahlen Köpfe den Roti ge-hörten. Er hörte eine Stimme leise sagen: »Yci, nu matte kudasy por das Diu nezumi iro. Ul coom a tha oka. Tyn nu ga hym. Uhm, zym, nachtanali, nu ga hym.« Die anderen stimmten wieder den leisen Gesang an, aber der Anführer legte schnell den Finger auf einige Münder und brachte sie zum Schweigen.
Stel sah einigermaßen erleichtert, daß ein Roti einen Arm an den Körper gebunden hatte. Er hatte den Mann also nicht mit seiner Steinlawine getötet.
Aber was sollte er jetzt tun? Er sank zwischen den beiden Skeletten nieder. Etwas stach ihn in die Hand.
Er riß sie nach oben weg, dann tastete er vorsichtig und förderte einen kleinen Gegenstand zutage, auf dessen Rücken ein dünner Schaft wie eine Nadel angebracht war. Er befühlte das Ding eine Weile mit den Händen, dann steckte er es in eine Tasche. Drau-
ßen hörte er die Stimmen. Mit der Zeit begannen die Roti, im Gebäude umherzugehen. Einige waren offensichtlich nervös und ängstlich. Stel verhüllte seine Lampe noch sorgfältiger. Während er sich mehr und mehr an das schwache Licht gewöhnte, sah er an einer Wand einen dunklen Mantel hängen. Er berührte ihn. Der Ärmel ging ab. Aber das Tuch schien, wenn es auch steif war, recht stabil zu sein.
Stel hörte Stimmen innerhalb von Ozar. Glückli-cherweise hatte er die Tür zugeschoben, als er sie zum erstenmal gehört hatte. Aber er wußte, daß sie nicht standhalten würde, wenn die Roti hereinwoll-ten. An diesem Punkt war er nicht einmal sicher, ob sie wußten, daß er hier war. Die Stimmen kamen nä-
her. Stel konnte hören, wie die Roti in den Dingen in Ozar herumkramten. Lag da Staub? Hatte er Spuren im Staub hinterlassen? Er zog sein Kurzschwert.
Dann berührte er mit der Hand etwas aus Draht. Seine Finger fuhren die Umrisse nach. Es war wie ein Kleiderbügel der Pelbar. Schnell nahm er den Mantel, holte das Nadelding aus seiner Tasche und steckte den Ärmel wieder an.
Er hörte, wie die Roti an die Tür kamen. Er hängte den Mantel über die Lehne eines Stuhles, stellte schnell den rechten Schädel obendrauf und kauerte sich auf der rechten Seite nieder, wo der Raum eine Ausbuchtung hatte. Er hielt seine Lampe hoch in den Schädel hinein, als die Roti die Tür aufzogen. Im schwachen Licht sah er drei Gesichter, dann einen Augenblick lang die Spiegelung der beleuchteten Augen und der Nase des Schädels in sechs Augen.
Das Abteil füllte sich mit einem Kreischen von beiden Seiten, die Tür schlug zu.
Die nächsten Augenblicke war ein wirres Durcheinander aus Schreien, Stolpern und Laufen zu hören.
»Nekko, nekko, y da. Nu ga, nu ga vatay«, rief jemand schrill. Dann verteilten sich die Schreie, innerhalb von Ozar kehrte wieder Stille ein. Stel stank auf den Boden, stellte den Schädel auf sein Knie, steckte das Kurzschwert in die Scheide und wischte sich den Schweiß von der Hand. Er fühlte sich matt. Dann begann er zu lachen, zuerst stumm, dann leise, aber aus vollem Herzen. Eine Zeitlang saß er da und lachte immer wieder.
Als Stel vorsichtig und leise durch Ozar nach drau-
ßen ging, nachdem er den Schädel wieder in seine Ecke zurückgestellt und ihn ein paarmal getätschelt hatte, kam er zu McCartys Klotzeingang. Er war ver-barrikadiert. Das war nicht schlimm. Vielleicht beobachteten ihn die Roti ohnehin. Er ging herum zur anderen Seite der Holzkonstruktion und machte ein neues Loch unter einem verfaulten Klotz am Ende von Ozars zweiter, flacher Verlängerung. Dann ging er langsam durch die Bohnen zurück, stieg hinunter zum Bach und badete gründlich in der Kälte. Als der Morgen graute, saß er immer noch am Bach und drehte das Nadelgerät in den Fingern, das er in dem Raum mit den Skeletten gefunden hatte. Jetzt konnte er deutlich sehen, daß es eine Darstellung von zwei Flügeln war, ganz schwarz, mit einer Nadel, um es an Kleidung zu befestigen.
Stel stieg langsam auf den Hügel und betrat das Terminal, um zu frühstücken, Fisch und Bohnen wie üblich, ausgeteilt von Finkelstein, einer kleinen Person mit einem stets feierlichen Blick.
»Zum Essen rechtzeitig da, wie ich sehe«, schrie McCarty. »Bereit, ein bißchen Winterholz zu sammeln? Der Stapel wächst ja nicht gerade sehr schnell.«
»Er würde viel schneller wachsen, wenn du das Holz nicht wegschaffen würdest. Du hast schon jetzt soviel im Haus von Ozar, wie ich in einem halben Mondzyklus gesammelt habe«, sagte Stel.
Das Klirren von Löffeln und Schüsseln verstummte. »Im Haus von Ozar?« fragte Taglio. Ein gemur-meltes Echo von einem Dutzend der anderen folgte.
»Das ist eine sehr gewichtige Behauptung, Stel«, sagte Fitzhugh ruhig.
»Trotzdem ist es so. Ich habe sie gestern nacht gesehen. Ihr könnt jetzt alle da hinausgehen und es nachprüfen, wenn ihr möchtet.«
»Du weißt, daß wir nicht zum Haus von Ozar gehen.«
»McCarty schon. Sie hat überall um die großen Holzpfeiler im Inneren Holz aufgeschichtet.«
»Dann warst du also im Inneren des Hauses von Ozar?«
»Ich war auf dem Hügel und sah ein Licht. Da wollte ich nachsehen. Ich sah McCarty mit Holz. Sie zog einen verfaulten Klotz zur Seite. Ich ging ihr einfach nach.«
»Aber wenigstens gehört sie zu den Kindern von Ozar.«
»Vielleicht. Aber trotzdem, wie du schon sagtest: ›Wir gehen nicht zum Haus von Ozar.‹ Das heißt, keiner von uns, aber McCarty schon. Und letzte Nacht waren auch fünf Roti dort.«
Über das allgemeine, bestürzte Gemurmel hinweg kreischte McCarty: »Jetzt wissen wir, daß du lügst. In den Eintopf mit diesem Lügner! Gebt ihn den Roti!«
Sie verstummte mit einem langen, zittrigen Lachen.
Stel sagte schlicht: »Du mußt deine Stimme schmie-ren, McCarty. Geht hin und seht nach! Geht hinein und schaut euch die Spuren an! Ich bin sicher, ihr werdet finden, was ich euch gesagt habe.«
»Hinein! Hört ihr, was er sagt? Er will, daß wir in das Haus von Ozar gehen.«
»Es ist ohnehin Zeit, daß ihr hineingeht. Das ganze Gebäude ist in einem schrecklichen Zustand. Es wird nicht mehr viele Jahreszeiten halten. Ich verstehe nicht, warum ihr euch weigert, es zu betreten. Die Kinder von Ozar haben das Gebäude zweifellos errichtet. Dazu müssen eure Ahnen überall auf Ozar herumgeklettert sein. Ozar muß eine Zeitlang im Freien gestanden haben, ehe das getan wurde. In der Vergangenheit hat man sie sicher von Zeit zu Zeit repariert. Ihr betet Ozar nicht an. Außerdem ist sie nichts als eine Metallkonstruktion. Ich war gestern nacht drin, nachdem McCarty den Klotz hinter sich zugemacht hatte. Sie schließt mich ständig irgendwo ein.«
Jetzt war Taglio aufgestanden, zitternd, aber viel entschlossener, als Stel ihn – oder sie – bisher erlebt hatte. Taglio zeigte auf Stel und sagte fest: »Diese Person lügt uns an. Wir sind nie zu Ozar gegangen.
Das würde nicht einmal McCarty tun. Er hat gestanden, daß er drin war. Wir müssen ihn erledigen. Er hat unsere heiligste Pflicht verletzt. Er hat ...«
»Ist es eure heiligste Pflicht, nicht in ein verfallen-des, altes Gebäude zu gehen?« gab Stel zurück. »Das finde ich erstaunlich. Es ist, als flögen die Vögel von oben nach unten. Die Sorge, die ihr einander zuteil werden läßt, ist eure heiligste Pflicht. Ihr habt keine wirkliche Religion. Aber eine Art Ethik habt ihr. Was ist ein altes Gebäude schon anderes als ein altes Ge-bäude, selbst wenn es Ozars Gebäude ist? Was bedeutet es McCarty? Nichts! Sie ist wiederholt dort gewesen. Geht doch hin und seht nach.«
Taglio hob ein Paar knochendürrer Hände und schrie: »Ich will nichts mehr hören. Diese Person muß verschwinden!«
Da stand Fitzhugh auf. »Nein«, rief sie und schlug mit ihrer Holzschüssel auf den Tisch. »Wir werden jetzt alle in das Haus von Ozar gehen. Es ist Zeit, daß wir es tun. Wir hätten es schon lange tun sollen. Niemand hat sich um Ozar gekümmert, und wenn etwas vernachlässigt wurde, dann muß das wiedergutge-macht werden. Wenn wir natürlich das Holz im Inneren finden, können wir nicht feststellen, ob McCarty es dorthin gebracht hat oder Stel.« Sie warf Stel einen ruhigen, strengen Blick zu. »Wir werden alle gehen, außer Stel. Er ist nicht von Ozar, also muß er zurück-bleiben.«
Taglio setzte sich mit einem hörbaren Plumpsen.
Die anderen schauten erschrocken und ängstlich drein.
»Wir werden gehen«, kreischte McCarty. »Ich gehe als erste. Ich bin noch niemals dort gewesen. Wie Fitzhugh schon sagte, ist es Zeit, daß wir uns um Ozars Zustand kümmern.«
Fast mechanisch erhoben sich die übrigen, nahmen Fackeln, entzündeten eine und gingen langsam zum Haus von Ozar. Stel sah ihnen vom Terminal aus nach, dann holte er den Stab herunter, den er sich für einen Langbogen gesucht hatte, setzte sich an den rauchenden Herd und bearbeitete ihn. Die Leute blieben lange fort, aber endlich kamen sie zurück. Stel hörte, wie sie auf den großen Haufen unter den Überhang wieder Holz zurücklegten.
Fitzhugh kam vor den anderen herein, stellte sich vor Stel hin und sah ihn an. »McCarty ist meine Schwester, Stel. Ich werde ihre Lügen vor deiner Wahrheit in Schutz nehmen, wenn es nötig ist. Hier ist der einzige Platz, den sie hat, und sie darf ihn nicht verlieren. Das mußt du einsehen.«
Stel sagte nichts, sondern schabte weiter an seinem Stab. Allmählich kamen andere herein. Fitzhugh fuhr fort. »Man hat beobachtet und beschlossen, daß wir keinen Beweis dafür haben, daß McCarty jemals im Haus von Ozar war. Sie ging als erste hinein, durch die Öffnung, die du beschrieben hast, und daher waren die Spuren, die wir sahen, vielleicht die, die sie gerade gemacht hatte. Deine Spuren sahen wir in Ozar und auch die nackten Abdrücke der Roti. Damit hattest du recht.«
»Du hast einen Fehler gemacht, Fitz«, sagte Stel ruhig.
»Fehler?«
»Ich habe euch nie gesagt, wo McCarty das Haus von Ozar betreten hat. Es ist nicht wichtig. Wie ich sehe, ist es Zeit, daß ich fortgehe. Eigentlich ist es auch verwunderlich, daß ich mich abmühen soll, um Winterholz hierherzuschaffen, nur um es dann in das Haus von Ozar zu tragen und mir damit noch mehr Arbeit zu machen. Laß nur! Ich werde fort sein, ehe die Sonne untergeht.«
»Fort? Wir haben dir zu danken. Du hattest recht.
Wir haben Ozar vernachlässigt. Wenn wir nichts unternehmen, um das Haus zu erhalten und zu reparieren, wird es wirklich einstürzen. Dazu werden wir deine Hilfe dringend brauchen, Stel.«
Der Pelbar stand da und runzelte spöttisch die Stirn. Da hatte ihm Fitzhugh die Schuld zugeschoben, nur um ihn dann zu loben und um Hilfe zu bitten.
Nun, vielleicht war ihr diese verbissene, alte Spott-drossel das wert. Andererseits wußte sie, daß sie seine Hilfe brauchte. Sie würde es schaffen, die Sache mit Ozar zu verschieben, solange die wichtigere Aufgabe des Überlebens ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Vielleicht war es nur ein Spiel, ein langsames, ritualistisches Drama. Die anderen, die alle zum erstenmal im Haus von Ozar gewesen waren, schienen alles ruhig aufzunehmen. Stel fragte sich, ob das Ganze nur Getue war, und ob jeder von ihnen irgendwann einmal dort hinausgeschlichen war, um seine Neugier, was sich in dem seltsam geformten Gebäude befand, zu befriedigen.
Vielleicht werden Gesellschaften durch solche Fiktionen zusammengehalten. Die Shumai hatten sicher Schwierigkeiten, als sie die lächerliche Vorstellung von ihrer natürlichen Überlegenheit aufgeben sollten.
Diese Ansammlung zittriger Kahlköpfe hatte nur Ozar. Fitzhugh hatte getan, was sie tun mußte. Während alle ihn anstarrten, war Stel im Geiste schon ab-geschweift und fragte sich, welche Fiktionen die Pelbar benützten, um ihre Gesellschaft zusammenzu-schweißen. Die Worte Pells?
Aber dann kam er zu sich und sagte: »Nun denn, es tut mir sehr leid, daß ich Ozars Haus betreten habe, obwohl ich das nicht hätte tun dürfen. Ich bin froh, daß ihr mir das verzeiht. Ich werde noch eine Weile hierbleiben, wenn ihr es gestattet. Seht ihr? Ich mache gerade einen Langbogen, um für euch ein oder zwei Wildkühe zu töten. Wenn ihr das Fleisch trocknet, wird es euch im Winter nützlich sein. Eine Kuh ist soviel wert wie viele Fische.«
Ein allgemeines Gemurmel drückte aus, daß die Ozar in der Vergangenheit schon Rindfleisch gegessen hatten, aber schon ziemlich lange nicht mehr. Stel sagte ihnen nicht, daß er den Bogen hauptsächlich wegen der Roti machte. Die Ozar gingen an ihre morgendlichen Arbeiten. Sie schienen Genugtuung zu verspüren. Zum erstenmal, seit jemand sich erinnern konnte, waren sie miteinander in Ozars Haus gewesen. Sie waren beisammengestanden und hatten die großen Buchstaben an der Seite von Ozar gesehen, hatten den Namen des großen Schiffs entziffert, das ihre Ahnen alle zusammen vom Himmel gebracht hatte.
Stel ertappte McCarty, als sie ihn seltsam, aber mit offensichtlichem Triumph ansah. »Nun, du alter Bus-sard«, sagte er. »Du kannst Aven danken, daß das so ausgegangen ist.«
»Noch ist nichts ausgegangen, du Haariger«, sagte McCarty und hängte ihr sonderbares Lachen daran.