Die Musik beginnt von neuem

Nach Mammis Tod wurde das Leben in unserem Haus ganz anders. Ich ging jetzt nicht mehr in die Kuppel, um Frieden und Einsamkeit zu finden. Ich saß in dem früher so gefürchteten Schaukelstuhl, wo ich das Gefühl hatte, daß Mammi in der Nähe war. Das Leben öffnete sich mir mehr und mehr, und so kümmerte ich mich nur wenig um Vera, die Schwierigkeiten hatte, Treppen zu steigen. Wenn es regnete, hinkte sie mehr, als wenn es trocken war. Aber es entging mir nicht, daß sie sich große Sorgen um ihr Aussehen machte. Täglich wusch sie ihr Haar, drehte es auf, lackierte ihre Nägel so häufig, daß das Haus ständig nach Nagellackentferner roch. Sie bügelte ihre Unterwäsche, ihre Kleider und manchmal sogar ihre Sweater. Sogar ihre Stimme änderte sich. Sie versuchte, sanft zu sprechen, nicht so schrill wie früher. Ich erkannte, daß Vera sich ernsthaft bemühte, meine Mutter nachzuahmen – und ich hatte gedacht, Mammi gehörte mir allein.

Aus dem Herbst wurde Winter. Thanksgiving und Weihnachten waren düstere, traurige Feiertage, und mein Herz tat mir weh vor Mitleid mit Papa und mir. Sogar Vera sah traurig aus, als sie auf Mammis leeren Stuhl am unteren Ende des Tisches starrte. Wenn Papa arbeitete, war ich allein in einem Haus voller Feinde, ein Schatten dessen, was ich gewesen war, als Mammi noch lebte. Verzweifelt klammerte ich mich an meine Erinnerungen an sie, versuchte, ihr Bild im Nebel meines Gedächtnisses festzuhalten. Ich wollte nicht, daß jemals irgendeine Erinnerung an meine Mutter in diesem bodenlosen Loch meines Gehirns versank, wo alles Vergessene darum kämpfte, wieder an die Oberfläche zu gelangen.

Papa hielt mich fast wie eine Gefangene in unserem Haus, klammerte sich mit einer Verzweiflung an mich, daß ich Mitleid für ihn empfand, Liebe, aber auch Haß … und ich brauchte ihn auch. Ich durfte Arden überhaupt nicht mehr sehen, aber es gelang mir häufig, mich zu dem Häuschen im Wald zu schleichen.

Wann immer ich Gelegenheit hatte, saß ich an dem großen Flügel und überlegte, wie ich die Hände halten mußte, wohin ich die Finger legen mußte, damit eine so zauberhafte Musik erklang wie früher bei Mammi. Stunden um Stunden hämmerte ich auf den Tasten herum, bis ich spürte, daß das Klavier die häßlichen Töne nicht mochte, die ich ihm entlockte. Ich konnte nicht spielen. Selbst wenn Mammi vor langer Zeit einmal versucht hatte, mir das Spielen beizubringen, so hatte ich ihr Talent doch nicht geerbt, genausowenig, wie ich irgendein Talent von der ersten und unvergessenen Audrina geerbt hatte. ›Ich bin dumm und untalentiert‹ sagte ich mir immer wieder und quälte mich selbst damit.

»Audrina«, tröstete Arden mich eines Tages, nachdem ich ihm vorgeklagt hatte, daß ich überhaupt kein Talent hätte, »niemand weiß von allein, wie man spielen muß.«

»Weißt du, was?« sagte ich. »Ich werde Papa erklären, daß ich einfach Unterricht haben muß. Er wird bestimmt dafür bezahlen, wenn ich nur lange genug darum bettele.«

»Bestimmt«, antwortete er, wandte sich aber unbehaglich ab. Danach gingen wir Hand in Hand zum Haus. Zu meiner Enttäuschung blieb Billie zwar am Fenster, lud mich aber immer noch nicht ins Haus ein. Arden und ich unterhielten uns durchs offene Fenster mit ihr. Leicht hätten Fliegen ins Haus dringen können, und meine Tante hätte das verrückt gemacht. Aber Billie machte sich wegen der Fliegen offensichtlich keine Gedanken, sondern schien einfach glücklich, mich wiederzusehen.

Noch am selben Abend sprach ich wegen meines Musikunterrichts mit Papa. »Ich habe dich herumklimpern hören. Wenn irgend jemand Unterricht braucht, dann bist du es. Deine Mutter wäre natürlich entzückt gewesen. Und ich bin es auch.«

Ich konnte nicht glauben, daß er seine Meinung so vollkommen geändert haben sollte. Er schien einsam, gelangweilt, und ich trat näher, so daß ich meine Arme um ihn legen konnte. Vielleicht würde Papa nun doch versuchen, mich glücklich werden zu lassen.

»Tut mir leid, daß ich all die schrecklichen Dinge gesagt habe nach Mammis Tod, Papa. Ich hasse dich nicht, und ich gebe dir auch nicht die Schuld daran, daß sie tot ist. Wenn du bloß Sylvia heimbringen würdest, dann hätte ich nicht das Gefühl, daß sie für nichts gestorben ist. Bitte, bring Sylvia bald heim.«

»Liebling«, sagte er und sah fort, »das werde ich. Sobald die Ärzte es erlauben, wirst du deine kleine Schwester bekommen.«

In dieser Nacht sagte ich mir, daß Gott vielleicht wußte, was er tat, wenn er Mütter fortnahm und Vätern dafür eine neue Tochter schenkte. Vielleicht hatte er einen guten Grund dafür, zu tun, was er getan hatte. Auch wenn es mir die Mutter nahm, die ich so dringend brauchte, würde Sylvia sie doch nicht vermissen, denn sie hätte mich und würde nichts anderes kennen.

Es war schon Sommer, als der Musiklehrer, den Arden kannte, endlich von einem langen Aufenthalt in New York City zurückkam. An einem wunderschönen Tag nahm mich Arden auf der Lenkstange seines Rades mit nach Whitefern Village, um mich Lámar Rensdale vorzustellen. Er war groß und sehr dünn, mit einer hohen, breiten Stirn und wildem, lockigem, schokoladenbraunem Haar. Seine Augen hatten genau dieselbe Farbe wie sein Haar. Wohlwollend musterte er mich von oben bis unten, lächelte, führte mich dann zum Klavier und bat mich, ihm zu zeigen, was ich bereits konnte. »Spiel einfach so herum, wie du es immer gemacht hast«, sagte er und blieb hinter mir stehen, während Arden sich setzte und mir aufmunternd zulächelte.

»Nicht so schlecht, wie du gesagt hast«, erklärte Mr. Rensdale. »Deine Hände sind klein, aber du kannst eine Oktave fassen. Hat deine Mutter außergewöhnlich gut gespielt?«

So fing es an. Natürlich wußte Papa, daß es Arden war, der mich ins Dorf und wieder zurückfuhr, aber er sagte nichts. »Aber spiel nicht mit ihm im Wald herum. Bleibt die ganze Zeit in Sichtweite seiner Mutter. Du darfst nie mit ihm allein sein. Niemals. Ist das klar?«

»Jetzt hör mal, Papa«, fing ich an, sah ihm offen ins Gesicht und bemühte mich, meiner Stimme einen festen Klang zu verleihen, »Arden ist kein so schlechter Junge, wie du denkst. Wir treffen uns nicht im Wald, sondern am Waldrand. Seine Mutter sitzt am Fenster und unterhält sich mit uns. Sie kann uns fast immer sehen. Und sie ist so schön, Papa, wirklich. Ihr Haar ist so dunkel wie deines, und ihre Augen sehen aus wie die von Elizabeth Taylor. Nur sind Billies Augen sogar noch hübscher. Und du hast doch immer gesagt, niemand hätte hübschere Augen als Elizabeth Taylor.«

»Und ist das nicht schön?« meinte er zynisch, als wollte er nicht benutzen, mißbrauchen. Wenn sie die Pubertät erreicht, wird …

»Niemand ist so schön wie Elizabeth Taylor, außer Elizabeth Taylor. Die Menschen sind Individuen, Audrina. Jeder einzelne von uns ist einzigartig. Ein Wunder – das es nie ein zweites Mal gibt, selbst wenn sich unsere alte Welt noch eine, fünf oder sogar zehn Billionen Jahre weiterdreht. Es wird nie eine zweite Elizabeth Taylor geben und keine zweite Lucietta Lana Whitefern Adare; deshalb bedeutest du mir ja gerade soviel. Wenn ich jemals das Glück haben sollte, noch eine Frau zu treffen, die so schön ist wie deine Mutter, so herzlich und liebevoll, dann werde ich auf die Knie fallen und Gott dafür danken. Aber ich werde vielleicht nie wieder eine Frau wie sie finden, Audrina, und ich bin so allein, so schrecklich allein und einsam.«

Er war einsam. Man sah es in seinen düsteren Augen, merkte es daran, daß er den Appetit verloren hatte. »Papa, Billie ist wirklich schön. Ich habe nicht übertrieben!«

»Es ist mir egal, wie sie aussieht. Ich bin fertig mit Frauen und dem Eheleben. Ich werde all meine Energie darauf verwenden, für dich zu sorgen.«

Aber das wollte ich doch nicht! Das bedeutete, daß er mir niemals meine Freiheit geben würde. Und das bedeutete auch, daß er seine ganze Zeit damit verbringen würde, zu versuchen, aus mir die erste und unvergessene Audrina zu machen. Aber wenn er wirklich glaubte, daß es jeden Menschen nur einmal geben konnte, warum versuchte er dann die ganze Zeit, mich in sie zu verwandeln?

Ich stand vor ihm. Seine Hände lagen noch immer um meine Taille, und ich konnte einfach nichts mehr sagen. Ich konnte nur nicken und fühlen, wie sich Verwirrung in mir breitmachte.

Da Arden täglich ins Dorf fuhr, durfte ich fünf Klavierstunden pro Woche nehmen. Dadurch bekam ich das Gefühl, daß ich die verlorene Zeit bald wieder einholen würde. Eine volle Stunde blieb ich immer bei Lámar Rensdale und bemühte mich wirklich, alles aufzunehmen, was er mir beibrachte. Mr. Rensdale behauptete, ich sei eine außergewöhnliche Schülerin mit angeborenem Talent. Ich wollte ihm glauben, daß er die Wahrheit sagte und mir nicht nur schmeichelte, damit ich wiederkam und seine Gebühren zahlte. Arden hastete immer zurück, nachdem er die Zeitungen ausgetragen hatte, um mich abzuholen, wenn der Unterricht vorüber war.

Eines späten Abends, acht Monate nach Mammis Tod, schlich ich mich die Treppe hinunter und übte auf Mammis großem Flügel. Sein Klang war wundervoll, so rein, viel besser als das billige Klavier, auf dem mein Lehrer spielte. Ehe ich mit dem Unterricht begonnen hatte, hatte ich nicht einmal bemerkt, daß unser Flügel einen guten Klang hatte. Als ich so dasaß, mitten in der Nacht, und meine einfache kleine Melodie spielte, schloß ich die Augen und tat so, als wäre ich Mammi, und meine Finger waren ebenso geschickt wie ihre. Aber es klang nicht wundervoll. Meine Musik sandte mir keine Schauder den Rücken hinunter, wie ihre es getan hatte. Entmutigt öffnete ich die Augen und beschloß, mich lieber eng an die Noten zu halten und nicht zu improvisieren. In diesem Augenblick hörte ich hinter mir ein leises Geräusch. Ich wirbelte herum und sah Vera in der Tür stehen. Sie lächelte schalkhaft, und ich wand mich vor Verlegenheit.

»Du gehst ja plötzlich vollkommen in deiner Musik auf«, sagte sie. »Wie ist er denn, dein Mr. Rensdale?«

»Nett.«

»Das meine ich nicht, Dummkopf. Ich habe die Mädchen in meiner Schule sagen hören, er wäre sehr jung, gutaussehend und sexy – und Junggeselle.«

Verlegen wich ich aus. »Das mag er wohl wirklich alles sein, aber für dich ist er trotzdem zu alt, Vera. Er würde ein Kind wie dich überhaupt nicht anschauen.«

»Niemand ist zu alt für mich – aber du wirst für alle zu alt sein, liebe Audrina. Wenn du Papa endlich entkommst, kracht es schon in deinen Gelenken, und du wirst eine Brille tragen müssen, die zu deinem grauen Haar passen wird.«

Das Schlimmste war, daß ich wußte, daß jedes Wort von ihr der Wahrheit entsprach. Papa hängte sich von Tag zu Tag mehr an mich und schränkte mich immer mehr ein. Ständig, außer nachts, behandelte er mich wie seine Frau. Tatsächlich lauschte ich seinen Erzählungen über den Börsenmarkt mit weit mehr Toleranz und Verständnis, als Mammi es jemals getan hatte, und meine Tante brachte für diese Art langweiligen Geschwätzes überhaupt keine Geduld auf.

»Ich werde dafür sorgen, daß Papa mir auch Musikunterricht bezahlt«, erklärte Vera und sah mich an. Ich wußte, daß sie mir das Leben zur Hölle machen würde, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen konnte.

Schon am nächsten Morgen trug Vera ihre besten Kleider. Ihr sonderbares, helloranges Haar schmeichelte ihrem bleichen Gesicht irgendwie, und ihre dunklen Augen waren wirklich aufregend. »Für Audrina tust du alles und für mich überhaupt nichts«, beklagte sie sich bei Papa. »Dabei ist es meine Mutter, die dein Essen kocht und dein Haus putzt und deine Sachen wäscht und bügelt, und du bezahlst ihr keinen Pfennig dafür. Ich möchte auch Musikunterricht bekommen. Ich bin bestimmt genauso talentiert wie Audrina.«

Er starrte Veras blasses Gesicht an, bis sie errötete und sich halb abwandte, wie sie es immer tat, wenn sie etwas zu verbergen hatte. »Ich brauche auch etwas Schönes in meinem Leben«, jammerte sie, schlug ihre dunklen Augen nieder und zupfte an einer Locke ihres aprikosenfarbenen Haares.

»Also schön, einmal in der Woche auch für dich«, sagte er grimmig. »Du gehst zur Schule und hast Hausaufgaben zu machen. Audrina kann eine Stunde täglich haben, damit ihre Zeit ausgefüllt ist und sie ihre Sorgen vergißt.«

Ich war sicher, daß Vera mit diesem ungleichen Arrangement nicht zufrieden sein würde, aber merkwürdigerweise beklagte sie sich nicht.

Am Freitag nahm ich Vera mit, um sie Mr. Rensdale vorzustellen. »Oh, Schönheit scheint wirklich in der Familie der Whiteferns zu liegen, wie es alle hier im Dorf behaupten«, sagte er, hielt ihr die Hand hin und lächelte. »Ich glaube, ich habe noch niemals zwei so hübsche Schwestern kennengelernt.«

Mir kam es so vor, als würde Vera seine Finger umklammern und selbst dann nicht loslassen, als er aufhören wollte, ihr die Hand zu schütteln. »Ach, ich bin längst nicht so hübsch wie Audrina«, erklärte Vera leise und schüchtern und klimperte dabei mit den gefärbten Wimpern. »Ich hoffe bloß, daß ich wenigstens halb soviel Talent habe.«

Ich konnte sie nur anstarren. Dieses Mädchen, das da mit Mr. Rensdale sprach, war nicht die Vera, die ich kannte. Ich merkte sofort, daß sie ihm gefiel und daß er dankbar für eine weitere Schülerin war. Vor allem für eine, die ihm schmeichelte und nicht aufhören konnte, ihn anzustarren. Wann immer sie konnte, pickte sie ein Stäubchen von seinem Anzug oder strich ihm die Locke aus dem Gesicht, die ihm beständig in die Stirn fiel.

Auf dem Heimweg vertraute sie mir alles an, was sie von ihren Schulfreundinnen über ihn wußte. »Er ist sehr arm, ein Künstler, der ums Überleben kämpft, heißt es. Ich habe gehört, daß er in seiner Freizeit Musik komponiert und hofft, seine Stücke an einen Broadway-Produzenten verkaufen zu können.«

»Ich hoffe, daß er es schafft.«

»Du hoffst das auch nicht annähernd so sehr wie ich«, erklärte sie hitzig.

Die Monate vergingen so schnell, und Sylvia kam immer noch nicht heim, so daß ich mich immer mehr um meine kleine Schwester ängstigte. Ich wußte, daß mein Vater meine Tante mehrere Male mitgenommen hatte, um sie zu besuchen, also gab es sie wirklich. Aber nicht ein einziges Mal hatte Papa mir erlaubt, sie zu sehen. Er ging mit mir ins Kino, in den Zoo und besuchte natürlich auch das Grab der ersten Audrina, aber Sylvia war immer noch unerreichbar für mich.

So sehr ich auch bettelte und flehte, Papa weigerte sich, Sylvia heimzuholen. Mehr als ein Jahr war es jetzt her, daß meine Mutter gestorben und Sylvia geboren worden war.

»Sie wiegt inzwischen doch bestimmt über fünf Pfund?«

»Ja, jedesmal wenn ich sie sehe, wiegt sie ein bißchen mehr.«

Er sagte es zögernd, als wünschte er, es wäre nicht so.

»Papa, sie ist doch nicht blind, ohne Arme oder Beine – es ist doch alles da, oder nicht?«

»Ja«, sagte er mit belegter Stimme, »sie hat die richtigen Teile an den richtigen Stellen, hat alle vier Glieder, die gleiche weibliche Ausstattung wie du. Aber sie ist immer noch nicht kräftig genug«, erklärte Papa zum x-ten Mal. »Sie ist nicht ganz normal, Audrina. Aber frag nicht nach Einzelheiten, ehe ich nicht bereit bin, sie dir zu schildern.«

Meine Gedanken an Sylvia hielten mich davon ab, mich völlig wohl zu fühlen. Ich sehnte mich nach ihr, wenn ich staubwischte oder saugte. Vera konnte nicht saugen, weil ihr kürzeres Bein dann schmerzte. Sie konnte auch nicht staubwischen, weil sie ihre Hände nicht richtig kontrollieren konnte und alles fallen ließ, was sie aufhob. Das entschuldigte sie auch beim Tischdecken oder Aufräumen. Ich erledigte all ihre Aufgaben. Ich machte sogar die Betten, die einzige Pflicht Veras, auf der meine Tante bestand. Vielleicht war sie dankbar – auf jeden Fall schien Vera mich mehr zu mögen. Vertrauensvoll versuchte ich, sie wie eine Freundin zu behandeln. »Macht deine Musik Fortschritte? Ich habe dich noch nie üben hören, so wie ich es tue.«

»Das kommt, weil ich bei Lámar übe«, erwiderte sie mit einem leichten Lächeln. »Ich habe ihm erzählt, du würdest mir nicht erlauben, Mammis Klavier zu benutzen, und er hat mir geglaubt.«

Sie kicherte, als ich die Stirn runzelte und etwas sagen wollte. »Er ist so gutaussehend, daß sein Anblick mir immer einen Schauer über den Rücken jagt.«

»Das ist er wohl, wenn man diesen Typ mag.«

»Dein Typ ist er wohl nicht, was? Ich finde ihn außerordentlich interessant. Er hat mir alles über sich erzählt. Ich wette, dir hat er überhaupt nichts erzählt. Er ist fünfundzwanzig Jahre alt und hat die Julliard School of Music besucht und dort sein Diplom gemacht. Im Augenblick komponiert er die Musik zu einem Stück, das er schreibt. Er ist überzeugt, daß er es einem Produzenten verkaufen kann, den er kennengelernt hat während seiner Zeit in New York.«

Sie kam näher und flüsterte: »Ich hoffe und bete, daß er sein Musical verkauft und mich mitnimmt.«

»Ach, Vera, Papa würde dich niemals mit ihm gehen lassen. Du bist zu jung.«

»Es geht Papa überhaupt nichts an, was ich tue, verdammt noch mal! Er ist nicht mein Vater, und er besitzt mich nicht, wie er dich besitzt. Und wag ja nicht, ihm zu erzählen, daß ich Absichten auf Lámar Rensdale habe. Wir sind doch schließlich fast Schwestern … nicht wahr?«

Ich brauchte ihre Freundschaft, und deshalb versprach ich ihr gern, Papa nichts zu erzählen.