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Das private Anwesen von Mafiaboss Lorenzo Marone befand sich in einer der angesehensten Straßen in Blankenese. Es handelte sich um eine  prächtige, in edlem Weiß gestrichene Villa mit einem schweren, herrschaftlichen Eingang in britisch-grün, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaut wurde. Es war umgeben von einem  gepflegten, parkähnlichen Grundstück und lag etwa 100 Meter von der Straße zurückgesetzt. Ein hoher Eisenzaun umspannte das Gelände. Dichte, akkurat geschnittene Hecken versperrten neugierigen Passanten den Blick.

Die einzigen Zugänge waren ein doppelflügeliges Tor für Fahrzeuge, sowie ein einzelnes für Fußgänger. Beide Tore waren gesichert und wurden mit Videokameras überwacht. Überhaupt gab es von denen einige in Haus und Grundstück, und die beiden Männer im Kontrollraum überwachten auf gut einem Dutzend Monitoren den gesamten Komplex. Fenster und Zugänge waren alarmgesichert, und die hundert Meter bis zum Haus lagen im Erfassungsbereich mehrerer Bewegungsmelder. Alle Daten liefen in jenem Kontrollraum auf, der im Inneren hinter der Haustüre direkt auf der linken Seite eingerichtet worden war.

Die beiden Männer vor den Monitoren waren müde. Die digitalen Ziffern zeigten kurz vor halb vier Uhr morgens. Im Haus war es ruhig, obwohl auch nachts stets etwa zehn von Marones Bandenmitgliedern wach blieben. Sie hielten sich entweder im Salon oder in einem der oberen Zimmer auf, lasen, tranken, spielten Karten oder sahen leise fern.

Lorenzo Marone selbst schlief im Obergeschoss. Im Gästezimmer direkt daneben schlief Katja, die man darin eingesperrt hatte. Nachdem sie am Nachmittag hierher gebracht worden war, hatte man sie zu ihrer Überraschung zuvorkommend behandelt. Sie durfte sich in einem sehr edel eingerichteten Bad ungestört frisch machen und wurde erst am Abend wieder aus dem Zimmer gebeten, das man ihr zugewiesen hatte. Man brachte sie in ein großes, feudales Esszimmer.

Am Kopfende einer langen Tafel saß ein fülliger, älterer Herr mit grauen, gewellten Haaren und einem ebenso grauen Schnurrbart. Sonst saß niemand am Tisch. In den Ecken des Raumes standen allerdings grimmig blickende Männer in schwarzen Anzügen, bewegungslos wie Statuen. Als Katja hinein geführt wurde, stand der ältere Herr auf und begrüßte sie übertrieben galant mit einem Handkuss. Er selber wies ihr den vordersten Platz an seiner rechten Seite an. Die Tafel war stilvoll mit edlem Porzellan eingedeckt.

Zwei Bedienstete in weißen Livrees servierten Speisen und Getränke. Ihr Gastgeber stellte sich vor, obwohl er sich das hätte sparen können. Katja wusste, dass sie mit Lorenzo Marone dinierte. Die ganze Zeit über war er sehr freundlich. Mit einem beruhigenden Lächeln versicherte er ihr, welch  eine schöne junge Frau sie geworden sei. Er wisse, dass sie nichts hören könne, hatte er sofort erklärt. Er achtete darauf, Katja anzusehen, wenn er mit ihr sprach. Und was er sagte, war ausschließlich von belangloser Natur. Welchen Sport sie betreibe, ob sie das Reiten liebe oder welche Autoren sie bevorzuge. Kein einziges Wort davon, was er wirklich von ihr wollte. Die beiläufige Konversation konnte Katja jedoch nicht täuschen. Sie fühlte, dass die Luft im Raum zum Zerreißen gespannt war. Den Schreibblock und den Stift, den man für sie neben ihrem Besteck bereitgelegt hatte, übersah sie geflissentlich. Sie vergaß in keiner Sekunde, wo sie sich befand. Bei einem der einflussreichsten Mafiabosse Hamburgs. Nach dem Essen verabschiedete sich Marone erneut formvollendet von ihr. Dann wurde sie wieder in ihrem Zimmer eingeschlossen. Sie lag lange wach, drehte sich hin und her und fürchtete sich, dass Marone am nächsten Tag härtere Seiten aufziehen könne. Wie ging es Rique? Irgendwann fielen ihr die Augen zu. Jetzt, um halb vier Uhr morgens, schlief sie einen unruhigen Schlaf.

In der Sekunde, in der im Kontrollraum die Ziffern der digitalen Zeitanzeige auf 3:33 Uhr umsprangen, wurden die Überwachungsmonitore schwarz. Die beiden Männer davor waren schlagartig wach und sahen sich überrascht an. Da die Deckenbeleuchtung noch funktionierte, konnte es kein Stromausfall sein.

Im Eingangstor an der Grundstücksgrenze war ein leises Knacken zu hören, und schwarz behandschuhte Hände öffneten es mühelos. Dann stürmten sieben Gestalten das Grundstück. Alle trugen enge, schwarze Kampfanzüge und waren mit Sturmhauben ausgestattet. Die kleinste der Gestalten lief geschwind auf die rechts am Haus befindliche Doppelgarage zu. Sie ergriff das an der Hauswand herab kommende Regenrohr und hangelte sich leicht und behende bis auf das Dach hinauf. Drei der Eindringlinge wandten sich im geduckten Laufschritt nach links und umrundeten das Haus zur rückseitigen Terrasse. Die verbliebenen drei, Rique, Jérome und Dr. Liang, erreichten in wenigen Sekunden die Haustür. Wie bereits das Eingangstor, öffnete Andree auf einen kurzen Funkbefehl Riques aus ihrer Kommandozentrale heraus auch die Haustür.

Im Kontrollraum war einer der beiden Wachen noch damit beschäftigt, den Computer zu prüfen. Sein Kollege war aufgestanden, um den anderen im Salon Bescheid zu geben, dass sowohl die Videoüberwachung als auch die Alarmanlage ausgefallen seien. In diesem Moment sprang auch schon die Türe auf. In Sekundenbruchteilen erfasste Rique die Szene, schickte den noch sitzenden mit einem gezielten Handkantenschlag gegen die Halsschlagader in den Schlaf und duckte sich blitzschnell unter dem Faustschlag weg, zu dem dessen Kollege ausgeholt hatte. Ein kurzer, kräftiger Hieb gegen den Solar Plexus, und auch dieser Gangster sackte zusammen. Rique nahm ihnen die Waffen ab und fesselte ihre Hände mit Kabelbindern aus seinen Gürteltaschen auf den Rücken.

Zeitgleich sprang die Terrassentür zum Salon durch einen kräftigen Tritt mit einem lauten Knall auf. Die drei in den Sesseln sitzenden Bodyguards sahen sich drei vermummten Gestalten gegenüber. Aus dem hellen Salon heraus hatten sie diese in der dunklen Nacht hinter den Scheiben zuvor nicht sehen können.

Bevor sie reagieren konnten, schossen die Eindringlinge aus drei Luftdruckpistolen. Alle drei Verbrecher starrten ungläubig auf die Pfeile, die sich in ihre Bäuche oder Schenkel bohrten. Eine speziell zusammengesetzte Flüssigkeit spritzte in ihre Muskeln. Sie bestand zum größten Teil aus der sogenannten Hellabrunner Mischung, ein bewährtes Narkosemittel, das auch in Tierparks Anwendung findet, und zu einem kleinen Teil aus einem beigemischten Muskelrelaxans, das sofort die Muskeln der Betroffenen lähmte, um sie bis zum Einsetzen der Narkosewirkung kampfunfähig zu machen.

Riques Unternehmen »Chase« war für solche Einsätze hochspezialisiert. Er bekam Aufträge von Unternehmen, Prominenten und reichen Bürgern. Objekt- und Personenschutz, Observationen, Erpressungen, vermisste Personen, Ermittlungen bei Industriespionage und vieles mehr. Auch der Staat buchte Riques Dienste für verdeckte Ermittlungen bei extremistischer oder organisierter Kriminalität und für solche, die ihn oder seine Leute ins Ausland führten, auch wenn die Behörden das nicht an die große Glocke hingen. Im Laufe der Zeit hatte Rique Spezialisten für unterschiedliche Aufgaben um sich versammelt. Seine Mitarbeiter deckten verschiedene Sprachen ab, sie beherrschten unterschiedliche Nahkampftechniken, und einer hatte eine private Fluglizenz. Andree nahm eine Sonderstellung in seinem Team ein. Er war der Computer- und Technikspezialist. Anspruchsvolle Lösungen und die Planung der Einsätze machten ihn zu Riques rechter Hand. Andrees Motto war:

Es geht alles, wir müssen nur herausfinden, wie.

Rique nahm die Verantwortung mit seinen Leuten, in einer rechtlichen Grauzone zu arbeiten, sehr ernst. Er wollte gegen Verbrecher helfen, aber nicht selber einer werden. Zu töten war bei den Einsätzen niemals eine Option. Natürlich hatten er und seine Männer in der Vergangenheit auch schon Menschen töten müssen, aber das waren schuldbefreiende Notwehrsituationen gewesen. Keiner von ihnen nahm das auf die leichte Schulter. Bei diesem Einsatz durfte das auf keinen Fall passieren. Er wollte Katja sicher befreien, aber kein Blutbad anrichten. Da in Marones Haus von einer Gegenwehr mit Schusswaffen auszugehen war, entschieden sie sich für Narkosepistolen als Distanzwaffe.

Ganz ungefährlich war der Einsatz dieser speziellen Waffe jedoch auch nicht. Die sofort einsetzende Muskellähmung machte die davon betroffenen Männer kampfunfähig. Nach etwa ein bis zwei Minuten setzte dann die narkotisierende Wirkung der Mischung ein, die ungefähr eine halbe Stunde anhalten würde. Allerdings musste man den Betroffenen zur Sicherheit innerhalb von zwanzig Minuten Atropin spritzen, um die Gefahr eines lähmungsbedingten Atemstillstandes sicher zu vermeiden. Von dem ersten abgegebenen Schuss an hatten sie also nur etwa fünfzehn Minuten Zeit, das ganze Haus zu sichern und alle Gegner auszuschalten.

 

Chen Lu hangelte sich bis zu einem Badezimmerfenster im Dachgeschoss hinauf und schlug es mit einem kleinen Hammer ein. Ein untergelegtes dickes Tuch dämpfte das Geräusch. Dann griff sie durch die zerstörte Scheibe, öffnete das Fenster und kletterte in das dahinter liegende Bad. Sie zog ihre beiden Pistolen und schlich in eine kleine Diele. Sie öffnete eine Tür, hinter der sie eine offene Küche vorfand. Von dort blickte man zu einem großen Wohnzimmer. Niemand hielt sich in diesen Räumen auf. Auf leisen Sohlen verließ sie durch eine große doppelflügelige Glastür den Wohnraum und gelangte in eine zweite Diele. Von hier gingen vier Zimmertüren ab, und sie nahm sie sich im Uhrzeigersinn vor. In jedem dieser unverschlossenen Zimmer standen zwei Einzelbetten. Jeweils eines davon war mit einem schlafenden Mann belegt. Ein halblautes Tschock aus ihrer Pistole, und der Mann würde die nächste halbe Stunde umso tiefer schlafen. Sie drehte ihn schnell in eine stabile Seitenlage, damit er nicht auf dem Rücken liegend an seiner Zunge erstickte. Genauso machte sie es im zweiten und dritten Raum. Auf dem Weg zum vierten und letzten Zimmer bemerkte sie im Halbdunkel zu spät, dass dessen Tür offen stand. Unerwartet wurde sie von hinten umfasst und grob zurück gezerrt. Ein kurzer Ellenbogenstoß nach hinten gegen die Leber des Angreifers, und der Mann stöhnte auf. Chen Lu wand sich wie eine Schlange aus seiner Umklammerung. Sie drehte sich um und zog mit aller Kraft ihr rechtes Knie hoch. Als sie ihn damit zwischen den Beinen traf, krümmte er sich reflexartig vor Schmerzen. Dann schoss sie auch diesen Mann in einen tiefen Schlaf.

 

Währenddessen hatten Jérome und Dr. Liang in der Eingangshalle Position bezogen, bis Rique im Kontrollraum und Maik, Nikolai und Ben ihren Job im Salon erledigt hatten. Dr. Liang hörte gerade noch hinter sich, dass in einem kleinen WC die Toilettenspülung betätigt wurde, als sich diese Tür auch schon öffnete. Er packte den heraus tretenden Mann und drehte ihn um seine eigene Achse. Bevor dieser überhaupt begriffen hatte, was passiert war, lag er auf dem Bauch, und seine Hände waren mit Kabelbindern auf den Rücken gebunden. Der Chinese mochte in seinem Alter etwas von seiner früheren körperlichen Kraft eingebüßt haben, nicht aber von seiner Schnelligkeit und Technik.

Maik und Nikolai drangen in die weiteren Räume des Erdgeschosses vor, während sich Dr. Liang und Ben in den Keller begaben. Jérome und Rique stiegen die Treppe ins Obergeschoss empor. Sie brauchten keine Kommandos, alles war einstudiert. Auf jedem Absatz sicherte einer der beiden den weiteren Vormarsch des anderen mit der Waffe im Anschlag. Doch die vier Bodyguards, die sich im Obergeschoss aufhielten, waren durch die Geräusche im Erd- und im Dachgeschoss gewarnt. Einer von ihnen tauchte am Rande der Treppe auf, gerade als Rique dort angekommen war. Er war unbewaffnet, schlug aber sofort auf Rique ein und brüllte nach seinen Kollegen. Rique wich den Tritten und Schlägen geschickt aus. Seine Bewegungen waren deutlich schneller als die seines massigeren Gegners. Nach wenigen Sekunden war der ungleiche Kampf vorbei, und der Ganove lag bewusstlos auf dem Teppich. In dessen Rücken war sofort ein zweiter aufgetaucht, der mit einem der schweren Holzstühle einen heftigen Schwinger auf Riques verletzten Oberarm landete. Rique ging kurz zu Boden, und damit hatte Jérome endlich freies Schussfeld. Ein trockenes Tschock, und der Stuhlschwinger fiel um. Kaum stand Rique wieder auf den Beinen, wurde eine Tür am anderen Ende des Foyers aufgerissen. Zwei weitere Männer eröffneten mit ihren Waffen sofort das Feuer. Rique drehte sich reflexartig zur Seite, als eine der beiden Kugeln hinter ihm ins Treppengeländer einschlug. Eine andere ließ einen Wandspiegel in tausend Scherben zerspringen. Rique nutzte den Moment und sprang gegen die Beine des einen Schützen. Dieser fiel nach hinten und verlor dabei seine Waffe. Den zweiten Schützen kümmerte das nicht. Er stürzte in Richtung Treppe und schoss drei- oder viermal dorthin, wo Jérome noch vor wenigen Sekunden gestanden hatte. Er bemerkte dabei jenen kleinen Körper zu spät, der wie ein Blitz über das Treppengeländer aus dem Dachgeschoss gerutscht kam. Bevor er die neue Gefahr realisierte, hatte Chen Lu ihm bereits die Waffe aus der Hand geschlagen und dann das Bewusstsein aus seinem Körper. In der Zwischenzeit hatte auch Rique seinen Gegner überwältigt und mit Kabelbindern gefesselt.

Dann war Ruhe.

Maik und Nikolai hatten im Erdgeschoss keine weiteren Bandenmitglieder mehr angetroffen und kamen zu den anderen ins Obergeschoss. Auch im Keller war niemand mehr. Dr. Liang und Ben begannen damit, alle narkotisierten Männer im Haus in die stabile Seitenlage zu bringen und mit Atropin zu versorgen.

Aber wo waren Katja und Lorenzo Marone?

 

Rique schaute in eines der Zimmer, deren Tür offen stand. Es handelte sich offenbar um ein Gästezimmer, das Bett war bezogen und die Bettwäsche durchwühlt. Hier hatte bis vor kurzem noch jemand geschlafen. Rique erkannte Katjas Kleidung, die über einem Stuhl hing. Die Tür zum Nachbarzimmer war geschlossen. Rique lauschte, konnte aber nichts hören. Er winkte seinen alten Lehrer Dr. Liang zu sich, der gerade aus dem Dachgeschoss kam und zu ihnen stieß.

»Ich befürchte«, flüsterte Rique ihm zu, »Marone wird sie haben und mit einer Waffe bedrohen. Hör zu, Trainer! Ich möchte folgendermaßen vorgehen ...« Leise erläuterte er den anderen seinen Plan. Dann blieb er seitlich in Deckung und ließ die Tür von Lorenzos mutmaßlichem Schlafzimmer aufschwingen. Er wartete einen Moment und wagte dann vorsichtig einen Blick hinein. Was er sah, war genau das, was er erwartet hatte.

Lorenzo Marone saß im Pyjama am anderen Ende des Zimmers in einem Sessel und hielt mit der rechten Hand eine Pistole. Sie lag ruhig auf seinen Schenkeln. Katja stand aufrecht neben ihm. Ein Mann hinter ihr hatte sie in seiner Gewalt. Er drückte sie mit dem linken Arm über ihrer Brust an sich und hielt ihr mit der rechten Hand eine Pistole an die Schläfe. Rique erkannte sein Gesicht. Es war René. Jener Mann, der den Trupp anführte, der ihnen in Katjas Haus aufgelauert hatte.

 

Die eigene Waffe im Anschlag und auf Lorenzo gerichtet ging Rique langsam in den Raum. Ihm folgten Jérome und Maik, ebenfalls bewaffnet und auf ihre Gegner zielend. Als letzter kam Dr. Liang dazu, jedoch unbewaffnet. Rique und seine Männer trugen immer noch die Sturmhauben, die ihre Gesichter verhüllten. Keiner sagte etwas, bis Lorenzo Marone das Schweigen brach.

»Wer seid ihr?«

»Das tut nichts zur Sache«, erwiderte Rique, der sich einmal mit einem kurzen Blick in Katjas Augen davon überzeugte, wie sehr sie sich ängstigte. »Wir wollen nur das Mädchen«, fügte er dann hinzu.

»Tja...«, und Marone zog das »a« darin ziemlich lang, »das werdet ihr bekommen. Wir werden es nicht verhindern können gegen eure Überzahl. Aber wir können dafür sorgen, dass ihr sie nicht lebend bekommt. Denn ihre selige Mutter besaß etwas, das ich auch ihr nicht überlassen kann.«

Katja konnte der Unterhaltung nicht folgen. Sie sah nicht, ob und was Lorenzo oder der Mann hinter ihr sagten. Auch konnte sie durch die Sturmhauben der anderen deren Lippen nicht lesen. Sie stand nur da in einem T-Shirt und einem Slip, festgehalten und wartete, was nun passieren würde.

»Warum haben Sie Ramona zum Schweigen gebracht, statt sie, wie Katja jetzt, zu entführen?«

»Ihr Tod war nicht geplant. Der Schuss löste sich aus Versehen bei dem Versuch, sie zu entführen. Ich war darüber sehr verärgert, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Wo sind Ramonas Mörder jetzt? Gehören sie zu den Männern hier im Haus?«

Lorenzo Marone schüttelte den Kopf. Dann senkte er für einen Moment den Blick und antwortete: »Sie wurden bestraft.«

Rique verstand. Die Polizei würde sie nicht mehr finden. Jedenfalls nicht lebend.

»Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte Rique an Marone gerichtet.

»Und der wäre?«, kam es von diesem zurück.

Rique ließ eine dramaturgische Pause eintreten, bevor er antwortete.

»Wir wissen nicht, was Sie haben wollen, aber wenn Sie Recht haben, wird Katja es wissen. Wir könnten sie fragen, ob sie es für ihr Leben tauschen möchte.«

Lorenzo Marone überlegte lange, dann sagte er:

»Sie wissen, dass sie taubstumm ist?«

Rique lächelte unter seiner Sturmhaube. Es lief.

»Ja, das wissen wir. Aber mein Kollege...«, er nickte zu dem kleinen, unbewaffneten Dr. Liang hinüber, »...spricht und versteht ihre Sprache.«

In dem Moment sprach Dr. Liang mit seinen Händen zu Katja, die ihm notdürftig mit den ihren antwortete. Dann sagte der Chinese laut und deutlich: »Sie sagt, die Sache ist in de'...«

In dem Moment nieste Katja heftig und schleuderte dabei ihren Kopf nach unten und zur Seite.

Tschock – Tschock, und die beiden Verbrecher rissen ihre Augen auf. Lorenzo Marone erlahmte, und Renés Arme glitten kraftlos an Katja herunter, bevor auch er den Halt verlor und auf den Boden fiel. »Gut gemacht, Trainer«, rief Rique befreit und machte einen Satz nach vorne. Er ergriff Katja und zog sie aus dem Raum. In der Diele zog er sich die Sturmhaube über den Kopf, und als sie ihn endlich erkannte, fiel sie ihm um den Hals und presste eine kehliges, helles »Aaaah« hervor.