18
KONSEQUENZEN
»Vergesst nicht, dass Hexen als Nachbarn mitten unter uns leben und im Geheimen ihre Künste ausüben, während wir ein ehrliches, gottesfürchtiges Leben führen.«
HEXEN, ZAUBERER UND MAGIER
Altus Polydarmus, 1618
Am Sonntag fuhr ich mit meiner Familie zur Kirche und danach zum Brunch im Widow’s Diner. Sobald ich wieder zu Hause war, rief ich Jenna an. Sie war nicht daheim, also hinterließ ich ihr eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter und erklärte ihr, warum ich es nicht zum Kreis geschafft hatte. Dann rief ich Bree an, aber sie war auch nicht zu Hause. Ich hinterließ ihr ebenfalls eine Nachricht und versuchte, sie mir nicht bei Cal zu Hause, in Cals Zimmer, vorzustellen. Danach saß ich stundenlang am Esstisch, machte Hausaufgaben und verlor mich in komplizierten, mathematischen Gleichungen, die mit ihren klaren Lösungen so befriedigend waren, dass sie fast etwas Magisches an sich hatten.
Kurz vor Ladenschluss war ich zu Practical Magick gefahren. Ich hatte alle Zutaten gekauft, die ich brauchte, aber ich wartete, bis meine Eltern und Mary K. im Bett waren, bevor ich mit der Vorbereitung begann.
Die Tür zu meinem Zimmer ließ ich einen Spalt offen, damit ich mitbekam, falls sich einer der drei plötzlich rührte. Dann holte ich das versteckte Buch über Kräutermagie heraus. Cal hatte gesagt, ich wäre sensibel, ich besäße eine Gabe für Magie. Ich musste wissen, ob das stimmte.
Ich schlug das Buch auf und blätterte zu dem Kapitel über die »Reinigung der Haut«. Dann überprüfte ich meine Liste. Hatten wir abnehmenden Mond? Ja. Ich hatte gelernt, dass man magische Sprüche zum Sammeln, Herbeirufen, Vermehren von Wohlstand und so weiter vollzog, wenn der Mond zunahm oder voller wurde. Magische Sprüche zum Verbannen, Verkleinern, Begrenzen und so weiter wurden bei abnehmendem Mond durchgeführt. Wenn man darüber nachdachte, war es vollkommen logisch.
Der magische Spruch, den ich ausgewählt hatte, erforderte Katzenminze für die Schönheit, Gurke und Engelwurz zur Heilung und Kamille und Rosmarin zur Reinigung.
Mein Zimmer hatte einen Teppich, aber ich fand, ich konnte trotzdem einen Kreidekreis ziehen. Bevor ich den Kreis schloss, legte ich mein Buch und alles, was ich sonst noch brauchte, hinein. Die Kerzen waren hell genug, um bei ihrem Schein lesen zu können. Als Nächstes streute ich Salz um den Kreis und sagte: »Mit diesem Salz reinige ich meinen Kreis.«
Der Rest des magischen Spruches bestand darin, die Zutaten mit Mörser und Stößel zu zerkleinern, kochendes Wasser (das ich vorsorglich in eine Thermosflasche gefüllt hatte) über die Kräuter in einen Messbecher zu gießen und den Namen eines Menschen auf ein Stück Papier zu schreiben und dieses über einer Kerze zu verbrennen. Genau um Mitternacht las ich den magischen Spruch aus dem Buch flüsternd vor:
»Schönheit herein ist Schönheit
hinaus,
dieser Trank löscht deine Makel aus.
Heilendes Wasser reinigt dich,
Schönheit wird halten ewiglich.«
Ich sagte es schnell, während die Uhr unten Mitternacht schlug. Beim letzten Schlag der Uhr sprach ich das letzte Wort. Im nächsten Augenblick stellten sich sämtliche Härchen auf meinen Armen auf, die drei Kerzen erloschen und ein gewaltiger Blitz erleuchtete mein Zimmer. In der nächsten Sekunde donnerte es so laut, dass das Geräusch förmlich in meiner Brust widerhallte.
Ich machte mir fast in die Hose. Erschrocken starrte ich aus dem Fenster, um zu sehen, ob das Haus in Brand geraten war, dann stand ich auf und schaltete meine Lampe ein. Der Strom funktionierte noch.
Mein Herz hüpfte wie wild in meinem Brustkorb. Auf der einen Seite schien es so weit hergeholt und melodramatisch, dass Blitz und Donner genau in dem Augenblick gekommen waren, als ich einen magischen Spruch gewirkt hatte, dass es fast witzig war. Auf der anderen Seite hatte ich das Gefühl, als hätte Gott gesehen, was ich gemacht hatte, und hätte einen zornigen Blitz zur Erde gesandt, um mich zu warnen. Du weißt, dass das verrückt ist, redete ich mir gut zu und atmete langsam tief ein und aus, um mein Herz zu beruhigen.
Schnell räumte ich die Zutaten zu meinem magischen Spruch weg. Die Tinktur goss ich in einen kleinen sauberen Tupperwarebehälter und steckte ihn in meinen Rucksack. Nach wenigen Minuten lag ich im Bett und hatte das Licht gelöscht.
Draußen schüttete und donnerte es, das stärkste Gewitter dieses Herbstes war losgebrochen. Und mein Herz pochte immer noch wie wild.
»Hier, versuch das mal«, sagte ich am Montagmorgen beiläufig zu Robbie und drückte ihm den Tupperwarebehälter in die Hand.
»Was ist das?«, fragte er. »Salatsoße? Was soll ich damit?«
»Eine Waschlotion fürs Gesicht, meine Mutter hat sie mir gegeben«, erklärte ich. »Sie funktioniert sehr gut.«
Er sah mich an, und ich begegnete einige Sekunden lang seinem Blick, bevor ich wegschaute und mich fragte, ob man mir ansah, dass ich Schuldgefühle hatte, weil ich ihm nicht die Wahrheit sagte. In gewisser Weise experimentierte ich mit ihm.
»Ja, okay«, sagte er und tat den Behälter in seinen Rucksack.
»Wie war der Kreis am Samstag?«, fragte ich Bree flüsternd im Lern-Aufenthaltsraum. »Es tut mir echt leid, dass ich ihn verpasst habe. Ich hab versucht, dich anzurufen, um zu hören, wie’s gelaufen ist.«
»Oh, ich habe deine Nachricht bekommen«, sagte sie bedauernd, »aber mein Vater und ich sind gestern nach New York gefahren und ich bin erst spät zurückgekommen. Tut mir leid. Ich hab mir die Haare schneiden lassen.«
Es sah genauso aus wie vorher, nur vielleicht drei Millimeter kürzer.
»Sieht toll aus. Und wie läuft’s mit Cal?«
Sie zog ihre vollendeten Augenbrauen ein wenig kraus. »Cal … weicht mir aus«, sagte sie schließlich. »Er macht einen auf schwer-zu-kriegen. Ich hab versucht, mit ihm allein zu sein, aber das ist schier unmöglich.«
Ich nickte und hoffte, dass meine mitfühlende Miene glaubwürdig rüberkam und sie nicht bemerkte, wie erleichtert ich war.
»Ja. So langsam geht’s mir echt auf die Nerven«, meinte sie verdrießlich.
Ich überlegte, ob ich ihr erzählen sollte, dass ich einen magischen Spruch für Robbie ausprobiert hatte und dass ich abwarten wollte, was passierte. Doch ich fand nicht die richtigen Worte, und so hatte ich, neben meinen Gefühlen für Cal, plötzlich noch ein Geheimnis vor meiner besten Freundin.
Am Mittwochmorgen hatten sich Bree und einige andere Mitglieder des Kreises wie gewohnt bei den Bänken versammelt. Da ich am Dienstagmorgen mal wieder zu spät dran gewesen war, war dies die erste Begegnung mit den anderen, nachdem ich am Samstag den Kreis verpasst hatte. Als ich näher kam, warf mir Raven einen abfälligen Blick zu, doch Cal wirkte vollkommen ehrlich, als er sagte, ich solle mich setzen.
»Das mit Samstag tut mir wirklich leid«, sagte ich, vermutlich hauptsächlich zu Cal. »Ich wollte gerade zu Jenna losfahren, als eine Kollegin meiner Mutter anrief und meinte, sie müsse unbedingt bei uns zu Hause vorbeikommen und ein paar Sachen holen. Es hat ewig gedauert, und ich war unglaublich enttäuscht …«
»Ich habe deine Entschuldigung schon gehört, und sie ist ziemlich lahm«, unterbrach mich Raven.
Ich wartete darauf, dass Bree in gewohnter Beste-Freundin-Solidarität vorpreschte und mich verteidigte, doch sie schwieg.
»Mach dir darum keine Sorgen, Morgan«, sagte Cal entspannt und fegte damit die leichte Anspannung, die in der Luft lag, beiseite.
In diesem Augenblick tauchte Robbie auf und wir starrten ihn alle nur an. Seine Haut hatte seit der siebten Klasse nicht mehr so gut ausgesehen.
Brees dunkle Augen schossen zu ihm, scannten sein Gesicht und verarbeiteten, was sie da sahen. »Robbie«, sagte sie. »Mensch, du siehst toll aus.«
Robbie zuckte lässig die Achseln und ließ seinen Rucksack zu Boden plumpsen. Ich betrachtete ihn genauer. Er hatte immer noch Flecken im Gesicht, aber wenn seine Haut vorher auf einer Skala von eins bis zehn bei zwei gelegen hatte, dann hatte sie sich jetzt mindestens auf sieben verbessert.
Ich bemerkte, dass Cal ihn nachdenklich betrachtete. Dann sah er mich an, als überlegte er, ob ich etwas damit zu tun hatte. Es schien gerade so, als wüsste er alles. Doch das war unmöglich, also hielt ich den Mund.
Behalt’s für dich, befahl ich Robbie stillschweigend. Erzähl niemandem, was ich dir gegeben habe. Innerlich war ich in Hochstimmung und von einem Gefühl der Ehrfurcht erfüllt. Hatte meine magische Tinktur wirklich funktioniert? Was sollte es sonst sein? Robbie pilgerte schon seit Jahren von einem Hautarzt zum nächsten, ohne dass ihm einer auch nur im Geringsten geholfen hatte. Und nachdem er seine Haut zwei Tage mit meiner Tinktur behandelt hatte, tauchte er plötzlich auf und sah toll aus. Hieß das, dass ich tatsächlich eine Hexe war? Nein, das war unmöglich, ermahnte ich mich. Meine Eltern waren keine Bluthexen. Davor war ich sicher. Aber vielleicht besaß ich doch eine Gabe für Magie.
Jenna und Matt kamen auf uns zu.
»Hey, Leute«, sagte Jenna. Der Oktoberwind wehte ihr das blonde Haar ums Gesicht und sie zitterte und drückte ihre Bücher fester an ihre Brust. »Hey, Robbie. « Sie sah ihn an, als überlegte sie noch, was anders war.
»Hey, hat jemand ein Exemplar von The Sound of the Fury?«, fragte Matt und schob die Hände in die Taschen seiner schwarzen Lederjacke. »Ich finde meins nicht und ich muss es für Englisch lesen.«
»Ich kann dir meins leihen«, sagte Raven.
»Okay. Danke«, meinte Matt.
Niemand erwähnte Robbies Gesicht noch einmal, doch Robbie sah mich immer wieder an. Als ich seinem Blick schließlich direkt begegnete, schaute er weg. Am Freitag, als Robbies Haus glatt, wie neu und vollkommen makellos war, als praktisch sämtlichen Schülern an der Schule aufgefallen war, dass er kein Streuselkuchengesicht mehr hatte, als die Mädchen in seiner Klasse plötzlich erkannten, dass er gar nicht so schlecht aussah, beschloss er, allen zu erzählen, wie es dazu gekommen war.
Am Freitagnachmittag war ich im Garten hinter unserem Haus und harkte Laub zusammen, beziehungsweise harkte ich ab und zu und betrachtete die meiste Zeit ein fantastisches Ahornblatt nach dem anderen, hob eins auf, sah es mir genauer an und bewunderte die leidenschaftlichen Farbkleckse und -streifen auf der fein geäderten Haut. Einige waren noch halb grün, und ich stellte mir vor, dass sie überrascht waren, dass sie schon auf dem Boden gelandet waren. Einige waren fast ganz trocken und braun, doch mit einem trotzigen roten Rand oder blutroten Spitzen, als hätten sie auf dem Weg nach unten an der Rinde gekratzt. Andere waren in einem herbstlichen Feuer aus Gelb, Orange und Karmesinrot entflammt, und manche waren immer noch sehr klein, zu jung, um zu sterben, doch zu spät geboren, um zu leben.
Ich drückte die Handfläche gegen ein knisterndes Blatt, das so groß war wie meine Hand. Die Farben fühlten sich warm an auf meiner Haut, und mit geschlossenen Augen erspürte ich Eindrücke von warmen Sommertagen, der Freude, im Wind zu flattern, dem zähen Festhalten und dann dem ängstlichen und zugleich beglückenden Loslassen im Herbst – vollendet zu Boden schwebend. Ich spürte den Duft der Erde.
Plötzlich blinzelte ich, spürte Cals Gegenwart.
»Was erzählt es dir?«, trieb seine Stimme von der Hintertreppe auf mich zu. Ich zuckte zusammen und schwankte auf den Fersen nach hinten. Als ich aufschaute, sah ich Mary K. an der Hintertür, die Cal, Bree und Robbie den Weg in den Garten gezeigt hatte.
Ich betrachtete sie im späten Nachmittagslicht. Ich sah mich um, suchte nach meinem Blatt, doch es war verschwunden. Ich stand auf und wischte mir die Hände ab.
»Was ist los?«, fragte ich und sah von einem Gesicht ins andere.
»Wir müssen mit dir reden«, sagte Bree. Sie wirkte distanziert, sogar ein wenig gekränkt, ihre vollen Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengekniffen.
»Ich habe es ihnen erzählt«, offenbarte Robbie. »Ich habe ihnen erzählt, dass du mir einen selbst gemachten Trank in einem Behälter gegeben hast und dass der meine Haut geheilt hat. Und ich … ich will wissen, was drin war.«
Entsetzt riss ich die Augen auf. Ich hatte das Gefühl, sie urteilten über mich. »Katzenminze«, sagte ich zögerlich. »Katzenminze und Kamille, Engelwurz und … ähm, Rosmarin und Gurke. Kochendes Wasser. Ein paar andere Sachen.«
»Wassermolchaugen und Krötenhaut?«, neckte Cal.
»War es ein magischer Spruch?«, fragte Bree mit gerunzelter Stirn.
Ich nickte, richtete den Blick auf meine Schuhe und schob sie durch das Laub. »Ja. Ein magischer Spruch für Anfänger. Aus einem Buch.« Ich sah zu Robbie auf. »Ich habe sorgfältig darauf geachtet, dass es keine nachteilige Wirkung haben kann«, sagte ich. »Ich hätte dir die Tinktur nie gegeben, wenn ich gedacht hätte, sie könnte dir schaden. Ich war mir sogar ziemlich sicher, dass sie überhaupt keine Wirkung zeigen würde.«
Er erwiderte meinen Blick. Mir fiel auf, dass er hinter der klobigen Brille und dem langweiligen Haarschnitt das Zeug dazu besaß, richtig gut auszusehen. Seine Züge waren von seiner schrecklichen Akne entstellt gewesen. Seine Haut, die jetzt vollkommen glatt war, war an manchen Stellen ganz leicht von feinen weißen Linien gezeichnet, als wäre sie immer noch dabei, zu heilen. Ich starrte darauf, fasziniert von dem, was ich anscheinend bewirkt hatte.
»Erzähl«, forderte Cal mich auf.
Die Fliegengittertür ging noch einmal auf, und meine Mutter steckte den Kopf heraus. »Morgan, das Abendessen ist in fünfzehn Minuten fertig«, rief sie.
»Okay«, rief ich zurück, und sie ging wieder rein, zweifellos neugierig, wer wohl der unbekannte Junge war.
»Morgan«, sagte Bree.
»Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll«, sagte ich langsam und richtete den Blick wieder auf das Laub am Boden. »Ich habe euch ja von dem Ausflug in das Kloster neulich erzählt, das mit dem Kräutergarten. Der Garten … Es kam mir vor, als spräche er zu mir.« Mein Gesicht lief knallrot an, so an den Haaren herbeigezogen klang das, was ich da sagte. »Ich hatte das Gefühl … als wollte ich mehr über Kräuter wissen, mehr über sie lernen.«
»Was genau?«, fragte Bree.
»Ich habe unendlich viel über die heilenden, magischen Kräfte von Kräutern gelesen. Cal, du hast gesagt, ich wäre … ein Energieleiter. Ich wollte einfach sehen, was passiert.«
»Und ich war dein Versuchskaninchen«, stellte Robbie fest.
Ich schaute zu ihm auf, diesem Robbie, den ich kaum noch wiedererkannte. »Ich hab mich total mies gefühlt, weil ich zwei Kreise hintereinander verpasst habe. Ich wollte allein ein wenig arbeiten. Und da dachte ich, ich könnte einen einfachen magischen Spruch ausprobieren«, sagte ich. »Ich meine, ich wollte nicht versuchen, die Welt zu verändern. Ich wollte nichts Großes oder Erschreckendes. Ich brauchte etwas Kleines, etwas Positives, etwas, dessen Ergebnis ich relativ schnell beurteilen konnte.«
»Wie ein wissenschaftliches Projekt«, sagte Robbie.
»Ich wusste, dass es dir nicht schaden würde«, beharrte ich. »Es war bloß Wasser und ganz gewöhnliche Kräuter.«
»Und ein magischer Spruch«, sagte Cal.
Ich nickte.
»Wann hast du es gemacht?«, fragte Bree.
»In der Nacht von Sonntag auf Montag, um Mitternacht«, sagte ich. »Ich war ziemlich deprimiert, weil ich am Samstagabend während des Kreisrituals zu Hause festsaß.«
»Ist etwas passiert, als du den magischen Spruch vollzogen hast?«, fragte Cal und sah mich neugierig an. Brees Zorn schlug in Wellen auf mich ein.
Ich zuckte die Achseln. »Es gab ein Gewitter.« Ich wollte nicht darüber reden, dass die Kerzen ausgegangen waren und dass das Donnern unglaublich laut gewesen war.
»Kontrollierst du jetzt auch schon das Wetter?«, meinte Bree, und ich hörte die Kränkung in ihrer Stimme.
Ich fuhr zusammen. »Das habe ich nicht behauptet.«
»Das ist ganz offensichtlich ein seltsamer Zufall«, sagte Bree. »Ausgeschlossen, dass du Robbies Haut heilen kannst. Um Himmels willen, Cal, sag ihr das. Keiner von uns kann so etwas. Nicht mal du könntest so etwas.«
»Doch, das könnte ich«, widersprach Cal ihr sanft. »Viele Menschen können so etwas, mit ausreichend Übung. Selbst wenn sie keine Bluthexen sind.«
»Aber Morgan hat keinerlei Übung«, entgegnete Bree mit gepresster Stimme. »Oder?«, fragte sie mich.
»Was wir hier haben, ist eine ungewöhnlich begabte Amateurin«, sagte Cal nachdenklich. »Ich bin sogar froh, dass das passiert ist, denn wir sollten über diese Sachen reden.« Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Du darfst niemals einen magischen Spruch für jemanden wirken, ohne dass sie oder er es weiß«, sagte er. »Es ist keine gute Idee, und es ist nicht sicher. Und es ist auch nicht fair.«
Er wirkte ungewöhnlich ernst, und ich nickte verlegen.
»Tut mir echt leid, Robbie«, sagte ich. »Ich weiß nicht mal, wie man es rückgängig macht. Es war dumm von mir.«
»Himmel, ich will nicht, dass du es rückgängig machst«, sagte Robbie erschrocken. »Ich … ich wünschte nur, du hättest es mir vorher gesagt. Es war mir echt unheimlich.«
»Morgan, du musst wirklich mehr lernen, bevor du mit magischen Sprüche herumexperimentierst«, fuhr Cal fort. »Es wäre besser, wenn du das große Bild sehen würdest und nicht nur viele kleine Teile davon. Es ist alles miteinander verbunden, weißt du, alles hängt mit allem zusammen, und alles, was du tust, hat Auswirkungen auf alles andere, also musst du genau wissen, was du tust.«
Ich nickte noch einmal. Ich fühlte mich schrecklich. Ich war so beeindruckt gewesen, dass mein magischer Spruch funktioniert hatte; über weitreichendere Konsequenzen hatte ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht.
»Ich bin kein Hohepriester«, sagte Cal, »aber ich kann dir beibringen, was ich weiß, und dann kannst du von jemand anderem noch mehr lernen. Wenn du willst.«
»Ja, das will ich«, sagte ich schnell. Ich blickte Bree ins Gesicht und hätte die Geschwindigkeit und Sicherheit meiner Aussage am liebsten zurückgenommen.
»Samhain, also Halloween, ist in acht Tagen«, sagte Cal und senkte die Hand. »Versuch, wieder zu den Kreisen zu kommen, wenn du kannst. Überleg es dir wenigstens.«
»Echt heftig, Rowlands.« Robbie schüttelte den Kopf. »Du bist der Tiger Woods von Wicca.«
Ich musste unwillkürlich grinsen. Brees Miene war versteinert.
Meine Mutter klopfte ans Fenster, um mir Bescheid zu sagen, dass das Abendessen fertig war, und ich nickte und winkte.
»Tut mir ehrlich leid, Robbie«, sagte ich noch einmal. »Ich tue so etwas nie wieder.«
»Frag mich einfach vorher«, sagte Robbie ohne Zorn. Wir gingen durch den Garten, und ich führte die drei durchs Haus und ließ sie vorne zur Haustür hinaus. »Bis dann«, rief ich ihnen hinterher. Cal begegnete meinem Blick.
Noch acht Tage bis Halloween.