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Ditlev Pram war ein gut aussehender Mann, und das wusste er. Im Flugzeug gab es in der Business Class immer genug Frauen, die nicht protestierten, wenn er von seinem Lamborghini erzählte und wie schnell er mit dem zur Villa in Rungsted fuhr.
Dieses Mal hatte er ein Auge auf eine Frau mit weichem, vollem Haar geworfen. Sie trug ein kräftiges schwarzes Brillengestell, wodurch sie unnahbar wirkte. Das reizte ihn.
Er hatte sie angesprochen, aber kein Glück gehabt. Hatte ihr The Economise angeboten, mit einem Atomkraftwerk im Gegenlicht auf der Titelseite. Aber sie hatte nur eine abwehrende Handbewegung gemacht. Er hatte dafür gesorgt, dass sie einen Drink bekam. Sie hatte ihn nicht angerührt. Als die Maschine aus Posen überpünktlich in Kastrup aufsetzte, waren die kostbaren siebzig Minuten vertan.
So etwas machte ihn aggressiv.
Er eilte schnurstracks durch die gläsernen Gänge des Terminals. Als er das Laufband fast erreicht hatte, sah er sein Opfer: einen alten Mann, der schlecht gehen konnte und ebenfalls auf das Laufband zusteuerte.
Ditlev Pram beschleunigte seinen Schritt und war exakt in dem Augenblick da, als der Mann einen Fuß auf das Band setzte. Ditlev sah es deutlich vor sich: ein unauffällig gestelltes Bein - und der knochige Körper würde gegen die Plexiglasscheibe knallen und das Gesicht mit der verrutschten Brille daran entlangschrammen, während sich der Alte fieberhaft bemühte, wieder auf die Beine zu kommen.
Es zuckte förmlich in Ditlev Prams Bein. So war er. Und seine Freunde auch. Was weder besonders verdienstvoll noch besonders beschämend war. Sie hatten es einfach schon mit der Muttermilch eingesogen. Dabei wäre es bei dem alten Knacker hier in gewisser Weise sogar die Schuld dieser Zicke aus dem Flieger. Die hätte doch mit ihm nach Hause gehen können. In einer Stunde hätten sie in seinem Bett gelegen.
Das hatte sie sich doch verdammt noch mal selbst zuzuschreiben.
Als der Strandmølle Kro im Rückspiegel erschien und sich das Meer wieder glänzend vor ihm erstreckte, klingelte sein Handy. »Ja«, sagte er nach einem Blick auf das Display. Ulrik war dran.
»Eine Bekannte hat sie vor ein paar Tagen gesehen«, sagte er. »In der Bernstorffsgade, am Fußgängerübergang zum Hauptbahnhof.«
Ditlev schaltete den mp3-Player aus. »Okay. Wann genau?«
»Letzten Montag. 10. September. Abends gegen einundzwanzig Uhr.«
»Was hast du unternommen?«
»Torsten und ich haben uns dort umgesehen. Haben sie aber nicht gefunden.«
»Torsten war dabei?«
»Ja. Du weißt schon, wie. Er ist keine große Hilfe.«
»Wer ist auf die Aufgabe angesetzt?«
»Aalbæk.«
»Gut. Wie sah sie aus?«
»Angezogen war sie ziemlich okay, hab ich gehört. Ist dünner als früher. Und sie stank.«
»Sie stank?«
»Ja, nach Schweiß und Pisse.«
Ditlev nickte. Das war das Schlimmste bei Kimmie. Nicht nur, dass sie monate-, sogar jahrelang verschwinden konnte. Nein, man wusste nie, wer sie war. Ewig lange unsichtbar und dann urplötzlich unheimlich sichtbar. Kimmie war in ihrer aller Leben das größte Risiko. Die Einzige, die ihnen tatsächlich gefährlich werden konnte.
»Dieses Mal müssen wir sie kriegen, Ulrik, ist das klar?«
»Warum, zum Teufel, glaubst du eigentlich, hab ich dich angerufen?«