Wattendorfs Vermächtnis
Sie hatten die samtenen Vorhänge zugezogen und die Öllampe brannte mit kleiner Flamme. Ihr gelblicher Schein entlockte dem braunen, lackierten Holz über den gepolsterten Sitzbänken einen warmen Schimmer, der an dunklen Honig erinnerte. Sadik saß auf dem Kutschbock und lenkte die Grauschimmel im ruhigen Trab über die nächtliche Landstraße in Richtung Kanalküste. Sie hatten ihn erst gar nicht darum bitten müssen, denn er dachte nicht einen Moment daran, einem von ihnen die Zügel zu überlassen, jedenfalls nicht bei Nacht. Die doppelläufige Schrotflinte lag wieder geladen und griffbereit unter seinem Sitz.
Jana hatte es sich mit ihrem verbundenen Oberarm auf der vorderen Sitzbank bequem gemacht. Sie hatte die Beine halb angezogen und lehnte mit dem Rücken an der Wand neben dem Kutschenschlag. Unsinn kauerte zwischen ihren Beinen und machte sich genüsslich über die Trockenfrüchte her. Seine zierlichen Pfoten, die sich kaum von menschlichen Händen unterschieden, hielten ein verschrumpeltes Stück Apfel und führten es zum winzigen Mund. Hell und wachsam leuchteten seine Augen.
»Möchtest du noch eine Decke haben, damit du nicht jeden Stoß mitbekommst?«, fragte Tobias, als die Kutsche auf einem sehr holprigen Teilstück der Landstraße hin und her schwankte wie ein Schiff in unruhiger See.
»Nein, nein, es ist wirklich alles bestens«, wehrte Jana lächelnd ab. »Sadik hat das ganz wunderbar hingekriegt. Es pocht bloß noch.«
»Na wunderbar«, sagte Gaspard und erinnerte Tobias mit unüber-hörbarer Ungeduld: »Du wolltest doch erzählen, worum es bei diesem Koran, dem Gebetsteppich und dem Spazierstock mit dem Falkenkopf geht! Und warum dieser Schurke Zeppenfeld hinter euch her ist.«
Jana nickte Tobias zu. »Erzähl es ihm. Es ist eine tolle Geschichte, die ich gern auch noch einmal höre!«, forderte sie ihn auf. Tobias setzte sich etwas schräg zu Gaspard.
»Vor ein paar Jahren nahm alles seinen Anfang«, begann er, nachdem er sich geräuspert hatte. »Während ich von Onkel Heinrich und Privatlehrern auf Falkenhof unterrichtet wurde, brach mein Vater zu einer neuen Expedition auf. Eines seiner großen Forscherziele ist es, die Quellen des Nils zu entdecken. Ihm schlossen sich bei jener verhängnisvollen Reise vier Freunde an, die ihm mehr aus Abenteuerlust folgten und noch nie an solch einer Expedition in unbekannte Gebiete teilgenommen hatten, die auf den Landkarten als weiße unerforschte Flecken eingezeichnet sind. Da war der Zeitungsverleger Jean Roland aus Paris …«
»Bei dem ihr die letzten Wochen gewohnt habt«, warf Gaspard ein.
Tobias nickte. »Und als zweiter Ausländer kam der Engländer Rupert Burlington mit, ein sehr vermögender, reiseerfahrener Mann, wie Sadik mir erzählt hat, der südwestlich von London auf einem Schloss namens Mulberry Hall lebt.«
»Und zu dem ihr jetzt wollt, nicht wahr?«, warf Gaspard ein.
»Ja, weil Wattendorf ihm vermutlich den Gebetsteppich geschickt hat«, sagte Jana.
»Was für einen Gebetsteppich?«
Tobias hob die Hand. »Alles der Reihe nach! Wir sind erst noch bei der Nilquellen-Expedition, an der auch ein gewisser Eduard Wattendorf und Armin Graf von Zeppenfeld teilnahmen, beides Jugendfreunde meines Vaters.«
Gaspard machte eine verblüffte Miene. »Zeppenfeld ist ein Freund deines Vaters – und trachtet dir nach dem Leben?«
Tobias verzog verächtlich das Gesicht. »Mein Vater glaubte damals, Zeppenfeld wäre sein Freund und ein Mann, auf den er sich auch in kritischen Situationen verlassen könne. Das hat sich leider als folgenschwerer Irrtum herausgestellt.«
»Was ist das überhaupt für ein Mann?«, wollte Gaspard wissen.
»Sadik konnte mir über ihn auch nicht viel berichten. Er soll früher einmal Offizier beim Militär gewesen sein, und so zackig und forsch wie ein Offizier auf dem Paradeplatz spricht er auch. Er soll wegen eines Skandals seinen Abschied genommen haben, aber das ist nur ein Gerücht. Sicher ist nur, dass er recht wohlhabend ist – und ein skrupelloser Ehrgeizling, der von Ruhm und Ehre ohne viel Arbeit träumt!«
»Und was ist mit diesem Eduard Wattendorf?«
»Er war, wie es hieß, der Spaßmacher der Gruppe. Ein Lyriker und Schriftsteller mit viel Begeisterung, aber wenig Talent. Sadik hat ihn mal als einen Mann der großen Worte bezeichnet, der sich zu großen Taten berufen fühlte und dann erkennen musste, dass er seinen Träumen in der Wirklichkeit nicht gewachsen war. Wattendorf hat meinen Vater nicht weniger bitter enttäuscht als Zeppenfeld,
während Roland und Burlington unverbrüchlich zu ihm gestanden und gemeinsam mit ihm alle Gefahren gemeistert haben, was ihre Freundschaft noch vertieft hat. Aber darauf komme ich gleich.«
»Sadik hat an dieser Expedition auch teilgenommen?«
Tobias nickte. »Sadik war damals schon seit Jahren der treue Begleiter meines Vaters. Begleitet von ihm, Wattendorf, Zeppenfeld, Roland und Burlington brach er also zu seiner zweiten Nilquellen-Expedition auf. Sie kamen jedoch nicht über Chartoum hinaus, weil sich die Stämme in dem Gebiet im Krieg befanden. Zudem waren die vier von den Strapazen der vergangenen Monate geschwächt und fieberkrank. Die Expedition stand unter einem schlechten Stern, wie Sadik erzählte. Jedenfalls mussten sie umkehren. Sie wollten nach Omsurman, einer größeren Handelsniederlassung an der Küste. Sie blieben auch weiterhin vom Unglück verfolgt, starben doch unterwegs mehrere Kamele. Zudem verloren sie durch die Unachtsamkeit eines Teilnehmers den Inhalt von mehreren Wasserschläuchen. Es kam nie heraus, wer daran schuld war, aber alles deutete auf Wattendorf hin. So konnten sie von Glück reden, dass sie auf halber Strecke nach Omsurman auf eine große Karawane stießen, die wie sie zum Roten Meer wollte und der sie sich anschließen durften. Der Führer, Scheich Abdul Batuta, nahm sie mit großer Gastfreundschaft auf, und so zogen sie gemeinsam durch die Wüste. Bis dann jene Nacht kam, in der Zeppenfeld das Unglück heraufbeschwor.«
Gaspard beugte sich gespannt vor. »Was geschah in dieser Nacht?«
»Im Gefolge des Scheichs befand sich eine bildhübsche junge Frau, die einem Mann in Omsurman versprochen war«, berichtete Tobias. »Ihr Name war Tarik, was übersetzt ›Nachtstern‹ bedeutet. Der Himmel allein mag wissen, was in Zeppenfeld gefahren sein mochte, aber er beging als Gast der Beduinen eine unverzeihliche Todsünde: Er stellte dieser Frau nach und drang in ihr Zelt ein, während alle anderen um das Lagerfeuer saßen und sich die Geschichten um das ›Verschollene Tal‹ anhörten, das sich in jenem Gebiet, in dem sie sich gerade aufhielten, der Legende nach befinden sollte. Zeppenfeld war jedoch allein an Tarik interessiert, die laut um Hilfe schrie, als er sich zu ihr ins Zelt schlich und zudringlich wurde, ohne auch nur im Geringsten von ihr dazu ermutigt worden zu sein. Das Lager befand sich sofort in größtem Aufruhr. Die Beduinen, deren Gastfreundschaft er so schändlich missbraucht hatte, verlangten seinen Tod. Und sie hätten Zeppenfeld auch getötet, wenn mein
Vater, obwohl er voller Abscheu für die Tat seines Freundes war, sie nicht beschworen hätte, sein Leben zu verschonen.«
Jana lachte bitter auf. »Er hätte es besser nicht getan – nun ja, wer weiß«, setzte sie gleich einschränkend hinzu.
»Ja, der Meinung war Sadik auch«, meinte Tobias. »Aber für meinen Vater war es eine Frage der Ehre, in dieser Situation trotz allem zu Zeppenfeld zu halten. Normalerweise hätte er nichts dagegen ausrichten können. Doch mein Vater genoss die Hochachtung des Scheichs. Dieser stellte ihnen deshalb die Wahl: Entweder starb Zeppenfeld vor ihren Augen – oder aber sie würden alle verstoßen werden, und zwar nur mit dem Wenigen, was sie gehabt hatten, als sie auf die Karawane gestoßen waren. Wattendorf war ohne Zögern dafür, Zeppenfelds Leben zu opfern. Doch mein Vater setzte sich durch. Beim Morgengrauen blieben Sadik, mein Vater und die vier anderen Männer nur mit einem Kamel, wenig Proviant und ein paar Schläuchen Wasser in der Wüste zurück, während die Karawane weiterzog.«
»Kam das denn nicht einem Todesurteil gleich?«, fragte Gaspard bestürzt.
»Doch, denn das eine Kamel und die paar Wasserschläuche reichten natürlich niemals aus, um zur nächsten Oase zu gelangen, geschweige denn nach Omsurman. Da der Scheich meinen Vater aber sehr schätzte und ihn wegen seiner ehrenhaften Entscheidung noch mehr respektierte, schenkte er ihm zum Abschied einen kostbaren Dolch, von dem er sich seit jenem Tag nicht mehr getrennt hat.«
»Einen Dolch? Aber wofür?«
»Damit sie ihrem Leben ein gnädiges und standesgemäßes Ende von eigener Hand bereiten könnten, bevor der Todeskampf zu qualvoll würde.«
Gaspard verzog das Gesicht. »Eine reichlich merkwürdige Art, jemandem seinen Respekt zu zeigen!«, meinte er sarkastisch.
»Nicht nach dem Ehrenkodex der Beduinen, wie Sadik mir versichert hat«, erwiderte Tobias. »Auf jeden Fall waren sie nun auf sich allein gestellt. Wie Sadik erzählte, kamen sie natürlich nur sehr langsam voran, und ihr Wasservorrat schmolz immer mehr dahin, obwohl sie es rationierten und jeder gerade noch einen Becher pro Tag erhielt. Es muss grausam gewesen sein. Ihnen war der Tod in der Wüste gewiss, wenn nicht ein Wunder passierte. Und auf ein Wunder wollte vor allem Wattendorf nicht warten.«
»Aha!«, rief Gaspard ahnungsvoll.
»Wattendorf machte Zeppenfeld und alle anderen dafür verantwortlich, dass man sie in der Wüste ausgesetzt und damit dem sicheren Tod preisgegeben hatte. Er allein hatte Zeppenfelds Hinrichtung gutgeheißen. Und deshalb glaubte er wohl auch, als Einziger das Recht zu überleben zu haben. Eines Nachts hat er sich deshalb mit dem Kamel und allen Wasserschläuchen aus dem Staub gemacht – bis auf den einen, den Rupert Burlington sich zufällig unter den Kopf gelegt hatte, um etwas weicher zu liegen.«
Gaspards Miene drückte tiefe Verachtung aus. »So ein Verräter würde bei uns in der Sickergrube ertränkt!«, stieß er hervor und hätte fast ausgespuckt, um seinem Abscheu richtig Ausdruck zu geben.
Tobias glaubte ihm das. »Ein paar Tage schleppten sie sich noch weiter, und wie Sadik einmal erzählte, waren diese Tage eine Qual, die reinste Hölle. Der Durst machte sie fast wahnsinnig und ließ sie halluzinieren. Zeppenfeld drehte durch und wollte sich das Leben nehmen, weil er meinte, es nicht länger ertragen zu können. Mein Vater musste ihn niederschlagen. Und dann, als sie nicht mehr weiterkonnten und sich am Ende wähnten, geschah tatsächlich das Wunder: Eine kleine Karawane aus dem Norden stieß auf die fast Verdursteten!«
Gaspard atmete vor Erleichterung hörbar aus, so intensiv, als wäre er in Gedanken bei diesen Männern in der Wüste gewesen und hätte um ihr Schicksal gebangt.
»Und was sein Vater dann getan hat, wirst du bestimmt genauso wenig verstehen wie ich, als ich es damals hörte«, bemerkte Jana.
»So, was hat er denn getan?«
Tobias lachte kurz auf. »Er hat den Beduinen einen hübschen Batzen Goldmünzen gezahlt, damit sie Zeit und kostbares Wasser opferten und mit ihnen nach Wattendorf suchten, der ziellos durch die Wüste irrte, weil er weder Kompass noch ausreichende Erfahrungen hatte, um sich am Stand der Sonne und der Sterne zu orientieren.«
Gaspard sah ihn ungläubig an. »Er hat diesen Lumpen auch noch suchen lassen, nachdem er sie verraten und betrogen und dem Tod ausgeliefert hatte? Das ist ja …«
»… die besondere Art von Ehre, der sich mein Vater nun mal verpflichtet fühlt«, beendete Tobias den Satz. »Er verabscheute Wattendorf, doch er fühlte sich an sein Versprechen gebunden, das er Wattendorfs Familie gegeben hatte – nämlich dass er ihn nie im Stich lassen und lebend nach Hause bringen würde.«
Gaspard schüttelte den Kopf. »Was Wattendorf getan hat, hat deinen Vater doch zehnmal von diesem Versprechen entbunden. Aber was soll’s. Haben sie ihn gefunden?«
»Ja, nach mehr als einer Woche Suche stießen sie drei Tagesritte westlich der Oase Al Kariah auf ihn. Sein Kamel war verendet und seine Wasserschläuche waren leer. Wie sich später herausstellte, muss er sehr nachlässig mit ihnen umgegangen sein und die Verschlüsse nicht sachgerecht behandelt haben – wie es ihm schon einmal passiert war, auch wenn er es geleugnet hatte. Auf jeden Fall war er mehr tot als lebendig. Er war von Sinnen und phantasierte. Die Wüste hatte ihn zerbrochen, wie Sadik es ausdrückte. Erst in Omsurman fand er einigermaßen aus seinen wirren Phantasien in die Wirklichkeit zurück. Dort trennten sich mein Vater, Roland und Burlington von Wattendorf und Zeppenfeld. Sie gaben ihnen unmissverständlich zu verstehen, dass sie mit ihnen nie mehr etwas zu tun haben wollten. Gemeinsam segelten Zeppenfeld und Wattendorf dann nach Cairo. Von dort kehrte Zeppenfeld nach Europa zurück. Mein Vater war der festen Überzeugung, dass er nie wieder etwas von den beiden hören oder sehen würde. Doch das stellte sich als Irrtum heraus.«
»Das ist wirklich eine unglaubliche Geschichte«, sagte Gaspard fasziniert, aber auch ein wenig verwirrt. »Doch ich kapiere nicht, was das alles mit dem Verschollenen Tal zu tun haben soll, das du vorhin erwähnt hast, und mit dem Koran und dem Spazierstock und so.«
Tobias hob die Augenbrauen. »Habe ich vielleicht behauptet, ich wollte dir eine simple Geschichte erzählen?«, zog er ihn auf.
»Nein, das nicht«, gab Gaspard zu.
»Ich sage dir, jetzt wird es erst richtig spannend und rätselhaft«, bemerkte Jana mit leuchtenden Augen, »und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.«
»Dann erzähl bloß weiter!«, forderte Gaspard Tobias auf.
Die Kutsche schaukelte durch eine scharfe Kurve, sodass sie sich abstützen mussten, während Sadiks Stimme vom Kutschbock zu ihnen drang, als er die Grauschimmel beruhigte.
»All das, was damals in der nubischen Wüste geschah, sollte Folgen haben«, nahm Tobias den Erzählfaden wieder auf. »Es dauerte jedoch ein Jahr, bis sich etwas ereignete, was in Zusammenhang mit jener verunglückten Nilquellen-Expedition zu sehen war. Eines Tages erhielt mein Vater nämlich ein Paket von Wattendorf – es kam aus Cairo. Wie wir später erfuhren, war er dort geblieben, an Geist und Körper schwer erkrankt, wie es hieß. Das Paket enthielt den Spazierstock aus Ebenholz mit einem Knauf in Form eines silbernen Falkenkopfes, dessen Maul weit aufgerissen ist. Du kennst ihn ja.«
Gaspard nickte. Er hatte den seltsamen Stock, der wegen seines sperrigen und scharfkantigen Falkenkopfes als Knauf zum Spazierengehen völlig ungeeignet war, bereits gesehen. Es war mehr ein Stück für einen Sammler von Kuriositäten.
»Wattendorfs Geschenk enthielt auch noch ein merkwürdiges Begleitschreiben sowie ein rätselhaftes Gedicht um diesen Falkenstock. Wie ich von Onkel Heinrich erfuhr, war mein Vater wütend, dass Wattendorfes wagte, mit ihm in Kontakt zu treten. Er hatte ihn und Zeppenfeld aus seinem Leben gestrichen. Mein Vater wollte den Stock deshalb sofort zurückschicken, weil er mit Wattendorf nichts mehr zu tun haben und natürlich schon gar kein Geschenk von ihm annehmen wollte. Doch dieser hatte keinen Absender angegeben. Und nach einigem Hin und Her bekam ich ihn schließlich, weil er mir so gut gefiel. Er stand dann fast ein Vierteljahr bei mir in einer Zimmerecke, ohne dass einer von uns ahnte, was es mit diesem Stock auf sich hatte. Und dann fuhr eines Abends Zeppenfeld vor!« Tobias legte eine kurze Pause ein.
Gaspard wartete gespannt, was nun kommen würde.
»Wenige Monate zuvor hatte mein Vater Falkenhof wieder verlassen und war zu einer neuen Expedition zu den Nilquellen aufgebrochen. Zu der Zeit hielt Jana sich schon auf dem Gutshof meines Onkels auf und erholte sich gerade von den lebensgefährlichen Verletzungen ihres schweren Sturzes.«
»Sadik hat mir wirklich das Leben gerettet«, sagte Jana leise und mit ernster Miene.
»Aber wieso hat Sadik denn diesmal deinen Vater nicht begleitet?«, fragte Gaspard verwundert.
»Sadik hatte eine schwere Erkältung, weil er das raue Wetter nicht gewohnt war, und war nicht reisefähig. Doch mein Vater konnte nicht länger warten, weil er schon ein Schiff gebucht und alle Vorbereitungen getroffen hatte. Er wurde in Madagaskar erwartet. Sie machten deshalb aus, dass Sadik ihm nachreisen und in Chartoum zu ihm stoßen sollte«, erklärte Tobias. »Doch dazu kam es nicht, eben weil Armin Graf von Zeppenfeld uns seine Aufwartung machte.«
»Wegen des Spazierstockes?«, mutmaßte Gaspard.
»Genau!«, sagte Tobias mit grimmiger Stimme. »Er erhob Anspruch auf den Stock, tischte uns Lügen auf und versuchte sich bei uns einzuschmeicheln. Doch Sadik schöpfte Verdacht, und wir rückten den Falkenstock auch nicht heraus, als Zeppenfeld viel Geld für ihn bot. Daraufhin nahm er zwei ehemalige Söldner in seine Dienste, nämlich Stenz und Tillmann, später auch noch einen Mann namens Valdek, und ließ bei uns einbrechen, um den Stock durch Diebstahl in seinen Besitz zu bringen. Doch Jana konnte das gerade noch vereiteln. Sie hat Tillmann in die Flucht geschlagen.«
»Du hast dich mit diesem Galgengesicht angelegt?«, fragte Gaspard erstaunt und blickte zu Jana hinüber.
Diese lächelte ein wenig stolz. »Ich habe den Kerl im Dunkeln auf dem Flur gerade noch rechtzeitig mit dem Schüreisen erwischt. Er ist uns zwar entkommen, aber den Stock musste er zurücklassen.«
Tobias rechnete es ihr hoch an, dass sie dabei unerwähnt ließ, welch wenig rühmliche Figur er in jener Nacht mit seinem Florett abgegeben hatte.
»Jana hat das wirklich toll gemacht. Nun wussten wir, dass der Stock wertvoll war und vielleicht ein Geheimnis barg. Stundenlang, aber letztlich doch vergeblich, suchte ich nach Wattendorfs Begleitschreiben, das uns über die Bewandtnis des Stockes Auskunft geben konnte. Denn dass er ein Geheimnis barg, lag nun ja auf der Hand.«
»Und dann kam Xaver Pizalla ins Spiel«, sagte Jana düster.
»Wer ist Xaver Pizalla?«, wollte Gaspard natürlich sofort wissen.
»Ein Spitzel im Dienst einer tyrannischen Obrigkeit!«, antwortete Tobias. »Du musst wissen, dass mein Onkel Heinrich Heller nicht nur ein außergewöhnlicher Universalgelehrter ist, dessen Experimentierstätten gut die Hälfte von Gut Falkenhof einnahmen, sondern er war in Mainz auch Mitglied eines verbotenen Geheimbundes.«
Gaspards Augen leuchteten begeistert auf und er beugte sich vor, um ja kein Wort zu verpassen. »Dein Onkel ist ein Verschwörer?«
»Nein, ganz so dramatisch ist Onkel Heinrich nicht veranlagt. Die Mitglieder dieses Bundes kämpften nicht mit dem Schwert, sondern mit der Schreibfeder gegen die Willkür der Fürsten, forderten in illegalen Druckschriften die Pressefreiheit und mehr Bürgerrechte und setzten sich für eine geeinte deutsche Nation ein«, erklärte Tobias. »Ihr Franzosen habt eine Nation. Dagegen ist Deutschland in mehrere dutzend Fürsten- und Herzogtümer und in einige kleine Königreiche zerstückelt. Und jeder Fürst wacht eifersüchtig darüber, dass niemand seine Rechte antastet. Dagegen und gegen die Unterdrückung des Volkes haben sich mein Onkel und seine Freunde eingesetzt.«
»Und dieser Pizalla war ein Spitzel im Auftrag eures Fürsten, der Angst um seine Macht hat«, folgerte Gaspard.
»Richtig«, sagte Tobias. »Zeppenfeld muss sich gut in Mainz umgehört und erfahren haben, dass mein Onkel schon seit langem bei Pizalla im Verdacht stand, zu einem dieser Geheimbünde zu gehören. Er hat sich mit Pizalla verbündet, und dann gelang es ihm, ein in finanzielle Schwierigkeiten geratenes Mitglied durch Bestechung zum Verrat zu bewegen. Der Geheimbund flog auf und Onkel Heinrich wurde dabei von einer Kugel in die Schulter getroffen. Sadik konnte ihn gerade noch aus Mainz nach Falkenhof bringen, das ein beinahe festungsartiges Geviert mit dicken, hohen Mauern und einem großen Innenhof ist. Dort saßen wir, wie Zeppenfeld und die Gendarmen meinten, die Falkenhof umstellten, in der Falle.«
Jana lächelte, von wehmütigen Erinnerungen heimgesucht. »Wenn es den Ballon nicht gegeben hätte, wärt ihr Zeppenfeld auch kaum entkommen.«
Gaspard horchte auf. »Ballon?«
Tobias nickte. »Mein Onkel hatte sich einen Heißluftballon anfertigen lassen, um in großer Höhe wissenschaftliche Messungen und Experimente vorzunehmen.«
»Ich bin auch mehrmals mit aufgestiegen!«, sagte Jana stolz. »Es war ein Ballon aus nachtschwarzer Seide und Taft.«
»Warum denn nachtschwarz?«
Tobias zuckte mit den Achseln. »Ein Spleen meines Onkels. Er wollte die Existenz seines Ballons einige Zeit geheim halten. Deshalb sind wir auch nur nachts aufgestiegen. Was im Nachhinein natürlich ein großes Glück war, denn so wusste niemand außerhalb von Falkenhof davon.«
Gaspard lachte. »Und dann seid ihr einfach in den Ballon gestiegen und habt Zeppenfeld und seinen Spießgesellen eine lange Nase gemacht, ja?«
»Na, gar so einfach war es nicht«, meinte Tobias. »Es war ein äußerst riskantes Unternehmen. Ich hatte bis dahin nur Fesselaufstiege mitgemacht. Richtig frei gefahren waren wir noch nicht. Und dann bei Nacht! Außerdem war das Gut ja von bewaffneten Gendarmen umstellt! Uns blieb jedoch keine andere Wahl. So habe ich dann mit Sadik die Flucht im Ballon gewagt. Wir haben nur wenig mitgenommen. Den Spazierstock und die Reisetagebücher meines Vaters gehörten dazu. Wir stiegen auf – und wurden unter Beschuss genommen, entkamen jedoch, ohne dass die Hülle getroffen wurde. Dann gerieten wir in ein Gewitter und hatten noch einige andere Gefahren zu bestehen, bevor wir dann mitten in einem Wald in den Baumkronen landeten. Diese Ballonfahrt war bisher das Ärgste, was ich erlebt habe!«, versicherte Tobias und dachte an Sadik. »Aber das ist eine Geschichte für sich. Doch ein Gutes hatte der Sturm nun doch: Als wir Ballast abwerfen mussten, klappte eines von den Reisetagebüchern auf und Wattendorfs Brief flatterte heraus. Leider konnte ich nur die letzte Seite retten, auf dem das erste Rätselgedicht und noch ein paar abschließende Zeilen von ihm stehen.«
»Ein Gedicht, wie Wattendorf es Monsieur Roland mit dem Koran zugeschickt hat?«, fragte Gaspard erwartungsvoll.
»Ja«, sagte Tobias, griff unter sein Hemd und zog den mehrfach gefalteten Bogen aus dem Lederbeutel, den er an einem Riemen um den Hals trug. In ihm verwahrte er nicht nur Wattendorfs Schreiben, sondern auch einen Teil ihrer Barschaft in Münzen aus Gold und Silber. Natürlich brauchte er gar nicht auf das Blatt zu sehen, denn sein Gedächtnis hatte die Worte nach dem ersten Überfliegen sofort gespeichert.
Aber auch ohne diese besondere Begabung hätte er es längst auswendig gekannt, denn im Laufe der vergangenen Monate hatte er den Brief und das Gedicht immer und immer wieder angestarrt und darauf gehofft, hinter das Rätsel zu kommen. Dennoch las er vom Blatt ab, weil es irgendwie mehr hermachte:
»Die Buße für die Nacht
Die Schande und Verrat gebar
Der Falke hier darüber wacht
Was des Verräters Auge wurd gewahr
Den Weg der Falke weist
Auf Papyrusschwingen eingebrannt
Im Gang des Skarabäus reist
Verschollenes Tal im Wüstensand
Die Beute nur wird abgejagt
Dem Räuber gierig Schlund
Wo rascher Vorstoß wird gewagt
Würgt aus des Rätsels Bund.
Und nach diesem Gedicht schrieb Wattendorf noch an meinen Vater«, sagte Tobias und las weiter:
»So, jetzt habe ich mein Wissen in deine Hände gelegt, Siegbert. Du wirst das Rätsel gewiss schnell lösen. Das Unheil, das Armin über uns gebracht und das mich in der Stunde der Versuchung hat schwach werden lassen, soll dir den Ruhm bringen, der dir gebührt. Ich bin zu krank, um noch einmal zurückzukehren. Rupert und Jean haben die Schlüssel zu den versteckten Pforten im Innern. Doch ohne dich werden sie nie herausfinden, wo sich diese Pforten für ihre Schlüssel befinden. Nur du kannst ihnen den Weg weisen, wenn du sie an deinem Ruhm beteiligen willst. Dir allein gebe ich hiermit den Schlüssel zum großen Tor. Das ist meine Sühne – und sie soll deinem Stern als Forscher und Entdecker unsterblichen Ruhm
Eduard Wattendorf
Soweit also Gedicht und Brief.«
Tobias faltete den schon arg abgegriffenen Bogen wieder zusammen und steckte ihn weg. »Wie oft habe ich ihn zur Hand genommen und versucht hinter die Lösung des Rätsels zu kommen. Und genauso oft haben wir den Stock untersucht. Der Knauf ließ sich jedoch nicht bewegen, nicht vom Stock drehen. Zerbrechen wollten wir ihn nicht. Mein Gott, was haben wir gerätselt! Bis ich dann begriff, was mit der letzten Strophe gemeint war: Ein rascher Vorstoß musste gewagt werden, um dem Falken die Beute abzunehmen. Dann würgt er sie aus. Und wohin musste der Vorstoß gewagt werden? Natürlich in des Räubers gierig Schlund! Als ich den Finger in das aufgerissene Maul des Falkenkopfes steckte, gab das Metall unter meiner Fingerkuppe nach, Eisenstifte klappten nach innen weg, während gleichzeitig eine Sprungfeder aktiviert wurde – und der Kopf sprang aus dem Stock wie der Korken aus einer Champagnerflasche!«
Gaspard grinste. »Und im Innern des Stockes, der doch mit diesen arabischen Zeichen und Tieren wie diesem Skarabäus verziert ist, steckte die Karte!«
»Genau so war es!«, bestätigte Tobias. »Sie zeigt den Weg zum Verschollenen Tal!«
»Diese Karte ist damit der Schlüssel zum großen Tor, wie Wattendorf sich ausgedrückt hat, der Wegweiser zu diesem Tal, das auch
Sadik bisher nur für ein Phantasiegebilde gehalten hat«, mischte sich Jana ein, die von dem geheimnisvollen Tal längst genauso gepackt war wie Tobias. Sadik dagegen hegte noch immer Zweifel. »Ohne diese Karte ist das, was Wattendorf Jean Roland und Rupert Burlington zugeschickt hat, so gut wie wertlos.«
Jetzt begriff Gaspard die Zusammenhänge. »Anscheinend ist es fast so schwierig, den Zugang zum Tal zu finden. Der Koran, den Monsieur Roland erhalten und achtlos verschenkt hatte, und der Gebetsteppich, den dieser Engländer bekommen hat, werden also vermutlich darüber Auskunft geben.«
Tobias nickte und sagte ärgerlich: »Wenn uns Zeppenfeld den Koran nicht doch noch im letzten Augenblick abgenommen hätte, dann wüssten wir jetzt schon mehr!«
»Und welche Gefahren haben wir in den Tagen der Revolution in Paris auf uns genommen, um den Koran zu finden!«, klagte Jana.
Tobias erinnerte sich noch ganz genau, wie der Koran aussah, der sich nun in Zeppenfelds Besitz befand. Er war so merkwürdig wie der Falkenstock. Der Korandeckel bestand aus Kupferblech. Ein wahrer Dschungel von Ranken, Ornamenten und arabischen Schriftzügen war aus dem Metall gehämmert, die jedoch unterschiedlich hoch emporragten. Diese handwerklichen Mängel und den primitiven Druck der Seiten hatte Jean Roland beanstandet. Und weil auch er von Wattendorf nichts annehmen wollte und die Sache mit dem Verschollenen Tal für das leere Geschwätz eines Geistesgestörten hielt, hatte er den Koran kurzerhand verschenkt. Zudem wäre das Buch, dessen kupferner Deckel auf der Rückseite mit schwarzem Tuch bespannt war, seinen Ansprüchen, die er an ein wertvolles Buch stellte, geschweige denn an ein Kunstwerk, bei weitem nicht gerecht geworden.
»Aber immerhin kennen wir das dazugehörige Rätselgedicht, das Wattendorf auf die erste Seite gekritzelt hat«, tröstete er sich. Und er zitierte es aus dem Gedächtnis:
»Die Buße für die Nacht
Die Schande und Verrat gebar
Der Koran darüber wacht
Was des Verräters Auge wurd gewahr
Den Führer durch die Schattenwelt
Hinter Ranken, Ornament versteckt
Das Tuch der Nacht verborgen hält
Wo ein erhabener Weg sich klar erstreckt
Muss glänzen in des Druckers Blut
Die tiefen Höh’n in Allahs Labyrinth
Dann aus dem Land der Sonnenglut
Der Plan ins Tal Gestalt annimmt.«
Gaspard kratzte sich mit dem Eisenhaken seiner Prothese hinter dem Ohr. »Also wenn ihr mich fragt, was ich von diesem Gedicht halte, so klingt das in meinen Ohren wirklich so wirr wie das Gebrabbel eines Trottels, der nicht weiß, was er von sich gibt«, gestand er.
Tobias stimmte ihm zu. »Mir ist das Gedicht auch noch ein Buch mit sieben Siegeln. Aber mit dem Rätsel zum Falkenstock erging es mir ja nicht anders – bis dann plötzlich der Geistesblitz kam. Ich zweifle jetzt nicht mehr daran, dass Wattendorf sich etwas ganz Konkretes dabei gedacht und in diesen scheinbar blödsinnig wirren Zeilen versteckt hat.«
Jana pflichtete ihm bei. »Vielleicht verbarg sich der Plan hinter dem schwarzen Tuch«, überlegte sie. »Ihr hättet den Stoff gleich vom Deckel reißen und nachschauen sollen.«
»So einfach hat Wattendorf es uns bestimmt nicht gemacht«, war Tobias überzeugt. »Denn wenn es so wäre, wie du vermutest, macht doch die dritte Strophe keinen Sinn mehr. Irgendetwas muss in Druckers Blut glänzen, und zwar die tiefen Höh’n in Allahs Labyrinth, erst dann nimmt der Plan Gestalt an.«
»Mhm, ja, du hast Recht«, räumte Jana ein und fügte zuversichtlich hinzu: »Aber dieses Rätsel werden wir genauso lösen wie das erste!«
»Aber ohne den Koran wird uns das nicht viel nützen«, befürchtete Tobias grimmig.
»Warten wir es ab«, meinte sie. »Zeppenfeld wird uns nach England folgen und alles dransetzen, um den Gebetsteppich an sich zu bringen. Zum Glück haben wir einen Vorsprung von mehreren Tagen, sodass wir wohl eher bei Rupert Burlington auf Mulberry Hall sein werden. Vielleicht gelingt es uns, diesmal ihm eine Falle zu stellen!«
Tobias seufzte schwer. »Schön wäre es«, sagte er, doch ohne große Hoffnung. Die Erfahrung hatte nämlich gezeigt, dass Zeppenfeld alles andere als ein einfältiger Bursche war. Im Gegenteil. Er kannte keine Skrupel und legte eine nicht minder ausgeprägte Gerissenheit an den Tag. Auch ohne die Unterstützung von gedungenen Schurken vom Schlage eines Valdek, Stenz und Tillmann war er ein extrem gefährlicher Gegner, der für jede böse Überraschung gut war!
»Was ist nun mit deinem Onkel passiert?«, fragte Gaspard.
Ein Schatten fiel über das Gesicht von Tobias. »Er war ja an der Schulter verletzt und wollte partout nicht mit uns im Ballon fliehen. Man hat ihn in Mainz eingekerkert und wird ihm den Prozess machen.«
»Elendes Tyrannenpack!«, fluchte Gaspard.
»Über einen treuen Knecht hat Onkel Heinrich uns Wochen nach seiner Verhaftung, als wir schon die Grenze zu Frankreich erreicht hatten, eine Nachricht zukommen lassen. Seinem Brief nach zu urteilen, hat er die Schussverletzung, dank Sadiks ärztlicher Kunst, gut überstanden und wird wohl mit zwei Jahren Kerker eine relativ milde Strafe erhalten, weil sich hoch gestellte Persönlichkeiten für ihn eingesetzt haben. Natürlich ist jeder Tag, den er in der Zelle sitzt und sich nicht seinen Forschungen widmen kann, ein schreiendes Unrecht. Aber wie Sadik damals sagte: ›Wer zum Löwen sagt, dein Maul stinkt, muss damit rechnen, dass er in Schwierigkeiten gerät‹«, erinnerte sich Tobias. »Und er hat Recht, wenn er sagt, dass es viel, viel schlimmer für meinen Onkel hätte ausgehen können.«
Gaspard schüttelte mit neidischer Bewunderung den Kopf. »Mein Gott, was ihr alles schon hinter euch habt – gar nicht zu reden von dem, was wohl noch vor euch liegt. Denn England wird doch bestimmt nicht die letzte Station eurer abenteuerlichen Reise sein, oder?«
Jana und Tobias sahen sich unwillkürlich an und tauschten einen viel sagenden Blick. Tobias lächelte. »Da ich ja so bald nicht nach Falkenhof zurück kann und Sadik noch immer hofft, in Chartoum zur Expedition meines Vaters zu stoßen, werden wir bestimmt nicht bei Rupert Burlington auf Mulberry Hall bleiben.«
»Ihr wollt natürlich nach Ägypten und das Verschollene Tal suchen, nicht wahr?«
Tobias grinste. »Ich kann schon an gar nichts anderes mehr denken.«
»Wie ich euch beneide!«, seufzte Gaspard und dachte an das Elend und den tagtäglichen Kampf ums Überleben.
»Na, ein Spaziergang wird es garantiert nicht«, schränkte Jana ein. »Auch wenn wir Burlingtons Gebetsteppich bekommen und das dazugehörige Rätsel lösen sollten, fehlt uns doch noch der Teil, der im Koran versteckt ist.«
»Alles zu seiner Zeit.« Damit ging Tobias großzügig über diesen doch sehr berechtigten Einwand hinweg. Wie sehr hatte er die letzten Jahre auf Falkenhof davon geträumt, wie sein Vater die Welt zu bereisen und Abenteuer zu erleben. Nun war dieser Traum wahr geworden, wenn auch anders, als er sich das vorgestellt hatte. Denn sie waren mit Zeppenfeld in ihrem Nacken niemals ganz Herr ihrer Entscheidungen, sondern auch Gejagte.
Für eine Weile trat nachdenkliche, ja fast sogar sorgenvolle Stille ein. Das Knirschen der eisenbeschlagenen Räder auf der steinigen Landstraße wurde nur durch den gleichmäßigen Hufschlag der Grauschimmel unterbrochen.