31

Holly tastete den Eingang zu der Kammer ab. Dort war eine Tür, die sie zudrückte. Auf das Beste hoffend, versuchte sie es mit ihrem Kerzenlichtzauber. Hier fühlte ihre Magie sich anders an, merkwürdig, als würde sie versuchen, mit der falschen Hand zu schreiben. Entsprechend brauchte sie einige Anläufe, aber schließlich klappte es.

Ein Dutzend schwarze Stumpenkerzen flammten auf, die den gesamten Raum ausleuchteten. Holly schnappte nach Luft. An den Wänden hingen Gobelins mit Silberstickereien von abstrakten Vögeln und anderen Tieren. Der Raum war riesig, die Decke hoch und mit drapierten Seidenschals geschmückt. Es standen Sofas und Sessel dort sowie ein Himmelbett in einer Ecke, auf dem schwarze Samtkissen mit Goldbordüren aufgehäuft waren. Ein Geigenkasten stand auf einem mit Goldblatt verzierten Bücherregal, und in einem kahlen Mauerwinkel plätscherte ein Wasserfall über die Steine in ein wuchtiges Marmorbecken, von dem aus er irgendwohin in den Boden ablief.

Das Ganze war von einer dicken Staubschicht bedeckt. Wer immer hier gewohnt hatte, musste seit langem fort sein. Holly hatte Lor und die Höllenhunde kennengelernt, die Brutalität der Wächter und ihrer Wölfe gesehen, und nun bot sich ihr ein anderes Gesicht der Burg: luxuriöse, weihrauchgeschwängerte Melancholie.

Als Erstes sicherte sie sorgfältig die Tür mit Schutzzaubern. Danach wirkte sie einen Reinigungszauber – teils, weil sie einen sauberen Raum haben wollte, in dem sie sich ausruhen konnte, vor allem aber, um sich einen magischen Halt in der Burg zu schaffen, und Haushaltszauber waren ziemlich sicheres Übungsmaterial. Sie hatte sie noch nie zuvor ausprobiert, aber da sie jetzt schmerzfrei zaubern konnte, stünden sie fortan ganz oben auf ihrer Favoritenliste.

Nachdem sie alles gesäubert hatte, versuchte sie es mit einigen Verteidigungszaubern. Sie würde ihr neues Refugium nicht verlassen, ehe sie einen anständigen Schuss zustande brachte. Schließlich wartete draußen dieser Wolf.

Der Aufschub war eine Wohltat. Endlich hatte Holly einen Moment zum Nachdenken – aber welcher Moment war eigentlich gerade? Donnerstag? Freitag? Nacht oder Tag? So viel zu meiner ersten Semesterwoche! Ihre Ziele – der feste Freund, das Geschäft, das College – waren auf ein einziges zusammengeschrumpft, nämlich, lebend und mit intakter Seele und selbstbestimmtem Willen nach Hause zu kommen.

In den letzten paar Tagen war sie mit dem Schwarzen Raub infiziert, von Omara ausgetrickst worden und hatte Bens paranoiden Verrat durchschaut. Aber ich habe gewonnen. Ich habe mir meine Erinnerungen und meine Magie wiedergeholt, Geneva kräftig in den Arsch getreten und sowohl Macs Kuss als auch Alessandros Biss neutralisiert. Ich bin echt nicht schlecht!

Und das war noch nicht alles. Ich habe mich verliebt. Richtig ernsthaft unsterblich verliebt.

Sich dafür gleich einen Unsterblichen auszusuchen, war natürlich nicht besonders klug. Das hatte sie von Anfang an gewusst. Er hatte ihr ihren Willen geraubt. Sie markiert. Was auch immer sein Grund dafür gewesen war – es machte sie wütend. Und ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie wütend, bis sie Zeit hatte, darüber nachzudenken. Tränen brannten hinten in Hollys Kehle.

Er hatte kein Recht dazu! Schlimmer noch, es liegt in seiner Natur. Er ist herrisch. Ob mit oder ohne Reißzähne: Er ist einer von diesen Typen, die alles am besten zu wissen glauben. Andererseits stellte Alessandro den ausschlaggebenden Grund dar, weshalb sie überhaupt hier war und wütend werden konnte. Er war aufrichtig. Er beschützte sie. In ihrer ersten Nacht hatte er sich vollkommen zurückgenommen, nur sie verwöhnt. Er hatte sie immer so gut geliebt, wie er es eben konnte. Wie konnte sie ihm nicht verzeihen, dass er sich bemüht hatte, sie zu retten?

Holly hockte sich auf das Fußende des Bettes und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Das letzte Mal, als sie Alessandro sah, war er verwundet gewesen. Bitte, Göttin, lass ihn okay sein!

Holly benetzte sich die Lippen, auf denen sie den Staub aus dem Zimmer fühlte. Er schmeckte bitter wie Asche.

Er kommt und holt mich.

Als hätte sie ihn mit ihren Gedanken herbeigerufen, konnte sie Alessandro spüren, der nach ihr suchte, um sie zurück unter seinen Schutz zu bringen. Er war ganz in der Nähe. Auch wenn er ihren Willen nicht mehr beherrschte, existierte die Verbindung zwischen ihnen beiden noch. Oh, danke, Göttin! Dass er kommt, bedeutet, dass es ihm gut geht.

Holly gefiel der Gedanke nicht, dass sie Rettung brauchte, aber sie würde gewiss nicht meckern, wenn er mit einer Karte herbeigeeilt kam, die ihr den Ausgang zeigte. Sie löschte die Kerzen und lockerte die Schutzzauber an der Tür, um sie einen kleinen Spalt weit zu öffnen. Die Fackeln, die offenbar genauso langlebig waren wie die Steine, die sie erhellten, brannten mit demselben rauchigen Schein wie zuvor. Holly schlüpfte aus dem Zimmer und schlich sich an die Stelle, an der sich drei Korridore kreuzten. Alessandro musste irgendwo dort sein.

Aber sie sah ihn nicht. Sie hörte auch keine Schritte, die sich in ihre Richtung bewegten. Und dennoch schien er so nahe. Eilig huschte sie über die Kreuzung in den gegenüberliegenden Gang, wobei sie darauf bedacht war, dass man sie nicht entdeckte. Der Wolf war ihr viel zu gut in Erinnerung.

Schließlich fand sie Alessandro in einer dunklen Nische, Das Buch der Lügen auf seinem Schoß, sein Schwert in der Hand. Er saß zusammengesunken an einer Mauer, sehr blass. Panik regte sich in Holly.

»Alessandro!«, flüsterte sie, kniete sich zu ihm und nahm seine Hand. Sie war schwer und kalt. Er ist meinetwegen hergekommen. Er droht zu verbluten, aber er ist trotzdem gekommen.

Kaum merklich drehte er seinen Kopf und blinzelte mit schweren Lidern. »Ah, da bist du ja!«, brachte er hervor, als wäre sie etwas, das er schlicht verlegt hatte.

»Ich habe ein Zimmer gefunden, ein sicheres Zimmer«, raunte sie ihm zu, während sie seine Hand wärmte. »Komm, steh auf!«

Entsetzlich langsam verlagerte Alessandro das Buch und wollte sich aufrichten. Seine Stiefel schabten auf den Steinen, und selbst mit Hollys Hilfe erschöpfte das Stehen ihn sichtlich. Als er sich an die Wand lehnte, bemerkte Holly den Schweißfilm auf seinem Gesicht.

Sie legte einen Arm um ihn, half ihm, sich aufrecht zu halten. Dabei fühlte sie die klebrige Feuchtigkeit an seiner Seite.

Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. »Was brauchst du? Blut?«

Er schloss die Augen wieder und stützte seinen Kopf an die Mauer. »Nein. Ich riskiere nicht, dich zu beißen. Meine Markierung ist fort, die des Dämons auch. Du bist frei und musst es bleiben.«

»Denkst du, du kannst mir wieder meinen Willen nehmen?«, entgegnete sie. »So einfach geht das nicht.«

»Holly, denk nach! Ich bin nicht wert, dass du für mich deine Freiheit opferst. Niemand ist das. Lass mich gehen!«

»Einen Teufel werde ich tun, Caravelli!« Sie musste sich auf die Unterlippe beißen, die heftig bebte.

Er sagte nichts, sondern hielt sich stumm an der Mauer fest, als könnte diese allein ihn auf den Beinen halten. Seine Augen wurden dunkler, denn der goldene Glanz schwand zusehends.

Wie kann ich ihm vertrauen? Er hat seine Kraft benutzt, um mich zu retten, aber damit machte er mich zu seiner Sklavin.

Die Antwort überraschte sie. Weil ich meine Magie habe. Ich kann Türen aus mehr als einem Gefängnis schaffen. Ich kann einen Mythos nehmen und ihn real machen.

Holly stellte sich vor ihm auf Zehenspitzen, presste ihre Lippen auf seine, schöpfte Energie aus den Steinen um sie herum und gab sie in ihren Kuss wie in die Worte, die sie sagte: »Also erwähle ich dich, Alessandro Caravelli. Aus freiem Willen und bei klarem Verstand wünsche ich, dass du mein wirst.«

Während sie sprach, fühlte Holly eine Energieexplosion zwischen ihnen, angeheizt von ihrem Empfinden. Sie nährte Alessandro mit ihrer Liebe.

Auf einmal wurden seine kalten Lippen warm. Er stemmte sich von der Mauer ab und schlang seine Arme um sie, so dass er den Kuss zu einem sinnlichen Akt der Hingabe vertiefen konnte. »Du erwählst mich

Holly musste grinsen. »Ich wollte dich schon lange, aber mir war nicht klar, dass du zu haben bist. Andernfalls hätte ich dich vor Jahren bereits über die Schulter geschwungen und in meine Höhle geschleppt.«

»Ich hatte Angst, dich zu verletzen, und das aus gutem Grund.«

Sie streichelte sein Gesicht und malte seinen Mund mit ihrem Daumen nach. »Da du mein Erwählter bist, kannst du mich nicht mehr markieren.«

»Das muss ich nicht. Und ich brauche dein Blut nicht mehr. Du nährst mich von jetzt ab auf andere Weise.« Seine goldbraunen Augen nahmen einen heißen, leidenschaftlichen Glanz an. »Genau wie ich dich, Cara

Zwar stand er wieder aufrecht, doch Holly sah ihm an, dass er alles andere als geheilt war. Und sollte ihre überaus optimistische Einschätzung sie nicht täuschen, würde noch ein sehr ausgiebiger Liebesakt nötig sein, um Alessandro vollständig wiederherzustellen. Sie kniete sich hin, nahm sein Schwert auf und reichte es ihm. »Wenn das so ist, würde ich sagen, dass du reichlich ausgehungert wirkst und eine anständige Mahlzeit vertragen kannst. Übrigens, wie ich erwähnte, habe ich ein nettes Plätzchen ganz in der Nähe entdeckt. Soll ich dich dorthin verschleppen?«

Sie bückte sich, um Das Buch der Lügen aufzuheben.

»Das hatte ich gehofft.« Er steckte das Schwert in die Scheide und schmunzelte ihr zu. Dann riss er Holly verblüffend schnell von den Füßen und in seine Arme. »Aber deine Liebe gibt mir Kraft. Heute Nacht fahre ich!«

 

Holly zauberte ein Feuer in den Kamin und benutzte ihre Magie, um Hitze aus der Kraft der Burg zu schöpfen. Alessandro füllte einen Kessel am Wasserfall und hängte ihn über das Feuer. Es gab kleine kräuterhaltige Seifenriegel und jede Menge Handtücher. Während die feuchte Luft sich erwärmte, zogen sie sich ihre schmutzige Kleidung aus und wuschen sich in dem Marmorbecken.

Zuerst reinigte Holly Alessandros Wunde. Der Schnitt hatte endlich aufgehört zu bluten, und mit ein wenig magischer Hilfe schloss er sich. Dann war Holly an der Reihe. Der Ghulbiss war dank ihrer Magie verheilt, aber sie wollte die Spuren des ekligen Sabbers loswerden.

Alessandro drückte sie an sich. Seine seifenglitschigen Muskeln schmiegten sich hart an ihre empfindlichen Brüste. Heiß und hungrig küsste er sie auf den Mund, so dass sie die seltsam exotische Seife schmeckte. Nun waren sie richtig Mann und Frau, ohne Markierungen, sondern durch das älteste Band der Natur miteinander verknüpft.

Seifenschaum versickerte im Boden, als sie sich unter dem kühlen Wasserfall abspülten. Holly fing Alessandros Lippe mit ihren Zähnen ein und zog sanft, worauf ein zufriedenes Knurren in seiner Brust vibrierte, das wiederum Hollys Haut zum Kribbeln brachte. Sie erbebte, halb vor Kälte, halb vor Erregung, und sorgte dafür, dass Alessandro ein tiefes vertrautes Lachen ausstieß. Bei diesem Laut schmolz Holly innerlich.

Alessandro trocknete ihr das Gesicht mit einem der weichsten weißen Handtücher ab, die sie finden konnten, bevor er sich über ihre Arme und ihren Rücken weiter hinunterarbeitete. Die erogensten Zonen sparte er sich für den Schluss auf. Es war ein besitzergreifendes Ritual, mit dem er sich ausgehend von ihren Zehen jeden Millimeter ihres Körpers zu eigen machte. Holly schloss die Augen und fühlte das Handtuch wie eine Zunge auf ihrer Haut.

Anschließend legte er sie auf einen alten samtbezogenen Sessel nahe dem Feuer, dessen Stoff sich an ihrem klammen Körper rieb. Alessandros Haar hing ihm in dunklen nassen Locken über die Brust, auf der die Tropfen in kleinen Rinnsalen hinabglitten. Holly lief das Wasser im Mund zusammen. Als Alessandro sich vorbeugte und ihre Schulter küsste, war er ganz warm. Trotzdem bekam Holly eine Gänsehaut, die sie jedoch ihrem Verlangen verdankte, das wie wahnsinnig in ihr tobte.

Alessandros Zungenspitze strich über die empfindliche Innenseite ihres Arms, bis seine Zähne über ihrer Ellbogenbeuge verharrten. Als er zu Holly aufsah, blitzte in seinen Augen das gelbe Flackern des Jägers auf, der über seine Beute geneigt war.

Ein Kälteschauer überkam Holly, der ihr den Atem raubte. »Ich dachte, auf diese Weise reize ich dich nicht mehr.«

Er küsste sie sanft, wobei seine Zähne lediglich ihre Haut eindrückten. »Ich bin, was ich bin. Ich werde dir nie wieder deinen Willen rauben, und ich muss dein Blut nicht trinken, aber das heißt nicht, dass ich dich nie wieder kosten möchte. Mein Gift kann dich nicht mehr süchtig machen, doch es ist jederzeit verfügbar, um dir Vergnügen zu bereiten.«

Nun lag sein Mund abermals auf ihrem, tauchte seine Zunge in sie ein. Die zarte Fenchelnote weckte eine Vielzahl erotischer Assoziationen. Prompt ließ Holly ihre Hände über seine schmalen Hüften wandern, wo seine Muskeln sich anspannten und sie fühlte, wie er hart wurde.

Er erholte sich recht gut.

Hollys Energie regte sich, summte ihm entgegen, was beide zusätzlich erregte. Hollys Haut begann, vor Verlangen zu brennen, als wäre sie ihr plötzlich zu klein geworden.

Sie wechselten zum Himmelbett und schlüpften unter die Decken, die nach altem Lavendel dufteten. Dankbar für die Wärme, schmiegte Holly sich an Alessandro und ließ ihn ihre Kurven und Vertiefungen genüsslich erkunden. Sie war feucht vor Lust, sehnte sich nach mehr.

»Ich habe Hunderte von Jahren darauf gewartet, eine Frau so in den Armen zu halten«, verriet Alessandro ihr. »Ich sehnte mich danach, den Akt um seiner selbst willen zu erleben, ohne immerfort um Selbstbeherrschung zu ringen. Wie sehr wünschte ich mir, endlich wieder mit einer Frau zu schlafen und dabei nichts als Vergnügen im Sinn zu haben!«

»Meinst du, du weißt noch, wie das geht?«, scherzte sie, als sie ihn an ihrem Schenkel fühlte.

»Ich bin alt, aber nicht senil«, konterte er streng, aber mit einem sinnlichen Lächeln.

Seine Finger strichen über ihren Bauch, spielten mit ihrem Nabel, erforschten, neckten und streichelten sie. Er malte einen Kreis um ihre Brustspitze, so zart, dass es eher einer Andeutung als einer Berührung gleichkam. Ihre Brüste spannten sich an, wurden schwer und heiß. Sobald seine Lippen sich um eine der geschwollenen Spitzen schlossen, durchfuhr ein Hitzestrahl ihren Bauch.

Oh, ja, er weiß es noch!, dachte sie, während er sich der anderen Brust widmete. Sein Mund war dort beschäftigt, seine Finger weiter unten, wo sie die Blütenblätter ihres Geschlechts öffneten und sie feucht und bereit vorfanden. Leider schien er es kein bisschen eilig zu haben. Sehr langsam steigerte er den Druck seiner Berührungen, streichelte sie intensiver, reizte sie. Holly rekelte sich ihm entgegen, forderte ihn stumm auf, denn auf einmal fehlten ihr die Worte für irgendetwas.

Gleichzeitig streckte sie eine Hand aus und fand, was sie suchte. Sie strich mit ihren Fingernägeln über seine empfindlichsten Stellen, auf dass die Andeutung von Schmerz seine unübersehbare Wonne würzte. Die Art, wie er nach Atem rang, verriet ihr alles, was sie wissen musste. Der Laut verstärkte noch den Wunsch, seinen Mund wieder auf ihren Brüsten zu spüren.

Zitternd vor Anstrengung, weil er sich so sehr beherrschte, packte Alessandro schließlich ihre Hände und drückte sie über ihrem Kopf ins Kissen. Die alte Matratze sank ein, als er sich über sie beugte, bereit, sie vollständig einzunehmen.

Hollys eigene Kraft, frei und ungezähmt, streckte sich ihm entgegen und schwang im Gleichgewicht mit seiner. Alessandros Dunkelheit könnte Hollys Licht niemals überwältigen, so wie Holly niemals seine Nacht vertriebe. Keiner von ihnen müsste jemals mehr etwas zurückhalten.

Alessandros Hände ließen Hollys los und wanderten geduldig über ihren Körper, an ihren Hüften entlang und über ihren Venushügel. Dann küsste er sie dort. Kaum fühlte sie seine Lippen und seine Zunge an ihrer Scham, spreizte sie die Schenkel einladend weiter.

Schließlich drang er mit einem Stoß in sie ein, dehnte sie, füllte sie aus und hielt inne, weil sich keiner von ihnen bewegen wollte. Nach einer ganzen Weile hob Holly ihm ihren Schoß entgegen, wieder und wieder, fand die richtige Stellung, den richtigen Rhythmus, um ihn so weit wie möglich in sich aufzunehmen – Zentimeter um köstlichen Zentimeter. Das vorübergehende Unbehagen wich einem sinnlichen Hunger.

Mehr! Fester!

Holly wand sich verzückt unter ihm. Ihrer beider Kräfte pulsierten im Einklang mit ihren Körpern, verwoben sich wie Finger. Holly legte ihre Hände auf seinen Po und unterstützte seine und ihre Bewegungen mit zusätzlichem Druck.

Heiße Sehnsucht stieg zwischen ihren Leibern auf, die sich Stoß für Stoß begegneten. Holly rang nach Atem, trieb dem unausweichlichen Höhepunkt entgegen. Sie war benommen vor Lust, konnte es nicht erwarten, ihn immer tiefer in sich zu haben.

Als sie gerade merkte, wie ihr letztes bisschen Verstand sich verabschiedete, hörte Alessandro auf und hielt sie mit eisernem Griff still.

»Nein!«, stöhnte Holly. Nein, nein, nicht stoppen!

Alessandro tauchte zwischen ihre Schenkel und leckte sie von dort in einem Zug bis hinauf zu ihrem Hals. Dabei spürte sie das zarte Schaben seiner Zähne auf ihrer überempfindlichen Haut.

»Du bist mein«, sagte er und gab ihr einen langen sinnlichen Kuss. »Ich begehre dich, Holly. Ich liebe dich.«

Dann folgte der letzte, vollkommene Stoß.

Holly implodierte in einem Beben von Wonne, die sie blind und taub machte. Ein Wirbelwind von Empfindungen durchstob sie, der jeden Muskel, jeden Nerv erfasste. Im selben Moment kam Alessandro, heiß und angefüllt von der Macht ihrer Vereinigung. Es war Magie der ältesten, der mächtigsten Art.

Später würden in Hollys Erinnerung Fragmente von Fackelschein, alten Kräutern, der Stille der Burg und Alessandro bleiben. Er lachte aus purer Freude.

 

»Ich schätze«, sagte er, während er mit ihrem Haar spielte, »dass wir allmählich gehen sollten.«

Holly hob ihren Kopf von Alessandros Brust. Ihre Glieder waren wunderbar ermattet und zufrieden. Er hatte recht: Sie sollten aus der Burg verschwinden. Nur wusste sie nicht, ob sie gehen könnte. In dem warmen Bett zu liegen und in den Pausen zwischen ihren leidenschaftlichen Vereinigungen leise über alles und nichts zu reden, gestaltete sich viel angenehmer.

»Eine Minute noch«, entgegnete sie und spielte mit der dünnen Linie goldenen Haars auf seinem Bauch, die dunkler wurde, je weiter sie sich der Herrlichkeit weiter südlich näherte.

Vor Staunen ging Holly das Herz über. Alessandros Haut war warm, seine Wangen vom Liebesakt gerötet. Ja, er sah lebendig aus! Beinahe. Unglaublich, aber wahr, nährte er sich von reinem Gefühl. Das also heißt es, erwählt zu sein. Solange wir uns lieben, kann er leben, ohne von anderen zu nehmen.

Und es bestand keinerlei Gefahr, dass ihnen die Nahrung ausging. Holly konnte sich nur zu gut eine Zukunft voller Leidenschaft vorstellen, in der sie ihn mit ihrer Liebe nährte. Und es wäre eine lange Zukunft. Eine unsterbliche. Diese Art Magie hielt eine Hexe für immer jung. Allein der Gedanke versetzte sie in einen Glücksrausch. Unsterblichkeit. Sie besaß nun Macht, mehr als sie sich jemals erträumt hatte. Und darüber musste sie noch eine Menge lernen. Es lag mehr als eine Lebensspanne Arbeit vor ihr.

Selbst in der unmittelbaren Zukunft schien es ziemlich eng zu werden. Nun hatte sie einen Partner, jemanden, der ihren Lebensmittelpunkt bildete. Dann waren da das College und ihre kleine Firma. Überdies wollte sie mit Ashe ins Reine kommen und sie wieder zu einem Teil ihrer Familie machen. Und sie wollte mehr über die Burg erfahren, einiges mehr – wie zum Beispiel: Wessen Zimmer war das hier eigentlich?

Nicht zu vergessen, dass sie Mac finden mussten. Holly hatte ihre Sinne bereits auf die Suche nach dem Detective geschickt, ihn jedoch nicht aufspüren können. Was ihr Sorge bereitete. Mit ein bisschen Glück spürte sie ihn in Fairview auf. Falls er wieder menschlich war, so wie Geneva es für so kurze Zeit geworden war, brauchte er Hilfe. Niemand konnte folgenlos durchmachen, was er durchgemacht hatte.

Holly schmiegte ihre Wange an Alessandros Brust. Sie konnte sein Herz hören, sachte und langsam, aber regelmäßig. Vampirherzen schlugen hin und wieder unter dem Einfluss starker Emotionen, aber dieses hier klang zufrieden. Wie interessant, dass diese Magie sein Herz zum Leben erweckt hat!

Andere Teile von ihm regten sich unter der Decke. Prompt beschleunigte Hollys Herzschlag sich, während kribbelnde Erregung ein Lächeln auf ihr Gesicht zauberte.

Auf einmal erklang ein Pochen außerhalb ihres kleinen warmen Kokons und hämmerte an die Tür. Ehe Holly sich aufgesetzt hatte, war Alessandro schon aus dem Bett, hatte seine Jeans an und sein Schwert gezogen. Sie wechselten einen Blick, nachdem Holly sich ebenfalls bedeckt hatte. Dann nickte er, und sie entfernte die Schutzzauber, mit denen sie die Tür versehen hatte. Alessandro hob sein Schwert.

Die Tür krachte unter der Wucht von Magie auf, die von draußen auf sie geschleudert wurde. Es war Omara, schick gewandet in einen Nadelstreifenhosenanzug und Pumps mit eckigen Absätzen.

»Ich konnte es fühlen«, sagte sie leise. »Ich habe es auf meiner Zunge geschmeckt wie dunklen Wein. Schon vorher dachte ich mir, du könntest erwählt worden sein, aber diesmal ist es wahr.« Sie blickte von Holly zum Bett und zu Alessandros nacktem Oberkörper. Ihr Gesichtsausdruck war unbeschreiblich: der eines bass erstaunten Kindes. Oder der einer sehr eifersüchtigen Königin. In Omaras Miene spiegelten sich Liebe, Verlust und Berechnung. Gier.

Trotz ihrer neu entdeckten Macht bekam Holly für einen kurzen Moment Angst.

Omara sah Alessandro an. »Als du nicht aus der Burg zurückkamst, musste ich feststellen, dass du mir zu viel bedeutest und ich dich nicht hierlassen konnte. Du warst verwundet.« Die Worte schienen ihr im Hals stecken zu bleiben. »Dein Blutgeruch machte es leicht, dich zu finden.«

Alessandro senkte sein Schwert. »Zu gern würde ich dir glauben, dass du wirklich aus diesem Grund gekommen bist. Realistischer jedoch wäre wohl die Vermutung, dass es sich für eine siegreiche Königin nicht gut macht, wenn sie nach der gewonnenen Schlacht ihren besten Krieger im Stich lässt. Würde das bekannt, wäre es beim nächsten Mal ungleich schwieriger für dich, Hilfe zu rekrutieren.«

Omara wandte den Blick ab. Anscheinend fand sie etwas an dem Gobelin höchst spannend. Ihr Profil war vollkommen – ignorierte man das schwache Beben ihrer Lippen. »Ich bin durchaus zärtlicher Gefühle fähig. Unterschätze mich nicht!«

»Das tue ich nie.«

 

Bald standen die drei draußen vor der hölzernen Bogentür in der Seitengasse. Nach der feuchtkühlen Burg duftete die Seeluft reiner und besser denn je.

Holly bewunderte die Tür. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Burg schien sie um einige Blocks von Genevas Portal verschoben. Eine unerwartete Wendung, wenngleich keine schlechte. Eine Tür in einer verlassenen Seitengasse ließ sich leichter kontrollieren als eine, die mitten in der Luft über dem Spielfeld hing. Wie nett vom Universum, diesen Designfehler selbständig zu korrigieren!

Holly schob den Riegel vor, die freie Hand flach auf dem Eisenbeschlag. Sie konnte die Macht unter der physischen Oberfläche fühlen. Dort befand sich auch Elaines Magie … und Genevas. Sie alle hatten ihre Spuren in der Matrix hinterlassen, die eine Passage zwischen ihrer Welt und der Burg formte.

Omara stand einige Schritte entfernt und beobachtete Holly. Ihr Blick war kritisch und mürrisch zugleich. »Dein permanentes Portal ist eine sehr kluge Lösung, aber es darf auf keinen Fall unbewacht bleiben.«

»Ich weiß«, entgegnete Holly, die es eigentlich nicht scherte, was Omara meinte. Sie strich mit beiden Händen über das kalte Eisen, bis sie das Holz erreichte. Die Magie der Tür erkannte ihre, leckte förmlich an ihr wie ein aufgeregter Welpe. Der Kraftsturm fuhr durch ihren Körper, den einen Arm hinauf und den anderen wieder hinunter in einer Art stummer Begrüßung.

Holly sog sie in sich auf und überlegte, was sie tun sollte. Die Tür eröffnete ihr ein ganzes Reich an Möglichkeiten. Leute, die gerettet werden mussten. Monster, die wahrlich für immer eingesperrt bleiben sollten.

Holly hatte ihnen Zugang zu ihrer Welt verschafft. Wollte sie die Verantwortung dafür übernehmen, wer hier hindurch durfte?

Alessandro stand dicht bei ihr, jederzeit für sie da, falls sie ihn brauchte, schwieg aber. Die Entscheidung lag allein bei ihr.

Holly wandte sich zu Omara um. »Ich werde die Torwächterin sein. Immerhin habe ich das Tor gebaut.«

Die Königin neigte den Kopf zur Seite. »Gut. Es ist, wie es sein soll, aber bedenke, dass die meisten, die du dort findest, nicht heraus dürfen! Dieses Gefängnis wurde aus einem Grund erschaffen, und die Wächter sind neidisch auf ihre Schützlinge. Du kannst nicht allein entscheiden, wer durch diese Tür geht und in unserer Welt wandelt. Nun, da die Burg nur einen Schritt entfernt ist, betreffen ihre Angelegenheiten uns alle, Menschliche und Nichtmenschliche gleichermaßen.«

Holly nickte. Sie fühlte das Gewicht von Omaras Blick auf sich, dann auf Alessandro, dann auf ihnen beiden zusammen. Lichtjahre schienen sie von der gestrengen winzigen Königin zu trennen, die vollkommen allein dastand.

Der Moment endete abrupt, als hätte Omara auf einer nicht greifbaren Ebene nachgegeben.

»Ich möchte dich meines tiefsten Dankes versichern, Holly Carver«, sagte sie. »Du hast dir eine Nacht Ruhe verdient.« Damit machte sie auf den Absätzen kehrt und begann, zur Mündung der Gasse zu gehen. »Bring sie heim, mein Bester! Sei glücklich!«

»Was hast du vor?«, fragte Holly. »Was passiert jetzt, nachdem das Portal geschlossen ist?«

Omara blieb stehen und sah sich amüsiert zu ihr um. »Als Königin darf ich nicht nach Hause in ein weiches Bett. Ich muss ein paar lose Enden verknüpfen und nach eurem vermissten Detective suchen. Ich will sicher sein, wo er steckt, bevor ich mein Haupt zur Ruhe bette.«

Holly öffnete den Mund, doch Omara bedeutete ihr mit erhobener Hand, nichts zu sagen. »Ich gebe dir mein Wort: Ich rufe dich umgehend an, wenn ich ihn finde. Was dich betrifft, meine junge Hexe, hast du genug getan. Du hast alles gegeben, was du geben konntest. Nun lass andere tätig werden.«

Omara drehte sich wieder um und ging. Ihr langes Haar schwang bei jedem Schritt auf ihrem Rücken. Holly sah, wie sie ihr Handy aufklappte und ihren Wagen herbeibeorderte.

Sie wartete, bis die Königin fort war, dann fragte sie: »Alessandro, was hast du mit dem Buch der Lügen gemacht?«

»Ich habe es unter dem Bett versteckt. Wir können später hingehen und es holen.«

»Wieso hast du es nicht mitgenommen?«

Alessandro sah zu dem schmalen Streifen Sternenhimmel über der Gasse hinauf. »Ich halte es für das Beste, wenn die Königin herrscht, aber in vernünftige Grenzen verwiesen wird. Deshalb möchte ich ein oder zwei Trümpfe in der Hand behalten, zumindest bis ich sicher bin, dass sie mir vergeben hat, aus ihrem Dienst ausgeschieden zu sein. Absolute Macht bekommt Omara nicht. Sie hat gelegentlich Probleme, ihre impulsiven Reaktionen zu kontrollieren.«

Holly musste grinsen. »Bist du sicher, dass in dir kein Politiker schlummert?«

Alessandro hielt sie im Arm, und das Gewicht seiner Berührung war ein Versprechen für die Ewigkeit. »Ich mag Frieden, Ordnung und eine gute Regierung. Omara ist diejenige, der erregende Machtspiele Genuss bereiten.«

»Mir tut es leid, dass sie so einsam ist«, räumte Holly ein. »Wäre sie glücklich, könnte sie weit umgänglicher sein.«

Alessandro zuckte mit den Schultern. »Eines Tages wird sie den richtigen Sparringspartner finden – vielleicht einen großen gut bewaffneten Drachen.«

Holly gähnte. »Mmm«, summte sie und lehnte sich an seine Brust.

»Wir sollten dich nach Hause schaffen«, murmelte Alessandro und küsste sie auf die Wange.

»Wozu die Eile? Die Nacht ist noch jung.«

»Hast du morgen keinen Kurs? Morgen ist Donnerstag.«

»Ach, Göttin, das bedeutet Integralrechnung! Kann ich es nicht stattdessen mit noch einem Dämon aufnehmen?«