Immer schön langsam

264.tif

1

Tiefer und tiefer ging es hinab in die Unterwelt. Um sie herum nichts als Felswände und gemeißelter Stein. Abermilliarden Tonnen davon. Seth litt zwar nicht unter Klaustrophobie, hatte sich aber in engen Räumen noch nie sonderlich wohlgefühlt. Ihm fiel schnell die Decke auf den Kopf, weswegen er den größten Teil seiner Freizeit am liebsten in der freien Natur verbracht hatte.

Die Oubliette ließ ihnen zwar die Wahl zwischen verschiedenen Routen, aber die führten alle nur in eine Richtung: tiefer nach unten. Es hatte keinen Sinn umzukehren. Sie waren in einem Labyrinth leicht abfallender, enger Gänge und nasskalter Kammern gefangen und konnten sich jeweils immer nur in die Richtungen bewegen, die die Oubliette zuließ. Der einzig mögliche Weg nach draußen lag am Grund dieser Unterwelt, dem Ort, wo Skarla angeblich lebte.

Seth sehnte sich danach, den Himmel wiederzusehen. Und wenn es bloß der trostlose wolkenverhangene Himmel von Malice mit seinem fahlen Licht gewesen wäre.

Was sollten sie machen, wenn Justin sich getäuscht hatte? Wenn sie bis zum Grund hinabstiegen und dort niemanden antrafen? Entschlossen verdrängte er seine Zweifel.

Justin ging wieder voraus. Er hatte schon lange nichts mehr gesagt. Die Begegnung mit seinem eigenen Tod schien ihm die Sprache verschlagen zu haben. Seth wollte sich lieber nicht vorstellen, was ihm durch den Kopf ging.

Plötzlich blieb Justin wie angewurzelt stehen. Den Zeigefinger an die Lippen gelegt, winkte er Seth heran. Von den Wänden und der Decke tropfte literweise widerlich stinkender Schleim herab, der weißlich glitzerte und klebrige Fäden zog.

»Was ist das für ein ekelhaftes Zeug?«, flüsterte Seth. »Schlingmolche«, murmelte Justin. »Die würgen das Zeug raus, um damit ihr Territorium zu markieren. Von jetzt an müssen wir so leise wie möglich sein und dürfen kein Wort mehr sagen. Wenn du einen siehst, bleibst du auf der Stelle stehen und rührst dich nicht vom Fleck. Eine einzige Bewegung reicht und die entdecken dich sofort.«

In diesem Moment bemerkte Seth, dass Justins Gesicht nicht mehr so deutlich zu erkennen war und die Schatten im Gang näher rückten.

Ihn fröstelte.

Das Licht.

Justins Leuchtblase wurde schwächer.

2

Keiner der beiden verlor ein Wort darüber, aber Seth spürte, dass es Justin auch aufgefallen war. Er ging schneller als vorher, hastiger, nicht mehr so vorsichtig, trotz der Fallen. Jetzt saß ihnen auch die Zeit im Nacken. Früher oder später würde die Leuchtblase ausgehen, und falls es in der Oubliette passierte, war das ihr Todesurteil.

Seth hörte die Schlingmolche als Erster. Ein entferntes Rasseln, das durch die Dunkelheit zu ihnen drang. Anfangs war es noch schwierig abzuschätzen, wie viele es waren, aber als sie näher kamen, erkannte Seth, dass es Dutzende sein mussten. Wieder überkamen ihn Zweifel, aber er behielt sie für sich. Was hätte es auch gebracht, sie auszusprechen?

Außerdem machte Justin keinerlei Anstalten, stehen zu bleiben. Egal, was sie da vorne erwartete, sie würden sich der Gefahr stellen. Es blieb ihnen gar nichts anderes übrig.

Die Höhle, die sich am Ende des Ganges vor ihnen auftat, war riesig im Vergleich zu den schmalen Gängen, durch die sie bis jetzt gewandert waren. Die Decke war so hoch, dass das schwache Licht der Leuchtblase sie nicht erreichte, aber sie erkannten Balken und zerborstene Brückenpfeiler. In die Wände waren schwarze Bogenfenster eingelassen. Sie sahen einen unterirdischen Fluss und in einiger Entfernung eine Brücke, die darüberführte. Das trübe Wasser floss in kleinen Wirbeln um ein verfallenes Podest, auf dem einmal eine Statue gestanden hatte, von der jedoch nur noch die Beine übrig geblieben waren. Riesige, von oben herabgestürzte Felsbrocken warfen lange Schatten. Die Wände und der Boden waren mit klebrigem Schleim überzogen.

Und überall wimmelte es von Schlingmolchen. Sie fläzten auf Geröllhaufen, lagen flach ausgestreckt auf Steinquadern, dösten wie bleiche sechsbeinige Krokodile am Flussufer. Der Lärm, den sie mit ihren zuckenden Schwänzen veranstalteten, war ohrenbetäubend.

Vom Kopf bis zur Schwanzspitze maßen sie bestimmt über zwei Meter, waren milchig weiß und hatten große runde Saugnäpfe an den Zehen. Ihre langen Schwänze waren mit Schuppen gepanzert und endeten in einer Spitze aus rasselnden Knochenplatten. Sie hatten schmale, glatte Schädel, aus denen weiße Augäpfel hervorquollen, und gewaltige Kiefer. Aus ihrem lippenlosen Maul ragten riesige, gebogene Reißzähne. Seth musste an Tiefseefische denken, die er mal in einer Meeresdoku gesehen hatte.

Überall im Raum lagen Knochen verstreut. Bei den meisten handelte es sich um die zersplitterten Überreste kleiner Tierskelette, aber dazwischen waren immer wieder auch größere, menschliche Knochen zu erkennen. Seth sah einen Oberschenkelknochen und ein angenagtes Schlüsselbein und in der Nähe des Eingangs grinste ihnen ein halber menschlicher Schädel entgegen.

Am gegenüberliegenden Ufer des Flusses erhob sich ein großes Tor mit einem Rundbogen. Ihr Ausweg aus der Hölle. Falls sie ihn jemals erreichten.

Zunächst blieben sie im Eingangsbereich der Kammer stehen und ließen den Blick durch den riesigen Raum schweifen.

Seth dachte an das, was Justin ihm auf der Zugfahrt über die Schlingmolche erzählt hatte. Sie waren vollkommen blind, weil ihnen ihr Augenlicht in der endlosen Dunkelheit der Oubliette ohnehin nichts genützt hätte. Stattdessen orteten sie ihre Beute anhand von Geräuschen und Bewegungen. Sie hatten äußerst empfindliche Ohren und orientierten sich ähnlich wie Fledermäuse.

Justin nahm an, dass ihre rasselnden Schwänze dazu dienten, Töne einer bestimmten Frequenz auszusenden, die von Hindernissen zurückgeworfen wurden und es den Schlingmolchen so ermöglichten, sich ein Bild von ihrer Umgebung zu machen. Wenn man ganz still dastand, hielten sie einen für ein Stück leblose Materie. Justin hatte ihm erzählt, dass er eine Ausgabe von Malice gelesen hatte, in der es einem Jungen gelungen war, sich an einem Schlingmolch vorbeizuschleichen, indem er sich ganz langsam vorwärtsbewegt hatte.

»Wie langsam?«, hatte Seth gefragt, aber Justin hatte nur mit den Achseln gezuckt.

»Es ist nicht so einfach, in einem Comicbild so was wie Geschwindigkeit abzuschätzen, Alter.«

Und jetzt standen sie selbst an diesem Ort des Grauens und blickten auf Dutzende von Schlingmolchen, die zwischen ihnen und dem Ausgang lagen. Falls Justins Theorie nicht stimmte oder sie sich zu schnell bewegten, würden sie von Tausenden scharfer Zähne in Stücke gerissen werden.

Justin warf einen prüfenden Blick auf die Leuchtblase in seinen Händen. Offensichtlich fragte er sich, ob es das Risiko wert war, oder ob sie lieber zurückgehen und versuchen sollten, eine andere Route zu finden.

Sein Blick traf den von Seth und ohne ein Wort zu wechseln, wussten sie, dass sie beide dasselbe dachten: Wir müssen es tun.

Seth nickte unmerklich.

3

Sie kamen nur quälend langsam vorwärts.

Seth presste die Arme seitlich an den Körper und hielt sich kerzengerade. Bei jedem Schritt hob er den einen Fuß nur wenige Millimeter an, setzte ihn nach ein paar Zentimetern im Zeitlupentempo wieder ab und verlagerte anschließend vorsichtig sein Gewicht, bevor er das ganze Spiel mit dem anderen Fuß wiederholte.

Eigentlich ganz einfach. Aber es war auch einfach, eine schmale Planke entlangzubalancieren, ohne herunterzufallen, solange sie am Boden lag. Die Herausforderung war eine ganz andere, wenn sie fünfzig Meter in der Luft schwebte. In dem Raum, den sie durchqueren mussten, riskierten sie mit jeder falschen Bewegung, jedem noch so kleinen Schwanken und jedem zu hastig ausgeführten Schritt, bei lebendigem Leibe von diesen Ungeheuern verschlungen zu werden. Schon nach ein paar Metern klopfte Seths Herz so heftig, als hätte er einen Langstreckenlauf hinter sich.

Für Justin war es sogar noch schwieriger– er musste auch noch die Leuchtblase tragen. Seth machte ihm Zeichen, sie zu übernehmen, aber Justin schüttelte den Kopf. Er ließ sich nun mal nicht gern helfen. Die Blase war zwar federleicht, musste aber vollkommen still gehalten werden, und Seth sah ihm an, dass ihm allmählich die Arme schwer wurden. Er hätte niemals geglaubt, dass es so anstrengend sein könnte, sich im Schneckentempo vorwärtszubewegen. Jeder noch so winzige Schritt dauerte Minuten. Jeder kleine Knochenhaufen wurde zu einem unüberwindbaren Hindernis, das umständlich umgangen werden musste. Seth kämpfte mit aller Kraft gegen das Bedürfnis an, einfach loszurennen. Ihm war klar, dass er damit sein eigenes Todesurteil gefällt hätte.

Die Schlingmolche verlagerten träge ihr Gewicht, wälzten sich auf die Seite und gähnten. Sie schlugen rasselnd mit den Schwänzen und wandten den Kopf nach rechts und links. Währenddessen bewegten sich Justin und Seth weiter im Zeitlupentempo durch den Raum und näherten sich den gefährlichen Kreaturen.

Seths Gedanken liefen Amok. Was, wenn die Molche den schwachen Schein ihrer Leuchtblase irgendwie spüren konnten? Wenn sie genau wussten, dass sie durch ihre Höhle schlichen?

Vielleicht lauerten sie nur mit der grausamen Geduld von Raubtieren darauf, dass ihre Beute keine Chance mehr hatte, ihnen zu entkommen?

Wenn ich das hier überlebe, sagte er sich immer wieder, wenn ich das hier überlebe

Aber er dachte diesen Gedanken nicht zu Ende. Er wagte es nicht, an das zu denken, was danach kommen würde. Alles, was zählte, war das Hier und Jetzt.

Konzentrier dich. Tu nichts Unüberlegtes. Überlebe.

Seine Gedanken wanderten zu Kady. Kady– die besorgt auf ihn herabgeschaut hatte, als er an der Klippe gehangen hatte. Kady– die vielleicht jetzt in diesem Moment Malice las und ihm die Daumen drückte. Ihre blonden Zöpfe. Ihre einzigartige Fröhlichkeit und Unbeschwertheit. Sie war aus einer anderen Welt nach Hathern gekommen und hatte ihm die Hoffnung gegeben, dass das Leben mehr zu bieten hatte als die Aussicht, irgendwann so zu enden wie seine Eltern.

Er wollte sie wiedersehen.

Unbedingt.

Ich werde hier unten nicht sterben.

Einer der Schlingmolche in ihrer Nähe hob plötzlich den Kopf. Sie erstarrten. Seth versuchte aus dem Augenwinkel heraus etwas zu erkennen. Hatte er oder Justin sich zu schnell bewegt?

Der Molch hob den Schwanz und rasselte mit den Schuppen. Seine Unruhe übertrug sich auf die anderen Molche, die anfingen, mit den Kiefern zu klappern und sich langsam aufzurichten.

Seth hielt den Atem an. Sie hatten mittlerweile beinahe die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht und bald die Brücke erreicht, die über den Fluss führte. Er konnte das Plätschern des brackigen Wassers hören und hatte seinen fauligen Geruch in der Nase. Trotzdem wäre es viel zu riskant gewesen, jetzt einfach loszurennen. Falls die Tiere nur etwas schneller waren, als sie aussahen, würden sie den Ausgang niemals lebend erreichen.

Das schweißnasse T-Shirt klebte Seth am Rücken und seine Hände waren klamm. Er schmeckte Salz auf den Lippen und seine Kehle war so ausgetrocknet, dass es ihn unendliche Mühe kostete, nicht zu schlucken, denn er fürchtete, dass die winzige Bewegung seines Kehlkopfs die Schlingmolche auf sie hetzen könnte.

Aber es ertönte kein mordlüsternes Brüllen und keines der Tiere ging zum Angriff über. Die blinden Molche wirkten zwar rastlos und schienen zu spüren, dass irgendetwas nicht stimmte, aber sie hatten die Eindringlinge noch nicht geortet.

Plötzlich begann Justin sich zeitlupenartig wieder in Bewegung zu setzen.

Seth wollte ihn zurückrufen, ihm sagen, er solle Geduld haben und abwarten, bis die Tiere sich wieder vollkommen beruhigt hatten. Aber Justin konnte offensichtlich nicht mehr. Vielleicht befürchtete er auch, seine Leuchtblase könnte ausgehen. Was auch immer er für Gründe hatte, Seth blieb keine andere Wahl als ihm zu folgen. Justin hatte das Licht.

Wieder ging es im Schneckentempo vorwärts– zum Fluss, über die Brücke und endlich ans andere Ufer. Ganz in der Nähe fingen zwei Schlingmolche an, miteinander zu ringen und sich knurrend in die Flanken zu beißen. Ein anderer erhob sich auf seine sechs Beine, rekelte sich und glitt ins Wasser, um flussabwärts zu schwimmen. Die Gegenwart von Justin und Seth versetzte die Tiere offensichtlich in Unruhe, auch wenn sie nicht wussten, was der Auslöser war.

Immer mehr Schlingmolche wachten auf und begannen umherzulaufen, was die Lage nicht gerade vereinfachte. Was, wenn einer von ihnen zufällig in ihre Richtung kam?

Seth ließ den rettenden Torbogen am anderen Ende des Gewölbes nicht aus den Augen. Sobald sie dort ankamen, waren sie in Sicherheit– es sei denn, der Gang dahinter führte an einen Ort, der noch schlimmer war als dieser. So etwas darfst du nicht einmal denken! Genau das ist es, was sie erreichen wollen– dich zermürben, bis du aufgibst.

Er rief sich wieder das Bild von Kady vor Augen und atmete tief durch. Er wusste nicht, woran es lag, aber an sie zu denken reichte schon aus, um ihn zu beruhigen. Die Vorstellung, wie traurig sie sein würde, wenn er nie mehr zurückkam, war unerträglich– und der Gedanke, dass sie womöglich in großer Gefahr schwebte und niemand da war, der sie beschützte, war noch schlimmer.

Du hast sie nicht mehr alle, sagte er sich. Machst dir um Kady Sorgen, während du mit einer Horde blutrünstiger Raubtiere Blindekuh spielst

Er konnte sich vorstellen, wie sie reagieren würde, wenn sie es wüsste. Hach, Sir Knight, würde sie grinsend sagen, mein unverbesserlicher Held.

Okay, du Held, sprach er sich selbst Mut zu. Dann sorg jetzt mal dafür, dass du nicht gefressen wirst.

Wachsam arbeiteten sie sich in Richtung Ausgang vor, als ihnen plötzlich ein Schlingmolch den Weg versperrte. Er hatte ein paar Meter weiter an einem Felsen gedöst, sich ohne Vorwarnung aufgerichtet, war auf sie zugewatschelt und hatte sich direkt vor Justin fallen lassen. Es schien fast so, als wüsste er ganz genau, dass sie da waren, und hätte beschlossen, sie ein bisschen zu ärgern.

Justin blieb einen Moment stocksteif stehen und begann dann mit mikroskopisch kleinen Schritten links um ihn herumzugehen. Eigentlich hätte er einen weiten Bogen um ihn machen müssen, was jedoch eine enorme Verzögerung bedeutet hätte. Seth ahnte, dass Justin genau das nicht tun würde. Er würde sich dicht am Maul des Monsters, direkt vor seinen weißen Glupschaugen vorbeischleichen.

Schritt für Schritt, Zentimeter für Zentimeter kamen sie voran. Um sie herum waberten der faulige Gestank des Flusses und die tranigen Ausdünstungen der Schlingmolche. Das Licht von Justins Leuchtblase wurde immer schwächer.

Die beiden hatten es gerade geschafft, sich an dem Molch vorbeizuschleichen, als ein zweiter aus dem Wasser kroch und sich mit schmatzenden Schritten auf sie zubewegte. Seth wagte es nicht, sich nach ihm umzudrehen.

Ob der andere kam, um seinen Kollegen freundlich zu begrüßen oder einen Kampf um die Rangordnung auszutragen, wusste Seth nicht. Jedenfalls wartete der Erste ab, bis der andere nah genug gekommen war, und sprang ihn dann blitzschnell an. Die beiden Ungetüme verwandelten sich in Sekundenschnelle in ein ineinander verschlungenes fauchendes Knäuel aus Muskeln und Zähnen. Als einer seinen Schwanz in Seths Richtung schlug, trat er instinktiv einen Schritt zurück, um nicht getroffen zu werden. Im selben Moment gab etwas unter seinem Schuh nach und knackte laut, vermutlich einer der vielen herumliegenden Knochen.

Sämtliche Schlingmolche wandten gleichzeitig den Kopf in Seths Richtung.

»Zum Ausgang!«, brüllte er.

Justin reagierte sofort und stürzte seinem Freund hinterher. Die Molche schossen in rasender Geschwindigkeit mit laut rasselnden Schwänzen aus allen Richtungen auf sie zu.

Der Torbogen war nur noch wenige Meter entfernt. Seth lief vorneweg, dicht gefolgt von Justin. Dann hatten sie endlich das Tor passiert und fanden sich in einem engen Gang wieder.

Nach den Todesängsten, die sie während der quälend langsamen Durchquerung der Höhle durchgestanden hatten, empfanden sie es regelrecht als befreiend, endlich rennen zu können. Seth spürte, wie das Blut durch seine Adern rauschte, und hatte nur einen Gedanken: Weg hier!

Justin fiel zurück, aber Seth rannte blindlings weiter und bekam kaum mit, dass das Licht schwächer wurde. Er wollte fort, einfach nur fort.

Plötzlich stellte er fest, dass er sich auf einmal in einen quadratischen Raum befand, von dem vier Gänge abzweigten. Sein Instinkt reagierte, bevor sein Bewusstsein die Gefahr registrierte. Er versuchte noch abzubremsen, aber es war zu spät. Sein Fuß schwebte schon im Nichts über dem dunklen Loch in der Mitte des Raums.

Die Grube war nicht einmal besonders tief, trotzdem schien sein Sturz eine Ewigkeit zu dauern. Er erlebte einen Moment der Schwerelosigkeit. Plötzliche Dunkelheit. Todesangst.

Seth hatte davon geträumt, ein Leben am Abgrund zu führen– jetzt erfuhr er, wie es sich anfühlte abzustürzen.

Er schlug am Grund der Grube auf und landete in schleimigem Brackwasser. Der Schlamm und das Wasser dämpften seinen Sturz etwas, aber der Aufprall raubte ihm dennoch den Atem.

Als er sich gerade hustend und würgend aufgerappelt hatte, stürzte von oben eine leuchtende Kugel auf ihn zu. Justin. Seth schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich zur Seite zu rollen, als sein Freund auch schon mit einem lauten Platschen neben ihm im Schlamm landete. Seth krümmte sich, würgte und erbrach das Wenige, was noch in seinem Magen gewesen war.

Als er sich einigermaßen erholt hatte, stützte er sich auf einen Ellbogen und schaute sich um. Das Wasser war nur etwa einen halben Meter tief. Die Wände der Grube waren mit einer Art Kupferblech verkleidet und spiegelglatt. In dem sumpfigen Wasser, in dem sie saßen, schwammen die verrotteten Leichname kleiner Tiere und undefinierbare Dreckklumpen herum. Die Leuchtblase dümpelte halb versunken zwischen ihnen. Quer über ihre Oberfläche verliefen haarfeine Risse.

Justin wandte den Kopf und sah Seth an. Sein Blick war leer. Ihre einzige Lichtquelle

Seth kroch auf ihn zu, griff nach seiner Hand und drückte sie fest. Zwei Gefährten im Angesicht des Todes. Er spürte, wie Justin seine Berührung erwiderte. Keiner von ihnen wusste, was er sagen sollte.

Sie saßen schweigend da, während das Licht immer schwächer wurde und die Dunkelheit sie nach langem Warten endlich verschlang.

Malice - Du entkommst ihm nicht
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