Musik & Tanz
Barcelonas lebendige Musik- und Tanzszene ist sowohl von traditionellen als auch modernen Künstlern geprägt worden. Von der in den dunklen Jahren der Diktatur entstandenen Nova Cançó bis zur katalanischen Form der Rumba und den Rockballaden der 1970er- und 1980er-Jahre, hat sich die Musikkultur der Stadt stets weiterentwickelt. Die heutigen Bands sind weiter damit beschäftigt, die Genregrenzen aufzuweichen, indem sie Rhythmen aus aller Welt miteinander verschmelzen. Auf dem Gebiet des Tanzes überrascht die Popularität des Flamenco; und auch der alte Volkstanz Sardana erfreut sich einer kleinen, aber wachsenden Anhängerschaft.
Zur selben Zeit, als die Sänger der Nova Cançó das Franco-Regime ins Visier nahmen, klagten Volkssänger in Lateinamerika ihre eigenen korrupten Militärdiktaturen an. Lieder legendärer Künstler wie Victor Jara aus Chile, Mercedes Sosa aus Argentinien und Chico Buarque aus Brasilien vereinten die Menschen im Kampf gegen die Unterdrückung.
SEHNSUCHT NACH KUBA
Die älteste musikalische Tradition, die zu einem gewissen Grad in Katalonien überlebt hat, ist die der havaneres. Es sind nostalgische und melancholische Lieder, die im 19. Jh. in Kuba lebende Katalanen zurück in ihre Heimat brachten. Selbst nachdem Spanien seine Kolonie Kuba 1898 verloren hatte, blieb die havanera-Tradition (eine Mischung aus kubanischen und europäischen Rhythmen) erhalten. Ein Erlebnis ganz besonderer Art ist auch heute noch die Cantada d’Havaneres (www.havanerescalella.cat, auf Katalanisch), ein Abendkonzert, das jedes Jahr Anfang Juli in Calella de Palafrugell an der Costa Brava stattfindet. Ansonsten gibt es entlang der Küste oder auch in Barcelona selbst immer wieder ähnliche Veranstaltungen, allerdings ohne feste Termine.
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ZEITGENÖSSISCHE MUSIK
Nova Cançó
Seltsamerweise war es wahrscheinlich die Unterdrückung durch das Franco-Regime, die das Entstehen einer lebendigen katalanischen Musikszene förderte. In jenen dunklen Zeiten, in den 1950er-Jahren, wurde nämlich die Musikströmung der Nova Cançó (Neues Lied) geboren, um der Unterdrückung der katalanischen Sprache auf musikalische Weise zu begegnen. Auch wenn es kaum möglich war, im Rundfunk dafür Sendezeiten zu bekommen, schafften einige katalanische Musiker es dennoch, in ganz Spanien groß herauszukommen. Einer davon war der in Valencia geborene Raimon.
In Katalonien fast noch beliebter war und ist der an Bob Dylan erinnernde Sänger und Songwriter Lluis Llach wegen seiner mehr oder weniger regimekritischen Songs. Eine weitere katalanische Musiklegende ist Joan Manuel Serrat, dessen Musik mittlerweile in Buenos Aires ebenso gern gehört wird wie in Barcelona. Er stammt aus dem Viertel Poble Sec und singt seine poetischen Songs auf Katalanisch und Spanisch. Plattenerfolge sind dem eingefleischten Katalanen aber nicht wichtiger als seine Überzeugungen – 1968 weigerte er sich zum Beispiel, beim Grand Prix Eurovision für Spanien anzutreten, weil er dort nicht auf Katalanisch singen durfte. Zur Strafe galt für ihn anschließend in Spanien lange Zeit ein Bühnenverbot.
DIE RÜCKKEHR DER RUMBA
In den 1950er-Jahren entstand unter den gitanos (spanische Roma) in den Bars von Gràcia und im Barri Gòtic ein neuer Sound, eine Mischung aus Flamenco, Salsa und anderen lateinamerikanischen Klängen. Einer der Begründer der Rumba Catalana war Antonio González, bekannt unter dem Namen El Pescaílla. Der in Matarò geborene gitano Peret machte diese für Barcelona typische Musikform dann einem breiteren Publikum bekannt, schließlich auch im Ausland. Ende der 1970er-Jahre jedoch ging der katalanischen Rumba vorübergehend die Luft aus: Peret wurde religiös, und El Pescaílla lebte im Schatten seiner Frau, der Flamenco-Tänzerin Lola Flores, in Madrid. Aber der in Buenos Aires geborene Javier Patricio „Gato“ Pérez entdeckte die Rumba 1977 neu und verlieh ihr seine eigene Note mit einigen populären Platten wie zum Beispiel Atalaya. Danach, Anfang der 1980er-Jahre, schien die Rumba erneut am Ende. Aber weit gefehlt! Seit einigen Jahren ist der Tanz in Barcelona wieder in: Neue Rumba-Bands wie z. B. Papawa, Barrio Negro and El Tío Carlos haben sich formiert. Andere Bands mixen Rumba mit anderen Stilen wie Reggae oder Ragga.
TOP-ALBEN
Rock Català
Seit den 1980er-Jahren hat sich eine Barcelona-typische Art von Rock entwickelt, der Rock Català. Er unterscheidet sich zwar nicht groß vom Rock anderswo, aber gesungen wird er auf Katalanisch. Zu den beliebtesten Bands der letzten Jahre gehören die Gruppen Sau, Els Pets, Lax’n Busto und Obrint Pas aus Valencia.
Die Pinker Tones sind ein Duo aus Barcelona, das sich recht schnell mit seinem elektronischen Mix aus Tanz- und Filmmusik einen internationalen Namen gemacht hat. Eine weitere Band aus Barcelona mit internationalen Ambitionen ist Macaco, die in verschiedenen Sprachen singt (u. a. Katalanisch, Spanisch, Englisch und Portugiesisch) und in ihren Rockhymnen Latino-Rhythmen mit Electronica zusammenbringt. Wenn Einheimische vom „Raval Sound“ (der nach dem immer noch etwas heruntergekommenen Altstadtbezirk benannt wurde) reden, meinen sie normalerweise genau diesen unverwechselbaren Sound.
In ganz Spanien noch erfolgreicher ist die Gruppe Estopa, ein Rock-Duo aus Cornellà, einer Vorstadt von Barcelona. Die Gitarre spielenden Brüder singen spanischen Rock, manchmal mit Flamenco-Anklängen. Pastora nennt sich ein Trio aus Barcelona, das mit Erfolg eine eigene Variante spanischer Popmusik spielt und dabei elektronische und akustische Klänge mischt.
Der im Stadtteil Sabadell geborene Albert Pla ist einer der umstrittensten Liedermacher in Spanien. Seine Musik und seine Texte changieren zwischen Rock, Bühne und Film; er gilt als eine Art Multitalent.
Eine noch experimenteller ausgerichtete Band ist Cabo San Roque aus El Raval mit gewaltigen Klangteppichen, kräftigen Rhythmen und mechanischen Akzenten, wobei sie bei ihren avantgardistischen Performances oft unkonventionelle Instrumente à la John Cage einsetzen. Bei einem Auftritt teilte sich die fünfköpfige Band die Bühne mit einer polyphonen Waschmaschine, die mittels einer Fahrradkette angetrieben wurde.
Ein weiterer wichtiger Name in der Szene von El Raval ist 08001 – nach der Postleitzahl des Bezirks. Das sich stets wandelnde Kollektiv bringt Musiker aus aller Welt zusammen und vereint so die ungewöhnlichsten Klänge von Hip-Hop, Flamenco, Reggae und Rock bis zu Musik aus Marokko, Westafrika, der Karibik und von anderswo.
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KLASSIK, OPER & BAROCK
Spaniens Beitrag zur Welt der klassischen Musik war eher bescheiden, aber Katalonien hat immerhin einige herausragende Komponisten hervorgebracht. Der bekannteste ist der in Camprodon geborene Isaac Albéniz (1860–1909), ein begabter Pianist, der später zum Komponisten wurde. Sein bekanntestes Werk ist der Iberia-Zyklus.
Montserrat Caballé stammt aus Barcelona und ist noch immer eine der berühmtesten Sopranistinnen der Welt. Sie wurde 1933 in Gràcia geboren und gab ihr internationales Debüt 1956 in Basel. Ihr erstes großes Konzert in Spanien fand 1960 im Gran Teatre del Liceu statt. 1965 erlebte sie mit einem frenetisch bejubelten Konzert in der New Yorker Carnegie Hall ihren internationalen Durchbruch. Gelegentlich tritt sie zusammen mit ihrer Tochter Montserrat Martí auf, die ebenfalls Sopranistin ist. Ähnlich berühmt war vor ihr auch die katalanische Sopranistin Victoria de los Ángeles (1923–2005). Und natürlich muss an dieser Stelle auch einer der „Großen Drei“ erwähnt werden: der in Katalonien geborene Tenor Josep (José) Carreras.
Jordi Savall fiel die Aufgabe zu, ein musikalisches Erbe wiederzuentdecken, das es schon vor den großen Klassikern gab. Er und seine Frau, die Sopranistin Montserrat Figueras, haben nämlich zusammen mit Künstlern aus anderen Ländern musikalische Schätze des Mittelalters, der Renaissance und des Barock ausgegraben. 1987 gründete Savall die Capella Reial de Catalunya und nur zwei Jahre später das Barockorchester Le Concert des Nations. Gelegentlich treten diese Ensembles in der Església de Santa Maria del Mar und anderswo auf.
PAU CASALS
Pau (Pablo) Casals (1876–1973) war einer der größten Cellisten des 20. Jhs. Er lebte im Exil in Südfrankreich und erklärte, er wolle nicht mehr öffentlich auftreten, solange das Franco-Regime von den demokratischen Staaten des Westens toleriert werde. 1958 wurde er für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.
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TANZ
Flamenco
Wer glaubt, die Leidenschaft für den Flamenco sei auf Südspanien beschränkt, irrt. Denn die gitanos leben eigentlich fast überall in Spanien und einige der großen Flamenco-Tänzer stammen direkt aus Katalonien. Gitanos gab es hier also schon lange, bevor viele von ihnen in den 1960er-Jahren massenhaft aus dem spanischen Süden zuwanderten und in Katalonien eine Flamenco-Bar nach der anderen eröffnete.
Eine der größten bailaoras (Flamenco-Tänzerinnen) aller Zeiten, Carmen Amaya (1913–1963), wurde sogar in Barcelona geboren – dort, wo heute Port Olímpic liegt. Vor dem Bürgerkrieg tanzte sie zu den Gitarrenklängen ihres Vaters in den Straßen und Bars der Rambla.
Sehr zum Kummer von Flamenco-Puristen in Südspanien haben nicht wenige der heutigen Flamenco-Stars zumindest ihre Ausbildung in einer der Flamenco-Schulen Barcelonas genossen, darunter die Tänzer Antonio Canales und Joaquín Cortés. Weitere katalanische FlamencoStars sind die cantaores (Sänger) Juan Cortés Duquende und Miguel Poveda, der aus Badalona stammt. 2006 brachte er sogar ein Album auf Katalanisch mit dem Titel Desglaç heraus. Eine weitere interessante Flamenco-Künstlerin ist Ginesa Ortega Cortes (geb. 1967), die in Frankreich geboren wurde. Sie singt einerseits sehr traditionell, liebt aber auch Experimente. So hat sie beispielsweise in ihrem 2002 erschienenen Album Por los Espejos del Agua Flamenco und Reggae miteinander verknüpft und auch Lieder von Joan Manuel Serrat und Billie Holliday im Flamenco-Stil gesungen.
Eine nicht minder aufregende, 1996 in Barcelona gegründete Musikgruppe, die sich jeder Definition entzieht, ist Ojos de Brujo (Hexeraugen), eine Combo aus sieben Männern und einer Frau, die einen Mix aus Flamenco, Rumba, Rap, Ragga und elektronischer Musik produziert.
Sardana
Der katalanische Tanz schlechthin ist die Sardana, deren Ursprünge in der nördlichen katalanischen Region Empordà liegen. Verglichen mit dem Flamenco ist der Tanz zweifellos eher nüchtern, unterscheidet sich aber nicht allzu sehr von anderen mediterranen Volkstänzen.
Bei diesem Tanz halten sich die im Kreis aufgestellten Tänzer an den Händen und warten zunächst darauf, dass die etwa zehn Musiker zu spielen beginnen. Das Startzeichen gibt die flabíol, eine kleine Holzflöte. Sobald die anderen Musiker einsetzen, beginnt der Tanz – eine Reihe von Tanzschritten nach rechts, einer zurück, und dann das Ganze nach links. Allmählich werden die Klänge der Musik schneller und feuriger, die Tanzschritte komplizierter, die Sprünge höher, und die Tänzer reißen die Arme in die Höhe. Dann kehren sie zum Ausgangsrhythmus zurück und fahren darin fort. Wenn sich Neulinge einreihen wollen, wird ihnen bereitwillig Platz gemacht, während der Tanz zwanglos weitergeht.