Ihr könnt es ihnen jetzt sagen«, erklärt Isa beim Frühstück. »Ich hab mich inzwischen so weit dran gewöhnt, dass ich damit umgehen kann, wenn auch noch Alex und Felix Bescheid wissen.«

Was für eine Erleichterung. Ich konnte es kaum noch ertragen, die Neuigkeit vor Alex verheimlichen zu müssen. »Außerdem kann ich es sowieso bald nicht mehr verstecken«, ergänzt Isa mit Leidensmiene – bevor sie schon wieder ins Badezimmer rennt.

»Du müsstest es vielleicht noch ein paar anderen Leuten sagen«, beginne ich vorsichtig, als Isa zurückkommt. »In der Prüfung werden sie dir sonst vielleicht Betrugsversuch unterstellen, wenn du so oft rausrennst. Und meistens hast du ja nicht mal die Zeit, die es brauchen würde, dich ordnungsgemäß abzumelden.« Mein Versuch, es ins Lächerliche zu ziehen, ist kein Erfolg.

»Darüber denke ich noch nicht nach«, wehrt Isa ab. »Ich denke von Stunde zu Stunde. Ob genug Zeit ist, wenigstens den Satz fertig zu lesen. Und ob ich mich danach noch an den Satz erinnere.«

»Aber du lernst weiter?«, fragt Jenny. »Du machst die Prüfung wie geplant?«

Isa nickt. »Es gibt so viele Pläne, die ich jetzt umschmeißen muss. Die Approbation wenigstens soll nicht dazugehören. Ich kann sie noch schaffen, bevor ich Babybettchen kaufen muss und nur noch kugelrund auf dem Sofa liege – und wenn ich sie habe, ist der Wiedereinstieg nicht so schwer.«

Wir geben ihr recht. Bis sie kugelrund herumliegt, vergehen noch Monate. Genug Zeit, um NACH dem Examen Bettchen zu kaufen.

»Wisst ihr, was das Schönste an der Sache ist?«, fragt sie.

»Ähm … das Baby?«, flachse ich.

Isa schüttelt den Kopf. »Das Beruhigendste an der Schwangerschaft ist … dass es eine ist. Dass es nicht die Prüfungen sind, weshalb ich so durchgedreht bin, sondern die Hormone.« Sie lächelt. »Ich hab trotzdem Prüfungsangst. Aber wenigstens weiß ich jetzt, dass ich keine Lern-Angststörung habe. Gestern hab ich wieder 80 Prozent im Probetest geschafft.«

»Das ist die zweitbeste Nachricht der Woche«, sage ich und hebe Dr. McCoy, um anzustoßen.

»Und nun keine Zeit vergeuden«, mahnt Isa, »wir brauchen eine Stunde mehr fürs Lernen, weil ich ja dauernd rausrennen muss.«

Wir arbeiten also heute eine Stunde länger – und haben uns das Abendessen, das Felix und Alex uns bringen, redlich verdient.

Isa eröffnet ihre Neuigkeit mit entzückend verlegenem Lächeln und rotem Gesicht und legt das nagelneue Ultraschallbild auf den Tisch, das sie und Tom gestern bekommen haben und auf dem der Embryo eine Art Purzelbaum schlägt. Sie wird noch einen Ton röter, als beide Jungs ihr überschwänglich gratulieren.

Alex schlägt zur Feier des Babys ein Eis-Gelage vor und wir fahren los, um Eiscreme, Sahne, Obst und Cocktailschirmchen in unvernünftigen Mengen zu besorgen.

»Freut sie sich?«, fragt Alex unterwegs. Er sieht mich nachdenklich an. »Meinst du, man kriegt das hin?«

Ich weiß es nicht. »Sie vielleicht«, antworte ich. »Wenn es jemand schafft, dann Isa. Ich wüsste nicht, ob ich das könnte.«

»Keine Sorge«, grinst Alex, »WIR halten uns schön an den Plan. Kinderkriegen erst nächste Woche.« Und für diesen Spruch muss ich – um zu demonstrieren, wie wenig ich solche Witze schätze – ein klein bisschen von der Sprühsahne opfern, um sie ihm zur Strafe in den T - Shirt-Kragen zu sprühen.

Als wir zurückkommen, erzählt Felix grade von seiner Schulzeit. Es sind eigentlich lustige Geschichten – von Partys und Streichen, schrulligen Lehrern und dreisten Abschreibe-Tricks. Nur Felix’ Miene passt nicht dazu, sie ist keineswegs fröhlich. Denn er erzählt nicht aus freien Stücken, sondern weil Jenny ihn dazu drängt. »Komm schon, ich weiß so wenig von dir damals!«

Es ist ein Vorwand, wir alle wissen es – und Felix erst recht. Aber entweder will er beweisen, dass er verhältnismäßig locker damit umgeht … oder ihm ist klar, dass er keine Chance hat, einfach das Thema zu verweigern – weil Jenny fragt, löchert und provoziert, und das alles mit diesem unschuldigen Lächeln. Doch er erzählt immer schön um Nadja herum; sie taucht in seinen Geschichten niemals auf, egal wie sehr Jenny nachhakt.

Irgendwann reicht es ihr. »Habt ihr kein Jahrbuch, verdammt noch mal?«, fragt sie geradeheraus.

»Doch«, antwortet Felix, »aber, Jenny, warum …«

»Ich will sie doch nur mal sehen!«, bittet sie. Keine Verstellung mehr, keine Spitzfindigkeiten.

Felix bleibt hart. »Willst du nicht.«

»Was ist?!«, provoziert Jenny. »Ist sie hässlich oder was?«

»Nein«, entgegnet er, »ist sie nicht.«

(Mann, warum kann er sie nicht einfach ein kleines bisschen anlügen?! Eine Notlüge aus Liebe. »Ja, Schatz, das ist es. Sie ist buckelig. Deshalb will ich nicht, dass du sie siehst; es ist mir einfach peinlich.« Das würde Jenny vollkommen beruhigen.)

»Jenny«, frage ich später unter vier Augen, »kannst du dir nicht einfach VORSTELLEN, Nadja hätte auch eine Rechtschreibschwäche?«

Jenny schüttelt traurig den Kopf. Ja, ich weiß, es ist ein mieser Ersatz. »Und einen Buckel?«, setze ich nach. Jenny muss kurz schmunzeln. Aber leider nur sehr kurz. Klar, der Buckel ist nicht überzeugend. Schon gar nicht, wenn Felix meint, auch noch in der Erscheinungsbild-Kategorie ehrlich sein zu müssen und sein entschiedenes Leugnen eher nicht darauf schließen lässt, dass man an Nadja einen kleinen Glöckner-Makel finden könnte.

»Versteht er nicht, dass er mir irgendwas geben muss?«, klagt Jenny. »Ich krieg sie nicht aus dem Kopf, solange ich mir sie so vorstellen muss, wie sie in meiner Fantasie ist: schön, klug, einfach toll …«

»Und du bist ja SO hässlich und blöd?!«, widerspreche ich. »DU bist es, die er liebt.«

»Das glaube ich ihm sogar. Aber das reicht mir irgendwie nicht«, sagt Jenny traurig. »Ich möchte etwas, das mich glauben lässt, dass man sie gar nicht so lieben KANN wie mich.«

Ich verstehe sie. Und weil diese offenen Momente bei Jenny ziemlich selten sind, interpretiere ich das als eine Bitte um Trost und drücke sie einmal ganz fest.

Das hilft immer – wenn auch nicht auf dieselbe Art wie bei anderen Menschen. Jenny macht sich nach wenigen Sekunden los und sagt, jetzt viel cooler: »Ich bin eben einfach keine Konkurrenzsituationen gewohnt.«

»Das wird es sein«, lächle ich. »Dann nutzt es vielleicht, wenn du dir in Erinnerung rufst, dass es gar keine Konkurrenz GIBT.«

In diesem Punkt war Felix eindeutig. Nadja ist Geschichte. Man muss sie nur irgendwie verarbeiten. Aber nur sagt sich leicht …

»Kannst DU nicht mit Felix reden?«, bitte ich Alex beim Zubettgehen. »Oder mir irgendwas über diese Nadja erzählen, womit ich Jenny beruhigen kann?«

Alex erklärt, dass Felix sich auch ihm gegenüber ausschweigt. Okay, ich hatte nicht erwartet, dass er damit PRAHLT – aber sprechen sich Männer denn nie mal aus?!

Alex legt den Arm um mich. »Nimm’s doch als gutes Zeichen«, sagt er. »Er will sie eben einfach vergessen.«

Na toll. Vielleicht hätte er sie vergessen sollen, BEVOR es so weit kam!

»Dir könnte das nicht passieren, oder?«, frage ich. Blöd, ich weiß. Aber ich brauche einfach ein bisschen Bestätigung, Jenny hat mich schon angesteckt.

»Ich glaube nicht«, antwortet er.

Wie bitte? Glauben ist nicht wissen, wenn ich an dieser Stelle mal die strenge Dr. Thiersch zitieren darf. NEIN, AUF KEINEN FALL! wäre eine angemessene Antwort gewesen. Doch als ich mich darüber beschwere, lächelt er. »Ich meine: auf keinen Fall. Ich wollte es nur so formulieren, dass du mir glaubst.«

Zum Glück hat Alex eine Engels-Mädchenberuhigungs-Geduld. Sanftmütig erklärt er mir seine Vergangenheits-Freundinnen und in welchen Punkten ich ihnen jeweils überlegen bin.

»Nein, tut mir leid«, sagt Tobias, »ich kann partout nichts Schlechtes über meine Exfreundin sagen. Sie war die Einzige in meinem Leben. Ich hätte alles für sie getan. Lena.«

Ich wache mal wieder mit einem solchen Schreck auf, dass ich mir den Kopf am Bücherregal stoße. Was war das denn bitte?!

Ich brauche eine ganze Weile, um mich zu sammeln. Es ist, als könnte ich Tobias’ Stimme immer noch hören. Als wäre er hier, in meinem Zimmer, mitten in der Nacht.

Alex bewegt sich im Schlaf. »Alles okay?«, murmelt er.

Ja, alles okay. Das war NUR IN MEINEM KOPF. Und ganz klar eine Projizierung. Eigentlich hat sich mein Unterbewusstsein mit Felix auseinandergesetzt – und Tobias nur zur besseren Einfühlung verwendet. Vergiss das, Lena.

Tobias würde so etwas niemals sagen.

Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern
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