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Gar nicht so verschieden

In der Weite der riesigen Halle wüteten Tracker und der Große Gnom zwischen den Steinsäulen, trugen einen wilden Kampf aus.

Trackers wirbelnde Klinge webte einen Vorhang aus glitzerndem Stahl, den scheinbar nichts durchdringen konnte. Er umkreiste seinen größeren, langsameren Widersacher und überwand dessen Deckung mit blitzartigen Stößen, gegen die selbst das Zuschnappen einer Kobra wie in Zeitlupe gewirkt hätte.

Aber die Kraft des Großen Gnoms überraschte ihn, während dieser mit seinem schweren Zepter ein ums andere Mal machtvoll zuschlug. Jeder diese Hiebe stieß Trackers Schwert zur Seite, so dass der alternde Krieger mehrfach ins Taumeln geriet und zurückweichen musste, um sich von dem Schlag zu erholen, während das metallische Klirren der Schlacht in der riesigen Kammer nachhallte.

Keiner der beiden konnte einen entscheidenden Treffer landen. Der Große Gnom konnte Tracker nicht in die Enge treiben, der tänzelte und parierte und seinerseits mit blitzartigen Schwertstößen konterte. Dennoch kam der Veteran nicht näher an den Gnom heran, als dessen lange Arme und das riesige Zepter es zuließen. Sie waren völlig verschiedene, aber einander ebenbürtige Kämpfer.

Der Große Gnom rief keine Hilfe herbei. Tracker fand das sonderbar. Das Oberhaupt hätte nur ein kurzes Gnom-Kreischen auszustoßen brauchen, und gewiss wären Augenblicke später Dutzende seiner haarigen Untertanen in die Halle gestürmt. Tracker dachte an Bree. Anscheinend hatte sie den Wachposten an der Tür erledigt, denn weder sie noch der Gnom waren hereingestürmt, um sich ins Kampfgetümmel zu stürzen. Er war stolz auf sie und wünschte ihr im Stillen viel Glück, denn er war sich sicher, dass er sterben würde, sobald einer von ihnen einen Treffer landete. Entweder würde der Große Gnom ihn töten, oder er würde Hilfe herbeirufen, sobald Tracker die Oberhand gewann. Außer natürlich, er landete einen Treffer, der den Gnom augenblicklich tötete.

Sie kämpften nun auf den unebenen Thronstufen, und Tracker wich zurück, stolperte, und der Große Gnom stürzte sich auf ihn. Sie umklammerten sich, rangen miteinander, die Beine ineinander verschlungen, und fuchtelten mit ihren Waffen. Plötzlich sauste das massive Zepter des Gnoms auf Trackers Knie hinab und zertrümmerte ihm die Kniescheibe. Er taumelte, und ein zweiter Schlag brach ihm sämtliche Rippen. Er ging zu Boden und spuckte Blut.

Der Große Gnom stand über ihm. »Daran wirst du sterben«, erklärte er.

Tracker nickte. »Genau wie du«, entgegnete er.

Der Große Gnom blickte an sich herab. Schwarze Flüssigkeit quoll ihm aus einem sauberen, beinahe chirurgisch anmutenden Einschnitt im haarigen Bauch. Tracker hatte darauf verzichtet, die tödlichen Hiebe des Gnoms zu parieren. Stattdessen hatte er seinerseits zugestoßen und dem Oberhaupt mit einer blitzschnellen Handbewegung das Bauchfleisch aufgeschlitzt.

Der Große Gnom ließ sich neben Tracker, der zusammengekrümmt auf dem Podium lag, herabsinken. Sein geschwächter Körper war schon ganz dünn und begann zu verschrumpeln, da ihm unablässig der Lebenssaft entströmte. Tracker atmete noch, aber nicht besonders gut. Beide lagen im Sterben.

Der Veteran wandte sich zu dem steinalten Gnom um. »Mein Vater ist gerächt«, sagte er.

Der Gnom nickte, dann erwiderte er: »Weißt du, wer meinen Vater umgebracht hat?«

»Ich glaube, das war mein Großonkel«, keuchte der Veteran benommen.

»Ja, und den hat mein Cousin getötet«, grunzte der Große Gnom. »Wir sind Teil einer lange zurückreichenden Tradition von Racheakten, du und ich. Aber in letzter Zeit habe ich auf meinem Thron gesessen und vor allem über einer Frage gebrütet: Wessen Vater hat als Erster den des anderen getötet?«

Tracker überlegte eine Weile. »Ich weiß es nicht«, sagte er nach einer Weile.

Der Gnom lachte; in seinem leeren Brustkorb rasselte es, während der Tod näher rückte. »Ja, ich weiß es auch nicht. Ich hatte gehofft, du könntest es mir verraten.«

Tracker erlaubte sich ein schmerzerfülltes Grinsen. »Vielleicht sind wir beide gar nicht so verschieden«, sagte er.

Garstige Gnome
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