27

Zu viele Köche

Sam hing kopfüber im Fleischraum neben Dutzenden von herabbaumelnden Insektenkadavern. Nachdem er das Leben seines letzten Kontrahenten verschont hatte, hatten sie ihn kurzerhand aus der Arena geschleppt, hier hineingeworfen und an einem groben Strick aufgehängt. Wegen des grauenvollen Gestanks, den die Kadaver verströmten, hätte er sich anfangs fast erbrochen. Die Höhlenwände waren aus dem Fels geschlagen, aber nicht glatt poliert wie in dem Saal, wo er dem Gnom-General zwischen die Beine getreten hatte. Das Blut lief ihm in den Kopf und machte ihn ganz benommen. Er fühlte sich wie in einem Traum – in einem Albtraum. Vielleicht wache ich ja gleich auf, dachte Sam hoffnungsvoll.

In dem Moment platzten drei Gnome in den Raum. Sie trugen hässliche Kochutensilien – mit Widerhaken versehene Zangen, ein Hackbeil mit gezackter Schneide und etwas, das aussah wie ein großer steinerner Göffel. Sam versteifte sich, hoffte, dass sie wegen einer der anderen Fleischschwarten gekommen waren, die überall hingen.

Die Gnome liefen zwischen den Insektenkadavern herum, stießen sie an und klopften sie ab. Sie sprachen leise miteinander, diskutierten die Vorteile dieses oder jenes Stücks. Aus ihrem Geschnatter konnte Sam ihre Namen heraushören. Snivell war ein Koch. Er trug die Zangen, während Blug das Hackbeil hin und her schwang, und dem, den sie Guh-wat nannten, schien es Spaß zu machen, den toten Insekten den dreizackigen Göffel in die Weichteile zu stoßen.

Mit Entsetzen sah Sam, wie Snivell den Blick auf ihn richtete und ihn angrinste.

»Argh!«, sagte der Koch.

»Arrgh!«, fügte Blug an.

»Arrrgh!«, sagte Guh-wat, was offenbar bedeutete, dass sie Einigung erzielt hatten. Sie watschelten zu Sam hinüber.

Snivell kicherte wie wahnsinnig. »Lasst ihn uns schmoren«, sagte er.

Blug schüttelte den breiten Kopf. »Nein, wir sollten ihn am Spieß braten.«

»Wir könnten ihn doch braten und schmoren«, schlug Guh-wat vor.

Blug und Guh-wat stießen dröhnendes Gelächter aus.

»Ich finde, wir sollten ihn erst mal töten«, sagte Blug.

»Darum geht es doch beim Schmoren!«, erklärte Snivell und hielt Sam die Zangen vors Gesicht.

»Aber auch darum, ihn anschließend aufzufressen, oder?«, sagte Guh-wat mit sorgenvoller Miene. »Das gehört doch auch dazu, richtig?«

Guh-wat und Blug hüpften ob der Aussicht auf saftiges Menschenfleisch erwartungsvoll auf und ab. Snivell klopfte gegen das Exoskelett des gigantischen Insekts, das neben Sam hing. »Das hier kocht man in der Schale«, kehrte er vor seinen hungrigen Kollegen sein Kochwissen heraus.

Sam behagte die Art nicht, wie sie ihre Utensilien hielten. »Hey, Leute, können wir nicht erst mal über die Sache reden?«, fragte er.

»Ruhe! Wir sprechen nicht mit der Nahrung«, sagte Blug.

Snivell nickte. »Einmal hat ein Mensch einen unserer Köche überredet, ihn freizulassen. Sie sind heimtückisch, diese Menschen.«

»Eww-yuk hat es herausgefunden und ließ den Koch mit Speeren zur Strecke bringen«, erklärte Blug. »War sehr unerfreulich für den Koch.«

»Den Mensch haben sie auch wieder eingefangen«, fügte Guh-wat hinzu.

»Und eine leckere Suppe aus ihm gekocht«, sagte Blug.

Snivell funkelte Sam an. »Komm also nicht auf dumme Gedanken!«

Sam musterte Snivell. Der dünne Gnom benahm sich wie jemand, der sich seiner Autorität nicht sicher war, und Sam fragte sich, ob er diese Unsicherheit gegen ihn einsetzen konnte. »Okay«, sagte er, »mit dir will ich sowieso nicht sprechen.«

Sam winkte Guh-wat zu, so, dass Snivell es sah.

Zuerst nickte der Gnom-Koch, aber dann ging ihm die Bedeutung der Bemerkung auf, und er runzelte die Stirn. »Wart mal. Warum willst du nicht mit mir reden? Hast du ein Geheimnis, das du dem alten Snivell nicht verraten möchtest?«

»Vielleicht«, sagte Sam.

»Häh?« Blug wurde hellhörig. »Wirklich?«

»Vielleicht auch nicht«, neckte Sam.

»Verrätst du es mir?«, fragte Guh-wat und tänzelte vor und zurück wie ein Kind, das dringend auf die Toilette muss. »Nur mir? Ist es ein Menschengeheimnis? Eins, das noch keiner kennt?«

Sie waren neugierige laute Kerle, diese Gnome, und Sam ließ sie zappeln und ein Weilchen nachgrübeln, was er wohl wissen mochte, das ihnen noch nicht bekannt war. Sie drängten sich um ihn, schubsten und stießen einander zur Seite, um ihm nahe zu sein. Jetzt musste er sich nur noch ein Geheimnis ausdenken.

»Verrat’s mir!«, brüllte Blug. »Verrat’s mir!«

»Nein, mir!«, bellte Snivell. Ich bin der Koch! Ist es das Rezept, wie man aus euch Eintopf kocht? Wie man euer Fleisch am zartesten zubereitet?«

»Mit dir redet er nicht«, schimpfte Guh-wat und stieß Snivell zurück.

Sam hing kopfüber da und schob die Hände nach oben in die Hosentaschen. Plötzlich berührten seine Finger etwas, das ihn auf eine Idee brachte.

Garstige Gnome
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