Malie war eingehüllt in Fischgestank. Sein Atem stank nach Fisch, sein struppiger, zottiger Schnurrbart, seine Fingerknöchel, die er tief ins Kissen bohrte; die Haare, der Schweiß, seine Kleidung und der Teil des Oberkörpers, den er von der Kleidung befreit hatte, um sich besser an ihr reiben zu können. Sie klammerte sich am Bettende an, um nicht gegen das Holz zu schlagen. Er schob sie immer die Matratze hoch, bis sie ihren Kopf scharf zur Seite knicken musste. Seine Gürtelschnalle schlug gegen das Holz. In Gedanken sang sie, während sie den Rhythmus seiner Stöße auszählte, um festzustellen, wie weit er schon gekommen war: Fünf Freunde an den Händen beide, wer die nicht kennt, der tät mir Leide, der erste wird der Daumen genannt, der schüttelt die Pflaumen im ganzen Land ... fünf Freunde an den Händen beide, wer die nicht kennt...


Haut. Zwischendurch legte sie im Spruch über die fünf Finger eine Pause ein und vertiefte sich nur noch in den Gedanken an Haut. Die Haut in ihrem Gesicht und die zwischen ihren Beinen gehörte allerdings ihm. Es war eine Haut, die sie nicht freiwillig berührte, aber dennoch ... es gab im Alltag viel zu wenig davon. Gesicht und Hände. Im Sommer Fesseln, Ellbogen und Unterarme, wenn die Frauen am Mühlbach die Decken ausspülten. Aber das alles war Haut, die oft der Luft begegnete, und die von Sonne und Wind angegriffen wurde und durch die Entblößung Falten und Flecken bekam.

Die andere dagegen, die weiß schimmernde mit Farben wie das Perlmutt in den Muscheln. So schön an einem erwachsenen Mann wie an einem neugeborenen Kind. Sogar er hatte diese Art Haut oben an den Oberschenkeln, bis hinauf zu den Lenden, und unter den Armen, unmittelbar vor der struppigen und ungastlich zustechenden Haarbürste. Solche Haut ist das Schönste auf der Welt, dachte sie kindlich dramatisch, ja, es kam sogar vor, dass sie es laut flüsterte, ohne dass er reagierte. Er hatte gewöhnlicherweise einen ganzen Bembel Schnaps im Bauch, wenn er in sie losstieß und sie ihren Kopf vor dem Bettgestell schützen musste. Solche Haut hat noch nie die Sonne gesehen und hofft doch, dass die sie eines Tages wärmen wird ...

Ihr eigener dreizehn Jahre alter Körper war fast ganz von solcher Haut bedeckt, und sie streichelte sie gern und oft. Aber sie wollte sie auch bei anderen sehen und mit ihren Fingerspitzen berühren dürfen.


Ab und zu geschahen schöne Dinge, wenn er über ihr lag und wie ein Wal schnaufte. Unerwartete Empfindungen durchströmten sie dort unten, in immer engeren Kreisen. Und sie war so glücklich, dass sie ängstlich auf die Mutter horchte. Denn plötzlich spürte sie in sich seine Formen, seine Umrisse, die Länge, die Hitze. Und sie umschloss ihn mit seltsamen Bewegungen, über die sie selbst keine Kontrolle hatte ... der tät mir Leide, der erste wird der Daumen genannt ...

Danach nahm sie alle Gerüche klarer wahr als zuvor, und wenn sie die Augen schloss, kam sie sich vor wie in den Träumen, in denen sie hoch durch die Luft flog, nur mit den Armen zur Hilfe. Über Häuser und Vieh, über den Aalwagen, über die alte Jebseschenke, über winkende, fuchtelnde Arme, die sie erbarmungslos wieder nach unten holten.


Er arbeitete jetzt rascher. Er wälzte fetten und glühend heißen Fischergeruch ins Kissen, stöhnte leise. Sie verlor unter seinem Gewicht fast das Bewusstsein, wusste aber, dass er bald fertig sein würde. Er atmete ganz oben in der Kehle, in seiner Brust war kein Platz für mehr.

Und jetzt.

Ein langes Zittern durchlief seinen massiven Leib. Er glitt aus ihr heraus wie eine glatte kleine Räucherwurst und ließ sich neben sie sinken. Eine Sekunde darauf war er eingeschlafen. Sie machte sich los. Auf nackten Füßen hatte sie mit zwei Schritten die enge Kammer durchquert und goss Wasser in die Waschschüssel. Sein Schnarchen wurde rasch lauter. Der Mond stand wunderbar voll und malzgelb im Fenster. Der Schweiß des Mannes funkelte wie Glasperlen. Einige lösten sich von seiner Haut und versickerten im Laken. Sie wusch sich gründlich. Auch hinter den Ohren und am Hals, wo er sie immer leckte. Nach dem Waschen blieb sie ganz still stehen. Sie holte einige Male tief Luft und war glücklich. Am nächsten Tag würde etwas Spannendes passieren, etwas anderes. Vielleicht würde Postgehilfe Lars auf dem Bock sitzen, wenn der Postfahrer kam. Sie wollte ihr bestes Zwillichkleid tragen und vielleicht einen Spitzenkragen dazu, wenn die Mutter sich nicht einmischte und sie als Versucherin bezeichnete. Die Mutter mit ihrem riesigen Hängebusen und ihren Viehhüften war sicher nur neidisch.


Er brauchte immer längere Zeit. Malie hatte die Männer über dieses Problem reden hören. Dass es dann aufs Ende zuging. Dass er sich danach nicht mehr dienstbereit aufrichten würde. Und in dieser Nacht hatte er mit der Hand arbeiten und sich alle Mühe geben müssen, um damit aufs Bett zeigen zu können. Wie er immer sagte:

»Siehst du, Malie? Der zeigt auf dich. Er will zu dir, und da muss ich ihm doch gehorchen, meine süße, kleine Köderdeern...«


Sie schlich sich zur Mutter hinüber. Die Mutter schlief, wurde aber kurz wach, als Malie unter die Steppdecken schlüpfte.

»Alfred?«

»Nein, ich bin’s, Mutter ...«

»Wo ist dein Vater?«

»Der schläft nebenan bei mir.«

»Ach, da ist er also? Gute Nacht.«

Das Erbstueck
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