Was ist da eigentlich passiert im letzten halben Jahr? In den ersten Monaten habe ich alle meine Kraft darauf verwandt zurückzuschlagen, damit er sieht, daß ich mir das nicht gefallen lasse, wie er mich behandelt. Erst als ich mir und ihm das gezeigt hatte, konnte ich meine Gedanken darauf ver(sch)wenden, wie sein Verhalten wohl zustande kommt. Wie frau ihn wohl am sinnvollsten dabei unterstützen könnte, sich mit sich selber auseinanderzusetzen. Habe gedacht, daß das mein folgenschwerster Fehler war, daß ich seine Ausgangsbedingungen zu wenig im Auge hatte. Es reicht scheinbar nicht, wenn er zum wiederholtenmal von einer Frau zu hören kriegt, daß seine Unzuverlässigkeit menschenverachtend ist. Daß seine Unoffenheit jede Beziehung tötet. Daß seine Probleme nicht weg sind, wenn er sie erst mal in der großen schwarzen Kiste verstaut hat. Daß er sie dadurch nur besser verpackt mit sich herumschleppt. Daß die Kiste ihm selber auf den Schultern drückt. Auch wenn er selber mit markiger Handbewegung abwehrt und behauptet, sie sei ganz leicht zu tragen. Ganz offensichtlich reicht es nicht, wenn ihm sein Verhalten immer wieder vor Augen geführt wird. Er findet keinen Zugang, sich damit auseinanderzusetzen. Wie kann ich ihm dabei helfen, den Zugang zu finden?

In diese Phase meines Verständnisses hinein kam dann meine Verunsicherung. Selbst wenn Arne wieder mit mir Zusammensein wollte: was könnte mir diese Beziehung denn geben? Ich habe es doch selbst gesehen, als er noch wollte. Ich habe es doch selbst gesehen, wie wenig er in der Lage ist, auf mich einzugehen. Selbst bei gutem Willen. Er ist gar nicht in der Lage, sich mit einem anderen Menschen so auseinanderzusetzen, daß eine intensive Beziehung daraus werden kann. Mit Arne ist eine Beziehung möglich, wie ich sie früher hatte: zum Ausquatschen ist die Freundin da. Körperliche Nähe zwischen Frau und Mann. Verbale Nähe nur zwischen Frau und Frau. Er hat sich weder mit Anke noch mit Sabine, noch mit mir als umfassende Persönlichkeit auseinandergesetzt. Und das ist doch die Grundlage jeder intensiven Beziehung. Was könnte mir eine Beziehung mit Arne schon geben? Was nützt mir die schönste Sexualität mit ihm, wenn das die einzige Ebene ist, auf der er mir Wärme und Geborgenheit geben könnte? Wann habe ich in Gesprächen mit Arne Wärme und Geborgenheit erfahren? Wirkliches Verständnis und Eingehen auf das, was ich sage? Wann habe ich das von Arne erfahren? Wann hat Sabine das von ihm erfahren? Was nützt es mir, wenn ich mich zwar in der Sexualität mit ihm wohl fühle, aber auf allen anderen Ebenen gegen seine Ignoranz und Unsensibilität ankämpfen muß?

Aber genau das ist es wahrscheinlich. Auf der Ebene, wo ich mich am schlechtesten wehren kann, unterdrückt Arne mich nicht. Auf allen anderen Ebenen habe ich viel mehr Kraft zu kämpfen. Deshalb wäre ich bereit, diesen Kampf aufzunehmen.

Arne braucht eigentlich eine Therapie. Das hat selbst Anke gesagt, die er ja nun noch mehr an sich ranläßt als mich. Mir ist klar, daß ein Partner kein Therapeut sein kann. Ich kann keinen Menschen therapieren, von dem ich eigentlich geliebt werden möchte. Ich würde viel zu stark dazu tendieren, das aus ihm herauszuinterpretieren, was ich gerne hören möchte, als das, was wirklich da ist. Ich bin wirklich vollkommen ungeeignet, mich ihm als Vertrauensperson anzubieten. Und er will mich ja auch gar nicht.

Aber es kann doch sein, daß der Dussel einfach nur noch nicht begreift, wieviel Gutes ich ihm tun will. Wenn er das endlich begreifen würde, wäre ich trotz aller Einseitigkeit dazu bereit, mich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen. Rein gefühlsmäßig wäre ich dazu bereit. Würde ihm Wärme und Geborgenheit geben wollen, ohne selber das gleiche von ihm zu bekommen. Würde mich emotional ausbeuten lassen: die jahrtausendealte Rolle der Frau.

Ich erinnere mich an einen Fall, wo sich die Genossinnen aus einer WG mal gemeinsam geweigert haben. Die Männer sind mit ihren politischen Problemen immer zu einem Genossen gegangen, mit ihren persönlichen Problemen zu den Genossinnen. Und Frauen gehen mit ihren Problemen natürlich auch zu Frauen und nicht zu Männern: Doppelbelastung sogar auf dieser Ebene! Diese Art von emotionaler Ausbeutung sollten Frauen sich nicht mehr gefallen lassen. Ich würde einem Mann etwas geben, was ich selber mir dann nur von anderen Frauen holen könnte. Von ihm würde ich das nie bekommen. Ich würde mich in die weibliche Rolle fügen, daß Frauen für die Gefühle von Männern zuständig sind. Wir stützen sie emotional, und sie ziehen dann gestärkt ins feindliche Leben. Und wir sitzen dann da und müssen mit unserer übriggebliebenen Energie uns noch untereinander stützen. Ich würde mich benutzen lassen, wenn ich das mitmachen würde. Ich will nicht nur Kraft geben, ich will auch Kraft bekommen aus so einer Beziehung. Von Arne könnte ich sie nicht bekommen. Was kämpfe ich eigentlich noch darum, Vertrauensperson für ihn zu werden? Was kämpfe ich eigentlich noch darum? Ich hätte gestern abend bei Arne vorbeigucken können. Ich habe es nicht getan. Ich bin mit Barbara und Petra zum Bahnhof gegangen und nach Hause gefahren. Ich bin froh, mich so entschieden zu haben. Es tat mir nicht leid. Ich stehe wirklich gefühlsmäßig hinter dieser Entscheidung, nicht zu Arne zu gehen. Ich fühle mich wohler, ihn nicht zu sehen.

Ich bin nicht mit ihm fertig. Ich habe meine Gefühle noch nicht verarbeitet. Aber es wäre mir zu anstrengend, noch einmal auf ihn zuzugehen. Ich habe ein halbes Jahr um seine Zuneigung und um sein Vertrauen gekämpft. Es ist nicht so, daß ich das beides nicht mehr haben will. Ich wünsche es mir nach wie vor — aber ich kann nicht mehr kämpfen. Ich habe alle Register gezogen. Ich kann nichts mehr dafür tun. Wenn noch etwas passieren kann zwischen uns, dann muß Arne jetzt auf mich zukommen.

Mir ist klargeworden, warum ich jetzt anders entscheide als vor zwei Monaten, obwohl meine Gefühle dieselben sind. Meine Gefühle sind nicht geringer geworden. Daran liegt es nicht — und trotzdem fahre ich nicht mehr nach Altona. Was ist anders? Es tut immer noch weh, wenn ich an ihn denke. Jedesmal sowie ich an Arne denke, tut es weh. Es tut wahnsinnig weh. Ich bin nicht drüber weg. Und trotzdem will ich nicht hinfahren. Ich will ihn sehen, ich warte auf seinen Anruf — aber ich will nicht hinfahren. Ich will ihn nur sehen, wenn ich nicht wieder an ihm zerren muß. Ich will ihn nur sehen, wenn er mir was zu sagen hat. Wenn er zu erkennen gibt, daß er was von mir will. Ich kann nicht zum hundertstenmal die Initiative ergreifen. Ich bin hilflos, ratlos, ausgepowert. Ich weiß nicht mehr, wie ich ihn noch ansprechen könnte. Ich habe alles getan, was in meinen Möglichkeiten stand. Ich weiß nichts mehr. Ich habe alle Register gezogen.

Das ist der Unterschied. Meine Gefühle sind zwar noch dieselben, aber vor zwei Monaten waren da immer noch Sachen, die ich noch nicht ausprobiert hatte. Immer noch Sachen, von denen ich erhofft hatte: wenn ich ihm das jetzt sage, dann reagiert er vielleicht. Das ist was ganz Neues, was er von mir noch nicht gehört hat! — Jetzt hat er den Ordner. Es gibt nichts Neues mehr, da steht alles drin. Alles. — Mehr kann ich ihm nicht sagen. Wenn er darauf nicht reagiert, dann weiß ich auch nichts mehr. Es gibt nichts Neues mehr. Und diesen Punkt mußte ich erst erreichen, bevor ich aufhören konnte, um ihn zu kämpfen.

Es ist eigentlich gar nicht so, daß ich nicht mehr kämpfen kann, sondern es ist endlich so, daß ich aufhören kann, um ihn zu kämpfen, das ist gar kein passives Abschlaffen — das ist ein aktives Können: nämlich das Aufhören-Können. Das ist eine aktive Entscheidung, die ich mir hart genug erarbeitet habe.

Und es hat so lange gedauert, weil von Arne nichts gekommen ist. Er hat mir eine ganz wichtige Möglichkeit genommen, sich mit unserer Beziehung auseinanderzusetzen, indem er nichts gesagt hat. Seine Gedanken hat er ein halbes Jahr lang für sich behalten. Und das, was sich in seinem Kopf abspielt, ist nun mal die Hälfte unserer Beziehung. Und diese Hälfte hätte ich so dringend gebraucht, um schneller Klarheit zu bekommen. Um klarer Klarheit zu bekommen. Und diese Möglichkeit hat er mir verwehrt. Hat gesagt: «Das ist meins! Sieh du doch zu, wie weit du mit deiner Hälfte kommst. Meine kriegst du nicht!» Er hat wirklich alles getan, um es mir schwerzumachen.

Als ich mal wieder einige Tage mit dem Kaufen von Stoff und dem Nähen von langen Röcken und Dirndlschürzen beschäftigt bin, geht mir plötzlich auf, was ich da eigentlich mache. Es ist ja nicht so, daß ich irgendwie lange Kleider ganz gerne mag. So einfach ist es ja nicht. Es ist ja ganz gezielt die Proletenmode früherer Jahrhunderte, auf die ich abflippe. Die heutige Mode finde ich beschissen. Ich kann nie in einen Laden gehen und ein Kleid oder einen Rock kaufen, weil ich das alles nicht leiden mag, was da auf der Stange hängt. Ich muß mir fast alles selber nähen. Was treibt mich dazu, immer mehrere paar Hosen und Röcke übereinander zu tragen? Zu Hause werde ich schon scherzhaft die «Kolchose-Bäuerin» genannt. Irgend etwas muß das doch zu bedeuten haben, daß ich gerne so rumlaufe wie die Frauen «früher».

Früher. Das war die Zeit, als die Männer noch nicht solche Schweine waren. Da trugen die Frauen noch einfache Dirndlkleider, und die Männer waren noch treu. So ist es in Volksliedern vom Feinsliebchen, in alten Filmen. Nicht nur im Märchen. Und dagegen stand die Realität: Ich in Jeans und die Männer wollen nur mit mir bumsen. Diesen Widerspruch habe ich dann pseudo-gelöst, indem ich gesagt habe: nee! Das mache ich nicht mehr mit. Ich ziehe keine engen Jeans mehr an. Ich will alles so, wie es früher war, als die Frauen auch ohne enge Hosen begehrenswert waren und die Männer noch nichts von Mehrfach-Beziehungen geschwätzt haben. Mir wird bewußt, daß ich mit meiner Kleidung genau das signalisieren will: Ich bin kein in Sexy-Jeans verpacktes Sexualobjekt. Ich warte auf den Liebsten. Auf den, der es ernst meint.

Ja, ja! Früher, als die Frauen noch Dirndlkleider trugen und die Männer noch treu waren. Nicht solche Schürzenjäger wie heute. Schürzenjäger? — Schürzen...? Woher kommt denn der Ausdruck überhaupt? Der muß ja wohl aus eben dieser Zeit stammen. Als die Frauen noch Schürzen trugen und die Männer noch... Also waren die Männer früher auch nicht anders. Alles Lug und Trug in den Volksliedern, in den Märchen, in alten Filmen. Auch die Feinsliebchen von damals sind von ihren Typen genauso angeschissen worden wie wir heute. Auch wenn in den Volksliedern nichts von Mehrfach-Beziehungen und sexueller Revolution gesungen wird.

Aber ich lebe hier und heute. Mein Dirndlkleid wird mir nicht viel nützen. Ich muß die Auseinandersetzung mit den realen Männern hier und heute aufnehmen. Und nicht mit irgendwelchen Hirngespinsten. Seit mir das klargeworden ist, ich meinen eigenen Tick endlich durchschaut habe, ist mir wohler. Ich mag mich zwar immer noch am liebsten mit Pluderhose unterm Rock und Dirndlschürze darüber. Aber ich mache mir keine Illusionen mehr, daß ein Typ, der bei dieser Aufmachung auf mich anspringt, was anderes von mir will, als wenn ich Jeans anhätte.

Arne besucht mich. Bringt mir den Ordner mit dem Manuskript wieder. Fängt plötzlich von alleine an, mit mir über seine Sexualität zu reden. Daß er ja eigentlich eine «Beziehung» möchte. Aber solange er keine hat, möchte er eben auch mal... ohne daß von den Frauen gleich solche Ansprüche kommen. Oder ob er sich «einen greifen» soll? (Wieder eine von diesen Vokabeln, die ich auf den Tod nicht ausstehen kann!) «Einen greifen»: Das hört sich so nach Klammeraffe an. Ein albernes Wort!

Hat er mein Buch nicht gelesen oder was ist? Ich schreibe doch nun klar und deutlich, daß das ein Konflikt ist, mit dem ich selber nicht klarkomme. Daß ich keine Lust habe zu onanieren. Aber halt auch selten jemannden kennenlerne, mit dem ich wirklich Lust habe. Und wenn dieser seltene Fall schon mal eintritt, dann kommen meine ganzen unemanzipierten Verhaltensängste. Ich kann keine Männer anmachen! — Die Schwierigkeiten hätte er nicht, kriege ich von Arne zum wiederholtenmal zu hören. «Wenn ich mich mit ’ner Frau gut unterhalten hab und sich da ’n Draht entwickelt hat, dann frag ich einfach, ob sie nicht mal Lust hat mitzukommen.»

Auf meine Frage, wie das denn nun bei ihm aussieht, sagt er, daß da auch gar nichts gelaufen ist bei ihm in letzter Zeit. Nur mit zwei Frauen aus seiner BI. Und da war es vorher auch klar, daß es nur für eine Nacht ist. Bei ihm ist also nichts gelaufen. Außer mit zwei Frauen aus seiner BI. Und die eine hätte ihn angesprochen. So einfach läuft das also woanders. Wenn man sich mal gut unterhalten hat, fragt man: Hast du nicht mal Lust mitzukommen? Und das ist dann auch klar, daß es für eine Nacht ist. So einfach läuft das bei anderen. Nur ich habe also diese Schwierigkeiten.

«Ach, glaub das doch nicht», sagt Uschi zu mir. «Die Frauen, die öfter so was für eine Nacht machen, sind meistens auch ganz doll auf der Suche. Auch wenn’s unbewußt ist.»

«Aber ich denk immer, die fühlen sich insgesamt wohler als ich.»

Aber Uschi hat recht. Die leiden vielleicht nicht grade unter dem Konflikt, daß sie keine Männer anmachen können. Aber daß die sich deshalb zufriedener fühlen als ich, ist noch lange nicht gesagt. Ich habe früher auch den Typen mit einem strahlenden Lachen gesagt: «Aber natürlich. Ich will auch nur für eine Nacht!» Ich habe es auch selbst geglaubt, was ich da gesagt habe. Aber entweder habe ich mich dann wirklich wohl gefühlt mit dem Typen und mich dann aber auch verknallt. Oder mir war auch hinterher klar, daß es wirklich nur für eine Nacht war. Das waren dann aber auch die Nächte, wo’s so toll gar nicht war. Es kann ganz angenehm sein, okay. Aber dieser Rausch... dieser gemeinsame Rausch... der ist eigentlich nur da, wenn man sich ineinander verknallt hat, der fehlt. Alles andere kann vielleicht ganz angenehm sein, aber es ist doch irgendwie nur halber Kram. — Aber die anderen machen es doch auch. Irgendwas muß da doch dran sein, an diesem «halben Kram». Ein paar Tage bin ich wieder total verunsichert. Rede mit anderen Leuten darüber. Aber alle die, von denen ich weiß, daß sie mit ihren Gefühlen wirklich offen umgehen, nicht solche Verdrängungskünstler sind, die sexuelle Revolution auch schon hinter sich haben... alle die Leute sagen mir dasselbe: daß sie skeptisch sind, wenn andere mit einem zu glatten Lächeln erzählen, daß sie öfter mal für eine Nacht und so...

Mir wird klar, wie ich Arne hochstilisiert habe: Der Mann, der eine ganz andere Sexualität hat als andere Männer! Einen Scheißdreck hat er. Er geht genauso auf Aufreiße wie andere Typen. Er ist sehr viel zärtlicher als andere Männer. Ja, das ist er wirklich. Aber ansonsten ist er ein Mann wie jeder andere. Ein Mann. Und kein Märchenprinz. Und er ist sich dessen bewußt, daß er mit seiner Zärtlichkeit die Frauen auch reihenweise ins Bett kriegt.

Und dann kommt mir auch alles wieder hoch, was ich die ganze Zeit verdrängt habe. Daß Arne auch mit mir geschlafen hat, als er nicht mehr in mich verliebt war. Zu einem Zeitpunkt, wo er auch gar nicht mehr bereit war, sich inhaltlich mit mir zu beschäftigen. Ich habe den Morgen mit ihm geschlafen, weil ich die Illusion hatte, ihm dadurch wieder näherzukommen. Ich habe die ganze Zeit versucht, auch mit Worten zu ihm vorzudringen. Ich habe um unsere Beziehung gekämpft und in diesem Rahmen mit ihm geschlafen. Weil ich ihm nahe sein wollte. Arne ist überhaupt nicht mehr auf mich eingegangen zu diesem Zeitpunkt. Aber mit mir geschlafen hat er trotzdem. Ich habe das zwar gespürt, als ich mit ihm geschlafen habe, aber ich habe es wieder verdrängt. Oder die Story, die Sabine mir erzählt hat: Nachdem er mit ihr geschlafen hat, dreht er sich auf die Seite und will einschlafen. Sie möchte aber in seinem Arm einschlafen. Fühlt sich benutzt, als er sich umdreht und einknackt. Er empfindet das als Störung seiner Nachtruhe, daß sie ihn umarmen möchte. Als Sabine mir das damals gesagt hat, habe ich verwirrt den Kopf geschüttelt und gemeint: «Du redest doch nicht von Arne! Das kann ich mir von dem nicht vorstellen.» — Doch. Sie hat von Arne geredet. Arne ist ein ganz normaler Mann. Ein Mann, der sehr viel zärtlicher ist als andere Männer. Aber ein ganz normaler Mann, der eine genauso oberflächliche Sexualität praktizieren kann wie andere Männer. Und weil sich seine Zärtlichkeit so wohltuend von dem abhob, was ich bei anderen Typen bisher erlebt habe, habe ich dann alles in ihn hineinprojiziert, was ich mir für eine Sexualität wünsche.

bleischwer

gehetzt

amschreibtischfestgenagelt.

satzfetzen schleudern

mich gegen die Wand.

flucht sinnlos,

spätestens

heute nacht

verstricke ich mich wieder

im eigenen netz.

In diesem Herbst wird ein Buch von mir erscheinen. Ein halbes Jahr habe ich daran gearbeitet. Oft hat es Spaß gemacht. Manchmal mußte ich mich an meinen Schreibtisch zwingen. In den letzten Wochen habe ich starke Zweifel gekriegt, ob ich vielleicht die eine oder andere Aussage nicht klar genug herausgearbeitet habe. Oder Sachen ganz falsch eingeschätzt habe. Inzwischen bin ich davon überzeugt: Ich habe bestimmt Fehler gemacht. Habe Widersprüche offen gelassen, weil ich sie nicht lösen konnte. Aber alles in allem bin ich mit meinem Produkt sehr zufrieden. Ich bin davon überzeugt, daß mein Buch eine sinnvolle Diskussionsanregung werden kann. Daß ich Probleme aufgreife, in denen wir alle drinstecken. Ich bin zum erstenmal davon überzeugt, eine sinnvolle politische Arbeit geleistet zu haben. Bin mir klarer darüber geworden, in welcher Richtung ich Weiterarbeiten will. In diesem Herbst wird ein Buch von mir erscheinen. Ich freue mich darauf, mit anderen Frauen darüber zu diskutieren. Und natürlich auch mit Männern. Ich hoffe, daß ich mit meinem Buch eine Diskussion belebe, die immer noch zu stark vernachlässigt wird: die politische Diskussion um private Probleme. Mir ist mein politisches Arbeitsfeld klarer geworden. Das hat mich unheimlich gestärkt. Hat mich so gestärkt, daß ich wirklich den Märchenprinzen, und nicht nur Arne, hinter mir lassen konnte. Ich habe Spaß an meinem eigenen Leben und an meiner eigenen Arbeit; deshalb ist Arne in den Hintergrund gerückt. Ich brauchte nicht mehr wie früher mich in einen anderen zu verknallen, um über den einen hinwegzukommen.

Ich merke, wie ich allmählich wieder auftaue und auf Menschen zugehen kann. Auf einer von diesen Riesenfeten quatsche ich plötzlich Leute an, mit denen ich mich noch nie länger unterhalten habe. Und das Merkwürdigste ist: Wenn ich von Isolation, Einsamkeitsgefühlen, Ängsten jemanden anzusprechen... rede, dann nicken alle. Ich brauche nicht viel zu erklären. Es ist ja gar nicht «mein» Problem. Vielen geht es ähnlich. Verdammt! Wenn wir das alle Scheiße finden, warum tun wir denn nicht alle was, um diese kalte norddeutsche Atmosphäre aufzubrechen? Man grüßt irgend jemanden ganz freundlich, weil man neulich mal drei nette Worte miteinander gewechselt hat, und... bleibt mit einem schiefen Grinsen in der Luft hängen... man kennt sich nicht mehr... und aus Angst vor dem nächsten unerwiderten Lächeln, lächelt man das nächste Mal gar nicht erst. Vielleicht ausgerechnet bei jemand, der selber gerade lächeln wollte.

Als mir das so klarwird, werde ich mutiger. Ich grüße alle, die mir über den Weg laufen. Lieber einmal zuviel als zuwenig. Auf der Fete am Abend vor dem 1. Mai lächelt mich ein junger Mann an. Ich kenne ihn nicht. Aber er kennt mich, sagt er. Ich erinnere mich trotzdem kein Stück an ihn. «Doch ja, natürlich, irgendwie kommst du mir bekannt vor», lüge ich freundlich, aber überzeugt, daß ich es nicht schlimm finde, was ich da mache. Unterhalte mich unheimlich lange und dufte mit ihm. Als er sagt, daß er nach Hause will, frage ich: «Sag mal, hast du Lust, daß wir uns mal wiedertreffen? Wir können ja mal unsere Telefonnummern austauschen.»

Doch, findet er auch gut. Und dann bietet er mir an, ob ich nicht noch auf einen Tee mit zu ihm kommen möchte.

Aha! So läuft das also. Es ist kurz vor Mitternacht. Ob ich nicht noch auf einen «Tee»... Ich insistiere hartnäckig auf der Telefonnummer. Wenn ich nachts halb zwölf nach einer Telefonnummer frage, dann meine ich die Telefonnummer. Und nicht einen «Tee». Ich möchte seine Briefmarkensammlung jetzt nicht sehen! — Aber irgendwie tut mir das ganz gut, mal wieder hautnah gespürt zu haben, wie so was läuft: für eine Nacht. Ich fand ihn wirklich nett. Ich hätte vielleicht sogar Lust gehabt, mit ihm zu schmusen. Aber ich hätte keine Lust gehabt, mit ihm zu schlafen. Und wenn einer schon ein derart klischeehaftes Angebot macht: nachts halb zwölf einen Tee... dann hat der mit großer Wahrscheinlichkeit auch das Klischee in der Birne: Wenn Mann und Frau die Nacht in einem Bett verbringen, dann muß «es» auch passieren. Wenn er mich offen gefragt hätte, hätte ich vielleicht gesagt: Ich habe Lust, mit dir in einem Bett zu liegen, aber ich hab keine Lust, mit dir zu schlafen. — Aber wenn die Kommunikation so verklemmt über Tee und ähnliches laufen muß, dann weiß ich nicht, woher plötzlich im Bett die Vertrautheit kommen soll, daß man wirklich schön miteinander schlafen kann.

Ich gehe nach Hause. Als ich alleine im Bett liege, wird mir bewußt, daß ich ja auch öfter mal was für eine Nacht haben könnte. Das wäre ganz einfach gewesen heute. Und ich fand ihn wirklich nett! Aber es ist nicht das, was ich will. Es ist wirklich nicht das, was ich will! — Als ich das Brigitte erzähle, lacht sie sich halbtot über den «Tee».

«Ja. So was kenn ich auch von früher. Aber irgendwann wird das dann auch fade. Schon die Mühe, sich am nächsten Morgen mit verquollenen Augen aus einem fremden Bett hochzuquälen und in seine Sachen zu steigen. Mehr bleibt da doch wirklich nicht von über. Und in meiner Jungmädchenzeit hab ich dann natürlich auch immer gedacht, daß da mehr bei rauskommt als dieser eine Abend. Und die Typen haben dann auch noch die Unverschämtheit besessen, nach meiner Telefonnummer zu fragen. <Ich ruf dich mal an>, und dann haben die natürlich nicht angerufen. Die ersten Male hab ich mich dann gewundert. Hab gedacht: das ist ja komisch! Bis ich geschnallt hab: das läuft so! Meine Freundin hat das auch grad neulich gesagt: Was willst du da eigentlich in so ’m fremden Bett. Du hast zu Hause dein eignes. Schön warm. Und du mußt morgen sowieso früh raus. Was willst du denn von dem Typen. Die macht das jetzt auch nicht mehr.»

Brigitte und ich lachen. Ich bin nicht die einzige Frau, die keinen Bock mehr auf one-night-shows hat. Die das fade findet. Fade! Fade ist der richtige Ausdruck. Aber dieser Ausdruck zeigt auch, daß andere Frauen das auch zur Genüge mitgemacht haben. Daß die auch wissen, wovon sie reden. Neulich hat mal eine Frau zu mir gesagt: «Ich bin inzwischen auch so weit, daß ich nicht mit einem Mann ins Bett gehe, wenn ich vorher absehen kann, daß es langweilig wird.» Langweilig! Langweilig und fade. Es ist wirklich interessanter, mit einem guten Buch im eigenen Bett zu liegen. Ich habe wirklich mehr davon, mir abends noch ’n schönen Kakao zu kochen und ein Märchen zu lesen, als mit einem Typen zu schlafen, mit dem ich am nächsten Tag nicht mehr viel zu tun habe. Auf dem nächsten Termin sagt man sich dann ganz locker verkrampft: «Hallo!» Es ist ja nichts Besonderes, eine Nacht miteinander verbracht zu haben. Fade und langweilig. Diese Worte zeigen doch, daß andere Frauen das auch länger mitgemacht haben, als sie eigentlich wollten. Das heißt doch, daß die sich auch was anderes davon erhofft haben. Auch wenn es «klar» war, daß es nur für eine Nacht war. Ich habe auch keinen Bock mehr, mit einem Typen ins Bett zu gehen, mit dem ich mich «mal gut unterhalten» habe. Mir reicht das nicht. Ich möchte menschliche Wärme und echte Zuneigung spüren. Auch am Morgen danach noch. Es kann immer mal sein, daß so was dann doch nicht länger dauert. Sicher. Das kann immer mal sein. Aber diese Dinger, die von vornherein auf eine Nacht gebucht sind... «Es ist doch nichts Besonderes...» Nein danke! — Ich koche mir noch einen Kakao, putze Zähne und gehe ins Bett. In mein eigenes. Als ich am nächsten Morgen aus meinem Zimmer komme, läuft Jan ganz geschäftig auf dem Flur rum. Warum ist er denn am frühen Morgen schon so emsig? Und was guckt er mich so böse an?

«Warum stinkt es denn hier so?» frage ich.

«Ja, guck mal in die Küche», kriege ich zur Antwort. Oh! Da stehen ja die Reste von meinem Kakao. Der ganze Herd ist heiß, und den Topf können wir wohl wegschmeißen. Muß ich müde gewesen sein gestern abend! Ich hätte mich wirklich auf keine Briefmarkensammlung mehr konzentrieren können.

1. Mai. Demo. Ich habe unheimlich gute Laune. Kurz vor der Abschlußkundgebung ertönt vom Lautsprecherwagen Musik von den «bots». Gleich hinter dem Lautsprecherwagen geht der Frauenblock. Wir tanzen mit einer Schlange von zehn Frauen nach vorne, und plötzlich kommt uns die Idee, den Bullenwagen einzukreisen, der ganz vorne langsam fährt. Die Musik ist dufte, wir haben gute Laune, tanzen mit zehn bis fünfzehn Frauen um dieses häßliche grün-weiße Auto herum. Die Bullen sind einen Augenblick etwas verwirrt, dann besinnen sie sich der PS, die sie unter der Motorhaube haben und geben Gas. Genau auf die beiden Frauen zu, die gerade vorne vor dem Wagen sind. Die Frauen spritzen auseinander, was sollen sie sonst auch tun? Bei «Mensch gegen Auto» zieht in der Regel der Mensch den kürzeren. Und im selben Moment, ehe frau sich’s versieht, thront plötzlich Arne auf der Kühlerhaube. Hat gesehen, daß die Frauen zu schwach sind, um das Auto aufzuhalten und springt tapfer als kühner Retter in die Bresche. Wenn die Frauenbewegung ihn nicht hätte...

Als ich ihn zehn Minuten später auf seine gute Tat anspreche, meint er: «Ich dachte, wir könnten den aufhalten.» — So ’n Quatsch! Wir hatten nie vor, den Bullenwagen aufzuhalten. Wir haben ihn lächerlich gemacht. Das war der Sinn unserer Aktion. Ein Haufen lebenslustiger junger Frauen mit Frauenzeichen und Anti-AKW-Plaketten, die tanzend und singend die Staatsgewalt einkreisen. Was will denn der Prinz Eisenherz da vorne auf der Kühlerhaube?

Zu Hause erzähle ich das Jan und Uschi. Nachdem das erste Gelächter verklungen ist, meint Jan: «Er ist so ’n richtiger Don Quichotte. Der Ritter von der traurigen Gestalt. Mutig springt er in die Bresche, wo keine zu schlagen ist!»

Ich habe mich mit einem Typen aus Arnes BI verabredet. Der einzige, der mich immer noch grüßt. Oder sagen wir mal: fast der einzige, obwohl auch er mich nur als «Freundin von...» kennengelernt hat. Als ich ihn besuche, sage ich ihm das: «Weißt du, ich hab dich angesprochen, weil du der einzige bist, der mich noch kennt. Die anderen aus Arnes BI scheinen mich nicht mehr zu kennen, obwohl sie mich nicht seltener gesehen haben als du. Für die bin ich halt ein paar Wochen als die Freundin von Arne aufgetaucht. Als Individuum bin ich nicht wahrgenommen worden.»

«Das kann ich mir vorstellen», sagt er.

Ich erzähle ihm, daß ich auch versucht habe, mit Arne darüber zu reden. Aber der hat einfach nicht geschnallt, was ich eigentlich meine. Und ich habe dann gedacht, ich versuch’s einfach. Alle Ängste beiseite geschoben. Alle Ängste, als unscheinbare Freundin eines Politmackers wahrgenommen zu werden. Hab mich ganz mutig ein paarmal in den Kreis seiner BI reingesetzt. Und jetzt, ein halbes Jahr später, erinnern die meisten nicht einmal mein Gesicht. Also liegt es nicht nur an mir, daß ich davor Angst habe. Es ist ja ein paarmal ganz real so gewesen, daß ich Leute grüßen wollte, weil ich dachte: Ach, die kennst du doch aus Arnes BI... und dann wie üblich mit meinem freundlichen Lächeln in der Luft hängengeblieben bin. Leute, mit denen ich mal am selben Tisch gesessen habe. Verlange ich zuviel? — Ich bin nicht nur die Freundin von... verdammt noch mal. Ich bin Svende. In erster Linie bin ich Svende. Begreift das denn keiner? — Doch! Mindestens einer hat das doch begriffen. Und das war Rainer. Der hat mich jedesmal gegrüßt, wenn er mich sah. Und nicht nur irgendwie beiläufig, sondern so, daß ich das Gefühl hatte. Der freut sich, wenn er mich sieht. Wieso eigentlich? Wir kennen uns doch kaum. Ha! Reingefallen! Jetzt betrachte ich es selber schon als unnormal, wenn jemand mal diese unmenschliche norddeutsche Atmosphäre durchbricht. Jetzt wundere ich mich schon selber, von jemandem als Svende und nicht als «Freundin von...» wahrgenommen zu werden!

Und dann bin ich halt einfach mal zu ihm hingegangen: «Du, ich würd gern mal mit dir klönen. Ich weiß selbst nicht wieso. Kannst du mir mal deine Nummer geben?» Und dann hat er sie mir gegeben. War gar nicht erstaunt, daß ich ihn gefragt habe. Und jetzt sitze ich hier bei ihm und trinke mit ihm Kaffee. Was er mir von Arne erzählt, paßt so haargenau in alles das rein, was ich inzwischen über ihn weiß. Alle Leute haben die gleichen Schwierigkeiten mit Arne. Es war nicht mein Versagen, daß ich mit Arne nicht klargekommen bin. Ich beneide die Frau nicht mehr, die als nächste eine Beziehung zu Arne haben wird. Ich beneide sie weiß Gott nicht mehr.

Am Wochenende mache ich einen Wen-Do-Kursus. Selbstverteidigung für Frauen. Um endlich mal keine Angst mehr haben zu müssen. Um endlich wirksam zuschlagen zu können, wenn mich noch mal einer antatscht, von dem ich nicht angetatscht werden möchte. Wen-Do ist wirklich besser als die ganzen anderen Sachen, wo du erst mal stundenlang auf Judo-Rolle vorwärts, Judo-Rolle rückwärts getrimmt wirst. Du lernst wirklich in erster Linie, dich als Frau zu wehren.

In einer Diskussion geht es um die Ignoranz der Leute in der Öffentlichkeit, wenn eine Frau angemacht wird. Eine Frau meint, daß es auch an der Angst der Leute liegt, zurückgewiesen zu werden mit ihrer Unterstützung: «Mischen Sie sich da nicht ein. Es ist Privatsache, wenn mein Freund mich verprügelt.» — Ja natürlich. Sie hat recht. Andere Leute haben Angst vor dieser Reaktion. Deshalb sitzen sie still daneben, wenn in der S-Bahn eine Frau verprügelt wird. — «Als ich dann laut gesagt habe: Warum hilft mir denn hier keine Frau? Da haben auch welche eingegriffen. Weil sie die Sicherheit hatten, daß sie nicht zurückgewiesen werden.» — Mir leuchtet das ein, was sie sagt. Das nächste Mal werde ich es auch so machen. Als ich vom Wen-Do-Wochenende nach Hause komme, fühle ich mich stark. Ich habe viele neue Sachen gelernt. Der Typ da vorne... wie der da rumlungert, an dem komm ich bestimmt nicht ungeschoren vorbei... Das sieht frau schon von weitem, daß das mal wieder einer ist, der sein männliches Selbstbewußtsein darüber aufbauen muß, daß er Frauen nachpfeift, nachschnalzt, «hallo, Süße» flüstert und sich freut, wenn die Frauen sich genervt und verunsichert auf die andere Straßenseite drücken. Es geht den Typen in erster Linie darum, Frauen zu verunsichern. Das weiß ich spätestens, seit ich das Buch <Der Mann auf der Straße> gelesen habe. Den Gefallen werde ich ihm nicht tun. Wenn ich ihm zeige, daß ich nicht verunsichert bin, daß ich mich nicht genervt und still an ihm vorbeischleiche, dann kann er kein Erfolgserlebnis verbuchen. Mal sehen... aha... schnalzen liegt also an... nicht sehr einfallsreich. «Findest du das witzig, hier rumzulungern und zu schnalzen?»

Er reagiert nicht.

Ich bleibe stehen. «Findest du das witzig?»

Er guckt irritiert in die andere Richtung. Damit hat er nicht gerechnet. «Schieß in den Wind», sagt er, nachdem er sich wieder gefangen hat.

«Findest du das witzig?» frage ich wieder. «Ich find das nicht witzig. Ich finde das ziemlich primitiv.»

Er ist sichtlich genervt.

Wiederholt monoton sein «Schieß in den Wind.» Nicht sehr einfallsreich.

«Schieß du doch in den Wind», sage ich noch und gehe gemessenen Schrittes weiter. Jetzt sieht er mich von hinten. Auf meinem Rücken prangt ein riesiges Frauenzeichen. Wie gut, daß ich heute ausgerechnet diesen Pullover anhabe. Dann weiß er gleich, aus welcher Richtung der lila Wind weht. Ich habe den männlichen Territorialanspruch auf die Öffentlichkeit angegriffen. Ich habe mich nicht mit meinem Transitvisum zufriedengegeben. Ich fühle mich wohl!

Ich befinde mich auf den letzten Metern meines Buches. Bin dabei, das Manuskript druckreif zu bearbeiten. Muß alles noch ein paarmal durchlesen. Ich kann nur jeder Frau empfehlen, ab und zu mal Tagebuch zu schreiben. Es tut gut, immer wieder die Sachen lesen können, die Arne sich geleistet hat, als er noch mit mir zusammen war. Oder auch Sabine gegenüber. Immer wieder vor Augen zu haben, wie er sich einer Frau gegenüber verhält, zu der er eine «Beziehung» hat. — Und ich konnte auch zum erstenmal ganz cool die schönen Sachen lesen, die ich mit ihm erlebt habe. Ich beneide die Frau nicht mehr, die als nächste eine «Beziehung» zu ihm haben wird. Ich beneide sie weiß Gott nicht... — und ich hoffe, daß sie mein Buch liest — und sich mal von mir zum Tee einladen läßt...