Dienstag
Nachts um halb eins wurde Hackenholt vom Klingeln seines Handys geweckt. Von Sophies Seite ertönte ein unwilliges Brummen. Sie drehte sich um, zog sich die Decke über den Kopf und schlief weiter, während Hackenholt hastig aufstand und ins Wohnzimmer lief, wo er das Gespräch annahm.
Ein Kollege der PI West meldete sich. Bitte, lass nicht noch etwas passiert sein, schickte Hackenholt schnell ein stilles Stoßgebet gen Himmel, doch zu seiner Erleichterung hatte der Kollege gute Nachrichten. Im Rahmen einer Fahndungsmaßnahme nach einem Gaststätteneinbruch war einer Streife an einer Bushaltestelle ein Mann aufgefallen. Als sie eine Personenkontrolle durchführen wollten, flüchtete er, wurde allerdings zwei Querstraßen weiter von einer anderen Streife gestellt. Der Mann war Aleksandr Kusnezow. Die Kollegen brachten ihn gerade zur Polizeihaftanstalt ins Präsidium, da die U-Haft nachts keine Zugänge annahm.
»Ich mach mich sofort auf den Weg«, entschied Hackenholt und dankte dem Kollegen für die Information. Danach klingelte er Wünnenberg aus dem Tiefschlaf. »Sie haben Aleksandr erwischt. Kannst du ins Kommissariat kommen?«
Aleksandr Kusnezow war in eine Zelle gebracht worden. Seit seiner Festnahme hatte er keinen Ton von sich gegeben und schien daran auch nichts ändern zu wollen. Hackenholt setzte alles auf eine Karte.
»Haben Sie seit gestern Mittag mit Ihren Eltern gesprochen?«, eröffnete er das Gespräch, nachdem er sich ihm gegenüber an den Tisch im Vernehmungsraum gesetzt hatte.
Die Antwort war ein aggressives Starren.
Hackenholt schaute ausdruckslos zurück. »Dann wissen Sie also noch nicht, dass Ihr Bruder Boris gestern Vormittag bei einem Brand ums Leben gekommen ist?«
Ein Schatten huschte über Aleksandrs Gesicht, verschwand jedoch sofort wieder. Er machte eine wegwerfende Handbewegung und kippelte mit seinem Stuhl. »Das können Sie sich sparen. Ich falle nicht auf Ihre Tricks rein.«
Statt darauf einzugehen, zog Hackenholt seine Aktentasche zu sich und entnahm ihr einen Stapel Bilder, den er langsam durchblätterte. Ganz bewusst wählte er eins aus, auf dem Boris’ verbrannter Körper in seiner schockierenden Grausamkeit zu sehen war. Normalerweise hätte er ein solches Bild nie im Leben einem Angehörigen gezeigt, doch bei Aleksandr hatte er nur eine Chance voranzukommen, wenn er mit größtmöglicher Brutalität vorging. Und selbst dann war er sich nicht sicher, ob der Mann reden würde.
»Der Freund Ihres Bruders, Sergej Blinow, liegt übrigens auf der Intensivstation. Es sieht ziemlich schlecht für ihn aus. Verbrennungen vierten Grades.« Hackenholt wusste natürlich, dass es derartige Verbrennungen nicht gab, stellte es aber bewusst so dar, als ob es nur eine Frage der Zeit war, bis auch Sergej seinen Verletzungen erlag. Vielleicht brachte er Aleksandr so dazu, den Mund aufzumachen. Noch einmal studierte er das Bild ausführlich und schob es dann über den Tisch. Der junge Mann sah erst gelangweilt hin, dann riss er das Foto an sich, sprang auf und warf dabei den Stuhl um.
»Welches Schwein hat das gemacht?«, schrie er.
»Setzen Sie sich wieder hin«, sagte Hackenholt ruhig. Als Aleksandr ihm nicht Folge leistete, fuhr er hoch und brüllte: »Hinsetzen!«
Wünnenberg, der bislang unbeteiligt an der Wand gelehnt hatte, richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Breitbeinig, wie er dastand, wirkte er furchteinflößend.
Aleksandrs Augen verengten sich. Widerwillig hob er den Stuhl auf und nahm wieder Platz. »Welches Schwein war das?«, fragte er noch einmal. »Den bring ich um.«
»Wollen Sie den auch totschlagen und in Blumenpötte einbetonieren? So wie Sie es mit Jonas Petzold gemacht haben? Übung hätten Sie ja schon!«
Wieder machte Aleksandr eine wegwerfende Handbewegung.
»Was soll das heißen?«, fragte Hackenholt scharf.
»Sie können mir nichts beweisen. Gar nichts.« Der Russe klang schon wieder gelangweilt.
»Und ob wir das können, Herr Kusnezow. Und ob!« Hackenholt zählte an seinen Fingern ab: »Wir haben Spuren von Ihnen in der Wohnung von Frau Orlowa gefunden und auch an der Plastikfolie, mit der Sie die Leichenteile eingewickelt haben.« Ein weiterer Finger fuhr in die Höhe. »In Ihrem Zimmer, das Sie sich mit Ihrem Bruder Boris teilen, haben wir Drogen gefunden. Auch ohne vorherige Analyse wage ich zu behaupten, dass es sich dabei um genau die gleichen GHB-Pillen handelt, die auch Frau Orlowa bei sich hatte, als sie festgenommen wurde. Die Drogen haben Ihr Bruder und sein Freund Sergej Blinow zusammen mit Jonas Petzold in dessen Gartenlaube hergestellt.«
»Blödsinn! Der Klugscheißer hat das Zeug ganz alleine gemacht. Bis Sergej und Boris ihn in der Laube besucht haben, hat niemand gewusst, dass der so etwas kann.«
Hackenholt schwieg. Er durfte jetzt um keinen Preis etwas sagen oder auch nur eine Reaktion zeigen, wenn er Aleksandr am Reden halten wollte.
»Sie haben die Pillen in der Laube rumliegen sehen. Haben gedacht, es sind Amphetamine. Sergej hat gewusst, dass sich mit solchem Zeug ordentlich was verdienen lässt, also hat er die Tüte eingesackt. Als Wiedergutmachung.«
»Wiedergutmachung?«, provozierte Wünnenberg, der wieder lässig an der Wand lehnte, in gelangweiltem Ton. »Wofür? Mann, erzähl doch keinen Scheiß!«
»Der Klugscheißer hat Irina Nachhilfe gegeben. Dabei ist dieser Dreckskerl auf den Geschmack gekommen. Er hat versucht, sich an sie ranzumachen. Hat sie mitgenommen in die Gartenlaube. Sie sollte sich ausziehen und ihm einen blasen. Irina hat sich natürlich geweigert. Ist weggelaufen und hat Sergej alles erzählt. Der ist mit Boris am nächsten Tag gleich hin, und dann haben sie Jonas gezeigt, wo seine Finger nichts verloren haben.« Aleksandr grinste gehässig.
Hackenholt tat sich schwer zu glauben, was er gerade gehört hatte, ließ sich jedoch nichts anmerken. »Und weiter?« Er wollte Aleksandr provozieren, ihm keine Gelegenheit zum Nachdenken geben. »Warum haben Sie Jonas umgebracht? Schließlich ist er doch Ihr neuer Lieferant geworden.«
»Ich habe nichts damit zu tun. Ehrlich. Habe ich Ihnen doch schon gesagt. War ganz alleine Sergejs Sache.«
»Warum musste Jonas sterben?«
Aleksandr zuckte mit den Schultern. »Er hat seine Finger nicht von Irina lassen können. Dachte, wenn er ihrem Bruder die Pillen macht, hat er einen Freibrief und kann mit dem Mädchen alles machen. Da haben sie ihm halt noch eine Abreibung verpasst. Ist wohl ein bisschen zu heftig für den Klugscheißer ausgefallen.«
Hackenholts Magen krampfte sich zusammen. Er merkte, wie sehr ihn sein Gegenüber abstieß. Diese Kaltschnäuzigkeit. Die Art und Weise, in der Aleksandr all das erzählte, ließ keinerlei Reue erkennen. Schnell stand Hackenholt auf und ging scheinbar gelangweilt im Zimmer auf und ab. Erst als er sich sicher war, seine Stimme auch weiterhin unter Kontrolle zu haben, stellte er die nächste Frage. »Und der Obdachlose?«
»Hä? Was für ein Obdachloser?« Aleksandr tat verwirrt.
»Hör endlich auf mit deinen Spielchen«, herrschte ihn Wünnenberg an. »Der Penner, der euch in der Laube in die Quere gekommen ist. Dem ihr auch eine Abreibung verpasst habt, wie du es so schön nennst. Jämmerlich ersoffen ist der, nachdem ihr ihn zum Krepieren in den Wald gebracht habt. In einer Pfütze!«
Hackenholt war sich nicht sicher, ob Wünnenberg noch seinen Part als böser Cop spielte, oder ob es ihm ebenfalls zu naheging, wie gleichgültig der junge Russe über die Kapitalverbrechen plauderte.
»Von einem Penner weiß ich nichts«, bekräftigte Aleksandr nochmals schulterzuckend. Die Geste unterstrich, wie egal ihm alles war. Auf ein Menschenleben mehr oder weniger kam es nicht an. »Fragen Sie Sergej. Vielleicht sagt der Ihnen ja mehr.« Wieder machte sich ein gehässiges Grinsen auf dem Gesicht des jungen Mannes breit.
»Und wie, bitte schön, kommen die Drogen in Ihr Zimmer, wenn alles doch alleine Sergejs Angelegenheit war?«
»Sergej hat sie dort deponiert. Oder er hat sie Boris gegeben, damit er sie versteckt. Was weiß ich? Ich habe nichts damit zu tun.«
Hackenholt kommentierte die Aussage nicht, denn in der Tat war noch nicht abschließend geklärt, welche Fingerabdrücke sich auf dem Tütchen befanden, das Stellfeldt im Zimmer von Boris und Aleksandr Kusnezow gefunden hatte.
Auch wenn deutlich zu erkennen war, dass Aleksandr versuchte, den größten Teil der Schuld dem Kumpel seines Bruders in die Schuhe zu schieben, war Hackenholt doch froh, den Deutschrussen überhaupt zum Reden gebracht zu haben. Sergej würde dessen Aussage hoffentlich widerlegen, sodass die Beamten Aleksandr mehr als bloße Beihilfe nachweisen konnten.
Hackenholt fühlte sich wie gerädert, als er am Morgen ein paar Stunden später als gewöhnlich aufstand. So langsam war er verdammt urlaubsreif. Aber war er wirklich nur reif für den Urlaub? Fühlte er sich im Moment nicht vielmehr generell leer und irgendwie alt? Vielleicht nicht gerade alt, sondern eher überfordert?
Das nächtliche Gespräch mit Aleksandr Kusnezow steckte ihm noch in den Knochen. Natürlich wurde er in seinem Kommissariat ständig mit Gewalttaten und getöteten Menschen konfrontiert, doch bisher hatte er es noch nie mit einer Gruppe so junger und so kaltschnäuziger Täter zu tun gehabt. Die Erbarmungslosigkeit und Gefühlskälte, die Aleksandr an den Tag gelegt hatte, stellten eine neue Dimension dar. Hackenholt hätte gerne mit Sophie darüber gesprochen und sich von ihr Trost zusprechen lassen, doch sie hatte einen Termin mit einem Künstler, für den sie einen Katalog übersetzen sollte.
Missmutig machte sich der Hauptkommissar nach einem kargen Frühstück auf den Weg ins Präsidium. Am Telefon erfuhr er von dem Beamten, der seit dem Morgen zur vorschriftsmäßigen Bewachung an Sergejs Bett postiert war, wie es Vater und Sohn während der Nacht ergangen war. Herr Blinow atmete inzwischen wieder selbstständig, würde aber in eine Spezialklinik verlegt werden, wo er noch mehrere Sauerstoffbehandlungen in der Überdruckkammer über sich ergehen lassen musste. Sergej war in der Nacht operiert worden und vor ein paar Stunden aus dem künstlichen Koma erwacht. Er bekam starke Schmerzmittel, aber der Arzt hatte einer kurzen Befragung zugestimmt. Hackenholt, der seinen Tag nach dem nächtlichen Gespräch mit Aleksandr eigentlich anders geplant hatte, machte sich sofort auf den Weg ins Klinikum.
In der Schleuse zur Verbrennungsstation musste er sich umziehen. Das war Vorschrift wegen der enorm hohen Infektionsgefahr, die bei Brandwunden bestand. Ein Pfleger brachte ihn in Sergejs Zimmer, vor dem der Beamte saß – auch er trug grüne Klinikkleidung. Der Junge sah aufgedunsen aus, aber darauf hatte ihn der Pfleger vorbereitet. Sergej hatte in den letzten Stunden viele Infusionen bekommen, sein Körper und seine beiden Arme waren in dicke weiße Verbände gewickelt, sodass er dem Michelin-Männchen ähnelte. Hackenholt zog einen Stuhl heran und setzte sich neben den schwer verbrannten Jungen. Wegen der knapp bemessenen Besuchszeit redete Hackenholt nicht lange um den heißen Brei herum. Er belehrte ihn wie vorgeschrieben und stellte dann seine Fragen.
Da Sergej wegen der vorangegangenen Intubation und Beatmung Schwierigkeiten beim Sprechen hatte, redete er leise und mit vielen Unterbrechungen. Boris und er waren zu Jonas in die Gartenlaube gegangen, nachdem ihm seine Schwester Irina erzählt hatte, dass Jonas sie in den Nachhilfestunden belästige. In der Laube waren Boris die chemischen Geräte und vor allem die Pillen aufgefallen, die er von seinem Bruder Aleksandr kannte. Er behauptete, er könne damit für sie beide ein Vermögen verdienen, also steckten sie die Drogen ein und bedrohten Jonas, damit er ihnen noch mehr davon herstellte. Wenn er nicht gehorchte, würden sie ihn zusammenschlagen. Von Irina war plötzlich nicht mehr die Rede. In den folgenden Wochen holten sie noch zweimal Pillen bei Jonas ab. Allerdings eine wesentlich geringere Stückzahl als beim ersten Mal, was Boris ärgerte, denn er war mittlerweile gierig geworden. Sein Bruder hatte die Pillen verkauft und ihnen einen Anteil vom Gewinn gegeben. Jonas behauptete jedoch, er könne nicht mehr Pillen machen, weil das Putzmittel, das die Basis bildete, nur schwer zu bekommen sei. Anfangs hatten sie ihm die Begründung geglaubt, aber dann war Boris durch Zufall im Internet auf einen Onlinehändler gestoßen, der ebendiesen Reiniger vertrieb. Außerdem hatte er mittlerweile nachgelesen, dass man die Droge auch flüssig verwenden konnte, die Pillenherstellung also absolut unnötig war.
Sie waren in die Gartenlaube gefahren, um Jonas zur Rede zu stellen, doch hatten sie weder ihn noch seine Ausrüstung dort gefunden. Stattdessen waren sie auf Blutflecken auf dem Boden und den herumliegenden Schlafsack gestoßen. Sie waren unverrichteter Dinge wieder gegangen und wollten Jonas ein andermal auf dem Schulweg abpassen.
Dann hatte ihn, Sergej, seine Schwester Irina vorletzte Woche vom Heimweg von der Schule aus angerufen, weil sie ein Gespräch zwischen Jonas und Sara belauscht hatte. Jonas hatte gesagt, er wolle zur Polizei gehen. Deswegen fuhren er, Sergej, und Boris so schnell wie möglich nach Röthenbach. Irina wollte versuchen, Jonas unterwegs aufzuhalten.
Die beiden Jungen waren tatsächlich schneller als Jonas und passten ihn an der S-Bahn-Station Röthenbach-Seespitze ab, an der er aussteigen musste. Statt ihn jedoch nach Hause zu begleiten, spazierten sie mit ihm durch den Wald. Als sie auf ein Feld kamen, eskalierte die Situation, denn Jonas weigerte sich hartnäckig, weitere Pillen für sie herzustellen. Außerdem behauptete er, Irina schmeiße sich wie eine billige Nutte an ihn ran. Er wolle endlich seine Ruhe vor ihr haben. Daraufhin hatte er, Sergej, ihm einen Kinnhaken verpasst, Jonas war gestolpert, hingefallen und hatte angefangen zu schreien. Was dann passierte, wusste Sergej nicht mehr, aber plötzlich lag Jonas regungslos im Feld. Die beiden Freunde hatten Angst bekommen und Boris’ Bruder Aleksandr angerufen, der sofort mit dem Auto eines Kumpels gekommen war. Zusammen hatten sie die Leiche in den Transporter geladen, dann aber nicht gewusst, was sie mit ihr anfangen sollten. Also waren sie zurück nach Langwasser gefahren und hatten den Toten erst einmal im Auto gelassen.
Am nächsten Tag hatte Aleksandr dann die rettende Idee – sie war ihm bei einem Mafiafilm gekommen, den er am Abend mit ein paar Freunden angesehen hatte. Sie fuhren los, klauten ein paar Säcke Zement von einer Baustelle sowie eine große schwarze Mülltonne und brachten alles in die leere Wohnung einer Bekannten von Aleksandr. Dort betonierten sie den Toten, der schon zu stinken anfing, in die Tonne ein. Leider merkten sie erst hinterher, dass diese durch die Füllung viel zu schwer geworden war, um sie aus der Souterrainwohnung die Treppen hinaufzutragen. Sie mühten sich ab, aber es hatte keinen Zweck. Aleksandr bekam daraufhin einen Wutanfall und zertrümmerte den Stuhl in der Wohnung.
In einem großen Baumarkt in der Leyherstraße stahlen sie Werkzeug und Blumenkübel aus Plastik, wobei sie fast erwischt worden waren, dann meißelten sie den Toten wieder aus der Tonne. Das anschließende Zerstückeln der Leiche war das Ekelhafteste, was Sergej je erlebt hatte. Er selbst hatte die meiste Zeit über der Kloschüssel verbracht und war erst wieder zu den Brüdern Kusnezow gestoßen, als es um das Anrühren des frischen Zements ging.
Die Pötte hatten sie dann in einer Nacht- und Nebelaktion in den Wöhrder See geworfen. Ursprünglich hatten sie den Dutzendteich im Auge gehabt, aber dann hatte Boris behauptet, dass der im Winter abgelassen wurde.
Als Hackenholt aufschaute, sah er einen Arzt hinter sich stehen, sein Gesicht eine ausdruckslose Maske.
»Fünf Minuten«, bat er. »Ich habe nur noch zwei Fragen.«
Der Arzt nickte und ließ sie wieder allein.
»Okay, Sergej, ich verstehe aber nicht, warum ihr Jonas nicht einfach im Wald liegen gelassen habt, so wie ihr es auch mit dem Obdachlosen gemacht habt.«
Der Junge runzelte die Stirn. »Wen meinen Sie?«
»Heinrich Gruber. Dem der Schlafsack gehörte und die anderen Tüten. Davon hast du doch vorhin erzählt.«
»Aber ich hab keine Ahnung, wem die gehört haben«, widersprach Sergej. »Der Schlafsack lag da einfach rum. Als ich und Boris in die Laube kamen, war niemand dort, auch kein Penner.«
Hackenholt ließ das Gesagte so stehen. Er hoffte, die Ergebnisse der DNA-Analyse würden in diesem Punkt Klarheit bringen. Dann wechselte er das Thema und stellte die letzten beiden Fragen, die ihn so brennend interessierten. »Wo sind Jonas’ Sachen abgeblieben? Sein Rucksack und die Kleider?«
»Das haben wir alles in einen Plastiksack gestopft und nahe der Wohnung von Aleksandrs Freundin in eine Mülltonne geworfen.«
Der Ermittler nickte. »Und was habt ihr im Keller gemacht, als die Propangasflasche explodiert ist?«
»Wir wollten aus dem Putzmittel Liquid XTC herstellen. Boris hatte eine Anleitung im Internet gefunden. Sein Bruder hat ihn unter Druck gesetzt, weil er neuen Stoff brauchte.«
Hackenholt nickte erneut und stand auf. »Für den Moment ist das alles, Sergej. Ich gehe jetzt, aber es bleibt immer ein Polizist in deiner Nähe.«
Hackenholts weiterer Tagesablauf stand nach dem Besuch im Krankenhaus fest: Er würde die alten Protokolle lesen und anschließend mit Irina sprechen. Dunkel glaubte er, sich daran erinnern zu können, dass entweder Sara oder dieses andere Mädchen, auf deren Namen er gerade nicht kam, etwas über Sergejs Schwester gesagt hatte. Er musste unbedingt Irinas Rolle in dem Geflecht von Straftaten klären. Hatte Jonas sie tatsächlich belästigt, oder hatte sie nur versucht, sich an den Jungen heranzumachen, und dann ihren Bruder auf ihn gehetzt, weil Jonas nichts von ihr wissen wollte?
Eine Stunde später hatte Hackenholt die Situation wieder klar vor Augen: Jennifer mit den Playboy-Häschen war es gewesen, die sich darüber ereifert hatte, dass sich Irina an Jonas ranschmiss und er zu viel Zeit mit ihr verbrachte. Allerdings hatte sie sich auch beschwert, weil Jonas angeblich nur Augen und Ohren für Sara hatte, die wiederum bislang zu diesem Thema schwieg. Hackenholt griff schon zum Telefonhörer, doch dann hielt er einen Augenblick inne. Ob Sara inzwischen von Jonas’ Tod wusste? Die im Wöhrder See gefundenen Blumenkübel waren seit dem Wochenende groß durch die Presse gegangen. Der Name des Opfers war jedoch, soweit Hackenholt wusste, nicht bekannt geworden, aber hatten Jugendliche nicht ihr eigenes Netzwerk für Informationen, das auch in den Ferien funktionierte?
Hackenholt wählte Saras Handynummer. Sofort sprang die Mailbox an. Er legte auf und versuchte es eine Viertelstunde später noch einmal. Wieder meldete sie sich nicht persönlich, sodass er ihr nur eine Nachricht mit der Bitte um Rückruf hinterlassen konnte. Hoffentlich war sie nicht mit ihren Eltern in den Urlaub gefahren und hatte ihr Handy zu Hause gelassen. Aber war das realistisch? Eine Jugendliche, die ohne Telefon verreiste? Wohl eher nicht. Vor allem da die Anbieter gerade erst von der Kartellbehörde gezwungen worden waren, die Kosten für Auslandsgespräche zu senken. Außerdem hätte Sara ihm doch sicher von einem Urlaub erzählt, als sie sich vorgestern nach der Verfolgungsjagd in der Erler-Klinik unterhalten hatten. Er musste es einfach später erneut versuchen.
Gemeinsam mit Saskia Baumann machte er sich schließlich auf den Weg in die Giesbertsstraße. Zwar hatte er ursprünglich vorgehabt, Wünnenberg mitzunehmen, da der auch bei Aleksandrs nächtlichem Verhör dabei gewesen und somit bestens informiert war, doch jetzt überwog beim Hauptkommissar das Gefühl, dass es für Irina vielleicht leichter sein würde, mit einer anderen Frau zu reden – selbst wenn die kein Deutsch, sondern nur Fränkisch sprach. Außerdem hatte sie Baumann schon bei dem Gespräch in der Schule kennengelernt.
Noch während Hackenholt das Auto parkte, ging die Haustür auf und Irina kam herausgelaufen. Sie trug enge schwarze Röhrenjeans und modische Leo-Print-Ballerinas. Unter den Arm hatte sie sich eine große schwarze Kunstledertasche geklemmt. Zielstrebig ging sie den Fußweg entlang Richtung Bushaltestelle. Das durfte ja wohl nicht wahr sein! Hackenholt hatte extra angerufen und ihren Besuch angekündigt. Schnell stieg er aus und lief dem Mädchen hinterher. Als er nur noch wenige Schritte von Irina entfernt war, rief er ihren Namen. Ruckartig fuhr sie herum.
»Wohin gehst du? Wir möchten uns gerne mit dir und deiner Mutter unterhalten. Es ist wichtig.«
»Ich bin mit einer Freundin verabredet«, antwortete das Mädchen trotzig.
»Ich weiß, dass es für dich eine schwierige Zeit ist, Irina, aber wir müssen mit dir reden. Aleksandr Kusnezow und dein Bruder haben uns einiges erzählt, und dazu möchten wir von dir noch eine Bestätigung haben.«
Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Bei der Erwähnung von Aleksandr war sie bleich und kurz darauf feuerrot geworden. Ohne dem Hauptkommissar eine Antwort zu geben, drehte sie sich mit gesenktem Kopf um und ging zum Haus zurück. Hackenholt und Baumann folgten ihr.
»Mama?«, rief das Mädchen, sobald sie die Wohnungstür aufgesperrt hatte. »Die Leute von der Polizei sind da.«
Frau Blinow steckte den Kopf aus der Küchentür. Sie musterte ihre Tochter eingehend. »Wo kommst du jetzt her? Ich habe dir doch verboten wegzugehen!« Ihr Ton war nicht sonderlich freundlich. Rasch trocknete sie sich die Hände an einem Lappen ab. »Kommen Sie ins Wohnzimmer«, sagte sie an die Beamten gewandt.
Hackenholt ließ den drei Frauen den Vortritt. Er wollte sich so weit wie möglich im Hintergrund halten. Baumann sollte das Gespräch führen, doch Frau Blinow machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Sie warf der jungen Polizistin einen abschätzigen Blick zu und schaute dann demonstrativ Hackenholt an.
»Also, was wollen Sie wissen? Sie haben am Telefon gesagt, es geht um Irinas Nachhilfelehrer.«
Hackenholt schaltete sein Diktiergerät ein und belehrte Mutter und Tochter über ihr Zeugnisverweigerungsrecht.
»Wir haben ja nichts getan«, erwiderte die Mutter im Brustton der Überzeugung.
»Jonas Petzold wurde ermordet, Frau Blinow. Er wurde totgeprügelt, seine Leiche zerstückelt, in Blumenkübel einzementiert und anschließend in den Wöhrder See geworfen.«
Frau Blinow machte ein schockiertes Gesicht, sah dann zu Irina und sagte: »Davon hast du mir ja gar nichts erzählt.«
Ihre Tochter blickte stumm zu Boden. Sie hatte auf die Nachricht keine Reaktion gezeigt.
Als Hackenholt Frau Blinow über die bisherigen Ermittlungsergebnissen ins Bild setzte, schoss sie wie von der Tarantel gestochen vom Sofa auf. »Das ist eine Lüge! Sergej würde niemals bei so etwas mitmachen. Außerdem kannte er den Nachhilfelehrer nicht einmal.«
Hackenholt ging nicht darauf ein, sondern sah Irina an. »Wie war das Verhältnis zwischen dir und Jonas?«
Sie zuckte stumm mit den Schultern. Ohne aufzuschauen, sagte sie nach einer Weile, als die Stille im Raum drückend wurde: »Gut.«
»Uns wurde erzählt, Jonas sei zudringlich geworden.«
Frau Blinow riss die Augen auf und sah zwischen Hackenholt und ihrer Tochter hin und her. Dann sagte sie etwas auf Russisch, und die Tochter antwortete.
Hackenholt seufzte. »Könnten Sie sich bitte auf Deutsch unterhalten?«
»Ich habe sie gefragt, ob das stimmt, und sie hat Ja gesagt«, übersetzte die Mutter.
»Kannst du uns mehr darüber erzählen?«, bat Hackenholt.
Irina schüttelte den Kopf. Die Mutter redete auf sie ein.
»Aleksandr hat uns gesagt, Sergej und Boris wollten Jonas verprügeln, damit er dich in Ruhe lässt.«
Zwischen Mutter und Tochter entspann sich ein Wortgefecht – natürlich wieder auf Russisch. Warum hatte er nur keinen Dolmetscher mitgenommen? Hackenholt ärgerte sich. Zumindest konnte er die Tonbandaufzeichnung des Gesprächs im Nachhinein übersetzen lassen. Ein kleiner Trost. Plötzlich begann Irina zu weinen. Frau Blinow holte aus und gab ihr eine schallende Ohrfeige. Der Hauptkommissar ging dazwischen, zerrte sie von der Tochter weg, hielt ihr eine Standpauke und schickte sie schließlich aus dem Zimmer, da sie sich mehr und mehr in Rage redete.
»Wos issnern bassierd, Irina?« Baumann setzte sich zu dem Mädchen auf das Sofa.
»Jonas hat mir Nachhilfe in Mathe gegeben. Da war ich noch nie gut drin, aber dieses Jahr bin ich richtig schlecht geworden und habe gleich in der ersten Arbeit eine Fünf geschrieben und dann eine Sechs. Mein Mathelehrer hat mir gesagt, dass ich mehr tun muss und am besten Nachhilfe nehmen soll. Aber meine Eltern verdienen nicht viel Geld, deshalb hat er mich in der Pause Jonas vorgestellt. Der hat nicht so viel verlangt, weil er selbst noch Schüler war. Er hat mir geholfen, und auf einmal hat es in Mathe richtig gut geklappt.« Sie schluckte. Ihre Stimme veränderte sich. »Aber dann hat er plötzlich immer so zweideutige Sachen gesagt und wollte sich mit mir treffen. Außerdem hat er ein paarmal versucht mich anzufassen und sich immer ganz nah neben mich gesetzt.«
»Die Nachhilfe, wo habt ihr die eigentlich abgehalten?«, fragte Hackenholt, da Irina schwieg. »Immer in der Schule?«
Sie nickte. »Ich wollte das ja alles nicht, und deswegen habe ich mich auch nie woanders mit ihm getroffen. Nie.«
»Und die Gartenlaube?«
»Die kenne ich nicht«, sagte Irina schnell. Zu schnell. Als ob die überstürzte Antwort nicht schon genügt hätte, verriet auch das flammende Rot, das ihr ins Gesicht schoss, ihre Lüge. Sie merkte es selbst und begann wieder zu weinen.
»Isd es vielleichd a so gwesn, dass du dich bei die Nåchhilfeschdundn in den Jonas verliebd hasd, obber dass er kei Inderesse ghabd hadd?«, fragte Baumann in für ihre Verhältnisse fast annähernd perfektem Hochdeutsch, das Hackenholt völlig aus dem Konzept brachte.
Einen langen Moment herrschte völlige Stille im Zimmer. Irina weinte noch immer. Schließlich nickte sie.
»Aber warum hast du deinem Bruder dann erzählt, er würde dich belästigen?«
»Ich wollte es Jonas heimzahlen. Die ganze Zeit hatte er nur Augen und Ohren für diese Sara. Dabei ist sie eine dumme, eingebildete Kuh. Ich habe sie beide zusammen in der S-Bahn gesehen. Er hat sie sogar mit in den Schrebergarten genommen, aber mit mir ist er da nie hingegangen!« Ihre Stimme klang tatsächlich empört.
»Und als Jonas zur Polizei gehen wollte? Hast du da das Gespräch zwischen Jonas und Sara belauscht, anschließend deinen Bruder angerufen und Jonas dann auf dem Heimweg aufgehalten?«
Irina sah Hackenholt trotzig an. »Die beiden haben ja nicht mal gemerkt, dass ich direkt hinter ihnen gestanden bin, als sie sich an der Haltestelle unterhalten haben. Was hätte ich denn sonst machen sollen? Wenn Jonas zur Polizei gegangen wäre, hätte er Boris und Sergej angezeigt! Und dass so etwas für uns Russen immer schlecht ausgeht, das sieht man ja an Aleksandr. Der wurde schon so oft eingesperrt, obwohl er überhaupt nichts dafür gekonnt hat.«
Einen Augenblick lang fühlte sich Hackenholt ungemein erleichtert, weil ihn sein Bauchgefühl doch nicht betrogen hatte. Jonas war kein heimliches Sexmonster gewesen, das sich während der Nachhilfestunden an Irina herangemacht und sie missbraucht hatte. Doch im nächsten Augenblick war seine Erleichterung auch schon wieder verflogen, da er den Tatsachen ins Auge sehen musste, die aus diesem Eingeständnis folgten: Das vor ihm sitzende junge Mädchen hatte zu Straftaten beigetragen, die sie mehrere Jahre hinter Gitter bringen würden.
Am Nachmittag meldete der Pförtner eine Besucherin für Hackenholt. Es war Sara. Sie hatte seine Bitte um Rückruf auf ihrer Mailbox abgehört und war vorbeigekommen, da sie lieber von Angesicht zu Angesicht mit ihm reden wollte. Allerdings bat sie ihn, gemeinsam durch die Fußgängerzone zu schlendern, sie hielt sich im Moment nicht gerne in geschlossenen Räumen auf.
»Du weißt inzwischen, was passiert ist, nicht wahr?«, eröffnete Hackenholt das Gespräch, während sie langsam in Richtung Jakobskirche mit ihrem typisch spitzen fränkischen Turm gingen.
Sara blieb vor einem Pflasterstein stehen, in den ein Name eingraviert war. Er gehörte zu einem Bodendenkmal in der Fußgängerzone, das an die Nürnberger HIV-Opfer und das zwanzigjährige Bestehen der AIDS-Hilfe erinnern sollte.
»Es ist so unvorstellbar, was sich Menschen gegenseitig antun können«, sagte sie leise. »Bisher hatte ich das offenbar noch gar nicht richtig begriffen. Jonas war so ein netter und hilfsbereiter Mensch.« Ihre Stimme brach. »Warum haben Sie bei mir angerufen?«, fragte sie nach ein paar Minuten.
»Ich wollte etwas von dir wissen, aber das hat sich inzwischen erübrigt. Ich habe schon eine Antwort gefunden.«
»Was wollten Sie denn wissen?«
»Ob Jonas in dich verliebt war, oder ob es ein anderes Mädchen in eurer Schule gab, für das er Gefühle hegte.«
Sara biss sich auf die Unterlippe. »Jonas hat in jedem immer nur den Kumpel gesehen, auch in mir. Aber ich glaube, ich war in ihn verliebt.«
Die Kollegen saßen am Besprechungstisch, Wünnenberg hatte Kaffee gekocht, der aus der neuen Maschine viel besser schmeckte, Mur zerlegte wieder mal Kugelschreiber, und Stellfeldt verteilte Sonnencreme auf seiner Glatze. Anscheinend hatte es Saskia Baumann nicht mehr länger mit ansehen können, wie sich sein Kopf von Tag zu Tag stärker rötete, und ihm eine Tube spendiert.
Gemeinsam gingen sie die bisher gesammelten Erkenntnisse durch, um die letzten losen Enden zusammenzufügen, was ihnen alles in allem auch ganz gut gelang.
»Wenn ich es richtig verstanden habe«, fasste Stellfeld das Geschehen noch mal in groben Zügen zusammen, »dann hat Irina ihren Bruder auf Jonas gehetzt, weil er nichts von ihr wollte.«
Hackenholt nickte.
»Aber warum haben Sergej und Boris schon fertige GHB-Pillen in der Laube gefunden, als sie zum ersten Mal dorthin gingen, um Jonas zu verprügeln?«
»So stellt es Sergej dar, aber da glaube ich nicht dran. Warum sollte Jonas aus freien Stücken Drogen hergestellt haben und diese dann in der Laube herumliegen lassen? Dafür gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte. Ich denke, es war vielmehr so, dass die beiden Deutschrussen Jonas’ Apparaturen in der Laube gesehen haben und dieser Anblick sie überhaupt erst auf die Idee gebracht hat, Jonas zu erpressen, Drogen für sie herzustellen. Allerdings ist es durchaus möglich, dass es Jonas war, der sich für Liquid Ecstasy entschieden hat, weil man verhältnismäßig leicht an die notwendigen Grundstoffe herankommt. Vielleicht hat es ihn am Anfang sogar ein bisschen gereizt, sein Können auszutesten, denn warum hätte er sich sonst die Mühe machen sollen, die wesentlich aufwendigeren Pillen herzustellen?«
»Und als Jonas dann kalte Füße bekam und aus der Sache aussteigen wollte, hatte er das Pech, dass Irina sein Gespräch mit Sara zufällig belauscht und dann ihren Bruder angerufen und gewarnt hat, woraufhin dieser und Boris Jonas in der Bahn abgepasst und mit ihm einen Spaziergang zu dem abgelegenen Feld gemacht haben, wo die Situation eskaliert ist.«
Hackenholt nickte erneut. »Die Version werden wir nicht widerlegen können. Dr. Puellen konnte bei der Obduktion nicht eindeutig feststellen, ob Jonas durch Tritte und Faustschläge oder mittels eines eigens dafür mitgebrachten Gegenstands, wie zum Beispiel einem Baseballschläger, zu Tode geprügelt wurde.«
»Aber wie passt der tote Obdachlose in die Geschichte?«, kam Stellfeldt auf die letzte Ungereimtheit zu sprechen.
»Ich denke, der war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.« Für die Ergebnisse der DNA-Analyse war es noch zu früh, aber Hackenholt war zuversichtlich, den Jugendlichen auch die an Heinrich Gruber begangenen Straftaten nachweisen zu können.
»Hast du Lust, heute Abend mit in deine Wohnung zu kommen und unseren Männerabend von letzter Woche nachzuholen?« Wünnenberg sah Hackenholt fragend an.
»Stimmt, den hatte ich schon ganz vergessen. Wir wollten ja ein bisschen Platz für dich schaffen.«
»Weißt du, was ich mir überlegt habe?« Wünnenberg räusperte sich. »Natürlich nur, wenn es dir in den Kram passt und du wirklich ausziehen willst.«
Hackenholt betrachtete seinen Kollegen aufmerksam.
»Also, wenn du die Wohnung sowieso aufgeben willst, dann könnte ich sie doch übernehmen – vorausgesetzt natürlich, der Vermieter ist damit einverstanden. Dann bräuchte ich nicht umständlich nach einer anderen zu suchen, und ein paar von deinen Möbeln würde ich auch behalten. Ich habe mich in deinen vier Wänden immer ziemlich wohl gefühlt. Und weil es eine Dreizimmerwohnung ist, könnten wir die Sachen, die du noch nicht mit zu Sophie mitnehmen kannst, im kleinen Zimmer lagern. Dann musst du keinen Containerplatz anmieten, und alles ist trotzdem gut aufgehoben.«
Hackenholt, den es insgeheim schrecklich vor der bevorstehenden Entrümpelung und Renovierung seiner Wohnung gegraust hatte, setzte ein breites Grinsen auf und rief sofort Sophie an, um ihr mitzuteilen, dass er am Abend mit seinem Kollegen in seiner alten Wohnung Klarschiff machen wollte und sie nicht auf ihn zu warten bräuchte.