16. KAPITEL
Makri wartet vor der Zelle auf mich.
»Hast du was rausgekriegt?«
»Allerdings«, gebe ich zurück. »Aber es gefällt mir nicht besonders.«
Lady Yestar kommt uns vor dem Hintereingang des Palastes entgegen. Sie schickt ihre Dienstboten weg und begrüßt uns. Dann erkundigt sie sich, ob ich immer noch hoffe, Eliths Unschuld beweisen zu können, was ich bejahe. Sie durchbohrt mich mit ihrem Hellseher-Blick.
»Tut Ihr nicht«, erklärt sie dann.
»Ich versuche es zumindest.«
Lady Yestar wendet sich an Makri. »Macht meine Tochter Fortschritte?«
»Sehr gute.«
»Mir ist aufgefallen, dass sie sehr müde ist, wenn sie nachts in den Palast zurückkehrt.«
»Wir üben sehr hart.«
»Mir ist weiterhin aufgefallen, dass ihre Kleider zerfetzt und ihre Augen verweint waren und sie dringend der Künste eines Heilers bedurfte.«
Makri wackelt ein bisschen unbehaglich mit ihren goldigen Zehen. »Wir üben sehr hart«, wiederholt sie ihr Mantra.
Lady Yestar nimmt das mit einem Nicken zur Kenntnis. »Bitte vergesst nicht«, fügt sie hinzu, »dass Isuas ein sehr zartes Kind ist. Ich erwarte nicht, dass sie tatsächlich einen Kampf gewinnen könnte. Wir wären Euch schon dankbar, wenn Ihr sie ein bisschen kräftigen könntet.«
»Aber natürlich.« Makri ist erleichtert. »Genau darauf zielen unsere Übungen ab.«
Isuas trottet aus dem Palast. Die junge Elfe ist zwar nicht mehr so lernbegierig wie noch vor ein paar Tagen, aber sie macht keinerlei Anstalten, das Handtuch zu werfen, sondern begrüßt Makri strahlend. Die beiden machen sich auf den Weg.
»Es wird Euch sicher freuen zu erfahren, dass sowohl Vizekonsul Zitzerius als auch Prinz Dös-Lackal ihre Genugtuung darüber geäußert haben, dass Ihr und Makri in meiner Gunst steht«, teilt mir Lady Yestar mit, als ich mich ebenfalls verabschieden will. »Natürlich habe ich ihnen nicht genau erklärt, was Makri für mich tut.«
»Ich bin tatsächlich sehr erfreut. Das hält mir die beiden vielleicht vom Hals.«
Lady Yestar nimmt diesen eher ungewohnten Ausdruck mit einem Lächeln zur Kenntnis. »Nach ihrer vorherigen Konversation würde ich sagen, dass da durchaus die Gefahr bestand, dass sie Euch ›an den Hals springen‹ würden, und zwar in einem eher …«
»Großen Stil?«
»Sehr richtig. Es gibt in Turai wohl viele Leute, mit denen Ihr Euch gut stellen müsst? Und es würde Euch das Leben gewiss erheblich erschweren, wenn sowohl der Prinz als auch der Vizekonsul zu Euren Feinden zählten, habe ich Recht?«
»Sehr erschweren, Lady Yestar. Der Prinz kann mich überhaupt nicht leiden, was nur gerecht ist. Schließlich kann ich ihn noch weniger leiden. Aber mit Zitzerius will ich es mir nicht verderben. Er hat mir in der Vergangenheit oft geholfen, wenn auch nur, weil ich ihm geholfen habe. Ich kann nicht behaupten, dass er mein Busenfreund ist, aber er ist sehr ehrlich für einen wichtigen Politiker, und man kann auch nicht abstreiten, dass er so spitz wie ein … ein, ahm,…«
Ich verstumme.
»So spitz wie ein Elfenohr?«, beendet Lady Yestar den Satz. Sie lacht. »Dieser Menschenausdruck hat mir immer schon gefallen.«
Ich lehne zögernd eine Einladung zum Essen mit dem Verweis auf meine Arbeit ab und gehe wieder zu den Zellen, um mich mit Elith zu unterhalten. Eines hasse ich an diesem Detektivdasein: dass man immer wieder aus Zeitmangel Gelegenheiten auf ein paar Häppchen ausschlagen muss.
Und dann erweist sich meine Sitzung mit Elith auch noch als kurz und deprimierend. Sie hat ihr Schicksal akzeptiert. Ich sage ihr, dass sie das kaum aus dem Gefängnis herausbringen wird.
»Ich habe nicht den Wunsch, freigelassen zu werden.«
»Euer Vater schon, und für den arbeite ich. Also kommen wir zur Sache. Ich weiß, was hier los ist. Ich habe mit Lithias gesprochen, einem Elf, den Ihr sicherlich aus Eurer Drogenvergangenheit gut kennt. Spart Euch die Einwände, ich weiß alles darüber. Habt Ihr deswegen so hartnäckig geschwiegen? Weil Ihr nicht wolltet, dass Euer stolzer Vater erfährt, dass Ihr zu den Pionieren des Boah-Konsums hier auf Avula gehört? Übrigens herzlichen Glückwunsch. Ihr habt einen Weg gefunden, seine Wirkung auf alle Elfen auszudehnen. Wirklich genial. Wessen Idee war es, das Boah mit dem Hesuni-Wasser zu vermischen?«
Elith ist aufgestanden und blickt jetzt aus dem Fenster.
»Anscheinend bereitet Euch das nicht die geringsten Probleme. Ihr habt in dieser kurzen Zeit eine sehr starke Abhängigkeit entwickelt. Ich hab mich schon gewundert, warum Ihr Euer Ehrenwort Lord Khurd gegenüber gebrochen und den Palast verlassen habt. Ihr konntet anscheinend einfach nicht abwarten, die nächste Dosis zu bekommen.«
Elith wirbelt herum. Ihre Augen blitzen vor Ärger. »Das ist nicht wahr. Ich musste Gulag sehen. Ich musste in Erfahrung bringen, ob er mich tatsächlich beschuldigt hatte, den Hesuni-Baum beschädigt zu haben.«
»Und nachdem Ihr herausgefunden habt, dass er es getan hat, habt Ihr ihn umgebracht?«
»Ja.«
»Warum erzählt Ihr mir nicht einfach die ganze Geschichte? Ihr könnt ohnehin nicht verhindern, dass Schande auf Eure Familie oder die von Gulag fällt.«
»Gulag hatte mit dieser Affäre nichts zu tun.«
»Affäre trifft es ziemlich genau. Warum habt Ihr mir nicht vorher erzählt, dass Ihr eine Beziehung mit ihm hattet?«
»Weil es für den Baumpriester verpönt ist, jemanden außerhalb seiner eigenen Familie zu heiraten. Sie wäre entehrt worden.«
»Und Ihr meint, das hier zählt nicht als Schande?«
»Ich erwarte ja gar nicht, dass Ihr das versteht«, meint Elith verächtlich.
»Ich werde nicht aufgeben, Elith. Ihr seht ja, wie weit ich schon gekommen bin. Ich werde die ganze Wahrheit aufdecken. Das schulde ich Eurem Vater.«
Elith zuckt mit den Schultern. Es ist eine kaum wahrnehmbare Geste, die den Grad ihrer Gleichgültigkeit unterstreicht.
»Ich bin dessen überdrüssig, Detektiv. Ihr könnt nichts für mich tun, und es wäre mir lieber, wenn Ihr mich meinen Gedanken überlassen würdet. Werdet Ihr mich in Ruhe lassen, wenn ich Euch meine Geschichte erzähle?«
»Ja.«
»Gut. Ich bin durch meinen Cousin Eos mit Boah in Berührung gekommen. Damals war ich sehr unglücklich, weil Gulag gerade zum Hohen-Baum-Priester berufen worden war und unsere Beziehung deswegen enden musste. Gulag hätte es außerordentlich missbilligt, wenn er von meiner Sucht erfahren hätte. Zuerst habe ich mich durch die Droge zwar besser gefühlt, aber danach hat sie mich in den Wahnsinn gestürzt. Als ich mir eines Tages meine Dosis holen wollte, bin ich neben dem Baum ohnmächtig geworden. Als ich wieder aufwachte, war der Baum beschädigt. Ich konnte mich zwar nicht erinnern, etwas getan zu haben, aber mittlerweile wussten bereits viele Elfen, dass ich mich häufig merkwürdig benommen hatte. Ich bekam Arrest, während die Angelegenheit untersucht wurde. Und dort erfuhr ich auch, dass der Hauptbelastungszeuge gegen mich Gulag war. Derselbe Gulag, der mehr als ein Jahr mein Liebster gewesen war. Ich konnte nicht glauben, dass er mir so etwas antun würde. Im Gegenteil, ich erwartete, dass er mich unterstützen würde.
Er hat mich aber nicht einmal besucht. Sein Bruder schon, und Lasses war wirklich sehr nett zu mir. Aber ich musste Gulag wiedersehen. Und ich will auch gern gestehen, dass ich wieder Boah brauchte. Wie Ihr seht, bin ich es nicht wert, dass man sich für mich einsetzt. Ich habe den Tod verdient. Jedenfalls habe ich den Palast verlassen und mehr von der Droge genommen. Dann bin ich losgegangen und habe Gulag gesucht. Er war alles andere als froh, mich zu sehen. Er hat mich beschimpft und meinte, mein Verhalten bedrohe seine Stellung als Baumpriester, erklärte, dass er sich niemals mit mir eingelassen hätte, wenn er gewusst hätte, in was ich so alles verwickelt gewesen wäre. Er sagte, keine Person, die das Wasser des Hesuni-Baums mit einer fremden Droge entweiht hätte, wäre es wert, weiterzuleben. Und dann sagte er mir noch, er habe mich nie geliebt und wäre froh, dass ich im Gefängnis säße. Ich war noch wie von Sinnen von dem Boah und habe nach dem Messer gegriffen, das auf dem Boden lag, und ihn erstochen. Das ist die ganze Geschichte. Alles, was gegen mich vorgebracht wird, entspricht der Wahrheit. Und mein Tod wäre für alle das Beste.«
Eine Träne quillt aus ihrem Auge, aber sie wischt sie schnell weg und weigert sich standhaft zu weinen.
Ich möchte ihr zwar noch einen ganzen Haufen Fragen stellen, aber Elith weigert sich weiterzureden.
»Ich habe nichts mehr zu sagen, und ganz gleich wie oft Ihr noch kommt, ich werde nichts mehr zu sagen haben. Bitte geht jetzt.«
Ich lasse sie allein und klettere vor dem Palast auf die Lichtung hinunter. In der Nähe singt ein Chor. Zwei Jongleure gehen vorbei und üben im Gehen. Über meinem Kopf kreischen fröhlich Papageien. Drei Schauspieler in ihren weißen Umhängen tauchen zwischen den Bäumen auf und deklamieren ausdrucksvoll ihre Texte. Einige Elfenkinder laufen vorbei und lachen und quietschen vor Freude, als sie all diese Vorbereitungen für das Fest sehen. Es soll in zwei Tagen anfangen. Auf Avula herrscht eitel Sonnenschein.
Und ich kann mich nicht erinnern, wann ich jemals eine so miese Stimmung gehabt habe. Ich starre den Hesuni-Baum an, und als ich noch einmal die Geschichte überdenke, die ich meinem Freund Vases-al-Gipt erzählen muss, überkommt mich der unzähmbare Drang, ihn einfach zu fällen, weil er die Tochter meines Freundes in eine solche Lage gebracht hat. Noch dazu in eine Lage, aus der nicht einmal ich sie, wie es scheint, befreien kann.
Ich gehe den Pfad entlang zu der Koppel, auf der ich mein Pferd gelassen habe. Als ich dem Pferdeknecht eine Münze hinhalte, lehnt er sie angewidert ab. Zu spät fällt mir ein, dass Makri mir ja erzählt hat, es wäre unter den Elfen verpönt, Geld dafür zu nehmen, wenn sie sich um Pferde kümmern. Dieses Erlebnis verschlechtert meine Laune noch mehr.
Ich reite eine Weile dahin, bis der Pfad auf den Weg stößt, der die Insel umkreist. Unmittelbar vor dieser Kreuzung kommt ein Reiter auf mich zu. Er hält ein Schwert in der Hand. Verblüfft sehe ich zu, wie er näher kommt. Nach den Erfahrungen mit den maskierten Elfen erwarte ich eigentlich, dass er sich in Luft auflöst. Aber das tut er nicht. Er kommt immer näher. Trotz seiner Kapuze gewinne ich den Eindruck, dass es sich hier eher um einen Menschen als einen Elfen handelt. Ich ziehe mein Schwert. Zwar ist der Schwertkampf zu Pferde nicht gerade meine Spezialität, aber die Kampferfahrung in der Armee hat mich gelehrt, nichts Überstürztes zu tun. Als mein Angreifer direkt vor mir ist, versucht er, mich mit einem gewaltigen Hieb zu Boden zu schlagen. Ich pariere diesen Angriff mit Leichtigkeit, und während er vorbeireitet, schlage ich ihm das Schwert in den Nacken. Er rutscht aus dem Sattel. Tot.
Verwirrt betrachte ich den Leichnam einen Moment. Das Ganze hat nur wenige Sekunden gedauert. Ich schlage seine Kapuze zurück, betrachte das gebräunte Gesicht des Kerls und suche in seinen Taschen nach einem Hinweis auf seine Identität, kann aber nichts finden. Er ist einfach nur ein geheimnisvoller Reiter, der mich töten wollte. Und sich dabei nicht gerade geschickt angestellt hat. Er sieht aus wie ein ganz gewöhnlicher gedungener Schläger aus irgendeiner beliebigen Stadt im Westen.
Ich reite weiter und lasse den Leichnam einfach liegen. Soll doch jemand anders sich um die notwendigen Formalitäten kümmern. Ich bin nicht weit von der Lichtung entfernt, auf der Makri Isuas unterweist. Ein Stück davor steige ich ab und schleiche mich wieder an. Makri steht mitten auf der Lichtung Isuas gegenüber. Auch wenn sie das Mädchen bisher nicht umgebracht hat, scheint sie nicht allzu weit davon entfernt zu sein. Ihre Miene ist grimmig, und ihre Stimme versprüht Gift.
»Du stinkende, kleine Elfen-Vaginux!«, schnaubt sie. »Jetzt geht es zu Ende! Du wolltest meine Orgk-Klinge ausprobieren? Hier …« Makri zieht sie aus der Scheide auf ihrem Rücken und wirft sie Isuas zu. Die fängt das Schwert geschickt am Griff auf und steht dann etwas verlegen da. Die gefährlich wirkende Waffe deutet mit der Spitze zu Boden.
»Jetzt bringe ich dich um!«, zischt Makri und zieht ihr zweites Schwert.
»Wa … wa … wie bitte?« Isuas fängt an zu zittern.
»Du hast mich genau verstanden, du kleiner Rotzlöffel. Ich werde dich umbringen. Glaubst du wirklich, dass ich hier bin, weil ich ein Elfen-Kumpel bin?«
Sie spuckt der Königstochter ins Gesicht. Isuas schüttelt sich, als hätte der Seuchenspender sie berührt.
»Denk doch einfach nach, Vaginux«, knurrt Makri. »Meine Sympathie gehört den orgkischen Regionen. Ich wurde ausgeschickt, um Verheerung unter ihren Feinden anzurichten, und alles, was ich seitdem getan habe, hatte das Ziel, die Elfeninseln zu vernichten. Und du bist die Erste, die sterben wird. Danach stecke ich deinen Kopf auf eine Pike und werde dann deine Mama schlachten wie ein Schwein, wie das Elfenschwein, das sie auch ist. Und anschließend brenne ich den Baumpalast nieder.«
Makri hat eine Grauen erregende Miene aufgesetzt, stößt ein fürchterliches Brüllen aus und hechtet vor. Isuas springt zurück, um dem mörderischen Schlag auszuweichen.
Ich beobachte den Kampf mit fachmännischem Interesse. Sorgen, dass Makri Isuas tatsächlich umbringen könnte, hege ich nicht. Wenn sie das gewollt hätte, dann wäre bereits ihr erster Schlag im Ziel gelandet. Aber ich bin von ihrer Vorstellung beeindruckt. Die naive Isuas hat natürlich keinen Schimmer von der Boshaftigkeit der Welt außerhalb ihrer kleinen Insel. Sie glaubt ganz fest, dass Makri ihr jetzt den Kopf abschneiden will, und ergreift Maßnahmen, die ihr geeignet erscheinen, das zu verhindern. Plötzlich scheint sie zu vergessen, wie ungeschickt, schwach und unbeholfen sie ist, pariert Makris Schläge ganz passabel und startet sogar einen Gegenangriff.
Man merkt Makri nicht an, dass sie nur herumspielt, als sie jetzt ihre junge Kontrahentin mit heftigen Schlägen eindeckt. Begleitet werden sie von gotteslästerlichen Beschimpfungen, die Isuas derartig auf die Palme bringen, dass sie schließlich den uralten Kampfruf ihres Clans ausstößt und einen wahren Hagel von Schlägen auf Makri loslässt, die zwar nicht alle in vollendeter Technik dargeboten werden, an Enthusiasmus jedoch nichts mehr zu wünschen übrig lassen.
Makri hält Isuas’ Klinge mit dem Fingerschutz ihres eigenen Schwertes fest und schleudert es dann zur Seite. Daraufhin tritt sie der jungen Elfe in den Unterleib. Isuas landet schwer getroffen im Gras.
»Stirb, Vaginux!«, brüllt Makri und hebt ihr Schwert hoch in die Luft. Isuas schüttelt die Wirkung des Trittes mit einem Schrei ab, rollt sich rasch zur Seite, springt auf, schnappt sich einen armdicken Ast und stürzt sich doch tatsächlich mit dieser etwas hölzernen Waffe auf Makri, um ihr das Hirn herauszuprügeln. Makri erwischt die junge Elfe am Handgelenk und hält ihr die Spitze ihres Schwertes an die Kehle. Ihr Blick ist blankes Eis. Isuas kann sich nicht mehr rühren, starrt ihre Widersacherin aber trotzig an.
»Orgk-Schwein-Vaginux!«, zischt sie und spuckt Makri ins Gesicht.
Makri nickt anerkennend und packt Isuas’ Kehle. Erneut gibt sie ein Beispiel ihrer erstaunlichen Kraft, als sie die junge Elfenprinzessin scheinbar mühelos in die Luft hebt und sie dann zu sich zieht, bis sich ihre Nasenspitzen beinah berühren.
»Das ist schon ein bisschen besser«, sagt Makri vollkommen gelassen. Dann lässt die Isuas einfach stehen.
Isuas begreift immer noch nicht, wie ihr eigentlich geschieht, schnappt sich rasch das Orgk-Schwert und stürzt sich auf Makri, die achtlos davonschlendert.
Und urplötzlich herumwirbelt. Die unglaubliche Geschicklichkeit und Präzision, mit der sie diesen tödlichen Hieb mit ihren Metallarmbändern abwehrt, verblüfft selbst mich immer wieder. Dann schlägt sie Isuas das Schwert aus der Hand und hebt die junge Elfe wieder an der Kehle in die Luft.
»Gut gemacht«, lobt sie ihre Schülerin, die sichtlich unwohl herumzappelt. »Zögere nie, einem Gegner in den Rücken zu fallen. Endlich hast du es kapiert. Du hast dir fünf Minuten Pause verdient.«
Mit diesen Worten schleudert sie Isuas in den nächsten Busch, der ihren Aufprall abfängt, und sammelt ihre Schwerter ein. Ich betrete die Lichtung.
»Das läuft ja großartig, Makri. Wenn wir Glück haben, dann hat sie bis zum nächsten Mal ihren hysterischen Anfall überwunden.«
Makri zuckt mit den Schultern. »Das schafft sie schon. Sie macht sogar ganz gute Fortschritte, jedenfalls an ihrem Maßstab gemessen. Und was führt dich hierher?«
»Ich wurde gerade von einem geheimnisvollen Reiter angegriffen. Ein Mensch, kein Elf. Ich musste ihn umbringen. Ist euch hier etwas Merkwürdiges aufgefallen?«
Makri schüttelt den Kopf.
»Das klingt so, als würdest du allmählich jemandem auf die Pelle rücken, Thraxas.«
»Scheint so. Was es auch immer nützen mag.«
Ich gestehe Makri, dass ich nach dem Gespräch mit Elith kaum noch glauben kann, sie aus dieser Sache herauszubekommen. »Sie hat es getan. Schluss aus.«
»Und jetzt?«
»Vermutlich stochere ich noch weiter herum. Vielleicht lässt Lord Khurd ja Gnade walten, wenn ich alle Einzelheiten der Taten vor ihm ausbreiten kann. Immerhin stand Elith unter dem Einfluss von Boah, als sie Gulag getötet hat, und außerdem hatte sie eine Menge Stress.«
Aber meine Worte klingen selbst in meinen Ohren wenig überzeugend. Ich brauche ein Bier. Vielleicht auch ein paar gute Neuigkeiten. »Weißt du, dass die Quote fünfzig zu eins steht, wenn sie die erste Runde des Turniers schafft?«
»Wie sollten wir denn auf sie wetten? Bisher ist nicht einmal ihre Teilnahme offiziell bekannt gegeben worden. Es soll doch ein Geheimnis bleiben.«
Ich setze Makri davon ins Bild, dass ich einige diskrete Nachforschungen bezüglich der elfischen Wettgemeinde angestellt habe. »Keine Sorge, ich bin bei meinen Ermittlungen höchst diskret vorgegangen. Also, ist sie eine Wette wert?«
Makri schüttelt den Kopf. »Nein. Jedenfalls noch nicht.«
Ich bin enttäuscht.
»Ist dir eigentlich schon einmal die Idee gekommen, dass ich diese Unterweisung sehr ernst nehme? Ich habe einen Ruf zu verlieren, ganz zu schweigen davon, dass ich den Kodex der Gladiatoren einhalten muss. Und das Einzige, was dich interessiert, ist deine blöde Wette.«
»Wen würde die nicht interessieren, wenn die Quote fünfzig zu eins steht? Ich muss schließlich irgendwo einen Gewinn machen. Der Jongleur-Wettbewerb ist zu eng.«
Makri verspricht mir, es mich wissen zu lassen, wenn Isuas es so weit geschafft hat, dass sich eine Wette auf sie lohnt. Ich erinnere sie daran, dass Gulags Beerdigung an diesem Abend in der Nähe des Hesuni-Baums stattfindet.
»Warum hast du diesen Gladiatorenkodex eigentlich noch nie zuvor erwähnt?«
»Weil es keinen gibt«, gesteht Makri. »Ich habe ihn erfunden. Ich wollte dir nur klar machen, dass es am Schwertkampf Wichtigeres gibt als die Gelegenheit, eine Wette zu platzieren.«
»Na gut, ich glaube es dir. Du bist schließlich die Philosophiestudentin von uns beiden. Wenn du Isuas so weit hast, wie viel willst du dann setzen?«
»Alles, was ich habe«, erwidert Makri. »Eine Quote von fünfzig zu eins sollte man nicht missachten. Das wäre einfach nur dumm.«
Ein leises Geräusch erregt unsere Aufmerksamkeit. Wir blicken zu den Bäumen hinüber. Ein Elf mit Kapuze und grüner Maske tritt zwischen ihnen hervor. Er hält ein Schwert in der Hand. Ich seufze. Allmählich habe ich die Nase voll.
»Wird er sich auch in Luft auflösen?«, fragt Makri.
»Wer weiß? Wenn er nicht besser kämpft als der Vorige, dann wäre es besser für ihn.«
Ich stelle mich mit dem Schwert in der Hand dem Angreifer. Und werde augenblicklich von dem versiertesten und gefährlichsten Gegner zurückgetrieben, dem ich jemals begegnet bin. Ich bin gezwungen zurückzuweichen und bin ehrlich gesagt ziemlich erleichtert, als Makri sich in den Kampf wirft und unseren Gegner von der Seite angreift. Er pariert ihre Klinge, und obwohl ich ihm pausenlos von der anderen Seite zusetze, gelingt es mir nicht, eine Lücke zu finden. Wir fechten eine Weile, und auch wenn es Makri und mir mit vereinten Kräften gelingt, ihn zurückzutreiben, können wir keinen entscheidenden Treffer anbringen. Ein solcher Kämpfer ist mir selten untergekommen. Er schafft es zwar, uns einigermaßen in Schach zu halten, doch schließlich merkt er, dass er sich da einen etwas zu großen Brocken vorgenommen hat. Er wirbelt herum und verschwindet zwischen den Bäumen. Wir sehen ihm nach.
»Wer war das?«, fragt Makri.
»Keine Ahnung.«
»Jedenfalls war er ein hervorragender Schwertkämpfer. Ein schönes Elfenparadies ist das hier. Behandeln die alle ihre Gäste so?« Sie dreht sich zu Isuas um, die den Kampf mit ehrfürchtigem Staunen verfolgt hat. »Begreifst du jetzt, was alles passieren kann, wenn du ahnungslos überrumpelt wirst?«
Makri ist von der Fertigkeit des Elfen so beeindruckt, dass sie nicht einmal verärgert darüber ist, dass ihr Gegner geflüchtet ist. Stattdessen freut sie sich schon auf eine zweite Begegnung. Darauf kann ich dankend verzichten. Schließlich reite ich nach Hause. Ich muss etwas essen, trinken, ernsthaft nachdenken und ein Nickerchen halten, bevor die Beisetzung von Gulag-al-Floros, dem dahingerafften Hohen-Baum-Priester von Avula, beginnt.