13. KAPITEL
Makri lässt sich auf meine Couch fallen. Der Schweiß rinnt ihr über die Schultern, und sie reibt sich die Haut, wo ihr Mini-Kettenhemd-Oberteil in der Hitze auf ihrer Haut scheuert.
»Blöde Klamotte!«, brummt sie.
Recht hat sie. In einem Kampf bietet das Oberteil so gut wie keinen Schutz. Dabei besitzt Makri eine exzellente leichte Leder-und-Ketten-Rüstung, die sie aus den Gladiatorengruben mitgebracht hat. Die Orgks sind äußerst geschickte Schmiede, und ihre Rüstungen sind mindestens so gut wie unsere. Vielleicht sogar so gut wie die der Elfen. Makris leichte Rüstung hält zwar die meisten Schwerter ab, aber sie verdreht einem nicht den Kopf. Und bringt einem auch kein Trinkgeld ein, deshalb trägt sie während der Arbeit diesen Mini-Kettendress. Das ist zwar ziemlich anstößig, denke ich, aber da Makri alle Männer in Zwölf Seen für Abschaum hält, bekümmert sie das letztendlich nicht. Allerdings ist sie wegen der Überbelegung ihres Zimmers langsam ein wenig bekümmert.
»Wirf doch Dandelion einfach hinaus«, rate ich ihr hoffnungsvoll.
»Nein. Ich sagte doch, dass sie bleiben könnte.«
»Wohnt sie denn nirgendwo?«
»Anscheinend nicht. Sie hat vorher am Strand geschlafen.«
»Na ja, da ist sie wenigstens in der Nähe ihrer Delfine.«
Makri will ihr Wort nicht zurücknehmen, also bleibt Dandelion erst einmal. Aber wenigstens räumt Makri ein, dass es anfängt, nervig zu werden. Dandelion will ihr unbedingt ein Horoskop erstellen, und Makri hat einfach keine Zeit für so etwas. Außerdem hat Dandelion irgendwelche parfümierten Kerzen angezündet, deren Wachs über Makris Axt gelaufen ist. Was für eine Frau, die ihrer Axt zärtlich zugetan ist, ziemlich ärgerlich ist.
»Warum tust du dir das an?«
»Weil ich sie irgendwie mag. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der Bäume für genauso wichtig hält wie Menschen. Außerdem habe ich keine Freunde hier in der Stadt. Außer dir, denke ich mal. Es ist gut, auch mal mit jemand anderem reden zu können. Wenigstens ist sie zugänglicher als Matahari. Matahari sagt kein Wort. Man sollte eigentlich annehmen, dass sie freundlicher wäre, nachdem ich ihr das Leben gerettet habe.«
Ich äußere die Vermutung, dass Matahari vielleicht zu mitgenommen von ihrer Erfahrung als exotische Tänzerin ist, um noch freundlich zu irgendjemandem zu sein. Oder dass sie zu viel Angst vor der Bruderschaft hat, um große Lust auf Plaudereien zu verspüren.
»Vielleicht. Aber sie sitzt immer nur stumm da. Das ist etwas anstrengend. Wie kommt es eigentlich, dass ich auch noch Bibendis aufnehmen muss?«
»Ich glaube, dass sie einfach zu unglücklich darüber war, dass ihr Vater ermordet wurde, und deshalb keine Lust mehr hat, nach Hause zu gehen. Ich denke, dass man sich allein in einer großen Villa ziemlich einsam fühlen muss.«
»Könnte sie nicht hier schlafen?«
»Auf keinen Fall! Ich brauche die Couch unbedingt, falls ich es mal nicht bis in mein Schlafzimmer schaffe. Du bist einfach zu großherzig, Makri. Wenn du sie nicht um dich haben willst, wirf sie einfach hinaus. Schließlich will niemand sie umbringen!«
Makri knurrt nur. »Na ja, sie macht wenigstens keinen Ärger, sondern liegt nur den ganzen Tag betrunken herum.«
Es ist schon interessant, wie sie diese Gruppe von jungen Frauen um sich herum geschart hat. Sie könnte bald ihre eigenen Treffen der Vereinigung der Frauenzimmer abhalten. Vorausgesetzt, die Bezeichnung Frauenzimmer passt auf diese Küken. Aber wenn die Vereinigung sogar Makri aufgenommen hat, dann wird das schon in Ordnung gehen.
Makri sitzt bei mir, weil sie ihre Notizen für ihre nächste Vorlesung durchgehen will. Und in ihrem Zimmer ist es zu voll, sodass sie sich nicht konzentrieren kann.
»Was lernst du da?«
»Elfensprache.«
»Du sprichst doch schon Elfisch.«
»Nur die Umgangssprache. Ich lerne jetzt die Königliche Hochsprache.«
Ich bin nicht sicher, woher Makri eigentlich ihre Kenntnisse der Elfensprache bezogen hat. Sicher, sie ist zu einem Viertel Elf, aber ich vermute mal, dass ihr Elfenopa nicht bei ihr in den Gladiatorgruben gehockt und sie unterwiesen hat. Sie hat aber bisher nie ein Sterbenswörtchen über ihre Erziehung verlauten lassen, und ich habe auch niemals nachgehakt.
»Was ist das?« Sie bemerkt, dass ich ein Blatt Papyrus vor mir auf dem Schreibtisch liegen habe.
»Ich mache mir gerade eine Liste von allem, womit ich es zu tun habe. Das mache ich manchmal, wenn zu viele Dinge vorgehen, an die ich denken soll.«
Ich gebe sie ihr, und sie liest sie laut.
»Mönche, Statue, Goldraub, Rodinaax, Gesox, Thalius, Meuchelmördergenossenschaft, Matahari, Sarin, Vexial, Heretius. Du hast Recht, du musst an zu viele Dinge denken. Es ist schon komisch, wie anstrengend du diesen Sommer faulenzt.«
»Köstlicher Scherz.«
»Vexial kannst du jedenfalls streichen.«
»O nein. Er läuft herum und ist putzmunter.«
»Willst du mich veralbern?«
Ich versichere ihr, dass es stimmt. Makri ist genauso perplex, wie ich es war. Sie weiß so gut wie ich, dass Vexial mittlerweile längst tot sein müsste. Selbst wenn es ihm irgendwie gelungen wäre, dem Tod von der Schippe zu springen, musste er sich zumindest für einige Monate erholen. Es ist einfach ausgeschlossen, dass er wieder völlig gesund und munter sein kann.
»Zauberei?«
»Kein Zauberer, von dem ich jemals gehört habe, kann einen vom Wundbrand kurieren und solche Wunden heilen. Ich weiß es schlichtweg nicht.«
»Und was hat die Meuchelmördergenossenschaft auf dieser Liste zu suchen?«
»Sie haben den Auftrag erhalten, Vexial zu töten. Ich weiß nicht, von wem, aber die Information selbst stammt aus einer sehr zuverlässigen Quelle. Jedenfalls ist der nach allem, was ich gehört habe, kein leichtes Ziel. Falls deine Busenfreundin Marihana den Zuschlag bekommen hat, sollte sie lieber aufpassen.«
Makri zuckt leicht zurück, als ich Marihana erwähne. Sie wartet darauf, dass nun unsere gewohnte Auseinandersetzung wegen dieses Themas folgt, aber der Augenblick verstreicht ohne Streit.
»Und pass auf, wenn du ausgehst. Sarin die Gnadenlose hat gedroht, ohne Warnung zu schießen, wenn ich die Statue nicht aushändige.«
»Das mache ich. Bist du denn kurz davor, etwas auszugraben, womit du Gesox’ Namen rein waschen kannst?«
»Nicht wirklich. Ich verdächtige vor allem diese beiden Kerle, mit denen wir uns hier herumgeschlagen haben. Aber die sind jetzt vom Winde verweht, und ich habe keine Möglichkeit mehr, ihre Verbindung mit dem Verbrechen nachzuweisen. Und selbst wenn sie den Mord ausgeführt haben, dürfte jemand anders hinter seiner Planung stecken. Wenn ich wenigstens das beweisen könnte, würde ich den Schüler immer noch freibekommen. Alles dreht sich um diese Statue, und die deutet auf Vexial und den Sternentempel. Aber jetzt stellt sich heraus, dass sie voller Gold ist. Woher wollen wir also wissen, dass nicht von Anfang an jemand ganz anderes dahinter gesteckt hat? Vielleicht hat derjenige, der den Raub organisiert hat, sich mit Rodinaax überworfen und ihn dann umbringen lassen. Es könnte auch ein Zufall sein, dass ausgerechnet in diesem Moment der Sternentempel nach einer Statue suchte. Oder aber Vexial wusste von dem Gold und war die ganze Zeit an der Sache beteiligt. Ich weiß es einfach nicht. Aber ich kann auf keinen Fall vor Gericht auftreten und dort eine abstruse Geschichte von irgendwelchen Mönchen und Statuen zum Besten geben. Wenn der Konsul herausfindet, dass ich die ganze Zeit das Gold in Händen gehabt habe, würde er wohl eher mich hängen als Gesox freilassen.«
Ich trinke einen Schluck Bier und schiebe mir ein Stück Gebäck in den Mund, das ich mir aus Marzipixas erstklassiger Bäckerei geholt habe. »Ich brauche einfach eine Inspiration. Oder ein bisschen Glück. Eins von beiden würde genügen, ganz gleich, welches.«
»Wann werden sie Gesox hängen?«
»In zwei oder drei Tagen.«
»Na ja, dann musst du dich ja nicht beeilen. Trink ruhig noch ein Bierchen.«
Ich merke, dass Makris Sarkasmus mittlerweile ganz gut funktioniert. Sie widmet sich jetzt ihrem Elfen-Manuskript. Ich starre aus dem Fenster und warte auf eine Eingebung. Ich muss einfach zu viele Informationen erarbeiten, die ich nicht richtig sortieren kann. Kurz gesagt: Ich bin verwirrt. Also gehe ich nach unten und hole mir noch ein Bier.
Einige Stunden später starre ich immer noch aus dem Fenster, aber mittlerweile hat sich ein kleiner Hügel aus leeren Bierflaschen zu meinen Füßen gebildet. Makri, die in der Zwischenzeit eifrig gelesen hat, erhebt sich schließlich vom Boden und legt ihr Manuskript zu einem Stapel zusammen. Sie wirft einen kurzen Blick auf den Berg Altglas.
»Es ist immer wieder ein Vergnügen, dir beim Arbeiten zuzusehen«, meint sie und grinst. Dann geht sie nach unten in den Hinterhof, um vor ihrem Elfensprachkurs noch einige Waffenübungen zu absolvieren.
Ich seufze. Die Inspiration hat mich offensichtlich schnöde links liegen lassen. Dabei habe ich ihr wirklich alle Chancen gegeben, in mich zu dringen. Vermutlich sollte ich lieber hinausgehen und versuchen, ein bisschen auf den Busch zu klopfen. Ich werde Vexial den Sehenden besuchen. Selbst wenn ich nichts Neues über den Fall erfahre, kann er mir vielleicht etwas über seine geheimnisvolle Heilung verraten.
Ich hole mir einen riesigen Teller mit Eintopf und verschiedenen Gemüsen von Tanrose. Von draußen hört man schwach die typischen Geräusche, die eine junge Frau so macht, wenn sie einen Sparringspartner aus Holz mit einer Axt und verschiedenen Schwertern und Klingen angreift und zu Sägespänen verarbeitet.
»Makri hat mir gesagt, dass sie an der Innungshochschule gute Fortschritte macht«, bemerkt Tanrose.
»Ja. Sie wird bald mit der Königlichen Elfenfamilie in ihrer Hochsprache parlieren. Die Frage ist allerdings, ob die sie einer Antwort würdigen.«
Tanroses Eintopf bereitet mir diesmal nicht das übliche Vergnügen. Ich nehme mir noch einen Pfannkuchen extra und wische damit die Soße auf, aber ich bin nicht so richtig bei der Sache. Also trete ich mürrisch in die nachmittägliche Hitze hinaus und sehe zu, wen ich aufschrecken kann.
»Jedenfalls ist das immer noch besser, als auf einer Strafgaleere zu rudern«, knurre ich, während ich den Quintessenzweg entlang marschiere.
An der ersten Ecke treffe ich auf eine Blase von Kuul-Tiens, die versuchen, wie harte Männer auszusehen. Sie starren mich an, als ich vorübergehe. Ich erwidere den Blick. Sie werden alle noch früh genug in der Bruderschaft landen, bereit, in die Welt des wahren Verbrechens einzutreten. Es sei denn, es bricht ein Krieg aus, und sie werden eingezogen. In dem Fall dürften die meisten von ihnen hopsgehen. Oder die Pest schlägt zu, wie vor einigen Jahren. Das ist auch eine sehr wirkungsvolle Methode, um die Population in den Elendsvierteln zu regulieren.
Ich finde rasch einen Mietlandauer und den Fahrer zu der Villa in Thamlin. Ich bin unentschlossen, ob ich versuchen soll, durch die Vordertür zu Vexial vorzudringen, oder mich lieber hintenherum anschleiche. Schließlich entscheide ich mich für den direkten Weg. Von Heimlichtuerei habe ich im Moment genug.
Der direkte Weg ist auch tatsächlich erfolgreich. Nachdem ich die Auffahrt hinaufmarschiert bin und laut genug an die Tür gehämmert habe, um den alten König Lazarius aufzuwecken, öffnet mir Lolitia höchstpersönlich. Es ist schon merkwürdig, dass sich hier überhaupt keine Bediensteten aufzuhalten scheinen. Vermutlich kümmern sich die Mönche selbst um alles. In jedem anderen Anwesen in Thamlin würde die Herrin des Hauses eher einen Migräneanfall erleiden, als selbst die Tür zu öffnen. Aber vermutlich macht Lolitia das nicht sonderlich viel aus. Schließlich stammt sie aus Zwölf Seen.
Also teilt mir die Dame des Hauses mit, dass keiner zu Hause sei. Ihre Haltung an der Tür signalisiert sehr deutlich, dass ich keineswegs eingeladen werde, hereinzukommen und selbst nachzusehen. Aber mir fällt auf, dass sie glücklicher wirkt.
»Wie ich höre, geht es Vexial wieder gut.«
Sie nickt.
»Wie kommt das?«
»Durch seine gewaltigen Selbstheilungskräfte.«
»Verblüffende Kräfte, fürwahr. Ich bekomme fast Lust, selbst mit der Meditation anzufangen. Wo ist er? Sucht er Heretius?«
Wenn sie es weiß, sagt sie es jedenfalls nicht.
Ich erkläre ihr, dass ich ihr einige Fragen über Rodinaax stellen möchte. Sie will nicht mit mir reden, bis ich sie darauf hinweise, dass die Zivilgarde sie immer noch verhören will und ich keineswegs darüber erhaben bin, sie an diese auszuliefern. Das verschafft mir zwar Zutritt ins Haus, aber viel weiter komme ich nicht. Lolitia weiß angeblich nicht mehr als das, was sie mir schon erzählt hat. Sie weiß nicht, wer ihren Ehemann umgebracht hat, und sie scheint auch nichts von dem gestohlenen Gold zu wissen.
»Ihr wisst aber doch wenigstens, dass Rodinaax hoch verschuldet war?«
»War er nicht. Er war der erfolgreichste Bildhauer der ganzen Stadt. Er hatte genug Aufträge für die nächsten Jahre, und alle waren sehr gut bezahlt.«
»Vielleicht, aber er war dem Spiel verfallen. Soweit ich gehört habe, hat er eine Hypothek auf das Haus aufgenommen, um seine Buchmacher zu bezahlen, und war kurz davor, alles zu verlieren.«
Zum ersten Mal scheint Lolitia wirklich überrascht, doch dann meint sie ärgerlich, dass ich mich irren müsste.
»Rodinaax hat nicht gespielt. Wenn er es getan hätte, wäre er vielleicht nicht so langweilig gewesen. Und getrunken hat er auch nicht. Ich weiß nicht, mit wem Ihr geredet habt, aber nichts davon ist wahr.«
Also ist es Rodinaax gelungen, seine Schulden vor seiner Frau zu verbergen. Und auch seine Trunksucht. Glückspilz.
»Wenn er keine Schulden hatte, wieso hat er sich dann so beeilt, die Statue fertig zu bekommen?«
»Er hat sich nicht beeilt«, behauptet Lolitia. »Er war viel früher fertig. Wir haben sogar einige Tage Urlaub auf dem Land gemacht, unmittelbar bevor er getötet wurde. So eilig hatte er es! Und jetzt entschuldigt mich bitte. Ich habe noch einiges zu erledigen.«
»Was denn, zum Beispiel?«
»Packen. Ich gehe mit Vexial weg.«
»Ihr lasst Gesox einfach hängen?«
»Daran kann ich nichts ändern. Nichts, was ich den Wachen erzählen kann, würde ihm die Freiheit wiedergeben.«
»Wenn Vexial wegen Mordes verhaftet wird, dann würde das durchaus seine Zellentür öffnen.«
Sie verstummt, und ich bekomme nichts mehr aus ihr heraus. Es ist auch sehr gut möglich, dass sie nichts mehr zu erzählen hat. Bevor ich gehe, warne ich sie wegen der Meuchelmördergenossenschaft. Vexials Wohlergehen interessiert mich zwar eigentlich nicht, aber ich hasse die Meuchelmördergenossenschaft. Sie sind eine Bande eiskalter Killer, und ich lege ihnen Steine in den Weg, wo ich nur kann. Außerdem kann ich Vexial nicht vor Gericht schleppen, wenn sie ihn zu fassen bekommen.
»Vexial der Sehende kann gut auf sich selbst aufpassen.«
»Sicher kann er das. Aber gebt diese Information trotzdem weiter. Die Meuchelmördergenossenschaft ist kein Schützenverein. Wenn Marihana den Fall übernimmt, ist sein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Sie wird sich nicht auf einen ehrlichen Kampf einlassen wie der Ehrwürdige Heretius. Sie schießt ihm einen Pfeil in den Rücken oder benutzt eine vergiftete Nadel, wenn er schläft.«
Als ich die Villa verlasse, habe ich das Gefühl, als wäre jemand in der Nähe, der nicht hierher gehört. Jemand oder etwas. Ich kann es nicht genau fassen. Die Sensibilität, die ich als Zauberer entwickelt habe, lässt mich selbst jetzt noch nicht völlig im Stich. Es würde mich nicht wundern, wenn da ein Meuchelmörder im Garten lauert. Na ja, ich habe Vexial gewarnt. Wenn er meine Warnung ignoriert, ist das sein Problem.
Vermutlich sollte ich mich wegen der Spielschulden erkundigen. Ich statte Zockox einen Besuch ab. Zockox ist Buchmacher und führt seine illegalen Geschäfte von einem Laden zwischen Pashish und Zwölf Seen aus. Er ist Mitglied der Bruderschaft, aber wir verstehen uns ganz gut, vor allem deshalb, weil ich viel Geld bei ihm verloren habe. Zu meiner Überraschung teilt mir Zockox mit, dass er niemals eine Wette von Rodinaax angenommen hat.
Ich weiß nicht, warum nicht. Wenn der Bildhauer spielen wollte, dann wäre Zockox genau der richtige Mann für ihn gewesen, um ein solches Geschäft abzuschließen. Und das ist nicht alles. Zockox ist fest davon überzeugt, dass er erfahren hätte, wenn Rodinaax bei irgendeinem anderen Buchmacher eine Wette abgeschlossen hätte.
»Ich kenne alle großen Spieler in Turai, Thraxas. Der Bildhauer war kein Spieler. Er war ein sehr bekannter Mann, und soweit ich weiß, hat er niemals auch nur eine einzige Wette abgeschlossen.«
Ich danke Zockox. Und vergesse nicht, ein paar Wetten abzuschließen, wenn ich schon mal da bin. Es ist zwar gerade keine Rennsaison in Turai, weil es für die Wagenrennen im Stadion Superbius zu heiß ist, aber es gibt ein kleines Kolosseum weiter unten an der Küste. Dort weht ein frischer Seewind, und sie veranstalten am Wochenende ein kleines Rennen. Ich wollte eigentlich dorthin gehen, bevor ich in diese Angelegenheit hier verwickelt wurde.
Meinen nächsten Zwischenstopp lege ich im öffentlichen Registraturbüro ein, das nicht weit von den Gerichtshöfen entfernt ist. Auch hier war ich einmal willkommen, aber jetzt tun die Büttel so, als hätten sie mich noch nie gesehen. Sollen sie doch zur Hölle fahren! Ich finde einen jungen Angestellten, der gerade Zeit hat, und wir durchsuchen die Rollen in der Registratur, bis wir das Dokument über Rodinaax’ Haus in Pashish finden.
»Wem gehörtes?«
»Rodinaax.«
»Und wer hält die Hypothek?«
»Niemand. Laut den Aufzeichnungen der Stadt liegt keine Hypothek auf dem Haus.«
Ich überzeuge mich selbst. Er hat Recht. Rodinaax gehörte das Haus. Hier finden sich keinerlei Hinweise darauf, dass er Schwierigkeiten mit seinen Finanzen gehabt hätte.
Keine Hypotheken und keine Spielschulden? Warum glaubt Gesox dann, dass Rodinaax in Schwierigkeiten steckt? Das wird ja immer merkwürdiger. Ich begebe mich nach Hause und kaufe mir unterwegs eine Wassermelone. Ich esse sie im Gehen und veranstalte dabei eine ziemliche Schweinerei.
Dabei fällt mir etwas ein. Wenn Sarin die Gnadenlose ihre Drohung wahr macht, könnte ein Bolzen ihrer Armbrust mich genauso leicht durchschlagen wie die Wassermelone. Aber daran kann ich nicht viel ändern, außer vielleicht noch wachsamer zu sein und mich darauf zu verlassen, dass meine Sinne mir eine Art Warnung geben. In der Hitze kann ich nicht mit einem Brustpanzer herumlaufen. Das würde mich genauso schnell umbringen wie ein Armbrustbolzen. Ich könnte mir allerdings einen persönlichen Schutzzauber merken, aber es ist ein sehr komplizierter Zauber, und ich finde es im Moment eher schwierig, solche Dinge zu behalten. Außerdem muss ich den Schlafzauber zur Hand haben, wenn ich an einem Fall arbeite, und ich kann mir nicht beide Sprüche merken. So viel freie Geisteskapazität habe ich nicht mehr.
Schließlich spüre ich einen von Rodinaax’ Dienern auf, seinen Kammerdiener. Die Wache hat ihn als einen unentbehrlichen Zeugen festhalten wollen, aber sein Vater hat einigen Einfluss in der Rittmeisterinnung und hat es geschafft, ihn herauszupauken. Er sagt mir nicht viel Neues, aber er bestätigt Lolitias Aussage, dass Rodinaax keineswegs in finanziellen Schwierigkeiten gesteckt habe. Die Statue sei pünktlich fertig gewesen, und von irgendwelchen Schulden wisse er nichts.
Außerdem habe der Kammerdiener Rodinaax und seine Frau auf ihrem Kurzurlaub nach Ferias begleitet. Das ist ein kleiner Urlaubsort an der Küste, wo es im Sommer erheblich kühler ist. Leute mit genügend Geld flüchten um diese Jahreszeit häufig dorthin. Die Glücklichen, denke ich, während mir der Schweiß in die Tunika rinnt und meine Ledersandalen sich anfühlen, als wären sie aus nassen Lumpen angefertigt.
Ob Rodinaax wohl ein Bankkonto hatte? Die meisten Leute in unserer Stadt haben nicht genug Geld, um sich ein Konto einzurichten, und die kleinen Geschäftsleute haben meist ihren eigenen Safe oder ein Versteck auf ihrem Grundstück. Aber ein relativ wohlhabender Mann wie Rodinaax könnte sehr gut ein Konto im Goldenen-Halbmond-Viertel haben, wo die Oberschicht ihren Geschäften nachgeht. Ich habe zwar nur wenig Kontakte in dieser Gegend, aber vielleicht finde ich ja doch etwas heraus. So könnte ich die Frage klären, ob Rodinaax nun Schulden hatte oder nicht. Ich bin sehr mit diesen Gedanken beschäftigt, deshalb bemerke ich Makri erst, als sie auf dem Quintessenzweg praktisch in mich hineinläuft.
»He, pass doch auf, wo du hingehst, Makri. Was ist los? Setzt dir die Hitze so zu?«
»Entschuldige.«
Sie erzählt mir, dass sie gerade erst von ihrer Vorlesung in Hoch-Elfisch zurückgekommen sei. Sie findet den Kurs sehr anstrengend, weil der Professor sie immer anschaut, als sollte sie eigentlich nicht da sein.
»Ich hasse ihn. Aber hör mal zu.«
Sie sagt etwas in der Königlich-Elfischen Hochsprache.
»Was bedeutet das?«
»Willkommen auf meinem Baum.«
»Sehr schön, Makri.«
»Bist du beeindruckt?«
»Ja. Das werden die Elfen auch sein, falls du jemals nach Süden segelst und anfängst, mit ihnen zu reden. Nur sehr wenige Menschen lernen die Königliche Elfenhochsprache.«
Und fast genauso wenig Menschen sprechen überhaupt Elfisch, obwohl die Elfen nichts dagegen haben, dass die Menschen es lernen. Makris Umgangselfisch ist ziemlich flüssig, und meines ist nicht allzu schlecht. Es gehört zum Studium eines Zauberlehrlings, und ich hatte außerdem die Chance, meine Sprachkenntnisse zu verbessern, als ich bei den Elfen war.
Das ist etwas, worum Makri mich beneidet. Um meinen Besuch der Südlichen Inseln. Nur wenige Menschen haben diese Reise unternommen. Wir treiben natürlich mit den Elfen Handel, aber abgesehen von den Schiffsbesatzungen würden nur sehr wenig Bürger so weit reisen. Ihnen erscheint die Reise viel zu gefährlich. Und außerdem auch nicht der Mühe wert. Wir mögen die Elfen zwar hier, aber die wiederum schätzen zu viele Besucher überhaupt nicht.
»Eines Tages werde ich dorthin segeln«, verkündet Makri.
Ich bin überrascht.
»Wie kommst du denn darauf? Der letzte Elf, den du gesehen hast, wurde leichenblass, als er dein Orgk-Blut gewittert hat. Du hast sogar geschworen, nie wieder ein Sterbenswörtchen mit einem Elf zu wechseln.«
»Na ja, eines Tages werden sie sich schon freuen, mich zu sehen.«
Vielleicht hat sie Recht. Für eine soziale Außenseiterin verfügt Makri über überraschend viel Talent, die Leute für sich einzunehmen. Das gilt auch für Fabelwesen. Als wir vor ein paar Monaten den Feenhain besucht haben, konnten die Kentauren gar nicht genug von ihr bekommen. Natürlich sind Kentauren ehrlich gesagt an allen Frauen interessiert, die so gut ausgestattet sind wie Makri, ganz gleich, welcher Rasse sie angehören.
»Cimdy hat sich einen Ring durch den Nabel gezogen«, erklärt Makri. »Das gefällt mir. Findest du, dass ich mir auch einen machen sollte?«
Dieser Themenwechsel überrumpelt mich total.
»Du hast mir doch einmal gesagt, dass es ein Tabu für Elfen sei, sich den Körper zu durchbohren«, meint Makri. »Hast du dir das nur ausgedacht?«
»Nein, das stimmt.«
»Na ja, ich kann den Ring ja immer noch herausnehmen, wenn es so weit ist. Was hältst du davon, wenn ich auch meine Brustwarzen durchbohre?«
»Das solltest du nur dann tun, wenn du die Elfen vollkommen in Panik versetzen willst. Und warum zum Teufel willst du es eigentlich tun? Niemand wird den Ring jemals zu sehen bekommen.«
Makri hat keine Liebhaber. Nie. Sie erklärt das damit, dass sie vielleicht Interesse hätte, wenn nicht alle Männer in Zwölf Seen so widerlich wären. Ich muss zugeben, dass sie da nicht ganz Unrecht hat.
»Cimdy hat ihre Brustwarzen durchbohrt. Sie hat mir gezeigt, wie …«
»Könnten wir bitte das Thema wechseln? Ich plaudere gern mit dir über die Vorlesungen. Aber auf intime Einzelheiten von Körperverstümmelungen würde ich lieber verzichten.«
Makri gibt vor, verwirrt zu sein. »Ist das auch wieder eines von euren ›Zivilisationsdingen‹?«
Der Ruf zum Abendgebet, zum so genannten Sabbav, schreckt uns auf.
»Jetzt siehst du, was du angerichtet hast, Makri. Hättest du nicht angefangen, über dieses Körperdurchbohren zu reden, hätten wir es noch rechtzeitig vor den Gebeten nach Hause geschafft. Ich würde gern mit einem Bierchen in der Hand auf meiner Couch sitzen. Jetzt müssen wir uns in den Dreck knien und beten.«
Darum kommen wir nicht herum. Wo auch immer man sich befindet, wenn der Ruf von den hohen Türmen ertönt, betet man.
Die meisten Leute, die diese Verpflichtung ernster nehmen als Makri und ich, sind entweder nach Hause oder in einen Tempel gegangen. Entweder um zu beten oder um sich zu verstecken, bis alles vorbei ist. Aber es gibt noch einige andere Nachzügler. Wir knien uns zusammen mit den Leuten, die auf der Straße wohnen und nirgendwohin flüchten können, in den Dreck. Es ist ärgerlich. Vor allem, weil die Rächende Axt von hier aus zu sehen ist. Aber wir können nichts dagegen tun. Makri unterwirft sich diesem Akt der Demut besonders ungern, weil sie nicht an die Lehre der Wahren Kirche glaubt.
Aber Ausnahmen sind nicht erlaubt, und wenn man gegen dieses Gesetz verstößt, bedeutet das Gefängnis.
Ich murmele mich durch die Abendgebete. Die Sonne scheint immer noch heiß, und ich spüre schmerzhaft den harten Boden unter meinen Knien. Ich tröste mich mit dem Gedanken an Gurdhs Bier, das in wenigen Minuten auf mich wartet. Nach einer Weile, die mir wie eine Ewigkeit vorkommt, ertönt der Ruf, der das Ende der Gebete verkündet. Im selben Moment habe ich das starke Gefühl, dass irgendetwas überhaupt nicht stimmt. Ich spüre große Gefahr. Ich habe mich schon fast aufgerichtet, als ich mich noch einmal flach auf den Boden werfe.
Ein Armbrustbolzen schwirrt an mir vorbei, und ich spüre ein scharfes Ziehen an meinem Arm, als etwas daran zupft. Im Fallen stürze ich gegen Makri, und wir fallen übereinander. Ich blicke hoch. Mein Arm ist etwas blutig, aber ansonsten ist alles Ordnung.
»Diese verdammte Sarin!«, knurre ich und ziehe mein Schwert.
Da erst bemerke ich, dass Makri sich nicht rührt. Sie liegt mit dem Gesicht nach unten im Dreck. Ich rolle sie sanft herum. Ein Armbrustbolzen steckt in ihrer Brust. Sarins Armbrustbolzen sind etwa zwanzig Zentimeter lang. Dieser hier ist mindestens achtzehn Zentimeter in Makris Brust eingedrungen. Blut strömt aus der Wunde. Ich lege meine Hand an ihren Hals. Kein Puls mehr zu spüren. Rasch halte ich mein Ohr direkt an ihren Mund. Sie atmet nicht mehr. Der Bolzen, der ganz offensichtlich mir galt, hat sich tief in ihr Brustbein gebohrt. Makri ist tot.