7. KAPITEL
Der alte Mönch heißt Heretius. Der Ehrwürdige Heretius. Die beiden anderen Mönche haben anscheinend keine Namen, jedenfalls werden sie mir nicht vorgestellt. Ich weiß nicht genau, ob ich die beiden Jüngeren nicht zwischen denen gesehen habe, die sich in Thalius Garten geprügelt haben. Mit ihren rasierten Schädeln und den gelben Roben sehen sie alle gleich aus. Ich erwähne den Vorfall jedoch nicht. Sie auch nicht.
Heretius erzählt mir eine interessante Geschichte. Er hat eine sehr sonore Stimme, die mich an die eines freundlichen alten Zauberers erinnert, der mich einmal unterrichtet hat. Er hat mir beigebracht zu schweben. Im Alter von fünfzehn konnte ich mich zehn Zentimeter über den Boden erheben. Hat aber nie lange gedauert. Und außerdem scheine ich diese Kunst sofort verloren zu haben, nachdem ich mit sechzehn mein erstes Bierchen zischte.
»Wir sind Angehörige des Wolkentempels. Wir leben und beten in einem Kloster in den Bergen.«
Ich nicke. In der entlegenen nördlichen Gebirgskette, die an Nioj grenzt, findet man viele isolierte religiöse Orden. Aber es ist schon lange her, seit ich das letzte Mal dort war. Genau genommen war das vor fünfzehn Jahren, während des letzten Krieges mit Nioj. Der Gedanke weckt einige sehr starke Erinnerungen in mir. Damals war Turai stärker, und zwar nicht nur deshalb, weil ich noch in der Armee war. Alle Bürger waren verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Damals waren wir noch stolz darauf. Niemand kam in dieser Stadt zu etwas, wenn er nicht zuerst seinem Land gedient hatte. Jetzt kauft sich die halbe Stadt vom Militärdienst frei, und König Reeth-Lackal muss stattdessen Söldner anheuern. Viele unserer Senatoren haben noch nie ein Schwert in der Hand gehabt. Vor ein paar Jahren wäre das noch unerhört gewesen. Und es wird uns irgendwann ins Verderben stürzen.
Ich weiß noch, wie wir eines Tages weit oben in den Hügeln den Vormarsch der niojanischen Invasionstruppen zum Stillstand brachten. Wir vernichteten ihre Legionen und hielten einen Pass. Hauptmann Rallig war damals auch dabei. Er war ein junger Soldat, wie ich. Wir standen in einer Phalanx, die langen Speere in der Hand, und wenn sie zerbrochen waren, trieben wir die Niojaner mit unseren Schwertern zurück. Wir hätten sie ganz zurückgeworfen, wenn nicht einige ihrer Legionen einen anderen Pass erobert hätten und uns in die Flanke gefallen wären. Danach blieb uns nur ein verlustreicher Rückzug und ein verzweifelter Kampf direkt vor unseren Stadtmauern. Und selbst dort hielten wir sie noch auf, trotz der gewaltigen Überlegenheit ihrer Streitmacht. Die niojanische Armee war viermal so groß wie unsere – auch damals schon.
Schließlich wurden wir in die Stadt zurückgetrieben und belagert. An jeder Mauer standen Belagerungstürme und Leitern, und wir kämpften um unser Leben. Unsere Zauberer hatten ihre Zaubersprüche aufgebraucht und griffen zu den Waffen, um den Verteidigern Beistand zu leisten. Die Frauen der Stadt taten es ihnen nach. Selbst die Kinder machten mit, warfen Steine und Schieferstücke von den Mauern auf das Meer der Feinde, das von unten gegen die Wälle brandete. Und dann, gerade, als die Niojaner über die Mauern stürmen wollten, erreichte uns die Nachricht, dass die Orgks vom Westen her angriffen. Sie überrollten die Wüsteneien mit der größten Armee, die unsere Welt bis dato gesehen hatte. Orgks, Halb-Orgks, Trolle, Drachen, Zauberer, namenlose Bestien, kurzum alles, was sie unter der Herrschaft von Bergamotz dem Fürchterlichen hatten sammeln können, stürmte nach Westen. Er war der letzte große Orgk-Kriegsherr, dem es gelang, alle ihre Stämme zu vereinen. Und sie rückten gemeinsam gegen uns vor, um uns vom Antlitz der Erde zu fegen. Infolgedessen endete der Krieg zwischen Turai, der Liga der Stadtstaaten und Nioj recht unvermittelt. Stattdessen schlossen wir ein befristetes Bündnis und versuchten in einem verzweifelten Feldzug, die gewaltige orgkische Armee zurückzuwerfen. Hauptmann Rallig und ich kämpften plötzlich Seite an Seite mit irgendwelchen Niojanern, die noch vor ein paar Tagen mit allem Nachdruck versucht hatten, uns zu massakrieren.
Die Orgk-Kriege dauerten lange und forderten einen hohen Blutzoll. Die Kämpfe wüteten monatelang an unseren Grenzen und vor unseren Städten. Mit der Hilfe der Elfen gelang es uns schließlich, die Orgks zurückzuwerfen, aber um welchen Preis! Die Bevölkerung einiger Stadtstaaten hat sich nie wieder von diesen Verlusten erholt, während andere einstmals schöne, blühende Städte nur noch verlassene Ruinen sind. Seitdem herrscht ein höchst wackliger Friede. Wir haben sogar einen Friedensvertrag mit den Orgks unterschrieben und Botschafter ausgetauscht, aber dieser Zustand wird nicht lange anhalten. Das tut er nie. Orgks und Menschen hassen einander einfach zu sehr. Die Orgks verschwenden im Augenblick ihre Kräfte damit, sich gegenseitig zu dezimieren, aber sobald ein großer Führer auftaucht, der mächtig genug ist, sie zu vereinen, marschieren sie wieder.
Diese Hügelketten sind ein karges Land. Dafür ist es aber kühler als in der Stadt. Vermutlich ein ganz passabler Ort für Meditationen, denke ich. Ich verscheuche diese Kriegserinnerungen aus meinen Gedanken und konzentriere mich auf die Erzählung des Mönchs.
Die meisten religiösen Einrichtungen dort oben sind Ableger der Wahren Kirche, der einen staatlichen Religion in Turai. Aber einige wenige Klöster unterstehen nicht ihrer Autorität. Da Turai in religiösen Fragen freizügiger ist als einige andere Stadtstaaten, ist das normalerweise kein Problem, vorausgesetzt, sie laufen nicht herum, verbreiten Häresien oder sorgen für Unruhe. Wenn das vorkommt, entsendet der König ein Bataillon und treibt die Andersgläubigen aus dem Land. So freizügig sind wir in religiösen Dingen dann doch wieder nicht.
Vom Wolkentempel habe ich noch nie zuvor gehört.
»Wir sind erst vor kurzer Zeit gegründet worden«, erklärt der Mönch. »Bis zum letzten Jahr waren die anderen Mönche und ich Brüder des Sternentempels. Unglücklicherweise gab es dort eine Glaubensspaltung. Ich will nicht in die letzten Einzelheiten gehen, aber die Meinungsverschiedenheiten waren rein theologischer Natur. Mögen diese Fragen für uns auch von größter Wichtigkeit sein, so sind sie letztlich nicht wirklich bedeutsam.«
»Lasst mich ruhig entscheiden, was ich bedeutsam finde.«
»Wie Ihr wollt. Der Disput drehte sich um die Natur der Konsubstanzialität, die wiederum die genaue Art und Weise betrifft, wie sich die Göttlichkeit zur Substanz verhält, aus der die vergängliche Welt gemacht ist.«
»Ah. Verstehe. Ehm, gut, überspringen wir die Einzelheiten. Was ist passiert, nachdem Ihr angefangen habt, Euch zu streiten?«
»Eine große Verbitterung entstand und führte zu einer Abspaltung unter uns. Es bestand sogar die Gefahr eines blutigen Kampfes. Wir sind, wie Ihr vielleicht wisst, sowohl Mönche als auch Krieger. Die Fähigkeit zu kämpfen gehört zu unserer geistigen Ausbildung, und sie diszipliniert uns für die Anforderungen unseres Glaubens und der Opferdienste. Jedenfalls: Um diesen schrecklichen Disput zu einem Ende zu bringen, habe ich zusammen mit einigen anderen den Sternentempel verlassen und unser eigenes Kloster gegründet. Weit weg von unseren ehemaligen Brüdern.«
Heretius war nach Abt Vexial dem Sehenden der zweithöchste Mönch in dem Orden des Sternentempels gewesen. So wie Heretius die Sache schildert, verlief diese Abspaltung relativ glatt, aber ich hege da so meine Zweifel. Selbst wenn ein Abt die Vorstufe eines Heiligen sein mag, mag er es bestimmt trotzdem nicht, wenn plötzlich die Hälfte seiner Mönche verschwindet und jemand anderen zum Obermönch kürt.
Daher hatte ich also meine Zweifel, was die wahre Ursache für dieses Schisma gewesen sein könnte. Meiner Kenntnis der menschlichen Natur zufolge, die, wie ich zugeben muss, hauptsächlich auf dem Studium niederster Exemplare dieser armseligen Gattung beruht, sind scharfzüngige Diskurse über haarfeine Einzelheiten in jeder Organisation hinreichend gute Vorwände für einen saftigen Streit darüber, wer eigentlich das Sagen hat. So wie ich die Sache sehe, hat Heretius Vexial dem Sehenden die Führung des Ordens streitig gemacht. Das Resultat der demokratischen Abstimmung war offenbar zu knapp, um eine Entscheidung herbeizuführen, also ist er einfach gegangen und hat die Hälfte der Mönche mitgenommen.
Ich bin von dieser Geschichte über die streitenden Mönche bereits gelangweilt, als Heretius schließlich doch noch zum interessanten Punkt kommt.
»Während des Kampfes, der stattfand, bevor wir das Kloster verließen, wurde die Statue von Sankt Quaxinius, die auf einem Podest im Hof stand, umgeworfen und zerstört. Das war ein harter Schlag für uns alle. Die Statue war uralt und eine großartige Arbeit. Sie bestand aus Marmor, der aus dem Steinbruch von Juval stammte. Der Besitz einer Statue von Sankt Quaxinius ist für ein Kloster von Kampfmönchen absolut unabdingbar.«
Quaxinius war ein wehrhafter Heiliger, der vor einigen Hundert Jahren in einem Krieg mit den Orgks getötet worden ist. Folglich betrachten die Kampfmönche ihn als eine Quelle der Inspiration für ihre Art der Religionsausübung.
»Wir vom Wolkentempel mussten uns natürlich mit dem Schicksal abfinden, ein neues Kloster ohne eine Heiligenstatue zu gründen. Aber das war uns bekannt, und wir hatten bereits eine neue Statue in Auftrag gebeben. Da aus Juval kein Marmor mehr importiert wird, bestellten wir eine Bronzestatue bei Rodinaax.«
Ich hebe die Brauen.
»Es hätte zwar noch einige Zeit bis zu ihrer Vollendung gebraucht, aber da Rodinaax jetzt tot ist, sind wir gezwungen, sie irgendwo anders in Auftrag zu geben, was natürlich eine weitere Verzögerung bedeutet. Bildhauer seiner Klasse sind rar, und sie haben meistens mehr als genug zu tun. Für unser eben flügge gewordenes Kloster ist das natürlich ein ernsthafter Rückschlag. Seid Ihr Euch der Dreifach-Mond-Konstellation in drei Monaten gewahr?«
»Das bin ich. Noch weiß ich genug aus meiner Zauberlehrlingszeit, dass ich das wichtigste astrologische Phänomen der Wahren Kirche kenne. Wenn die drei Monde sich etwa alle zehn Jahre in einer Reihe am Firmament auffädeln, ist das ein großes Ereignis. Wir veranstalten ein Fest. Alle singen Hymnen und betrinken sich beim Wagenrennen. Es hat mir immer sehr gefallen. Vor allem Letzteres.«
»Wenn wir keine Statue beim Beginn der Konjunktion aufweisen können, bedeutet das einen ernsthaften Gesichtsverlust.«
»Wie ernsthaft?«
Der Ehrwürdige Heretius dreht seinen jungen Gefährten den Kopf zu und macht eine kurze Bewegung mit den Augen. Die beiden verbeugen sich und ziehen sich zurück. Als wir allein sind, sieht er mich an.
»Sehr ernsthaft. Ohne Statue können wir unser Konjunktionsritual nicht abhalten. Falls Vexial der Sehende seine eigene Statue bis dahin ersetzt hat, könnten die Mönche vom Wolkentempel in eine höchst schwierige Lage geraten.«
»Schlicht gesagt: Keine Statue – keine Mönche – kein Abt?«
Er nickt.
»Aber Vexial und der Sternentempel haben doch auch keine Statue. Haben sie eine neue in Auftrag gegeben?«
»Das glaube ich nicht. Ich nehme stattdessen an, dass sie für den Diebstahl der Statue von Rodinaax verantwortlich sind.«
»Wollt Ihr damit sagen, dass Vexial, ein Abt, stillschweigend die Ermordung von Rodinaax geduldet hat, damit er sich eine Statue unter seinen ehrwürdigen Nagel reißen konnte?«
»Das ist sehr gut möglich. Vexial ist rücksichtslos. Ich glaube zwar nicht, dass seine Mönche vorsätzlich einen Mord planen würden, aber wer weiß, was misslungen sein kann, als sie versucht haben, sich der Statue zu bemächtigen, die für den Schrein bestimmt war? Oder aber er hat andere beauftragt, die diese Aufgabe für ihn ausführten und nicht wussten, was passieren würde. Wie auch immer, mit diesen beiden Dingen, dem Diebstahl und dem Mord, hat Vexial einen verheerenden Schlag gegen mich geführt. Rodinaax’ Tod bedeutet für mich, dass unser eigenes Götterbildnis vielleicht nicht rechtzeitig fertig wird und er dagegen ein beeindruckendes neues für sein eigenes Kloster gewinnen kann. Wenn das noch so ist, wenn die Dreifach-Mond-Konstellation eintritt, dann wird sein Tempel über unseren herrschen.«
»Das heißt, Ihr hättet verloren?«
»Genau. Und ich möchte nicht, dass meine Gefolgsleute zu Vexial zurückkehren.«
Ich denke darüber nach, nehme mir ein Bier aus einem Kasten im Regal neben mir, öffne es, trinke es und denke weiter nach.
»Wozu genau wollt Ihr mich engagieren? Wenn ich die Statue finde, kann ich sie Euch nicht aushändigen. Sie ist für den Schrein gemacht worden und gehört der Stadt.«
Das ist dem Ehrwürdigen Heretius natürlich vollkommen klar. Es stört ihn auch gar nicht, wenn sie den Behörden zurückgegeben wird. Er will nur nicht, dass sie Vexial in die Finger fällt. Offenbar ist es nicht schlimm, wenn keiner von beiden eine Statue hat. Natürlich würde es Heretius ganz und gar nicht stören, wenn dabei noch herauskäme, dass Vexial der Sehende hinter dem Mord steckt. Wenn ich das beweisen könnte, wäre Vexial aus dem Verkehr gezogen, und das würde Heretius kein bisschen bedauern.
»Wenn er nicht dahinter steckt und Ihr die Statue der Stadt zurückgebt, werden unsere beiden Tempel wenigstens an ihren eigenen Verdiensten gemessen werden.«
»Aber wenn niemand die Statue entdeckt und sie auf dem Podest im Sternentempel auftaucht, dann könnten Euch Eure jungen Mönche davonlaufen?«
Er nickt.
»Ihr wisst, dass ich bereits in dem Fall engagiert bin? Ich bin zwar nicht beauftragt worden, die Statue zu beschaffen, aber ich suche nach dem Mörder von Rodinaax.«
»Ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass Ihr im Zuge Eurer Ermittlungen in diesem Mordfall auch die Statue findet?«
»Natürlich ist das sehr wahrscheinlich. Ich werde Vexial auch ins Gefängnis bringen, sollte sich herausstellen, dass er die Verantwortung für den Mord an dem Bildhauer trägt.«
Der Ehrwürdige Heretius wirkt keineswegs schockiert von der Aussicht, dass Vexial im Gefängnis landen könnte. Er betont nochmals seine Einschätzung, dass Vexial zu allem fähig sei. Dieser Konsubstanzialitäts-Disput muss recht heftig gewesen sein.
Ich will wissen, ob er eine Ahnung hat, wo die Statue sein könnte. Dass sie in meiner Tasche ist, errät er bestimmt nicht, aber ich bin trotzdem gespannt, wie viel Heretius weiß.
»Nein, aber ich glaube, dass sie den Sternentempel noch nicht erreicht hat.«
»Warum?«
»Ich verfüge über Mittel und Wege, Informationen von dort zu erhalten.«
»Ihr meint, Ihr habt ihm einen Kuckuck im Nest gelassen?«
»Wie bitte?«
»Ihr habt einen Spion im Kloster.«
Das möchte er dann doch lieber nicht beantworten.
»Also, Heretius, Ihr wollt im Grunde, dass ich Vexial daran hindere, diese Statue zu bekommen. Ihr engagiert mich dafür, dass ich sie finde und den Behörden zurückgebe.«
Er nickt. Ich kann keinen Grund finden, sein Geld nicht zu nehmen. Denn ich werde sie den Behörden sowieso zurückgeben, sobald ich keine Verwendung mehr für sie habe.
Ich nehme meine üblichen dreißig Gurans Vorschuss.
Dann frage ich ihn, ob er während seines Aufenthalts in Turai zufällig auf Mönche aus dem Sternentempel gestoßen ist. Das verneint er, der alte Lügner. Immerhin habe ich sie kämpfen sehen.
»Eines noch: Warum nennt man ihn Vexial den Sehenden? Ist er ein Prophet?«
»Nicht wirklich. Aber er sieht sehr weit – und zwar in alle Richtungen. Es gibt nicht viel, von dem er nichts weiß.«
Heretius verabschiedet sich. In der Tür stößt er mit Dandelion zusammen.
»Schicke Kutte«, sagt Dandelion und betrachtet bewundernd die gelbe Robe.
Heretius lächelt gezwungen und geht. Vermutlich hat er es nur seiner eisenharten Ausbildung zum Kampfmönch zu verdanken, dass er nicht unwillkürlich vor Dandelion zurückzuckt. Ich selbst starre mit unverhülltem Widerwillen auf ihre nackten Füße und die bunten Blumen in ihrem Haar.
»Astral Trippelmond lässt dir sagen, dass er dir bestimmt helfen kann«, berichtet sie.
Sie mochte Astral. Vor allem gefielen ihr sein Regenbogenmantel und der bunte Hut, den er zu bestimmten Gelegenheiten trägt.
»Ich weiß allerdings nicht, ob er viel von den Sternen weiß. Er hat mir nicht geglaubt, als ich ihm sagte, dass jeder, der im Zeichen des Drachen geboren worden ist, ein glückliches Jahr haben würde. Ich habe versprochen, ihn noch einmal zu besuchen und ihm davon zu erzählen.«
Armer Astral.
Dandelion fängt wieder an, von den Delfinen zu plappern. Offenbar leiden sie ohne ihren Heilstein wirklich sehr. Sie kann einfach nicht verstehen, warum ich nicht helfen will.
»Sie sind sehr aufgebracht darüber, dass du ihnen nicht helfen willst.«
»Ach was! Und woher weißt du das?«
»Na, sie haben es mir natürlich gesagt.«
Hmpf. Delfine können nicht wirklich sprechen. Es ist nur ein Ammenmärchen. Ich male mir das traurige Bild aus, wie Dandelion am Ufer des Meeres hockt und auf einige verwirrt dreinblickende Delfine einplappert. Die armen Delfine. Ich sage ihr, dass ich zu tun habe, und scheuche sie aus meinem Büro. Ich muss nachdenken.
Ich koste diesen seltenen Moment der Ruhe und des Friedens in vollen Zügen aus, ziehe meine Zauberbücher zurate und trichtere mir den Schlafzauber ins Gedächtnis. Unglücklicherweise ist es eine Eigenart der Magie, dass einem Magier die Zaubersprüche nicht im Gedächtnis bleiben, ganz gleich, wie gut er auch sein mag. Sobald man sie benutzt hat, verschwinden sie aus der Erinnerung, und man muss sie wieder aufs Neue lernen.
Kaum habe ich den Schlafzauber verinnerlicht, fühle ich mich besser. Ich habe nämlich so eine bedrohliche Ahnung, dass ich es über kurz oder lang mit Kampfmönchen zu tun bekomme. Und wie ich sie durch die Luft habe fliegen und nach den Köpfen ihrer Gegner treten sehen, gelüstet es mich keineswegs nach einer direkten Auseinandersetzung. Jeder, dem der Sinn danach steht, nach meinem Kopf zu treten, wird den Schlaf des Gerechten schlafen, noch bevor er auf dem Boden aufschlägt.
Matahari taucht auf. Ich deute an, dass sie in meiner Unterkunft etwa so willkommen ist wie ein Orgk bei einer Elfenhochzeit, und schmeiße sie hinaus.
»Geh, und verkriech dich in Makris Zimmer. Wenn du keinen Platz findest, hock dich auf Dandelions Schultern. Dann kannst du sie gleich fragen, ob dein Horoskop verrät, wie du aus der Stadt fliehen kannst.«
Ich setze mich mit einem frischen Bier in meinen Lieblingssessel und denke nach.