|105|Wer den Krieg entscheidet – Helden und Feiglinge

Jeder Krieg macht Helden, weil jeder Krieg Helden braucht. Krieg ist lebensgefährlich und existenzbedrohend, grausam, hart und entbehrungsreich. Menschen sterben und töten andere, es fließt Blut – von Schweiß und Tränen ganz zu schweigen. Dennoch ziehen Männer (und heute auch Frauen) in den Krieg, dennoch übt der Krieg eine nachgerade unheimliche Faszination aus. Diese liegt sicherlich auch an der existenziellen Erfahrung, die mit jedem Krieg einhergeht – und an den Helden.

Helden und Krieg gehören zusammen, weil jeder Held seines Krieges bedarf. Im Kampf mit einem – möglichst mächtigen und bösen – Gegenüber kann man(n) sich bewähren und zeigen, aus welchem Holz man geschnitzt ist. Nicht im klugen Argumentieren oder in kreativer Kunstfertigkeit, sondern im kraftvollen Zupacken zeigt sich der Held; dies gilt für Parzival wie für die Helden unserer Tage. Der Krieg und die Bewährung in der Schlacht werden in der europäischen Kultur (und weit darüber hinaus) als Wege zur gesellschaftlichen Anerkennung verstanden: Der erfolgreiche Krieger schöpft aus seiner Tätigkeit soziale Reputation.

Jan van Heelu macht diesen Zusammenhang in einem Kommentar zu Herzog Johann von Brabant, dem Sieger der Schlacht von Worringen (1288), deutlich:

|106|Der Herzog [kehrte] mit seinem Heereszug zurück, mit so großer Ehre, wie man nur jemals einen Fürsten kommen sah, wie wohl die Taten beweisen, die man nicht hoch genug preisen kann, die zuvor von ihm die Geschichte berichtet: Denn es ist der Preis der höchste (den man nur irgendeinem Mann geben kann), dass durch sein Schwert in Ehren viel mehr Scharen umkamen als die Seinen, welche ohne Zweifel die Besten des ganzen Erdreiches waren.1

Der Weg zum Ruhm führt über die Leichen der Feinde; nichts kann so viel Ehre einbringen wie die erfolgreiche Anwendung kriegerischer Gewalt: Wer mehr Feinde tötet als eigene Männer verliert, ist ein ehrenvoller Held.

Helden kämpfen einsam

In der mittelalterlichen Dichtung tritt uns der Zusammenhang von Heldentum und Kampf besonders klar entgegen; so etwa im Versepos Willehalm des Wolfram von Eschenbach aus dem 13. Jahrhundert:

Voller Kampfeswut – er wollte noch nicht im Verband kämpfen – kam Terramer angesprengt auf einem Pferd, das Brahane hieß. Er ritt auf das Schlachtfeld und wollte den Kampf entscheiden. Er fürchtete die Schande, wenn er nicht in das Gefecht eingriffe.2

Terramer ist ein heidnischer König, der gegen die Christen unter Markgraf Willehalm ins Feld zieht, weil dieser seine Tochter Gyburc für sich gewonnen und zum Christentum bekehrt hat. Die Auseinandersetzung in diesem Epos ist also elementar und agonal: Es stehen Heiden gegen Christen; Auslöser des Streites sind eine (schöne) Frau und gekränkte (männliche) |107|Ehre. Natürlich siegen am Ende Willehalm und sein Christentum. Trotz der eindeutigen Rollenverteilung wird auch der König der Heiden, wird auch Terramer als wackrer Kämpfer gezeigt. Schließlich bedarf ein Held – Willehalm – eines angemessenen Widerparts.

An diesem Beispiel wird deutlich, was Grundlage für etliche Facetten des mittelalterlichen Umgangs mit Kriegen ist: Ein Held muss kämpfen, und er muss dies allein tun. Nicht im Verbund, also in der geschlossenen Formation der Streiter, will Terramer kämpfen, sondern allein. Der Einzel- oder genauer Zweikampf, in dem sich zwei Protagonisten gegenüberstehen, ist das geeignete Medium, um Helden zu machen; in der Gruppe hingegen geht die individuelle Leistung unter. Sie ist für das Heldentum nur begrenzt tauglich und nur dann geeignet, wenn ein Held gegen viele kämpfen muss.

Die Logik gilt auch für den Heerführer. Ganz in diesem Sinne bemühen sich zahlreiche mittelalterliche Quellen, eine Verbindung zwischen den adligen Heerführern und dem tatsächlichen Kämpfen herzustellen. Da finden wir Könige und Herzöge nicht auf dem Feldherrnhügel, sondern mitten im Kampf; nicht im Delegieren und Kommandieren, sondern im Agieren wurden die heroischen Qualitäten eines Feldherrn gesehen. Damit geht freilich nicht einher, dass es kein Verständnis und keine Würdigung einer Feldherrnkunst gegeben hätte. Es lässt sich sogar eine Tendenz erkennen, dem im modernen Sinne rational delegierenden Feldherren mehr Achtung entgegenzubringen. So unterscheidet Radulfus von Caen († n. 1130) in seinen Gesta Tancredi, in welchen er die Taten des normannischen Fürsten Tankred v. Tarent († 1112) auf dem ersten Kreuzzug schildert, zwischen den Aufgaben eines Heerführers (dux) und denen eines Kämpfers (miles): Der Heerführer soll sorgsam abwägen, ob und wie der Kampf |108|gesucht und ausgerichtet werden solle; die Kämpfer – und nur sie – sollen sich schlagen. Radulfus tadelt Tankred explizit dafür, dass er zu wenig wie ein dux und ausschließlich als miles agiert habe:

Ich [Radulfus] rate Dir [Tankred] also: Benimm Dich wieder wie ein Heerführer (dux). Wäge zuerst ab und stelle die Abteilungen so auf, wie es Dir sinnvoll erscheint.3

Militärischer Sachverstand und Aufgabenteilung war dem Mittelalter nicht fremd. Gerade auch Willehalm ist ein Beleg dafür, dass die militärische Bedeutung von Disziplin und Gruppenkampf sehr wohl verstanden wurde; anders als in früheren literarischen Werken finden sich hier etliche Hinweise darauf, dass der Kampf als Teamaktivität begriffen wird.

Von allen Überlegungen zu Taktik, Strategie und den Aufgaben eines Heerführers unberührt blieb freilich im ganzen Mittelalter das hohe Ansehen des tapfer kämpfenden Anführers. Die Wertschätzung für den individuellen Kämpfer lässt sich aber nicht immer mit den Anforderungen des Krieges in Einklang bringen. Um noch einmal den US-General Patton zu Wort kommen zu lassen: „An Army is a team. It lives, sleeps, eats, and fights as a team. This individual heroic stuff is pure horseshit.“

Auch im Mittelalter wurde eine Schlacht nicht durch die Taten eines Einzelnen entschieden. Dennoch treten uns Schlachten und militärische Aktionen in zahlreichen mittelalterlichen Quellen als Zweikampf oder Einzelaktion entgegen. Die Aktionen der großen Masse werden dabei zu einer Art Folie, vor der sich die individuellen Taten der Helden entfalten können. Diese Erzähltradition findet sich schon in den Epen Homers. Das ist nicht der Realität des Krieges, sondern der Darstellungsabsicht der Chronisten und dem Interesse ihres Publikums geschuldet. |109|Man wollte Heldengeschichten hören, wollte den Krieg als Schauplatz des Heldentums verstehen. Man hat sich – so könnte man überspitzt formulieren – den Krieg schöngeredet und schöngeschrieben. Dazu gehörte die Fokussierung auf bestimmte Individuen genauso wie die Konzentration auf die heldischen Momente. So lesen wir vergleichsweise wenig über die einfachen Fußkämpfer und erfahren auch meist nur von Flucht und Feigheit des Gegners. Eine Schlacht zerfällt durch diese Art der Darstellung in eine Reihe von Zweikämpfen. Hierzu zählt auch, dass militärische Aktionen oftmals einer Person zugeschrieben werden, obwohl sie in Wirklichkeit von einer Gruppe von Kämpfern ausgeführt wurden. So kämpft König Karl gegen die Sachsen und schlägt Heinrich V. die Schlacht von Agincourt. Diese Darstellungsweise ist nicht nur praktisch, weil weniger aufwendig und kompakter als komplizierte Formulierungen, die auf die Masse der Kämpfer verweisen. Sie unterstreicht auch den personalen Charakter der Historiographie, die sich an ,großen Männern‘ ausrichtet.

Der Stechhelm für Turnierkämpfer

Der Stechhelm, der am Ende des Mittelalters und in der Frühen Neuzeit benutzt wurde, war kein Kriegs-, sondern ein Turnierhelm. Er sollte dem Turnierkämpfer beim Lanzenstechen (Tjosten) den größtmöglichen Schutz gewähren. Das Lanzenstechen war eine sportähnliche Schauveranstaltung, bei der man Verwundungen vermeiden wollte. Daher gewährte der Stechhelm – auch als Froschmaul bezeichnet – seinem Träger durch einen schmalen Schlitz nur dann Sicht, wenn er sich nach vorne beugte. Kurz vor dem Aufprall richtete sich der Turnierkämpfer dann auf, führte den Lanzenstoß letztlich blind durch und war gegen Verletzungen durch Lanzensplitter gut geschützt.

|110|Helden leiden

Helden sind nicht nur mutig und siegreich – sie leiden auch, wie wir einem zweiten Zitat aus Wolfram von Eschenbachs Willehalm entnehmen können; hier geht es um den christlichen Jüngling Vivianz, der sich im Zweikampf wacker schlägt und als Held bewährt; er wird dabei von einem Heiden mit der Lanze schwer verwundet:

Der Held zog die Lanze heraus und band das Eingeweide hoch, als ob ihn kein Nerv vom Kampf schmerzte; der rühmenswerte Jüngling stürzte sich wieder in die Schlacht.4

Helden sind hart im Nehmen. Ein wahrer Held vermag zu leiden, und die Kriege des Mittelalters gaben ihren Kämpfern reichlich Gelegenheit dazu. Die wahre Größe des Helden erschließt sich nicht nur im Triumph, sondern auch im Scheitern – Helden können auch tragische Helden sein. Von solchen lesen wir in der Literatur des Mittelalters immer wieder: Roland fällt im Kampf gegen die Heiden, Siegfried erliegt den Intrigen des Wormser Königshofes.

Die tragische Dimension der Helden hat für die Krieg führende Gesellschaft kompensatorische Funktion: Sie stiftet dem Leiden Sinn. Wo die Teilnahme am Krieg zumindest teilweise auf Freiwilligkeit basiert und mit Risiken für die persönliche Unversehrtheit verbunden ist, helfen Gedankenmodelle wie das Heldentum, Männer zur Kriegsteilnahme zu motivieren. Neben Beute und Sold winkten dem erfolgreichen Kämpfer eben auch Ehre und Ansehen – und Verstümmelung und Tod. Die mittelalterliche Gesellschaft honorierte kriegerische Erfolge mit Prestigegewinn. Dies gilt freilich nur oder vornehmlich für die kriegeradlige Elite. Mitgliedern dieses Standes gereichte die Teilnahme am Kampf zur Ehre, wobei Ehre und ökonomischer |111|Vorteil nicht zu weit entfernt voneinander gedacht werden dürfen: Auch ,ehrenhafte‘ Ritter ließen sich für ihren Einsatz bezahlen, und gesellschaftliches Ansehen ließ sich im Sinne eines ,symbolischen Kapitals‘ (Pierre Bourdieu) wieder in ökonomischen Gewinn umwandeln. Man war nicht nur reich an, sondern auch reich durch Ehre.

Die Verbindung von Ehre, Heldentum und Scheitern sollte nicht dahingehend missverstanden werden, dass dieses Scheitern das angestrebte Ziel der mittelalterlichen Krieger-Helden gewesen wäre. Auch wenn den literarischen Helden oft etwas Tragisches anhaftet, so war Scheitern nicht das Ziel des heldischen Agierens. Gewalt sollte in erster Linie anderen zugefügt, nicht selbst erlitten werden. Das Heldentum, der heroische Kampf konnte als Kompensation dienen, um das kriegerische Scheitern zu bewältigen: Wir haben zwar verloren, aber dafür haben wir immerhin tapfer gekämpft. In die gleiche Richtung können auch Erzählstrategien deuten, die auf das Martyrium der gefallenen Kämpfer verweisen. Durch den jenseitigen Lohn gewinnt das Scheitern und der Tod eine tröstliche Dimension: Im christlichen Verständnis von Tod, Auferstehung und ewigem Leben wurde der Tod für die Sache des Glaubens zum Lohn für den tapferen Christen – auch eine Art Heldentum.

Krieg ist Männersache

Der Krieg ist kein Naturphänomen oder -ereignis, sondern von Menschen gemacht. Menschen kämpfen im Krieg gegeneinander, um bestimmte Ziele zu erreichen. In mittelalterlichen Kriegen waren es überwiegend Männer, die sich gegenseitig bekämpften. Es kam zwar vor, dass sich auch Frauen aktiv beteiligten, dies war aber die Ausnahme und wurde entsprechend |112|kommentiert, wie etwa im Falle der sogenannten Jungfrau von Orl ans. Als der Earl von Leicester in den Auseinandersetzungen mit dem englischen König Heinrich II. im Jahr 1173 seine Frau bewaffnet haben soll, wird dies von königstreuer Seite als „Wahnsinn“ (folie) bezeichnet.5

In anderen Fällen wird der Einsatz von Frauen im Krieg explizit als Hinterlist gewertet. In diesem Sinne berichtet Johann von Winterthur von der Belagerung der Stadt Zürich durch den Herzog von Österreich Albrecht I. – den späteren König des römisch-deutschen Reiches – im Jahr 1292. Die herzoglichen Truppen stehen vor der Stadt, die nach einer Niederlage von (männlichen) Kämpfern entblößt ist (siehe S. 98). Die Bürgerinnen der Stadt greifen nun zu einer List:

Die Frauen [...], die Waffen tragen konnten, legten Waffen an und stellten sich mit den Lanzen an einem erhöhten Ort innerhalb der Stadtmauern, an dem viele Bäume standen auf, damit dadurch die Feinde von Furcht befallen würden.6

Als der Herzog die bewaffneten Frauen auf der innerstädtischen Erhebung sieht, glaubt er, ein starkes Entsatzheer sei in Zürich eingetroffen, und bricht die Belagerung ab. Der Einsatz der Frauen wird hier eindeutig nicht als Handlungsoption, sondern als List verstanden: Es ist für den Chronisten nicht denkbar, dass die Frauen tatsächlich kämpfen. Hätte Herzog Albrecht gewusst, dass es sich ,nur‘ um Frauen handelt, hätte er sich nicht zurückgezogen.

Der Krieg war also im Mittelalter weitgehend ein Betätigungsfeld für Männer. Diese im Krieg aktiven Männer lassen sich grob in zwei Gruppen teilen, je nachdem wie sie kämpften: Reiter und Fußkämpfer. Diese Unterscheidung ist freilich nicht so trennscharf, wie sie auf den ersten Blick erscheint: Manche Kämpfer ritten zur Schlacht, um dann in ihr zu Fuß zu kämpfen.

|113|Reiter und Ritter

Das Mittelalter wird allgemein als Zeit der Ritter wahrgenommen und verklärt. Das Rittertum ist vielleicht die wirkmächtigste ,Erfindung‘ des westeuropäischen Mittelalters – zumindest soweit die Rezeption dieser Epoche in der Moderne betroffen ist. Da wimmelt es von Ritterfilmen und -spektakeln, und auch in Kontexten, die nichts mit dem Mittelalter zu tun haben, taucht die Figur des Ritters auf: so etwa die Jedis in den Star-Wars-Filmen eines George Lucas, die mit Licht-Schwertern kämpfen und einem Ehrenkodex verpflichtet sind.

Die Faszination des Rittertums ist kein rein neuzeitliches, sondern schon ein mittelalterliches Phänomen. Der junge Parzival – von seiner Mutter fernab des Hofes in der Wildnis aufgezogen – wirft sich beim Anblick der ersten Ritter, die er je sah, voller Ehrfurcht auf den Boden und fragt: „Seid Ihr Gott?“ So lesen wir bei Chr tien de Troyes, einem Dichter des 12. Jahrhunderts.

Ritter wurden als Ehrfurcht gebietende Erscheinungen wahrgenommen und dargestellt. Dies lag an ihrer prunkvollen Ausstattung: ein Pferd mit prachtvoller Satteldecke, glänzender Helm und Kettenpanzer, Lanze und Schild. Die Ritter glänzen im Sonnenlicht und schimmern in Blau, Gold und Silber, als Parzival sie sieht. Ritter waren, soviel kann man Chr tiens Artusroman entnehmen, gut gerüstet, und ihr Handwerk war der Krieg. Sie waren also zunächst einmal berittene Kämpfer; ihre Angriffswaffen waren vor allem das Schwert und die Lanze, sie schützten sich mit Schild und einer Körperpanzerung.

Aber nicht jeder, der in einem Panzer auf einem Pferd saß und Lanze, Schwert und Schild dabei hatte, war ein Ritter: Die englische Kriegsforschung benutzt den Begriff men-at-arms, um diejenigen Kämpfer zu bezeichnen, die beritten und gerüstet in die Schlacht zogen. Diese Kategorie zielt auf die Ausrüstung und militärische Einsetzbarkeit der Kämpfer, nicht auf deren soziale Stellung. Unter men-at-arms werden Ritter und Kämpfer nicht-ritterlichen Status (mitunter als Edelknechte bezeichnet), aber auch Söldner mit der entsprechenden Bewaffnung subsumiert. Für den Einsatz im Kampf war die soziale Stellung zunächst ohne Belang: Auch ohne Ritterschlag konnte ein Kämpfer mit Lanze, Schwert und Schild agieren. Die Bezeichnung ,Ritter‘ ist vielschichtig und bedarf der Erklärung.

|114|Der Schild – Schutz und Waffe

Wenn wir etwas ,im Schilde führen‘, so weist diese Redensart auf die mittelalterliche Vergangenheit unserer Gesellschaft zurück. Auf dem hochmittelalterlichen Schild waren farbige Kennzeichnungen (Wappen) angebracht, mit denen man Freund von Feind unterscheiden konnte. Wenn man den Schild mit dem Wappen sah, wusste man also, zu welcher Partei der Schildträger zu rechnen war. Der Schild war eine flexible Defensivwaffe, deren Form und Größe (im Verhältnis zum Kämpfer) variieren konnte. Die Schilde der Fußkämpfer waren in der Regel größer als die der Reiter. Ab dem 12. Jahrhundert wiesen die Reiterschilder ihre charakteristische Dreiecksform auf, die sich im Design der Wappenschilde bis heute bewahrt hat. Schilde dienten aber nicht nur als Defensiv-, sondern auch als Angriffswaffe, wie etwa die Abschnitte zum Schildfechten in Fechthandbüchern aus dem 15. Jahrhundert belegen.

Unsere modernen Vorstellungen vom mittelalterlichen Rittertum sind meist einseitig und auf einen bestimmten Aspekt dieses Phänomens beschränkt; als Ritter erscheinen uns strahlende Helden auf schnellen Pferden, die um schöne Frauen minnen und sich in Turnier und Kampf auszeichnen. Zum Ritter |115|wird man durch den Ritterschlag, ein Ritter ist edel und gerecht, kühn und ehrlich. Dieses Bild entspricht zu weiten Teilen dem, was uns die höfisch-ritterliche Kultur des 12. und 13. Jahrhunderts – wie etwa die Dichtungen eines Wolfram von Eschenbach (Parzival oder Willehalm) – vorstellt. Die Wirklichkeit, zumal die des mittelalterlichen Krieges, ist ungleich komplexer. Es lassen sich drei Aspekte des mittelalterlichen Rittertums unterscheiden: der militärische, der gesellschaftliche und der kulturelle. Blicken wir zunächst auf die Entstehung des Rittertums. Ein Ritter ist – soviel sagt schon das Wort – jemand, der auf einem Pferd reitet. Ohne Pferd gibt es keinen Ritter.

Das adlige Rittertum geht zurück auf die zunehmende militärische Bedeutung des Reiterkampfes etwa ab dem 8. Jahrhundert. Reiterkrieger, die vom Pferd aus kämpften, waren eine effiziente Waffengattung und in manchen Belangen den Fußtruppen ihrer Zeit überlegen. Dies lag vor allem in der Kampfesweise aus erhöhter Position (also von oben nach unten), in der Schnelligkeit und Durchschlagskraft begründet. In früheren Zeiten kämpften die Reiter zwar auch mit der Lanze, legten diese aber nicht unter den Arm, um den Gegner zu rammen, sondern benutzten sie als Stich- oder Wurfwaffe, vergleichbar mit einem Speer. Mit einem gepanzerten Ritter, der mit eingelegter Lanze agiert, hat dies noch nicht viel zu tun. Hierzu bedurfte es des Zusammenspiels verschiedener Entwicklungen: Das Hufeisen schützt die Hufe des Pferdes und erlaubt so die Züchtung schwererer und größerer Tiere (etwa ab dem 9./10. Jahrhundert); der Steigbügel gibt dem Reiter festen Halt und erleichtert so den Angriff mit eingelegter Lanze (etwa ab dem 8. Jahrhundert); eine spezielle Sattelform (umschließender Sattel) garantierte durch einen Sattelbogen hinten und einen Sattelknauf vorn einen sicheren Sitz (etwa ab 11./12. Jahrhundert).

|116|Aufgrund ihrer Ausrüstung waren Reiterkrieger nicht nur effizient, sondern auch teuer. In den hohen ökonomischen Anforderungen an diese Kämpfer liegt die Wurzel für die Verbindung von gesellschaftlichem Stand und Reichtum mit einer herausragenden Stellung im Kampfverband, die typisch für das Mittelalter ist. Die teure Ausstattung machte Kämpfen zu Pferd zu einem Privileg der Reichen. So legte etwa Karl der Große im Zuge seiner Heeresreform im Jahr 808 fest, dass nur solche Freien zum berittenen Kriegsdienst verpflichtet werden sollten, die vier Hufen Land (etwa 40–60 Hektar) besaßen. Ärmere Untertanen mussten sich zusammenschließen, um einen aus ihrer Mitte auszustatten. In den folgenden Jahrhunderten wurde als Grundlage für den berittenen Kriegsdienst das Lehen gegenüber dem Eigenbesitz (Allod) immer wichtiger. Vasallen erhielten von ihrem (Kriegs-)Herrn Land (und Leute) und waren im Gegenzug zum Kriegsdienst verpflichtet. Mit der Zeit bildete sich so eine geschlossene Schicht heraus, die sich zunächst sozial und militärisch von den übrigen Kämpfern abhob: Die berittenen Krieger (milites) waren Vasallen und kämpften als sogenannte Panzerreiter (loricati).

Im Verlauf des 11. Jahrhunderts trat – vor allem in Deutschland – eine weitere Bevölkerungsgruppe auf, die ihren sozialen Aufstieg der Verbindung von Krieg und Pferd verdankte: die Ministerialen. Diese ursprünglich Unfreien vermochten sich aufgrund des qualifizierten Dienstes, der sie für ihre Herren unentbehrlich machte, von den übrigen Unfreien abzugrenzen und im Verlauf des 12. Jahrhunderts sozial aufzusteigen. Ein wesentlicher Bestandteil dieses qualifizierten Dienstes war der Kriegsdienst zu Pferd. Dieser erforderte neben den ökonomischen Mitteln, die im Falle der Ministerialen zunächst vom Dienstherrn gestellt wurden, auch entsprechendes Können.

|117|Ritterkultur

Diese sozial-militärischen Entwicklungen bilden den Hintergrund für die Ausbildung einer höfisch-ritterlichen Kultur in der sogenannten Blütezeit des Rittertums im 12. und 13. Jahrhundert. Etliche ihrer Elemente hatten einen direkten Bezug zur Gewaltkompetenz dieser Gruppe: Die Präsentationsformen waren eindeutig auf kriegerische Attribute ausgerichtet – wie Pferd, Schwert, Schild. In diesen Kontext fällt auch das mittelalterliche Wappenwesen (Heraldik).

Zum Ritter im kulturellen Sinne wurde man durch eine Zeremonie, welche als Schwertleite und später als Ritterschlag bezeichnet wird.

Die Schwertleite gab es in Frankreich schon vor 1100, der Ritterschlag kam im 13. Jahrhundert auf. Spätestens an diesem Punkt gilt es zwischen einem Ritter und einem Reiterkrieger zu unterscheiden. Zumindest in der Theorie und dem gruppendynamischen Anspruch nach war jeder Ritter auch ein Reiterkrieger. Nicht jeder Reiter, der vom Pferd aus kämpfte, war dagegen ein Ritter. Zwischen der idealisierten Welt des höfischen Rittertums und dem Krieg klafften beträchtliche Lücken. So zeigen sich zahlreiche Ritter etwa in ihrem Verhalten gegenüber besiegten Gegnern – wie gezeigt – wenig ,ritterlich‘.

Das Rittertum hatte neben seinem standesgemäßen Verhaltenskodex auch eine ökonomische Komponente. Die Verbindung von sozialem Status und Kriegsdienst ließ sich nicht nur als Privileg, sondern auch als Last interpretieren. Jemand, der über die entsprechende Ausstattung an Land und das daraus resultierende Auskommen verfügte, wer also ökonomisch zum Stand der Ritter gehörte, musste deswegen noch nicht erpicht darauf sein, als Ritter im Krieg zu kämpfen. Die lehnsrechtlichen Verpflichtungen erlaubten in der Regel, einen Ersatz zu schicken. Das Lehen verpflichtete den Vasall, eine bestimmte Anzahl von speziell ausgerüsteten Reitern in den Krieg zu schicken, nicht aber, persönlich in den Krieg zu ziehen. Andere Adlige verweigerten sich dem Status eines Ritters mit aufwändiger Ausstattung, weil sie die Kosten scheuten, die mit dem entsprechenden Kriegsdienst verbunden waren. Das Rittertum hatte eine heroisch-strahlende Dimension und eine praktische, die aus den Gefahren und Unwägbarkeiten des Krieges und seiner ökonomischen Dimension bestand.

|118|Schwert – Von der Hieb- zur Stichwaffe

Die waffentechnische Entwicklung des Schwertes läuft parallel zu den Änderungen der Körperpanzerung. Die Bestandteile der Waffe: Klinge, Griff (mit Knauf) und die dazwischenliegende Parierstange, welche die Hand des Kämpfers schützen soll, bleiben dabei unverändert. Form und Schwerpunkt der Schwerter wurden aber an unterschiedliche Kampfesweisen angepasst. Solange man sich durch Kettenhemden schützte, wurde das Schwert als Hiebwaffe eingesetzt: Es hatte eine scharfe Klinge, aber kaum eine Spitze. Ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert kamen Plattenharnische auf. Die einzelnen Platten schützen gegen einen Schwerthieb, also wurde das Schwert zur Stoßwaffe umfunktioniert: kürzer, schmaler und nun mit spitzer Klinge.

Krieg war für den Ritter schon deswegen teuer, weil er in der Regel nicht allein agierte. Auch wenn das Ideal des heldischen Ritters ein individuell agierenden Streiter ist, so bedurfte der mittelalterliche Ritter der Begleitung: Ein Knappe hielt Lanze und Schild für ihn bereit, ein Knecht versorgte die Pferde. Zu einem Ritter gehörten mindestens drei Pferde: das Schlachtross, welches nur in der eigentlichen Kampfsituation zum Einsatz |119|kam, ein Reitpferd und ein Pferd für den Knappen (und den Knecht). Diese kleinste militärische Einheit aus einem Ritter und seinem Gefolge wird wegen der Lanze als auffälligstem Bestandteil der Bewaffnung auch Lanze oder Gleve genannt.

Die militärische Bedeutung der Reiterkrieger

Im militärisch-taktischen Sinne lag die Effizienz der Reiterkrieger im massierten Angriff mit eingelegter Lanze: Pferd, Reiter und Lanze wurden zu einer kinetischen Einheit, welche die Geschwindigkeit des Anreitens an einem kleinen Punkt in Stoßenergie umwandeln und auf den Feind übertragen konnte. Die Durchschlagskraft der lateineuropäischen Reiter war im Mittelalter legendär: „Ein Franke auf seinem Pferd ist unbezwingbar; er könnte ein Loch in die Mauern von Babylon schlagen.“7

So beschreibt die byzantinische Prinzessin Anna Komnene die Wirkung der christlichen Kreuzfahrer, die sie als ,Franken‘ bezeichnet. Ebenso vielbeschrieben war auch die Verwundbarkeit der gepanzerten Reiter, wenn der erste Angriff fehlgeschlagen war oder sie gar vom Pferd gefallen waren. So fährt die Autorin fort: „Wenn er [der Franke] aber von seinem Pferd steigt, kann jeder, der das will, sich über ihn lustig machen.“8

Zwar sind moderne Darstellungen, in denen sich Ritter per Flaschenzug auf ihre Pferde hieven lassen mussten, Fiktion – zumindest, was den Krieg angeht. Die Beweglichkeit der Ritter war aber durch die Schutzbewaffnung (Kettenhemden oder Plattenpanzer) sehr eingeschränkt. Ein einzelner Ritter – sei er nun zu Pferd oder zu Fuß – konnte leicht das Opfer einer Gruppe von Fußkämpfern werden.

Ritter fochten nicht immer zu Pferd – auch das ist ein moderner Mythos vom mittelalterlichen Krieg. In zahlreichen Schlachtschilderungen quer durch das ganze Mittelalter wird |120|von Aktionen berichtet, in denen Reiterkrieger zu Fuß kämpften. So soll König Arnulf von Kärnten († 899) seinen Mannen bei einer Schlacht gegen die Normannen im Jahr 891 befohlen haben, zu Fuß zu kämpfen – und war mit dieser Taktik erfolgreich. Wenn Reiterkrieger zu Fuß kämpfen, verweisen die Quellen immer wieder auf den Zusammenhang von Pferd und Flucht. Wer auf einem (schnellen) Pferd sitzt, hat die Möglichkeit, sich auch schnell aus dem Staub zu machen. Anders gesagt: Wer sich zu Fuß in die Schlacht begibt, hat wesentlich schlechtere Fluchtmöglichkeiten und muss entschlossen kämpfen.

In diesem Sinne verweist ein Dialog zwischen zwei Schlachtteilnehmern, der uns in der Preußenchronik des Peter von Dusburg zum Jahr 1260 überliefert ist, auf zwei wesentliche Aspekte des Reiterkriegertums:

Als sich die Brüder und das ganze Heer daraufhin zur Schlacht vorbereiteten, um die durch Christi Blut erlösten Seelen aus den Händen der Feinde zu befreien, sagte ein adliger Pomesianer namens Matti, Sohn des Pipin, auf die Frage des Marschalls Bruder Heinrich, wie man die Feinde angreifen solle: „Wir wollen unsere Pferde weit zurücklassen, sodass uns keine Aussicht bleibt, zu ihnen zurückzukehren, und wollen zu Fuß angreifen; dann wird das Volk ohne die Hilfe der Pferde in der Schlacht standhalten, sonst aber ohne Zweifel die Flucht ergreifen.“ Diesem Rat widersprachen die Ritter des Dänenkönigs aus Reval und viele andere mit dem Hinweis, sie könnten wegen des Gewichts der Waffen ohne Pferde nicht lange im Kampf aushalten.9

Das Pferd war also ein wichtiges Kampfmittel; es ermöglichte im Grunde erst den Einsatz von schwer gepanzerten Reitern. Dieser Kämpfertyp war ohne Pferd schlicht und einfach nicht einsetzbar.

|121|Das ritterliche Schlachtross

Das Pferd war das einzige Tier, das im Mittelalter speziell für den Krieg gezüchtet wurde: Das Schlachtross, lateinisch dextrarius, begegnet uns unter dieser Bezeichnung erstmals im 12. Jahrhundert. Es diente ausschließlich zum Einsatz in der Schlacht und wurde dafür gezüchtet und ausgebildet: Diese Tiere mussten stark genug sein, um Reiter und Ausrüstung, die gegebenenfalls auch die Panzerung für das Pferd (Rossharnisch) selbst umfassen konnte, zu tragen; darüber hinaus sollten sie schnell und ausdauernd sein, um dem Angriff Energie zu verleihen und auch längere Kampfhandlungen zu überstehen. Schlachtrösser waren extrem teuer und daher wurde oftmals in speziellen Schätzungsverfahren vor dem Kampfeinsatz ihr Wert bestimmt, da der Reiter im Verlustfall Anspruch auf Kompensationszahlungen durch seinen Kriegsherrn hatte.

Das Pferd – und vor allem das Kriegspferd – war im Mittelalter wie gesagt aber viel mehr als eine Waffe und ein Hilfsmittel zur Flucht: Es war ein Statussymbol des Kriegeradels. Dieser war nämlich in seinem Selbstverständnis ein Reiteradel. Die Bedeutung des Pferdes für den Ritter lässt sich etwa daran ersehen, dass diese Tiere in den Ritterromanen des Hochmittelalters als Begleiter und Gefährten der Helden verstanden und mit Namen versehen wurden.

Wer hoch zu Ross sitzt, kann tief fallen

Hoch auf dem Pferd erhob sich der mittelalterliche Ritter über seine Umgebung. Dies galt für die gesellschaftlichen Gruppen, die sich kein Pferd leisten konnten, im Alltag wie für die Fußkämpfer im Krieg. Die physische Erhöhung deckte sich im |122|Selbstverständnis des Standes mit der herausgehobenen sozialen Stellung des Rittertums.

Dieser Zusammenhang wird in einer Chronik zu Kaiser Ludwig IV. – besser bekannt als Ludwig der Bayer – zur Schlacht von Mühldorf 1322 deutlich. In dieser Schlacht standen sich Ludwig und der Österreicher Friedrich der Schöne im Streit um die Krone des Reiches gegenüber; die Österreicher unterlagen, und der bayerische Chronist weiß dies mit viel Häme zu berichten:

Die auf prächtig geschirrten Pferden gar stolz herangekommen waren, lagen im tiefsten Elend da [...] O armselige Österreicher! Das soll euer Lohn sein: Zu Pferde kommt ihr, und auf Kähnen kehrt ihr zurück.10

Wer sein Pferd verliert, büßt auch seinen Status als adliger Kämpfer ein. Die Sieger reiten, die Verlierer schippern heimwärts. An der Art des Transportmittels erkennt man den Status eines Mannes – und nur das Reiten ist für den Adligen standesgemäß.

Das Streitross eignete sich aus verschiedenen Gründen zum Statussymbol: Kriegspferde waren sehr teuer. Sie wurden speziell für den Einsatz im Krieg gezüchtet und ausgebildet. Sie wurden an Feuer und Lärm gewöhnt, sodass der Theologe und Gelehrte Albertus Magnus († 1280) in seiner Schrift Über die Tiere zu den Schlachtrössern schreiben konnte:

Diese Pferde erfreuen sich am Klang der Musik, sie werden durch den Klang der Waffen erregt und wollen mit anderen Schlachtrössern kämpfen.11

Hier wird ein Bild von Kriegspferden gezeigt, das sicherlich ebenso von der zeitgenössischen höfischen Dichtung wie von der Kriegswirklichkeit geprägt ist. Im Krieg war es kaum nötig, |123|dass die Pferde in dem Sinne aktiv wurden, dass sie sich gegenseitig bekämpften. Dieses Verhalten ist eher dem Chanson de Geste entnommen, in dem sich ein Ritter Renaut auf seinem Pferd Baiart dem Bösen stellt. Hier ist das Pferd treuer Begleiter, ja Freund und Kampfgefährte. Dieses Phänomen lässt sich epochenübergreifend beobachten: Alexander der Große ritt seinen Bukephalos, Lucky Luke reitet Jolly Jumper.

Wie eng im Mittelalter sozialer Anspruch und höfische Ideale mit der Realität des Krieges verwoben sein konnten, zeigt sich auch am Geschlecht der Pferde; als Kriegspferde kamen nämlich durchweg Hengste zum Einsatz. Die Gründe hierfür sind im Statusdenken zu suchen. Biologische Gründe für den Einsatz von Hengsten gab es nicht. Hengste sind weder signifikant schneller oder größer als Stuten oder Wallache. Auch die Zuchtbedingungen des Mittelalters erklären den Verzicht auf Stuten nicht. Denn selbst wenn man für die Zucht deutlich mehr Stuten als Hengste benötigt, standen Stuten doch in so ausreichender Zahl zur Verfügung, dass man sie nicht ausschließlich in der Zucht einsetzen musste. Wenn Ritter Hengste ritten, dann lag das vielmehr an der positiven Konnotation ihres Geschlechtes. Ein echter Ritter wollte keine Stute reiten.

Das Ende der Ritter

Heute gibt es Ritter nur noch im Kino und in den Vorstellungen eines bestimmten Menschen- oder genauer Männerschlages, der sich ,ritterlich‘ um Ehre und Anstand, Höflichkeit und Moral bemüht – angeblich so wie die Ritter des Mittelalters. Diese sind verschwunden. Aber warum?

Die ritterliche Art der Kriegführung bestand darin, mit eingelegter Lanze gegen den Gegner anzureiten. So effektvoll |124|dies – etwa im Laufe der Kreuzzüge – immer wieder gewesen sein mag, so setzten die Entwicklungen der Kriegführung dieser Gewaltform spätestens ab dem 14. Jahrhundert deutlich Grenzen. Der Erfolg eines Angriffs mit eingelegter Lanze war von zahlreichen Faktoren abhängig. Neben der Geländebeschaffenheit und dem koordinierten Zusammenspiel der angreifenden Ritter war auch das taktische Verhalten der Gegner wichtig. In blutigen Niederlagen mussten die westeuropäischen Ritter lernen, dass sie gegen eine wohlgeordnete Truppe von Fußkämpfern nichts ausrichten konnten, welche den Angriff der Reiter auf ihre Langwaffen (wie Spieße und Hellebarden) einfach auflaufen ließen. Auf diese Weise errangen die Engländer vor allem in der Frühphase des Hundertjährigen Krieges (1337–1453) zahlreiche Erfolge gegen französische Ritter. Der Erfolg der Engländer beruhte auch darauf, dass Bogenschützen und Reiterkrieger über alle ständischen Grenzen hinweg gut miteinander kooperierten; der Erfolg wurde also gemeinsam von allen am Krieg beteiligten Protagonisten errungen. In anderen Fällen machten sich zu Fuß kämpfende Verbände die Beschaffenheit des Geländes zunutze und griffen die Reiter in einer Situation an, in der deren Stärke nicht zur Entfaltung kommen konnte, etwa in der Schlacht bei Morgarten (1315), in der schweizerische Fußkämpfer österreichische Reiterei unter Ausnutzung einer für sie günstigen Geländeformation angriffen und besiegten.

Auch der massierte Einsatz von Fernwaffen (Bogen, Armbrust und Feuerwaffen) nahm den Rittern ihren militärischen Vorteil. So wurden die englischen Verbände – Reiter und Fußtruppen – in der letzten großen Schlacht des Hundertjährigen Krieges 1453 bei Castillon (Frankreich) beim Angriff auf die französischen Stellungen mehr oder weniger zusammengeschossen. Feuerwaffen und vor allem billige Büchsen machten |125|den Krieg auch in dem Sinne modern, dass Erfolg im Kampf immer weniger eine Frage der sozialen Stellung und des Reichtums, sondern der Ausrüstung war: Mit einer Büchse konnte auch ein einfacher Bauernjunge einen hochedlen Ritter vom Pferd schießen.

Fußkämpfer

Die modernste Waffengattung des Mittelalters waren insofern die Fußkämpfer, als sie gegen Ende dieser Zeit und über weite Strecken der Neuzeit die Schlachtfelder Europas dominierten. Im militärischen Sinne wurde der Krieg vorrangig zu einem Krieg der Fußgänger; Reiter flankierten deren Einsatz im Wortsinne, waren aber nicht mehr die Waffengattung, auf die alle anderen Aktionen abgestellt wurden, wie dies noch über weite Strecken des Mittelalters der Fall gewesen war.

In diesem Punkt ähneln sich die Kriege der römischen Antike und die der Neuzeit. Beide wurden von großen Verbänden von Fußkämpfern ausgefochten, die einem militärischen Drill unterworfen waren, der sie zu effektiven Kampfverbänden werden ließ.

In der Ausbildung lag der Erfolg von Fußtruppen begründet. Wenn sie Reitern standhalten wollten, war ein hohes Maß an Disziplin und Koordinierung aufzubringen. Mehr noch als bei Reitern ist der Erfolg ihrer Operationen von der Massierung und der koordinierten Bewegung abhängig. Erst diese beiden Elemente machten aus einzelnen, dem Reiter unterlegenen Fußkämpfern eine militärisch dominante Waffengattung.

Über weite Strecken des Mittelalters standen die Vorzeichen für Ausbildung und Disziplinierung von Fußtruppen-Verbänden eher schlecht. Eine Gesellschaft, in der es keine stehenden Heere und damit einhergehende Kasernierung gab, tat sich |127|schwer damit, ihre Kämpfer über längere Zeiträume auszubilden und – etwa im Marschieren oder im Manövrieren – zu schulen. Aufgrund ihrer privilegierten sozialen Stellung, die – wie gezeigt – eng mit dem Kriegshandwerk verknüpft war, waren adlige Reiterkrieger hier lange im Vorteil. Während ein adliger Jüngling im Umgang mit Waffen und Pferd ausgebildet wurde, musste ein Bauernjunge arbeiten.

Auch die Motivation der Fußkämpfer dürfte sich zunächst grundlegend von der der adligen Reiterkrieger unterschieden haben. Zwar ist es für uns sehr schwer, Einblicke in das Innenleben mittelalterlicher Kriegsteilnehmer zu nehmen. Uns liegen kaum Quellen – etwa in Form von Briefen oder anderen Ego-Dokumenten – aus den unteren Gesellschaftsgruppen vor; genau aus diesen Gruppen (Bauern, Tagelöhner) rekrutierte sich das Fußvolk. Man wird jedoch annehmen dürfen, dass die gesellschaftliche Konstellation, in der sich der Kriegsdienst über weite Strecken des Mittelalters abspielte, einen Unterschied in der Motivation und im Zugang zum Krieg generell zur Folge hatte. Während der Krieg für die adlige Führungsschicht einen Weg zur Prestigesteigerung darstellte, folgten die Fußkämpfer in erster Linie Befehlen. Sie wurden im Kontext der Herrschaftsstruktur, in der sie lebten, rekrutiert und zum Dienst verpflichtet. Daraus resultierte für sie aber zunächst keine Veränderung in ihrem sozialen Status. Wer vor dem Krieg als Bauer für den Grundherrn schuften musste, fand sich nach dem Krieg in der Regel in der gleichen Position wieder – sofern er nicht tot oder verstümmelt war.

Das Risiko, verletzt oder getötet zu werden, war – grosso modo – bei den schlechter gerüsteten Fußkämpfern deutlich höher, als bei gut ausgerüsteten Reiterkriegern. Auch die im Vergleich zu den Reitern eingeschränkte Mobilität dürfte zu anteilig höheren Verlusten geführt haben. So musste das Fußvolk |128|im Falle einer Niederlage in Sicherheit laufen und wurde dabei oftmals von den siegreichen Reitern niedergemacht, während sich die unterlegenen Reiterkrieger schneller in Sicherheit bringen konnten.

Auch das ökonomische Interesse am Leben der Verlierer war bezüglich nicht-adliger Fußkämpfer deutlich geringer ausgeprägt als bei adligen Reitern und bot daher auch weniger Schutz. Es war im ökonomischen Sinne vernünftig, einen adligen Gegner im Falle des Sieges nicht zu töten: Man konnte ihn gegen Lösegeld an seine Familie zurückverkaufen. Anders sah die Sache beim anonymen Durchschnittskämpfer aus. Wer sollte ein Lösegeld für ihn zahlen, das den Aufwand der Gefangennahme rechtfertigte? Wie hätte man – selbst wenn es die Möglichkeit der Bezahlung gegeben hätte – mit den Familienangehörigen in Kontakt treten sollen, wenn diese nicht Teil des adligen Geflechts von Verwandtschaft und Bekanntschaft waren? Also wurden Fußkämpfer oftmals umgebracht, weil alles andere ökonomisch sinnlos gewesen wäre. Unter militärischen Gesichtspunkten war es ohnehin geboten, einen Sieg in möglichst nachhaltige Schwächung des Gegners umzuwandeln, dessen Kämpfer also zu töten oder zu verstümmeln.

Wenn man von ,Fußkämpfern‘ im Mittelalter spricht, so sollte nicht der Eindruck einer homogenen Gruppierung entstehen. Bislang haben wir Fußkämpfer immer auch unter sozialen Aspekten betrachtet, als Krieg führende Gruppe unterhalb der adligen Reiterkrieger. Bezieht man sich aber auf die militärische Dimension, wird schnell deutlich, wie vielfältig diese Gruppe war: Zu Fuß kämpften Lanzenträger und Bogenschützen, auch Ritter fochten im ganzen Mittelalter immer wieder ohne ihr Pferd. Fußsoldat war kein geschützter Begriff – jeder, der einen Knüppel schwingen konnte, konnte als Fußkämpfer zum Einsatz kommen und wird in den Quellen als ,bewaffnet‘ |129|bezeichnet. Es gab mithin keine fest definierte Gruppe oder

Gruppenbezeichnung. Auch gab es nicht die eine Waffe des Fußkämpfers. Diese konnten vom einfachen Knüppel, der vielleicht mit einigen Nägeln gespickt war, bis hin zur elaborierten Stangenwaffe – etwa einer Hellebarde – reichen. Im 15. Jahrhundert kamen dann auch tragbare Feuerwaffen – einfache Steinbüchsen – hinzu.

Neue Waffen

An der Bewaffnung lässt sich ein Stück weit der Wandel und die gestiegene Bedeutung der Fußtruppen ablesen. Waffentechnische Neuerungen und Entwicklung des Kriegswesens bedingen  |130|sich hier gegenseitig. Beredtes Zeugnis hierfür ist etwa die Hellebarde oder Halmbarte. Diese Waffe wurde im 13. und 14. Jahrhundert entwickelt und trägt dem Umstand Rechnung, dass zu Fuß agierende Verbände eine Offensivwaffe benötigten. Fußkämpfer waren nicht mehr nur Beiwerk und Unterstützung der Reiter – und damit überwiegend defensiv; sie gingen – im Wort- und übertragenen Sinne – zum Angriff über und wurden zur Schlacht entscheidenden Waffengattung. Die Halmbarte setzte sich aus einem Spieß (,Halm‘) und einem Beil (,Barte‘) zusammen. Sie konnte also zum Stoß und zum Hieb verwendet werden, wie ein Spieß oder wie ein Beil. Durch den – im Vergleich zu einem normalen Beil – sehr langen Schaft erhielt der Hieb mit der Beilklinge eine enorme Wucht. Die Wirkung dieser neuen Waffe beschreibt der Chronist Johann von Winterthur in der Schlacht von Morgarten (1315), in welcher schweizerische Kämpfer den Österreichern unter Herzog Leopold I. eine schwere Niederlage beibrachten:

Der Spieß – Universal einsetzbar

Der Spieß ist eine im Aufbau simple Waffe: An einer Stange wird eine flache Spitze angebracht. Der Spieß fand sowohl im Krieg als auch in der Jagd Verwendung und war oftmals die einzige Waffe der Fußkämpfer. Der Langspieß der Landsknechte des 15. Jahrhundert konnte vier, in Einzelfällen sogar über fünf Meter lang sein; der Aalspieß verfügte über eine bis zu 90 Zentimeter lange Klinge. Die Handhabung dieser Waffen war sehr anspruchsvoll. Das Spießfechten wurde daher in spätmittelalterlichen Fechthandbüchern ebenso aufgeführt wie das – uns heute bekanntere – Schwertfechten. Auch adlige Krieger bedienten sich gelegentlich der Spieße: 1479 focht der junge Erzherzog von Österreich Maximilian – der spätere Kaiser – in der Schlacht von Guinegate (Nordfrankreich) zu Fuß mit dem Spieß in der Hand. In der Junktur des ,Spießbürgers‘ tritt uns aber noch heute der Zusammenhang von Stand und Waffe gegenüber: Es ist kein Zufall, dass wir nicht von ,Spießrittern‘ sprechen.

Die Schweizer hatten darüber hinaus in ihren Händen bestimmte äußerst schreckliche Werkzeuge zum Töten […], die in der Volkssprache „Hellebarde“ genannt wurden; mit diesen zerteilten sie auch sehr gut gerüstete Feinde wie mit einem Rasiermesser.12

Im Gegensatz zu anderen Stangenwaffen – wie etwa dem Spieß – war die Hellebarde auch nach dem ersten Aufeinandertreffen mit dem (berittenen) Gegner noch zu gebrauchen und im Ganzen vielfältiger einsetzbar.

Die Konstruktion der Hellebarde verweist auf einen Wandel im Verständnis von Krieg und Kriegsteilnehmern im späten Mittelalter. Wenn aus agrarischen Arbeitsgeräten Waffen für den Krieg werden, belegt dies zweierlei: Zum einen ist im ganzen Mittelalter der Schritt vom Werkzeug zur Waffe klein. Mistgabeln, Äxte und anderes landwirtschaftliches Gerät können in einer Zeit, in der Schwerter und Lanzen den Krieg prägen, durchaus als effektive Waffe eingesetzt werden.

|131|Hellebarde oder Halmbarte

Die Hellebarde oder Halmbarte ist eine Stangenwaffe. Sie diente dem Fußvolk als Angriffswaffe und wurde als Kombination aus Spieß und Axt entwickelt. Oftmals wurde auf der Rückseite der Axtklinge ein Haken angebracht. Wie mit einem Spieß konnte mit dieser Waffe gegen anreitende Truppen eine defensive Stellung eingenommen werden; Axtblatt und Haken erlaubten darüber hinaus den Angriff gegen Reiter, wobei die Stange den Höhenunterschied überwand. Gerade dem Hieb mit dem spitzen Haken, der aufgrund der Länge des Schaftes eine enorme Wucht haben konnte, war die zeitgenössische Plattenpanzerung vielfach nicht gewachsen.

Wenn aus Arbeitsgeräten Waffen werden, belegt dies darüber hinaus die zunehmende Bedeutung derjenigen Bevölkerungsgruppen, die mit diesen Geräten umgehen können, für den Krieg. Kriegssensen und -flegel weisen ebenso wie die Hellebarde darauf hin, dass nicht-adlige Kämpfer als Kriegsteilnehmer immer wichtiger wurden. Diese Waffen waren den Arbeitsgeräten Sense und Flegel nachempfunden, deren Handhabung die agrarische Bevölkerung gleichsam qua Beruf beherrschte. Nun wurden diese Fähigkeiten für den Krieg nutzbar gemacht. Hier erlangen rhetorische Motive, in denen der Tod als Sensenmann firmiert, einen ganz handfesten Bezug zur Realität.

|133|Kampf um Freiheit

Es war aber nicht die Bewaffnung allein, welche die Fußtruppen ab dem 14. Jahrhundert so effizient werden ließ. Als Wendepunkte und Anfang einer Entwicklung hin zur Dominanz der Fußkämpfer wird gemeinhin eine Reihe von Schlachten am Anfang dieses Jahrhunderts beschrieben: So etwa die Schlachten von Courtrai 1302, Bannockburn 1314 und Morgarten 1315. In diesen Schlachten besiegten Fußkämpfer ein Reiterheer, das nach dem Verständnis der Zeit die überlegene Waffengattung repräsentierte. Bei Courtrai (heute: Belgien) besiegte ein flämisches Aufgebot französische Ritter; bei Bannockburn (Schottland) mussten sich die englischen Reiter König Eduards II. den Schotten geschlagen geben, und bei Morgarten (Schweiz) unterlagen österreichische Reiterverbände gegen Eidgenossen zu Fuß.

Diesen Auseinandersetzungen ist gemein, dass die Fußkämpfer für etwas kämpften, das man im weitesten Sinne als ihre Freiheit bezeichnen kann. Es ging um die Unabhängigkeit von einer anderen Macht und um politische Selbstbestimmung oder Teilhabe. Die Fußkämpfer repräsentierten hier nicht mehr eine unterdrückte soziale Schicht, welcher der Kriegsdienst auferlegt worden war; sie zogen für die eigene Sache in den Krieg, kämpften für ihre eigenen Ziele. Die Motivation scheint ein entscheidender Faktor für den Erfolg dieser Verbände gewesen zu sein, Motivation, die durch die politischen Rahmenbedingungen entstand. Bei Courtrai etwa fochten kommunale Verbände, zwischen denen ein Zusammenhalt bestand, nicht nur als militärische Einheit, sondern als Gemeinschaft von Stadtbewohnern und -bürgern. Es gab eine Gemeinsamkeit zwischen all diesen Fußkämpfern, die sich nicht in einer gemeinsamen militärischen Aktion erschöpfte.

|134|Infanterie im Mittelalter?

In die Kategorie ,Fußkämpfer‘ fallen eine Reihe höchst unterschiedlicher Akteure. Hierzu zählen schlecht ausgerüstete Bauern-Kämpfer ebenso wie Söldner, die gut bezahlte Profikämpfer waren. Zur zweiten Kategorie gehörten etwa die Landsknechte: Dies waren zu Fuß kämpfende Söldner, die im deutschen Reich des ausgehenden 15. und 16. Jahrhunderts etwa von Kaiser Maximilian I. († 1519) eingesetzt wurden. Sie kämpften mit Langspießen (auch Büchsen und Zweihand-Schwertern) in Gevierthaufen (Kampfverbände – auf allen Seiten vor Langwaffen starrend); ihre Aktionen wurden von Reiter-Kämpfern unterstützt.

Der Begriff ,Infanterie‘ ist für diese Gruppe der mittelalterlichen Kämpfer problematisch. Zum einen weckt er Assoziationen an neuzeitliche Armeen mit gut ausgebildeten und gedrillten Soldaten. Dies trifft zwar für die Landsknechte des ausgehenden Mittelalters, nicht aber für die Masse der Fußkämpfer zu. Mit diesen haben moderne Infanteristen letztlich nur gemein, dass beide in der Schlacht laufen. Dies sagt zunächst nichts über die Art des Transportes zur Schlacht aus: Es gab durchaus Gruppen, die zur Schlacht ritten, um dann zu Fuß zu kämpfen – etwa englische berittene Bogenschützen im Hundertjährigen Krieg.

Der US-amerikanische Militärhistoriker Stephen Morillo hat auf die Problematik aufmerksam gemacht, Begriffe wie Infanterie und Kavallerie auf das Mittelalter zu übertragen.13 Er unterscheidet verschiedene Dimensionen dieser Begriffe: Die funktionale Dimension bezieht sich auf die Art und Weise, wie Kämpfer ihre militärische Funktion ausüben: Infanterie kämpft zu Fuß, Kavallerie zu Pferd. Dies variiert aber je nach Kriegs- und Gefechtssituation: Nach dem Verlust seines Pferdes kämpft auch ein Kavallerist zu Fuß und ist damit im funktionalen Sinne Infanterist.

|135|Der Langbogen

Man kann je nach Länge der Waffe verschiedene Bogenarten unterscheiden, wobei die Länge immer relativ zum Bogenschützen verstanden werden muss. Ein Langbogen war übermannshoch und zeichnete sich durch hohe Reichweite und Durchschlagskraft aus. Normale Bögen waren entsprechend kleiner und schossen weniger weit. Auf bildlichen Darstellungen kann man die Bogenarten danach unterscheiden, bis zu welchem Punkt die Sehne gespannt wird: beim Langbogen bis zum Ohr, beim normalen oder Kurzbogen vor die Brust. Die zunehmende militärische Bedeutung schlug sich in der gesellschaftlichen Aufwertung der Waffe nieder; Pfeil und Bogen tauchen im 15. Jahrhundert in Wappen auf und werden im Rahmen englischer Schlachterfolge – etwa 1415 bei Agincourt – besungen. Dennoch blieben Pfeil und Bogen über das ganze Mittelalter eine Waffe, die Adlige im Kriegskontext mieden und lediglich zur Jagd benutzten.

Auch die soziale Komponente der Begrifflichkeit ist wichtig. Der Terminus Infanterie ist seit dem 17. Jahrhundert belegt und von dem französischen infanterie und dem italienischen infanteria abgeleitet. Ausgehend von dem lateinischen Wort infans (das Kind) markieren sie deutlich die untergeordnete Stellung der so bezeichneten Fußkämpfer im sozialen Gefüge. Als Gegenstück dazu verweist die Kavallerie in Anlehnung an das französische chevalerie und cheval auf das Rittertum und damit die gesellschaftlich herausgehobene Stellung dieser Kämpfer. Somit schwingt bei der Benennung Infanterie ursprünglich eine abwertende Konnotation mit. Für das Mittelalter erscheint gerade die soziale Komponente als prägend, nahmen doch Fußkämpfer in der Regel einen niedrigeren sozialen Stand ein als berittene Krieger und waren also im ursprünglichen Sinne des Wortes Infanteristen. In allen anderen Ebenen erscheinen die Überschneidungen mit dem Mittelalter aber zu gering, um diesen Begriff sinnvoll übertragen zu können.

|136|Distanzwaffe Armbrust

Neben dem Bogen war die Armbrust die wichtigste leichte Distanzwaffe des Mittelalters. Verglichen mit dem Bogen war sie deutlich einfacher in der Handhabung und zeichnete sich besonders dadurch aus, dass man die Sehne über lange Zeit ohne Kraftaufwand unter Spannung halten und so ein Ziel anvisieren konnte. Außerdem konnte man neben Pfeilen auch Bolzen abschießen. Bekannt war die Armbrust in Lateineuropa seit dem 10. Jahrhundert; weite Verbreitung fand sie dann ab dem 12. Jahrhundert. Die grausame Effektivität dieser Waffe lässt sich etwa auch daran erkennen, dass ihr Einsatz gegen Christen auf dem zweiten Laterankonzil 1139 verboten wurde.