Während Kohlhaas und Bäumer in Mito verharrten und die Zeit totschlugen, bereitete sich auch der Rest von Japan auf den drohenden Angriff der Global Control Force vor.
Die Inselgruppe von Okinawa war mittlerweile voll mit Hunderttausenden von GCF-Soldaten und zahlreichen Panzern und Flugzeugen. In den Morgenstunden des 10. August 2031 gab General Williams, der Oberkommandierende der südlichen Invasionsstreitkräfte, den Angriffsbefehl.
Schwer bewaffnete Kriegsschiffe luden die siegesgewissen GCF-Soldaten auf und Flugzeugträger der internationalen Streitkräfte transportierten eine ganze Armada von Bombern und Kampfjets zur Südküste der japanischen Inselgruppe. Als erstes Angriffsziel hatten sich die Luftstreitkräfte der GCF die Küstenstadt Kagoshima ausgesucht. Sie sollte wie durch einen Hammerschlag zermalmt werden. Ein blutiges Exempel, das die gigantische Landinvasion Japans mit einem Feuerinferno eröffnete.
Es war 6.00 Uhr morgens, da hoben Hunderte von Bomber von den Flugzeugträgern und Luftstützpunkten auf Okinawa ab und bewegten sich schnell auf die noch schlafende Küstenstadt zu.
Hinter ihnen stieg die Morgensonne glühend aus dem Wasser auf und hüllte das japanische Meer in ein furchterregendes, blutiges Rot ein. Dieses unheilvolle Zeichen sollte zu dem kommenden Tag passen, denn Kagoshimas Totenglocke war weit draußen auf dem Meer schon geschlagen worden.
Aufgeregt versuchte die verspätet reagierende Luftaufklärung der Japaner auf die sich nähernden Bomberschwadrone zu reagieren und es wurde eine mehr als notdürftige Verteidigung zusammengestellt, doch sie war lächerlich und dem geballten Vernichtungswillen der Bomber, die wie ein bösartiger Wespenschwarm über die Stadt herfielen, in keiner Weise gewachsen.
Männer und Frauen erwachten gähnend und noch matt in ihren Betten, kleine Kinder wurden von ihren Müttern geweckt, sie frühstückten und gingen zum Schulbus. Die Strassen Kagoshimas füllten sich langsam mit Menschen.
Dann plötzlich um 7.15 Uhr heulten die Sirenen und rissen die Bevölkerung aus ihrem Zustand der morgendlichen Müdigkeit. Die ersten Silhouetten der mit Brand- und Chemiebomben bestückten Kampfbomber tauchten am Horizont auf, um sich wie stählerne Raubvögel nach unten zu stürzen. Das Blutbad begann. Jetzt waren es nur noch wenige Minuten bis zur Hinrichtung der Küstenstadt.
„Bumm! Bumm! Bumm!“, erschallte es von den Wohnvierteln in der Nähe der Meeresküste und die ersten Bomben zerrissen Menschen und Häuser unter sich. Röhrende Motoren und das Zischen der durch die Luft schneidenden Kampfjets waren zu hören, jetzt konnte sich der Tod auf eine reiche Ernte freuen.
Die strategisch wichtige Hafenstadt, welche große Zentren der japanischen Nahrungsmittelindustrie beherbergte, wurde durch den vernichtenden Bombenangriff innerhalb kürzester Zeit in Schutt und Asche gelegt.
Wilde Panik brach in den Strassen aus und Massen von Menschen versuchten, dem Flammeninferno zu entkommen. Sie stürzten sich in die U-Bahn-Tunnel oder verbargen sich hinter Häuserwänden und in Kellern.
Zehntausende schafften es jedoch nicht mehr, dem brutalen Hammerschlag der GCF-Luftwaffe zu entkommen und starben in den brennenden Ruinen ihrer Heimatstadt. Wie das dumpfe Brüllen eines bösartigen Kriegsgottes schallte es, als die Bombenteppiche der GCF-Kampfjets die Welt unter sich in Feuer und Qualm erstickten. Den ganzen Tag über rasten die Flammenwände durch die verwüsteten Straßen und radierten alles Leben in ihrem Weg aus.
Zwar hatten die japanischen Flak-Geschütze auch den einen oder anderen feindlichen Flieger vom Himmel holen können, doch war der Großangriff zu wuchtig und massiert, um ihn ernsthaft aufhalten zu können. Der Schlag gegen Kagoshima und die nahezu vollkommene Zerstörung der Stadt leitete den Kampf um die japanischen Inseln ein.
Es war ein grausamer und perfekt geplanter Hieb gegen das Inselvolk, denn die GCF-Piloten hatten den ausdrücklichen Befehl, nicht nur die Fabriken und Nahrungsmittelanlagen, sondern vor allem die Wohnhäuser der Menschen zu zerstören, um einen möglichst großen Schock zu hinterlassen. Das gelang ihnen ganz im Sinne ihrer Oberbefehlshaber. Das Entsetzen über das blitzartige Abschlachten von so vielen Männern, Frauen und Kindern traf das japanische Volk bis ins Mark.
Als Kagoshima dem Erdboden gleich gemacht wurde und in einem apokalyptischen Feuer unterging, traf esauch den aus Ivas stammenden Holländer Thomas Baastfeldt
Er war als Teil einer ausländischen Division nach Süden verlegt worden und half während der Bombardierung der Großstadt bei der Evakuierung der Zivilbevölkerung. Eine Fliegerbombe traf ihn in der Nähe des Stadtzentrums und Baastfeldt wurde wie ein Stück Papier zerrissen. Der junge Soldat war sofort tot und mit ihm alle Menschen, die er und eine Gruppe Freiwillige aus dem Gefahrenbereich wegzuschaffen versuchten.
Baastfeldt wurde nur 21 Jahre alt. Er war das erste Opfer, welches das Dorf Ivas im japanischen Krieg auf dem Schlachtfeld erbrachte. Andere Städte der Insel Kyushu im Süden Japans wurden vorerst noch nicht flächendeckend angegriffen. Die Weltregierung wartete offenbar nach diesem brutalen Akt erst einmal auf eine Reaktion Matsumotos und des übrigen japanischen Volkes.
Als die GCF-Bomber nach mehreren Tagen ihre gnadenlosen Attacken einstellten und sich zu den Flugzeugträgern im Pazifik zurückzogen, wirkte Kagoshima, als wäre es von einem riesigen Stiefel zertreten worden. Über 150000 der früheren Einwohner waren als verkohlte Leichen in den Trümmern der Hafenstadt zu finden. Bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Zivilisten lagen mit aufgerissenen Augen in den Strassen und starrten mit kaltem Blick gen Himmel.
Auch der Flughafen war vollkommen dem Erdboden gleich gemacht worden und die Japaner hatten viele ihrer Maschinen verloren.
Bis auf den Flak-Beschuss hatten sich die Verteidiger kaum gewehrt. Sie waren auf einen so ausgeweiteten Vernichtungsschlag der GCF weder militärisch noch psychologisch vorbereitet gewesen.
Die wenigen Soldaten der japanischen Armee waren überwiegend mit der Evakuierung der Bevölkerung beschäftigt gewesen und hatten nichts gegen das Flächenbombardement ausrichten können. Kagoshima war erbarmungslos ausgelöscht worden und die Weltregierung hatte eindrücklich bewiesen, dass sie es mit ihrem Kampf gegen das abtrünnige Inselvolk ernst meinte.
Eine Woche später schlugen auch in Tokio mehrere Dutzend Raketen ein und zerrissen einige Wohnblocks in der Innenstadt. Dann war kurzzeitig Ruhe. Die GCF-Truppen formierten sich an den Grenzen des rebellischen Inselreiches, begannen mit der Ausarbeitung neuer Strategien und bereiteten die Landinvasion der gigantischen Streitmacht vor.
Matsumoto vernahm die Kunde von der vollkommenen Zerstörung Kagoshimas mit großer Bestürzung. Sie stieß ihn wieder in ein Loch tiefster Verzweiflung, aus welchem ihm sein Freund Akira Mori und seine anderen Berater kaum heraushelfen konnten.
Der japanische Präsident wollte tief im Inneren noch immer keinen militärischen Konflikt, hatte aber zugleich die Hoffnung auf Frieden schon längst aufgegeben. Jetzt musste er handeln. Das erwarteten seine Getreuen und vor allem das japanische Volk selbst, welches zwischen Entsetzen und Wut pendelte.
Matsumotos Tod, der seines gesamten Führungsstabes und aller, die seine Rebellion unterstützt hatten, war längst beschlossene Sache seiner Gegner. Der Plan zur Vernichtung Japans war von den einflussreichen Herren in den Hinterzimmern der Weltpolitik schon vor Monaten abgesegnet worden.
Mit dem Mut der Verzweiflung trat der Präsident des abtrünnigen Inselstaates zu Beginn der folgenden Woche vor sein Volk in Tokio. Hunderttausende hatten sich in der Innenstadt versammelt und empfingen ihn mit einem ohrenbetäubenden Jubel. Haruto Matsumoto erschien jetzt zornig und verbissen. Seine Augen glichen tiefen, finsteren Löchern und er fletschte die Zähne wie ein knurrender Wolf. Rechtschaffende Wut hatte den Präsidenten Japans ergriffen und er verkündete:
„Mein geliebtes Volk der aufgehenden Sonne!
Ich bin ein Mann des Friedens. Ein Mann, der aufbauen wollte, anstatt zu zerstören. Der heilen wollte, anstatt weitere Wunden in den Körper der Welt zu schlagen. Wie oft habe ich die Weltregierung darum gebeten, uns in Frieden leben zu lassen! Wie oft habe ich sie darum gebeten, dass wir so leben dürfen, wie wir es für richtig halten und sie so leben dürfen, wie sie es für sinnvoll erachten!
Ihr alle seid meine Zeugen. Ich habe es versucht. Mehr als ein Dutzend Mal, doch man hat nicht mit mir reden wollen. Man hat uns alle ignoriert und verlacht, während ich, als stolzer Nachfahre aus altem Samuraigeschlecht, mich fast wie ein Hund erniedrigt habe, um Frieden zu erbetteln. Ich habe sie angefleht, Vernunft walten zu lassen. Sie haben nur geschwiegen und kalt gelächelt.
Ihnen geht es darum, uns notfalls mit Gewalt unter Kontrolle zu halten. Wir sollen ihnen all unsere Arbeitskraft geben. Wir sollen tun, was sie befehlen und unsere Söhne sollen sterben, wenn sie es wünschen.
Wir sollen weiterhin bei ihren Banken verschuldet bleiben und ihnen alle Möglichkeiten bieten, uns weiter auszusaugen zu können. ‚Harte Maßnahmen’ kündigen sie gegen unser Volk an. ‚Eine gehörige Lektion’ wollen sie uns erteilen, damit wir uns unterwerfen und weiter versklaven lassen.
‚Sie werden schon lernen – durch Schmerz und Pein, diese Japsen!’, giften sie höhnisch. Jetzt ist es soweit: Jetzt wollen sie uns lernen lassen. Durch Qual, Bomben und Tod. Diese angeblichen Humanisten, Menschenfreunde und Befreier der Welt!
Die Vernichtung von Kagoshima hat mir eines klar gemacht: Der frömmste Mensch kann nicht in Frieden leben, wenn es sein böser Nachbar nicht will!
Jetzt haben sie erneut behauptet, dass wir Japaner die Schuldigen am Anschlag auf die chinesische Stadt Hangzhou sind, um endlich einen Kriegsgrund gegen uns zu haben. Ich soll das angeordnet haben, ‚Japan will den Sektor China angreifen’, lügen sie vor den Augen der anderen Völker der Welt.
Aber meine Landleute, wir Japaner haben damit nichts zu tun. Das war die Weltregierung selbst, diese Kriegstreiber, diese Heuchler. Der Weltpräsident weinte verlogen vor den Kameras der Fernsehsender seine Krokodilstränen, hetzte gleichzeitig die Chinesen gegen uns auf und rekrutierte sie in Massen für die GCF-Armee. Es dauerte nicht lange, da hatte er seine Ziele erreicht und seine Saat des Hasses war aufgegangen.
Meine lieben Landleute, jetzt wissen wir, woran wir sind. Der unter euch, welcher glaubt, dass man uns verschonen wird, wenn wir uns nur ergeben, der kennt unsere Feinde nicht, denn Rachsucht und Gier treiben ihre Geister an.
Wir sollen gefoltert und hingerichtet werden, als Warnung an alle anderen freiheitsliebenden Völker der Erde. Wir sollen weggefegt werden von unserer Insel, als blutiges Exempel für die übrigen Staaten, die mittlerweile im Inneren der Weltregierung nicht mehr vertrauen.
Volk von Japan, jetzt musst du stark sein wie der große Berg. Fest stehen wie der ‚Herr Fuji’, wenn Erdbeben und Fluten aufziehen.
Denkt in diesen Stunden an die Ahnen, die alten Ritter der Sekogu-Zeit. Sie waren uns immer Vorbild, denn sie fürchteten den Tod nicht und ließen sich ihre Ehre von niemandem nehmen!
Soldaten Japans, pflanzt die Bajonette auf und ladet die Gewehre! Umarmt Frau und Kind und marschiert in diesen heiligen Krieg für unser Vaterland! Steigt in die Panzer und Flugzeuge, bemannt die Geschütze und die Bunkerstellungen! Bringt dieser Höllenbrut den Tod!
Kein Meter Japans wird unverteidigt preisgegeben! Nicht die kleinste Insel werden wir ihnen lassen, bevor wir sie nicht mit ihrem Blut getränkt haben!
Sie wollen uns vernichten? Unser uraltes Volk und seine Kultur zerstören?
Dann sollen sie auch den Preis dafür zahlen! Und der Preis wird hoch sein! Er wird riesig sein! Sollen sie nur kommen! Macht euch bereit, meine Kinder! Japan schlägt jetzt zurück!“
Die Menge tobte nach den Worten Matsumotos wie von einem Tornado ergriffen. Tausende von jungen Männern, die sich die japanische Fahne als Stirnband um den Kopf gebunden hatten, brüllten exstatisch und reckten ihre Fäuste gen Himmel. Frauen kreischten und klatschten in die Hände. Ganz Tokio schien außer sich zu sein. Banner wurden geschwenkt und Lieder gesungen. Das Volk der aufgehenden Sonne griff zu den Waffen.
Das japanische Oberkommando hatte sich bei einigen Einheiten ausländischer Freiwilliger noch immer nicht entschieden, an welcher Stelle sie nun am geschicktesten eingesetzt werden sollten.
So war es auch im Falle der „Nihon no yari“ Truppe, die in Mito auf ihre Verlegung an die Front wartete.
Zur gleichen Zeit wurden die GCF-Einheiten auch im Norden der japanischen Inselgruppe zusammengezogen, um auf Hokkaido zu landen. Hatte man größere Luftwaffenverbände von Seiten der GCF-Führung auf Kyushu konzentriert, so verliefen die Bombardements auf Hokkaido erst einmal nur punktuell. Die Städte Wakkanai und Abashiri wurden zuerst angegriffen und einige Industrieanlagen zerstört. Einen Vernichtungsschlag wie gegen Kagoshima unternahmen die GCF-Bomberflotten nicht, da den Norden eine riesige Invasionsstreitmacht auf den Kriegsschiffen erwartete.
Tausende von neuen Rekruten aus China hatte die Weltregierung für den Sturm auf die Küstenregion, zusammen mit zahllosen Soldaten aus allen Ländern, auf ihren Kriegsschiffen versammelt.
Zwei Tage vergingen noch, denn notwendige logistische Vorbereitungen mussten getroffen werden. Dann brachte die Flotte die jungen Männer in endloser Zahl von der Insel Sakhalin und der sibirischen Hafenstadt Nakhodka in Richtung Japan.
Die riesigen Transportschiffe und Zerstörer der GCF-Armada bereiteten sich ebenso auf den Sturmangriff vor. Hunderte von gepanzerten Landungsbooten füllten sich mit einem gewaltigen Strom aus Soldaten und glitten in das dunkelblaue Meer hinab.
Sie bewegten sich schnell in Richtung des Strandes und tauchten, als sie in Reichweite der japanischen Geschütze waren, kurz unter die Wasseroberfläche ab, um schlechter getroffen werden zu können. Sie glichen einem Schwarm Haie, welcher darauf wartete, aus dem Wasser auf seine Opfer zu springen.
Als die Landungsboote ins seichtere Wasser der Küste kamen, tauchten sie auf und sofort öffneten sich ihre metallischen Bäuche, um unzählige GCF-Soldaten auszuspucken. Der Kampf entbrannte.
Sobald sich die ersten Ladeluken quietschend auftaten und die Soldaten ins flache Wasser sprangen, brandete ihnen heftiges MG-Feuer aus den nahegelegenen japanischen Stellungen entgegen. Ein furchtbarer Hagel von Geschossen prasselte auf die gepanzerten Boote und die unglücklichen Männer, die aus ihnen herauskamen, hinab.
Die ersten der Angreifer wurden zum größten Teil von Kugeln durchsiebt und ihre Körper purzelten ins Wasser. Blutige Wolken färbten die Wasseroberfläche und zahllose der nachrückenden Soldaten hetzten voran, vorbei an ihren toten Kameraden, welche sich vor ihnen auftürmten. Zwischendurch schlugen schwere Geschütztreffer in die Masse der GCF-Soldaten ein und abgerissene Körperteile verteilten sich über den blutgetränkten Strand. Es war ein furchtbares Gemetzel und die Landungsarmee der GCF erlitt innerhalb von nur wenigen Minuten entsetzliche Verluste.
Doch das war von den Befehlshabern nüchtern einkalkuliert worden, denn die Strandsektion sollte mit Massen von Angreifern überrannt werden. Die neu rekrutierten GCF-Soldaten aus China, die hier zu Tausenden geopfert wurden, erwiesen sich als gut geeignet für diese blutige Aufgabe. Viele von ihnen glaubten wohl, dass sie im Recht waren. Immerhin hatte Japan in ihren Augen den Biowaffenanschlag auf ihr Heimatland zu verantworten.
Als sie in Massen von MG-Salven dahingemäht wurden, zweifelte allerdings der eine oder andere am Sinn seines Kriegseinsatzes hier in der Fremde.
Zwischen den Leichen, die das Strandstück bedeckten, warfen sich jetzt die ersten Invasoren selbst auf den Boden und feuerten auf die Japaner. Mehr und mehr ihrer Kameraden folgten ihnen, und bald waren sie so viele, dass sie selbst der wütende Feuerhagel der Verteidiger nicht alle aufhalten konnte.
Während die Landungsboote weitere Soldaten der GCF an den Strand brachten, eröffneten die Kriegsschiffe vom Meer aus plötzlich ein mörderisches Bombardement.
Innerhalb von Sekunden durchpflügten die Salven schwerer Bordgeschütze den Bereich hinter dem Strand und rissen einige Verteidigungsbunker in Stücke. Den einen oder anderen GCF-Soldaten, der schon zu weit vorgestürmt war, trafen sie ebenfalls. Doch auch Verluste durch sogenanntes „friendly fire“ waren in gewissem Maße Teil der strategischen Berechnungen des GCF-Oberkommandos. Immerhin hatte man Reserven, Menschenmaterial im Überfluss.
Die japanischen Geschütze antworteten ihrerseits und versuchten, die Kriegsschiffe zu treffen, doch der Erfolg war mäßig. Nur zwei der schwimmenden Festungen konnten ernsthaft beschädigt werden.
Matsumotos Soldaten hatten sich tief in Schützengräben und befestigten Betonbunkern verschanzt. Ihre Gesichter waren zu finsteren, wütenden Fratzen erstarrt. Sie fletschten ihre Zähne wie wilde Tiere und die Anführer der Trupps gelobten ihre Stellungen entweder zu halten oder zu sterben. Doch trotz des unermüdlichen Gegenfeuers ergossen sich wahre Fluten von Soldaten aus immer neuen Landungsschiffen über die Küstenregion. Die Angreifer hasteten über die Leichenhaufen ihrer Mitkämpfer hinweg und kamen immer näher. Ihre Zahl erschien endlos, Masse um Masse, zu viele für die wenigen Tausend Japaner, welche den Strand vor der Stadt Wakkanai zu halten versuchten.
So ging es noch eine Weile und mit einem glühenden Fanatismus rissen die Maschinengewehre der Japaner weiter blutige Lücken in den riesigen Schwarm der angreifenden GCF-Soldaten. Dann waren diese nahe genug heran gekommen und gingen mit Flammenwerfern und Handgranaten gegen die befestigten Stellungen vor.
Sie sprangen in die schlammigen Gräben der Verteidiger, kämpften sich durch die Stacheldrahtbarrikaden und schossen und stachen alles und jeden nieder.
Besonders die Chinesen wüteten mit furchtbarer Wildheit und ließen keinen, dessen sie habhaft werden konnten, am Leben. Zwei Stunden später waren die zahlenmäßig deutlich unterlegenen Japaner nach erbarmungslosen Kämpfen auf kurze Distanz besiegt worden und der Strand, welchen unzählige Tote bedeckten, war unter der Kontrolle der GCF.
Nachdem die übrigen Soldaten das Festland erreicht hatten, erging an sie sofort der Befehl, die Stadt Wakkanai einzunehmen.
Panzer und mobile Geschütze folgten der Infanterie und wurden in großer Zahl ausgeladen. Ein kleiner Teil der nördlichen Küste der japanischen Inseln war erobert worden und nun setzte sich ein gewaltiger Heereswurm, flankiert von Panzern, in Richtung der nahegelegenen Stadt, die mit einem wichtigen Flughafen ausgestattet war, in Bewegung.
In den Trümmern von Wakkanai, das die GCF-Luftwaffe zuvor verwüstet hatte, erwartete ein großes Kontingent der japanischen Armee die Invasoren. Panzer, Artillerie und Massen an Infanteristen lauerten hier in den zerbombten Straßenzügen und schworen sich, ebenso tapfer zu kämpfen wie ihre Kameraden, die fast alle beim Kampf um den Strand gefallen waren. Scharfschützen hatten sich in den verwinkelten Gassen der Innenstadt verschanzt und warteten auf ihre Opfer.
Das Gemetzel in der Landungsbucht hatte der GCF schon schwerste Verluste eingebracht und weitere Verstärkungen mussten jetzt erst einmal von den Kriegsschiffen geholt werden. Nun wartete Wakkanai auf ein grausames Blutgericht in seinen Straßen.
Kyushu, die südlichste der vier japanischen Inseln, war inzwischen von den GCF-Soldaten dem Erdboden gleichgemacht worden. Zwar fanden immer noch Kämpfe in den Ruinen der Großstädte, vor allem in Kumamoto und Fukuoka statt, doch zogen sich die Verteidiger zu diesem Zeitpunkt schon in Richtung Honshu, der zentralen Insel, zurück. Der Präsident selbst hatte hier einen taktischen Rückzug angeordnet, um nicht noch mehr Divisionen, die notfalls das Zentrum des Staates verteidigen mussten, einzubüßen. Einfach zu viele waren innerhalb weniger Tage auf Kyushu gefallen und zu hart hatte der Militärschlag den japanischen Süden getroffen.
Als nächstes Angriffsziel hatten die Armeen der Weltregierung die Nachbarinsel Shikoku und vor allem die Stadt Kochi mit ihren Rüstungsfabriken und Industrieanlagen anvisiert.
Wenn diese Attacke erfolgreich war und der Vormarsch im Norden ebenfalls siegreich vonstatten ging, dann galt es, den tödlichen Schlag gegen das Ballungsgebiet um die japanische Hauptstadt selbst zu führen und den Krieg zu entscheiden. Der Verteidigung der Nordinsel brachten Matsumotos Generäle deshalb zunächst eine besondere Aufmerksamkeit entgegen.
Hier waren Hunderttausende von Soldaten, die auf den Sturm auf Wakkanai und die Regionalhauptstadt Sapporo warteten, positioniert worden. Währenddessen pumpte das Herz Japans, welches Tokio, Yokohama und die anderen Großstädte umfasste, pausenlos Waffen und Kriegsgerät durch das Land, um einen Gegenangriff im Süden zu ermöglichen.
Doch es sah nicht gut aus. Endlos erschien die Zahl der GCF-Soldaten, Flugzeuge und Kriegsmaschinen, die das Land überschwemmten. Etwas musste passieren, damit Japan nicht fiel. Wieder kroch den Bewohnern des rebellischen Landes das Gift der Resignation in die Knochen, da der dunkle Schatten an beiden Enden der Inselkette weiter und weiter anwuchs.
Im Süden, auf der Insel Shikoku, waren bis zum 23.08.2031 die küstenahen Städte Uwajima und Matsuyama bereits von den GCF-Truppen erobert worden, der Widerstand der japanischen Armee hielt sich hier in Grenzen. Auf Hokkaido begann derweil jedoch ein furchtbarer Grabenkrieg um jeden Meter Boden. Wakkanai war trotz der vielfachen zahlenmäßigen Überlegenheit der GCF noch immer nicht vollständig genommen worden und nach wie vor metzelten sich die Soldaten in den Trümmern der zerschossenen Stadt in einem wahren Blutrausch gegenseitig nieder.
Fast bis Mitte des nächsten Monats ging es hin und her, erobern und zurückerobern, der Vormarsch der Angreifer war im Norden ins Stocken geraten. Die Verluste in den brutalen Straßen- und Häuserkämpfen der kleinen Stadt waren sogar so gewaltig, dass sie das Oberkommando der GCF in Verlegenheit brachten.
Mit Bajonetten, Klappspaten und Messern fielen die Soldaten in den zerbombten Häuserruinen übereinander her, wenn sie keine Munition mehr hatten. Einen derart barbarischen Krieg hatte die Welt seit langem nicht mehr gesehen. Über 100000 Mann hatte der Sturmangriff auf Wakkanai die GCF bereits gekostet, die Japaner hatten etwa die Hälfte an Verlusten, da sie oft aus gut geschützten Stellungen heraus operieren konnten. Trotzdem berichteten die internationalen Medien ausschließlich von großen Siegen und militärischen Triumphen und zeigten nur glückliche und erfolgreiche Soldaten.
Die blutige Realität sah allerdings anders aus. Die Häuser Wakkanais waren schon jetzt meist bis auf die Grundmauern zerstört und noch immer hallten das Feuer von Sturmgewehren, das Rattern der Panzerketten und die Schreie der Soldaten durch die apokalyptische Landschaft. Die Japaner, unter ihnen sogar Frauen, verteidigten jeden Meter ihrer Stadt mit wahnsinnigem Fanatismus und dachten nicht daran, aufzugeben.
Erst als die nachgerückte GCF-Artillerie die Trümmerstadt mit chemischen Geschossen eindeckte und bis in den letzten Winkel verseuchte, ließ ihre Kampfkraft langsam nach. Bei dem rücksichtslosen Trommelfeuer trafen die Geschütze auch einmal mehr die eigenen Leute, was aber wohlwollend in Kauf genommen wurde – schließlich galt es die Japaner mit allen Mitteln in die Knie zu zwingen.
Von dem chemischen Bombenhagel hörte man erwartungsgemäß weder im Fernsehen noch in der Presse auch nur ein Wort.
General Takeuchi, ein zäher und verbissener Mann, der die Verteidigung Wakkanais leitete, befahl nach einigen weiteren blutigen Tagen den Rückzug der wenigen überlebenden Soldaten. Sie wurden nach Sapporo abberufen, um dort den riesigen Verteidigungsgürtel, den Matsumotos Oberkommando um die Metropole der Nordinsel gelegt hatte, zu verstärken. Manche von ihnen hatten auch Harakiri, den rituellen Selbstmord im Falle einer Niederlage, gemacht, bevor ihre Stellungen gefallen waren.
Die Metropole des Nordens hatte bereits die Flüchtlinge aus Wakkanai aufgenommen und öffnete sich jetzt für den kläglichen Rest der japanischen Divisionen, welche das Gemetzel überlebt hatten.
Erschöpfte und aufgrund der gigantischen Verluste langsam demoralisierte GCF-Truppen folgten ihnen und nahmen die Städte Abashiri und Kitami, die kaum mehr verteidigt werden konnten, ein. Dann stoppte ihr Vormarsch, denn ihre gelichteten Reihen mussten erst durch weitere Verstärkung, die aus Übersee herangeschafft wurde, aufgestockt werden. Die verbissene Verteidigung Wakkanais hatte den Japanern Zeit verschafft und der Führungsstab der GCF-Armee musste sich eingestehen, dass sie den Inselstaat nicht per Handstreich einnehmen konnten, obwohl die Operation im Süden weitgehend planmäßig verlief.
Sapporo konnte nicht umgangen werden, denn dafür war die Metropole zu wichtig und verstopfte durch ihre geographische Lage den Zugang zur zentralen Insel Honshu wie ein unverrückbarer Felsbrocken. Über eine Million japanische Soldaten waren über kilometerlange Schützengräben und Bunkeranlagen rund um das strategische Ziel verteilt worden. Hinter ihnen lauerte ein großer Teil der japanischen Luftwaffe und mehrere Panzerdivisionen, während moderne Flakgeschütze die Angriffe der GCF-Bomber erwarteten.
War der Kampf um Wakkanai schon blutig und verlustreich gewesen, so würde ein Angriff auf Sapporo zu einem noch viel schlimmeren Grabenkrieg werden. Die Metropole mit ihren 2,5 Millionen Einwohnern musste vermutlich erst einmal belagert und ausgehungert werden. Das war aus Sicht der Angreifer keine befriedigende Ausgangslage, so dass man doch den Einsatz von Nuklearwaffen gegen das Ballungsgebiet um Tokio herum in Betracht zog, um die Japaner zu demoralisieren.
Präsident Matsumoto drohte jedoch in einer Radioansprache damit, notfalls jede Atombombe mit einem entsprechenden Gegenschlag, vor allem auf die Großstädte Nordamerikas, zu beantworten, „so lange noch ein Japaner, der den roten Knopf drücken konnte, am Leben war“.
Der Plan wurde von der Weltregierung schnell wieder verworfen und die Landinvasion mit konventionellen Waffen fortgesetzt. Im schwächer verteidigten Süden des abtrünnigen Inselstaates ging es zu diesem Zeitpunkt aber besser voran. Kyushu und Shikoku waren schon weitgehend von der Global Control Force unter Kontrolle gebracht worden. Nur noch in Kumamoto mussten japanische Einheiten zurück geworfen werden. General David Williams wirkte diesbezüglich jedoch äußerst zuversichtlich und sagte in einem Fernsehinterview, dass Matsumotos Ende schon in Aussicht sei.
Wenn die beiden südlichsten Inseln dann vollständig unter Kontrolle gebracht worden waren, konnte man auch die Schlacht um Sapporo beginnen, um die Japaner hier langsam auszubluten. Diese tödliche Zange, so plante man, sollte das abtrünnige Land letztendlich wie eine Nuss zerquetschen.
Probleme hatte die Weltregierung in den folgenden Wochen allerdings mit der Neurekrutierung von Soldaten in China. Zu viele chinesische GCF-Rekruten waren nicht mehr zurückgekehrt und langsam dämmerte es den Chinesen, dass ihre Söhne mehr und mehr drohten in Massen „verheizt“ zu werden.
Auch war der Hass gegen Japan aufgrund des Anschlages von Hangzhou wieder ein wenig abgeflaut und konnte trotz der intensiven Kriegspropaganda im Fernsehen nicht mehr richtig angestachelt werden.
Letztendlich waren die Heere der Mächtigen aber nach wie vor Legion, nur dass jetzt zunehmend mehr Soldaten aus weiter entfernteren Ländern herangeschafft werden mussten. Weltweit liefen Werbekampagnen für den Krieg gegen das angeblich „diktatorische und militaristische Matsumoto-Regime“. Von Nordamerika bis Afrika fanden neue Truppenaushebungen statt, vielfach unter Zwang, so dass bald weitere Millionen Soldaten zu den Schlachtfeldern auf den ostasiatischen Inseln gekarrt werden konnten.
Präsident Matsumoto glaubte, dass er, sollte sich der Krieg über Jahre ausdehnen, kaum Chancen auf einen Sieg hatte. Aber vielleicht hatte ihn die feindliche Propaganda, die sich wie immer zuversichtlich und siegessicher gab, auch getäuscht, denn die Verluste der GCF waren wesentlich höher als erwartet.
Gleiches galt für den Kampfeswillen seines Volkes, welcher ihn mehr als beeindruckte. Offenbar hatten es die 150 Millionen Japaner besser verstanden, was ihnen im Falle einer Niederlage blühte, als er es anfangs gedacht hatte. Immer mehr junge Männer meldeten sich freiwillig zur Front und strömten zu den Rekrutierungsstellen der japanischen Armee.
Was er eigentlich seinem Volk ersparen wollte, war jetzt ohnehin nicht mehr aufzuhalten und vielleicht war die Weltregierung aufgrund des unterwartet großen Widerstandes doch verunsicherter, als sie es erscheinen ließ.
Der Rückgang der sich freiwillig meldenden chinesischen Soldaten in den Reihen der GCF ließ jedenfalls auf einen ersten Teilerfolg schließen. Matsumoto verlor nicht die Hoffnung, wenngleich sie nicht allzu groß war.