Muriel kannte die Stooch-Kollektionen aus dem KINGz-Magazin. Das Label war nicht zu vergleichen mit klaren Linien von Boss oder der Extravaganz von Dolce&Gabbana. Stooch war schrill und bunt, kreierte ausschließlich Männermode und gab dabei keinen Deut auf aktuelle Trends.
In der ersten Reihe links vom Catwalk platziert, war Muriel so nahe am Geschehen, wie man eben sein konnte. Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass ihr eine derartige Vorstellung gefallen würde und war auf Langeweile eingestellt gewesen.
Es war alles andere als langweilig.
Etwa zwanzig männliche Models präsentierten die Winterkollektion – ausnahmslos wunderschön anzusehende Männer, groß und schlank und so attraktiv, das man meinen mochte, sie seien nicht wirklich. Ihre Gesichter wirkten wie gemalt oder gemeißelt, ihre Blicke waren hell und leer, ihre Münder fein geschwungen, ihre Nasen schmal und gerade, ihre Wangenpartien ausgeprägt.
Kurzum: Sie passten perfekt in Muriels Beuteschema – eine Erkenntnis, die ein gewisses Unbehagen verspüren ließ, insbesondere, da Leander neben ihr saß.
Nichtsdestotrotz verfolgte Muriel das Geschehen auf dem Catwalk mit totaler Faszination. Lilafarbene Cordhosen wurden mit dunkelgrünen Ledersakkos kombiniert, hellblaue Mäntel mit roten Mützen und gelben Jeans. Nicht zum ersten Mal stellte sich Muriel die Frage, wer so etwas kaufen und tragen würde. Die Masse der Menschheit würde es nicht sein, doch Stooch verfolgte natürlich nicht die Absicht, die Masse zu begeistern – wie es die wenigsten Designer taten. Sie entwarfen ihre Mode nicht für Kleiderstangen oder Null-Acht-Fünfzehn-Maße, sondern um aufzufallen und sich hervorzuheben aus einer schwarz-grau-liebenden Masse.
Egal, welches eigentlich absurde und für den gewöhnlichen Alltag absolut untaugliche Outfit die Models vorstellten, sie taten es mit einem nahezu anbetungswürdigen Selbstbewusstsein. Die Männer meisterten den Catwalk, als gingen sie zum Bäcker oder seien auf dem Weg zu einem geschäftlichen Termin, als planten sie, ihrem Konkurrenten ein paar Takte zu erzählen oder die Frau ihres Begehrens ohne große Worte gegen die nächste Wand zu knutschen. Keiner ihrer Schritte wirkte inszeniert oder bedacht. Ihre distanzierten Mienen und die ins Nichts gerichteten Blicke ließen den Zuschauer vermuten, dass ihr eigentliches Ziel gar nicht das Ende des Laufstegs war. Möglicherweise sahen sie den Laufsteg nicht einmal ...
Muriel hätte noch Stunden zuschauen können, doch nach sechzig Minuten war präsentiert, was es zu präsentieren gab.
Im Anschluss gab es reichlich Schampus, Snacks und einen Plausch mit dem Macher der bunten Klamotten. Lou war eine imposante Erscheinung und erinnerte ein wenig an den Elton John der Siebziger Jahre.
»Leander, du alter Spinner«, begrüßte er Muriels Boss.
Leander als alten Spinner zu bezeichnen, war etwas, was weder Muriel noch sonst jemand von KINGz sich jemals zu sagen gewagt hätte. Was natürlich nicht hieß, dass es niemand im stillen Kämmerlein dachte.
»Hey Lou«, entgegnete Leander und begrüßte den Designer mit einem Handschlag. »Glückwunsch zur neuen Kollektion. Ich habe den Eindruck, sie ist gut angekommen.«
»Das ist sie, ja. Und das stimmt mich gerade so froh, dass ich mich am liebsten mit meinem Lieblingsscotch in meine Ideenbude zurückziehen und in meiner Farbpalette rummanschen möchte. Aber Verpflichtungen sind nun einmal Verpflichtungen, nicht wahr?« Er zwinkerte Muriel zu. »Lass mich raten«, sagte er nun an sie gerichtet. »Du bist die berühmt berüchtigte, für ihre brachiale Ehrlichkeit sowohl geliebte als auch verachtete Muriel Jones.«
»Dass ich berühmt berüchtigt bin, ist mir neu«, entgegnete Muriel einigermaßen amüsiert.
»Ach komm schon, was soll die Bescheidenheit?« Lou legte eine Hand auf ihren Rücken – eine Geste, die bei anderen vielleicht zudringlich gewirkt hätte, bei ihm jedoch ausschließlich Sympathie bekundete. »Überschüttet dich dein Boss etwa nicht jeden Morgen mit roten Rosenblüten? Zum Dank dafür, was du für KINGz tust.«
Muriel lachte und warf einen raschen Blick zu Leander, der sein Schmunzeln hinter vorgehaltener Hand verbarg.
»Das tut er nicht«, antwortete sie wahrheitsgemäß. »Allerdings ist dies auch nicht nötig. Die typisch feminine Faszination für Blumen teile ich nicht und empfände es eher als Strafe, allmorgendlich um meinen Schreibtisch verteilte Blütenblätter aufkehren zu müssen, damit ich mich mit der nötigen Sachlichkeit all jenen Themen, die Mann interessieren, widmen kann.«
Lou ließ ein Grunzen hören. »Dass ich dich mögen würde, wusste ich von der ersten Kolumne an, die du für KINGz geschrieben hast.« An Leander gerichtet fuhr er fort. »Meine Güte, wie hältst du es mit einer wie ihr fünf Tage die Woche aus, ohne sie nicht auch an den verbleibenden beiden Tagen um dich haben zu wollen?«
Leander reagierte mit einer ihm eigenen Geste: Er strubbelte sich durch die Haare und machte die unordentliche Frisur noch ein wenig unordentlicher. »Ich halte es sehr gut aus«, gab er zu. »Allerdings bezweifle ich manchmal, dass dies auf Gegenseitigkeit beruht.«
***
Muriel hatte das Vergnügen, einen Großteil der Models vom Catwalk vorgestellt zu bekommen und versackte mit ein paar von ihnen an der Bar. Unterdessen hielt sich Leander eher im Hintergrund. Wie an allen Tagen war er auch heute kein Mann der ausschweifenden Konversation. Zwar sprach er mit anderen Geschäftsleuten aus der Mode- und Pressewelt, doch schien er den Abend hauptsächlich als Beobachter zu genießen ... vielleicht ohne zu wissen, dass auch er beobachtet wurde. Von Muriel.
Immer wieder wanderte ihr Blick zu Leander hin, und als er mit einem Mal verschwunden war, suchte dieser Blick ihn sogar. Weil er nach einer halben Stunde noch immer nicht auftauchte, wurde Muriel seltsam unruhig und machte sich auf die Suche. Leander blieb jedoch verschwunden.
Da sie ohnehin in der Nähe war, ging sie weiter zu den Toiletten, die sich am Ende eines stimmig beleuchteten Gangs befanden. Ein dunkler Teppich, der so dick war, dass Muriels Absätze darin einsanken, dämpfte die Schritte. Altmodische Sessel standen um kleine runde Tische. Die einer Sitzgruppe gegenüberliegende Tür stand einen Spalt offen. Muriel verlangsamte die Schritte, um einen Blick hinter die Kulissen riskieren zu können, doch vernahm ein Geräusch, das ihr eine ungefähre Vorstellung von den Geschehnissen im Zimmer gab.
Wie beiläufig wandte sie den Kopf und sah zwar nichts, doch hörte ein zweites Stöhnen. Eindeutig männlich und eindeutig erregt. Wenngleich der Teppich ihre Schritte lautlos machte, schlich sie zur Tür, versteckte sich halb hinter dem Vorhang und blickte ins Zimmer.
Zwei der Models, die sie erst vor wenigen Stunden auf dem Laufsteg davon überzeugt hatten, dass sie Frauenherzen zum Höherschlagen brachten, küssten sich innig und befummelten sich dabei. Die Hose des einen stand offen, die Hand des anderen war darin. Als ihn das Kleidungsstück in seiner Bewegungsfreiheit einschränkte, öffnete er sie weiter, zog die darunter getragenen Boxershort nach unten und entblößte eine Erektion, an die er nun ungehindert Hand anlegen konnte.
Muriel spürte, wie Hitze in ihre Wangen stieg. Erst am Vortag war ihr die Rolle der Spannerin gleichermaßen unerwartet zuteil geworden, und eigentlich mochte sie es nicht zur Gewohnheit werden lassen, doch dies hier war auf so verlockende Weise verboten, dass sie sich nicht zum Weitergehen bewegen konnte. Dass sich die Szene noch dazu zwischen Männern abspielte, steigerte ihre Neugierde. Sie machte einen weiteren Schritt in den Schutz des Vorhangs und beobachtete, wie nun auch die zweite Hose geöffnet und ein ähnlich stattlicher Schaft zutage gebracht wurde. Unter Küssen, Beschwörungen und harschen Forderungen trieben sie sich gegenseitig an die Grenzen des Ertragbaren. Ohne Zweifel wollten sie sich die Kleider vom Leib reißen und nackt übereinander herfallen, doch es hinauszuzögern, schien ein Spiel zu sein, das beide sowohl quälte als ihnen auch Vergnügen bereitete. Sie rieben sich so hart und verlangend, keuchten und wimmerten, dass Muriel zuweilen meinte, es müsste ihnen wehtun.
Von der Ekstase der beiden Männer angesteckt, vernachlässigte sie die Wachsamkeit und vergaß für einen Moment völlig, wo sie war. Mit dem plötzlich zurückkehrenden Bewusstsein darüber und der Ahnung, dass sie nicht mehr allein im Gang war, setzte ihr Herz ein paar Takte aus.
Unfähig, sich zu bewegen, sich auch nur umzublicken, stand sie wie festgewurzelt und lauschte. Sie hörte keinen Ton, doch sie spürte die Anwesenheit eines anderen. Die Haut ihres Rückens, ihrer Arme und ihres Nackens kribbelte, als bestünde ein Magnetfeld zwischen ihr und der anderen Person, die sich Schritt für Schritt näherte, wie ihr das kontinuierlich stärker werdende Prickeln verriet. Als es seinen Höhepunkt erreichte, wusste Muriel, dass dieser Jemand direkt hinter ihr stand.
Sie schloss die Augen und befahl ihrem Körper, sich zu beruhigen. Das Gegenteil war der Fall, als sie die Berührung spürte. Hände glitten über ihren Körper und zielgerichtet zu ihrem Schritt. Zur gleichen Zeit stieg ihr der Duft eines Parfüms in die Nase, das die Noten von Zitrus und Sandelholz trug.
Um festzustellen, ob er es tatsächlich war, blinzelte Muriel durch die Wimpern. Die Arme, die sie umschlangen, stecken in einem mittelgrauen Jackett, unter dem die Bündchen einen weißen Hemds hervorschauten. Die schlanken Hände schienen ihre Haut spüren zu wollen und rafften ihr Kleid Stück für Stück hoch, fuhren bald darunter und in ihren Slip.
Ein leises Keuchen floh über ihre Lippen, als er zwei Finger in sie schob. Ein zweites Keuchen folgte, als er sie wieder herauszog und ihren Kitzler umkreiste. Während er sie massierte und ihre Erregung beharrlich antrieb, beobachtete Muriel wie durch einen Schleier, dass einer der Models den anderen umdrehte und grob gegen die Wand presste. Sobald er seinen Schwanz in ihn geschoben hatte, griff er um ihn herum nach seinem Glied, um es steif zu halten und schloss die andere Hand um seinen Hals.
Das ist alles nicht real!, schoss es Muriel durch den Kopf. Nicht, was sie sah, und nichts, was geschah.
Die Szene vor ihren Augen war eine lustvolle Irritation, doch die Berührung und die Vorstellung, wer sie berührte, waren das, was sie wirklich verrückt machte. Vom Verlangen überwältig, sank sie gegen den hinter ihr Stehenden, schloss die Augen und gab sich seinen Fingern hin, die abwechselnd durch ihre feuchter werdende Spalte fuhren, in sie eintauchten und über ihre Klit rieben. Schließlich ganz darauf konzentriert, wurde das Ziehen in ihrem Unterleib gieriger, unerträglich und der Wunsch, sofort zu kommen, schob sich vehement in den Vordergrund.
Als es geschah, entzog sich Muriels Körper ihrer Kontrolle. Sie bog ihn durch, schloss die Hände fest um die Handgelenke des Mannes und biss sich auf die Lippen, um ihre Erleichterung nicht laut hinauszustöhnen. Zwar spürte sie, wie die Hände beinahe abrupt von ihr genommen wurden und ihr Kleid zurückfiel, doch sie war noch immer außerstande, sich zu bewegen. Sekunden vergingen, bevor sie endlich die Augen aufschlug und den Kopf wandte.
Der Mann, der sich entfernte, hatte blonde Haare, die er zu einem Zopf gebunden trug. Als er sich umdrehte und ihr zuzwinkerte, erkannte Muriel in ihm einen der besten Läufer des Catwalks. Der Schreck darüber saß eigentlich bereits, wurde jedoch noch vertieft, als Leander um die Ecke bog, dem Mann zum Gruß zunickte, sie dann erspähte und sich ihr näherte.
Muriel, die um jeden Preis verhindern wollte, dass er sah, was sie beobachtete hatte, begegnete ihm auf halben Weg.
»Ich habe dich gesucht«, sagte Leander und sah über ihre Schulter zum Vorhang und der Tür hin. »Ist etwas passiert?«
Muriel schüttelte den Kopf und legte einen Arm in seinen Rücken, in der Hoffnung, dass er sie begleiten würde: »Es ist alles okay. Wie lange bleiben wir noch?«
»Bist du müde? Möchtest du zum Hotel fahren?«
Weder war sie müde noch mochte sie zum Hotel, denn es war nicht einmal dreiundzwanzig Uhr, allerdings wollte sie auch nicht mehr auf der Party bleiben.
Ihrem Vorschlag, einfach noch irgendwo anders hinzufahren, brachte er keine Einwände entgegen.
»Was ist dein Lieblingsplatz in New Orleans?«, fragte Leander, sobald sie im Taxi saßen.
In der Stadt gab es einige Orte, die sie sehr gern mochte. Die meisten von ihnen kamen für einen Besuch jedoch nicht in Frage, da sie Erinnerungen wecken würden, welche sie zum einen gerade nicht gebrauchen konnte und zum anderen nicht mit Leander teilen wollte. Sie besann sich an einen Platz am Mississippi River und an frühe Morgenstunden nach einigen Semesterpartys.
»Der Woldenberg Park am Mississippi«, entgegnete sie. »Tagsüber mochte ich ihn nie, aber nachts ist es dort herrlich.«
»Na dann ...« Leander schickte Muriel ein halbes Lächeln, das spöttisch ausgesehen hätte, hätte sie nicht gewusst, wie er tatsächlichen Spott ausdrückte. »Auf zum Mississippi. Ich hätte gern einen Kaffee. Wo bekommen wir den jetzt noch?«
»Da ist ein Starbucks in der Canal Street. Dort hält das Taxi ohnehin.«
***
Drei Stunden später plumpste Muriel seltsam beseelt auf ihr Bett und lächelte die Zimmerdecke an. Leander und sie hatten auf einer Parkbank gesessen und Kaffee aus Pappbechern getrunken. Wie für den Nordstaatler bestellt, hatte ein einsamer Musiker auf einer anderen Bank sitzend Saxophon gespielt und ein Raddampfer war auf dem Mississippi vorbeigefahren. Abermals war ihre Unterhaltung ein Leichtes gewesen – als hätten sie nie Kommunikationsschwierigkeiten gehabt, und Muriel hatte es sogar gewagt, mit Leander über die Redaktion zu sprechen.
Als Muriel ihr Smartphone vom Nachttisch angelte und das Display überprüfte, sah sie die Nachricht von Leanders Assistentin. Noch während sie durch den Text scrollte, verfluchte sie Leanders defektes Telefon. Sie wollte nicht der Überbringer dieser Neuigkeit sein.
Ihr Flug am nächsten Morgen war gecancelt und die Reservierung auf die nächste Maschine, welche eine Stunde später von New Orleans nach Chicago startete, gebucht worden. Das war keine große Sache, allerdings konnte Leander es nicht ausstehen, wenn sein Zeitplan durcheinandergewürfelt wurde – noch dazu, ohne dass man sein Einverständnis einholte.
Mit einem prompt unguten Gefühl im Magen ging Muriel zum benachbarten Zimmer, klopfte und wartete. Leander erkundigte sich, wer da sei und öffnete.
Er hatte das Sakko bereits abgelegt, den Schal abgenommen, das Hemd aus der Hose gezogen und aufgeknöpft.
Sie wollte in sein Gesicht schauen, nicht auf seine Brust, doch sie war zu überrumpelt. Dabei waren es nicht einmal seine Haut oder die Muskeln, die ihre Aufmerksamkeit erregten, sondern die Kette und der Anhänger. Ein Kreuz. Ein schlichtes silbernes Kreuz, in dessen unteres Ende ein dunkelblauer Stein eingefasst war.
Ihr war, als zöge man ihr den Boden unter den Füßen weg. Ihr wurde so schwindelig, dass sie befürchtete, gleich umzufallen. Abrupt schaute sie beiseite, starrte den Korridor entlang und hob eine Hand an die Stirn, um sich darauf zu besinnen, was sie Leander hatte mitteilen wollen. Ihre Gedanken verweigerten ihr diese Auskunft jedoch. Sie rotierten um das Kreuz, das verdammte, und darum, was es bedeuten mochte ...
»Alles okay?«, hörte sie Leander fragen.
»Ähm ... ja!«, presste Muriel hervor und zwang sich, ihn anzusehen, sich auf seine Augen zu konzentrieren. Deren Grau war plötzlich wieder so kalt und ausdruckslos, wie sie es aus der Redaktion kannte, was ihrer Unruhe einen zusätzlichen Schub gab. »Kathy hat eine Nachricht wegen des Fluges geschrieben.«
»Keine Verspätung«, knurrte er.
»Ähm, doch ... befürchte ich. Allerdings nur eine geringe.«
»Wie gering?«
»Nur eine Stunde. Wir sind also gegen zwölf in Chicago.«
»Na, klasse!« Leander stützte eine Hand in die Seite und senkte den Kopf als dächte er nach. »Ich habe einen Termin am frühen Nachmittag«, murmelte er mehr zu sich selbst.
Muriel ertrug seine Gegenwart nicht länger. Dem dringenden Bedürfnis folgend, sich zu verbarrikadieren und ihrer Panik freien Lauf zu lassen, entfernte sie sich rückwärts in Richtung ihrer Suite.
»Gute Nacht«, murmelte sie noch, doch hörte ihre eigene Stimme kaum.
»Ja, dir auch«, entgegnete Leander und verschwand im Zimmer.
Muriel rettete sich in ihres, schloss die Tür, lehnte sich dagegen und sank an ihr nach unten, bis sie auf dem Boden saß. Sie streifte die Pumps von den Füßen, trat sie beiseite, winkelte die Beine an und stützte ihre Ellenbogen darauf. Das Gesicht in den Handflächen vergraben, befahl sie sich, zur Ruhe zu kommen, doch weder ihr Herz noch ihr Puls noch ihr Magen gehorchten. Sie spielten völlig verrückt und das Sausen in ihren Ohren war nicht zum Aushalten.
Sie würde die Minibar plündern! Oder noch besser: Sie würde sich an die Theke der Hotelbar setzen und irgendwas Starkes bestellen. Der gestrige doppelte Whiskey hatte Wunder gewirkt, vielleicht half er auch in einer Situation wie dieser.
... eine Situation wie diese, dachte sie und stieß ein Schnauben aus. Das war keine Situation! Das war eine Katastrophe – insofern es wahr war.
Das konnte nicht wahr sein! Das durfte nicht wahr sein!