Innigkeit im ganz normalen Liebesspiel

Nach all den Vorübungen geht es jetzt endlich um richtigen Sex! Und darum, wie man das Liebesspiel verstärkt mit Energie erfüllen kann – damit es wieder öfter geschieht, mehr Freude macht und vielleicht eine neue Ebene im Miteinander eröffnet.

Um die Energie zu intensivieren, müssen Yin und Yang in einem guten Gleichgewicht sein. In der Sexualität steht Yang dabei für Erregung und Aktivität, Yin für Entspannung und Hingabe. Viele Paare, die über ein geringes Verlangen klagen, meinen vielleicht, bei ihnen im Bett finde sich zu wenig Yang-Energie. In Wirklichkeit fehlt aber meist eine lustvolle Yin-Qualität – und weil sich die beiden Prinzipien gegenseitig bedingen, geht in der Folge auch der Antrieb zum Sex verloren.

Eine Yin-betonte Sexualität erkennt man daran, dass für beide Partner das Erreichen des Orgasmus nicht mehr ausschlaggebend für ihr Vergnügen ist, sondern tiefes Wohlbefinden im Vordergrund steht. Yin-Energie schafft eine Seelenbeziehung und führt vom Sexhaben übers Liebemachen zum In-Liebe-miteinander-Sein.

Sie haben regelmäßig einigermaßen befriedigenden Sex? Wunderbar. Dann können Sie Ihre »Standards« entspannt erweitern, indem Sie sich von den folgenden Anregungen inspirieren lassen. Und so manche »eingeschlafene« erotische Beziehung ist davon wieder aufgewacht.

Was uns ganz unmittelbar zu neuen inneren Erfahrungen führt, ist Aufmerksamkeit. Ungeteilt können wir sie jeweils nur auf eine einzige Sache lenken. Achten wir noch auf etwas anderes, verschlechtert sich die Wahrnehmung bereits.

Beim Sex gibt es die unausgesprochene Übereinkunft, dass immer beide aktiv sein müssen. Sobald man gestreichelt wird, muss man ebenfalls etwas machen, um den Partner zu verwöhnen. Auf diese Weise achtet man ständig auf zwei parallel ablaufende Vorgänge, auf das eigene Tun und das des Partners. Das kann traumhaft schön sein! Denn wenn vier Hände, vier Beine und zwei Körper in Bewegung sind und es herrlich unübersichtlich wird, verliert man manchmal die Kontrolle und gerät in einen Flow. Dies tritt allerdings nur auf, wenn beide sehr präsent sind, was leider selten der Fall ist. Meist veranstaltet jeder ein bisschen das, was er immer abzieht – und damit wird die Sache relativ schnell langweilig.

›Es ist ungewohnt und spannend, bewusst abwechselnd aktiv zu sein. Tun Sie, was Sie immer tun, aber tun Sie es nacheinander. Wenn Sie gestreichelt werden, lassen Sie Ihre Hände ruhen und geben sich ganz dem Genießen hin – und der Partner kann sich ganz dem Geben widmen. Danach drehen Sie den Spieß um, jetzt darf Ihr Partner nur annehmen, muss sich darauf einlassen, von Ihnen beschenkt zu werden. Vereinbaren Sie ein Signal, zum Beispiel: »Darf ich jetzt?«, wenn Sie initiativ sein möchten, und »Magst du?«, wenn Sie tauschen möchten.

Mit einem solchen Liebesspiel kultivieren Sie Aufmerksamkeit und Wertschätzung, Schenken und Annehmen. Sie lernen, sich besser fallen zu lassen. Und das alles, ohne eine einzige neue oder ausgefallene Technik anwenden zu müssen. Sie werden staunen, wie erhöhte Aufmerksamkeit neue Ideen zum Vorschein kommen lässt.

Ent-schleunigen für Reisen in ein neues Universum

Schneller, intensiver, das Tempo steigern – ist das guter Sex? Das kann so sein, aber es ist keine Garantie dafür. Versuchen Sie doch mal, den Fuß vom Gas zu nehmen. Langsamer werden? Das ist doch fade! Im Gegenteil. Wenn Sie präsent sind, bewusst tief wahrnehmen, anstatt einfach nur rasch draufloszumachen, steigern Sie die Intensität, und zwar mit ruhigen Bewegungen.

Am wirkungsvollsten kann derjenige das Tempo aus dem Sex nehmen, der sich bewegt. Sie können sich mit Flüsterbotschaften in der lustvollen Langsamkeit ausbreiten, indem Sie Fragen stellen wie: »Spürst du mich? Magst du das?«

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihnen der Partner gerade verloren gegangen ist, können Sie ihn mit einem liebevollen »Wo bist du gerade?« zurückholen. Oder Sie raunen sich mit einem tiefen Blick in die Augen ein »Jetzt« zu, um sich gegenseitig daran zu erinnern, dass es nichts außer diesem Moment gibt.

Durch das Verlangsamen entstehen oft Situationen, in denen beide vollkommen anwesend sind. Ihr Liebemachen kann sich wieder so anfühlen, als wären Sie frisch verliebt. Manche Paare berichten von fast spirituellen Erfahrungen: »Mir wurde plötzlich klar, dass dieser Augenblick mit dir ganz einzigartig und unwiederbringlich war. Und ich hätte weinen können bei dem Gedanken, es könnte das letzte Mal sein … Wie unendlich kostbar ist doch dieses Leben.«

Der Atem kann eine wunderbare Unterstützung sein, zu verlangsamen und gleichzeitig zu intensivieren. Es ist schon erstaunlich, wie stark wir dazu neigen, beim Sex eher flach zu atmen und kurz vor dem Orgasmus die Luft komplett anhalten. Keiner bemerkt es, bis man einmal darauf achtet. Vermutlich hängt diese Angewohnheit damit zusammen, dass wir generell die Tendenz haben, bei Anstrengung zu verkrampfen – und Sex kann ein anstrengender Zeitvertreib sein. Zumindest die verbreitete Hochleistungsvariante.

Gerade Männer profitieren sehr von der Atemunterstützung – sie werden sanfter und nachdrücklicher, und mehr Sauerstoff für einen intensiven Höhepunkt erhalten sie auch noch:

»Mir ist zum ersten Mal in meinem Leben aufgefallen, dass ich vor dem Orgasmus die Luft anhalte, bis mir fast schwindlig wird. Noch immer ist es total ungewohnt für mich, bis zum Orgasmus zu atmen. Wenn es mir aber gelingt, kommt er irgendwie satter, länger, nicht so gepresst.«

Flaches Atmen kann auch eine unbewusste Lustbremse sein. Wer dies tut, spürt weniger, hechelt sich verbissen bis ins Ziel, um direkt hinter der Linie zusammenzubrechen. Darum atmen Sie besser tief und voll, lassen Sie die Luft entspannt ein- und ausströmen; verbinden Sie das mit Ihren Bewegungen. Vielleicht hat Ihr Partner Lust, das Experiment mit Ihnen zu teilen und gemeinsam im gleichen Rhythmus zu atmen. Es »entschleunigt« den Sex sehr wirkungsvoll – und bringt Sie einander näher.

Yin und Yang tauschen

Sind Sie als Mann gewöhnt, sobald Sie in der Frau sind, den Sex durchzuziehen? Dann verkörpern Sie die pure Yang-Energie. Sie veranstalten eine One-Man-Show, selbst wenn Sie das erotische Wohlergehen Ihrer Partnerin nicht vergessen wollen und es auch im Blick haben. Viele Frauen fühlen sich dabei dennoch nicht richtig gemeint und steigen innerlich aus. Im schlimmsten Fall verlieren sie das Interesse am Sex. Oder sie machen aktiv mit und verkörpern am Ende ebenso die Yang-Energie. Was den Sex zwar aufregend, aber nicht selten aufreibend machen kann.

Sie können eine kleine Revolution im Bett anzetteln, wenn Sie beim Sex einfach öfter innehalten. Männer kommen selten von selbst auf diesen Gedanken, schon deshalb, weil sie befürchten, ihre Erektion könne sich verabschieden, wenn sie nicht ständig und steigernd für Reibung sorgen.

›Versuchen Sie einmal Ihre Bewegungen stark zu verlangsamen oder ganz innezuhalten. Kommen Sie vom Machen in einen Zustand, wo Sie tatsächlich loslassen – am Anfang vielleicht nur für kurze Zeit, aber das können Sie nach und nach ausbauen. Dazu müssen Sie in einer Position sein, in der Sie liegen können, ohne die Partnerin zu erdrücken. Die Missionarsstellung ist also ungeeignet. Sobald Sie Ihre dynamischen Bewegungen eingestellt haben, kann die Frau ihre Beckenbodenmuskeln kräftiger kontrahieren, kann den Penis damit sanft drücken, beknabbern, ordentlich durchkneten. Unterstützend ist es, wenn sie ihr Becken rollt oder kreist, das verstärkt die Wirkung der Muskulatur und stimuliert den Penis noch einmal auf andere Weise.

Die Frau verkörpert jetzt allein den Yang-Pol, der Mann kann das reine Genießen üben – Yin pur. Bei manchen Männern wird die Erektion stärker, wenn sie so bearbeitet werden, bei anderen schwächt sie sich ab. Wichtig ist in diesem Fall, dass Sie deswegen keinen Stress bekommen und sofort zu rackern beginnen, damit der Penis wieder hart wird. Versuchen Sie, ihn mit eigenen Beckenbodenkontraktionen zur Standhaftigkeit zu animieren – oder dehnen Sie Ihre Yin-Phasen am Anfang nicht zu lange aus.

Finden Sie einen guten Rhythmus, wenn es darum geht, wie oft und wie lange Sie beide das Yin und das Yang tauschen wollen. Nach Ihrem gewohnten Orgasmus werden Sie vielleicht die Beobachtung machen, dass er mit dieser Verlangsamung anders ist, breiter, was daran liegt, dass Sie mehr sexuelle Energie erzeugt haben:

»Ich glaube, ich habe nur darauf gewartet, mich beim Sex auch mal hinlegen zu dürfen. Wenn ich dann entspanne und loslasse, auch den Gedanken an den Höhepunkt, und meine Freundin einzig ihr Becken seitlich kreist, kommt manchmal ein Orgasmus wie durch die Hintertür. Aber ich darf es nicht wollen! Ich spüre ihn dann am ganzen Körper, es kribbelt richtig, und innen drin pulsiert etwas, wahrscheinlich die Prostata. Ich bin sicher, so ähnlich muss der vaginale Orgasmus bei der Frau sein.«

Von der Penetration zur Vereinigung

Heiligen Orten die Kraft wiedergeben

Die sexuelle Vereinigung wird oft oberflächlich oder gar lieblos vollzogen. Darin liegen oft die tieferen Gründe verborgen, warum wir keine Lust haben auf den Sex, den wir – bisher – bekommen können. Die Verbindung zwischen Mann und Frau ist aber etwas ganz Besonderes, ja, Magisches. Die Frau gewährt dem Mann Zutritt in ihren Körper, nimmt ihn auf in ihre Vagina, die ein heiliger Ort ist, eine Quelle, ein Tempel.

So wird sie allerdings selten gesehen. Bestenfalls noch als begehrtes Ziel, das es zu erobern gilt, schlimmstenfalls als Loch, das sich zum Penetrieren, Bumsen und was noch alles eignet. Die Männer wollen da unbedingt rein und wissen sich dabei meist nicht zu benehmen. Die meisten glauben, dass die beste Erektion eine stahlharte ist, der beste Lümmel ein ziemlich großer, und dass er sich verhalten soll wie eine perfekte Maschine. Die subtile sexuelle Aggression in unserer Kultur ist so normal, dass jeder Mann, auch der rücksichtsvollste, angestaute und stressige Energie mitbringt und manchmal regelrecht vibriert vor aufgestauter Erregung. Und das alles landet am Ende in der Vagina.

Jeder kennt Methoden der körperlichen Abgrenzung, wenn eine Begegnung unangenehm ist. Man kann die Arme verschränken oder sich wegdrehen. Aber sobald der Penis in der Vagina ist, unabhängig davon, ob die Frau Nein dazu gesagt hat oder Ja, sind keine Barrieren mehr möglich. Was bleibt, ist die Vagina innen hart zu machen – was nicht gleichbedeutend mit dem Anspannen des Beckenbodens ist. Es ist eher ein Erstarren, ein Einfrieren, eine Schockreaktion. Jede Vagina ist mehr oder weniger verhärtet. Schamgefühle der Kindheit, Schmerzen bei der Periode, Missbrauch, Geburtsverletzungen, liebloser Sex, normaler Sex – all dies trägt dazu bei. Die Verhärtung entsteht als Reaktion, und sie ist unsichtbar, sie ist subtil – weshalb die Vagina gleichzeitig auch (zu) weit oder weich sein. So wie ein resignierter Mensch, der nach außen kraftlos wirkt, aber innerlich versteinert ist.

Wirkliche Hingabe ist mit einer solchen Vagina nicht möglich. Die Penetration wird vielleicht noch als lustvoll erfahren, aber wenn eine Frau sehr viel Verhärtung aufgebaut hat, wird sie in dem Moment, in dem der Mann »eindringt«, innerlich aussteigen. Und sie wird ihn möglichst schnell loshaben wollen. Als Wiedergutmachung darf er ihr einen Orgasmus liefern.

Auch der Penis ist energetisch verhärtet, was nichts mit einer guten Erektion zu tun hat. Die gewaltsame Abgrenzung vom Weiblichen bewirkt, dass er sich nicht öffnen und verbinden, sondern abgekapselt bleiben will. Damit kann man es einer Frau zwar so richtig besorgen, aber keine Liebe machen.

So absurd es erscheint, selbst bei Paaren, die eine liebevolle Beziehung haben, ist es oft nicht anders. Wir sind einfach gewohnt, unsere Genitalien mehr oder weniger zu benutzen, sie als Mittel zum Zweck zu betrachten. Woher soll man aber auch wissen, dass es anders sein kann, wenn alle das Gleiche tun und man es nur so kennt?

Die Haut ist sowohl beim Penis als auch bei der Vagina sehr dünn, was zeigt, dass wir hier verletzlich, empfindlich, offen sind. Setzt ein Mann seinen Penis wie einen Dampfhammer ein und stellt eine Frau ihre Vagina dafür zur Verfügung, missbrauchen wir diese Zartheit. Man schaufelt ja auch nicht mit feinen Klavierspielerhänden Steine. Vielleicht ist die Haut unserer Genitalien deshalb so durchlässig, damit wir uns beim Liebemachen zart berühren und Energie austauschen können? Damit es strömen kann zwischen Mann und Frau, damit die Orgasmusenergie beide durchflutet, ganz gleich, ob es zum Höhepunkt kommt oder wer ihn von beiden hat. Es gibt für einen liebenden Penis keinen schöneren Ort als eine ihn willkommen heißende Vagina. Wenn sich beide vertrauen, kann er die weibliche Sexualenergie aufnehmen, wird genährt und bestätigt. Dann geschieht wirkliche sexuelle Heilung, die viel gebundene Kraft freisetzt.

Wenn Sie sich gemeinsam auf das Abenteuer der Yin-Sexualität einlassen, lädt die Frau den Mann in ihr Heiligtum ein, und er bewegt sich darin anmutig und achtungsvoll. Belohnt werden beide mit einer ungewöhnlichen Energie. Lösen sich die Verhärtungen, sind unsere Sexualorgane in einer Verbindung, die sogar ohne Reibung und Orgasmus lustvoll ist.

Das hört sich sehr ungewohnt an.

Aber viele Paare reagieren meiner Erfahrung nach mit Erleichterung und Neugier, auch wenn sie mich anfangs eher ungläubig anschauen, wenn ich davon erzähle. Sie sind angenehm überrascht, wie einfach sie das Spektrum der körperlichen Liebe um eine entspannte Dimension erweitern können. Ein Kursteilnehmer berichtete mir nach einem Jahr Folgendes: »Diese ruhende Kraft in ihrer Yoni, das ist der reinste Wellness-Tempel für mein Dickerchen, eine völlig neue Erfahrung. Ich hätte nie gedacht, dass so wenig Bewegung so unglaublich intensiv sein kann.«

Sie können sich Schritt für Schritt annähern.

Yoni an Lingam – eine wirkliche Einladung

Wenn Sie die unsichtbaren Mauern abbauen wollen, die verhindern, dass Energie strömt, müssen Sie langsamer werden, damit Sie spüren, was passiert. Wer auf Geschwindigkeit setzt, gibt den feineren Nuancen keine Chance.

›Versuchen Sie doch einmal, die Penetration umzudrehen: Die Frau lädt den Penis ein. Dazu muss sie in einer Position sein, in der sie die Kontrolle hat und gut dirigieren kann. Der Partner sollte bequem liegen. Lassen Sie sich Zeit, den Kerl in sich aufzunehmen, arbeiten Sie sich zentimeterweise vor. Der Mann soll sich in dieser Phase vollständig zurückhalten, einzig Beckenbodenkontraktionen sind erlaubt. Die Entschleunigung ermöglicht beiden zu spüren, was geschieht, körperlich wie emotional. Erst wenn sich die Frau sicher ist, dass sie den Penis nicht nur aufgenommen, sondern angenommen hat, gibt sie ihrem Partner das Okay, sich ebenfalls wieder zu bewegen.

Bleiben Sie langsam, bei allem, was Sie tun. Bewegen Sie sich nur so schnell, wie Ihre Aufmerksamkeit folgen kann. Bettgeflüster ist hilfreich: »Was fühlst du gerade?« Sanfte Erregung wird sich einstellen, aber mit Sicherheit brauchen Sie nicht zu fragen: »Macht dich das geil?« Beim stillen Liebemachen geht es darum, Vertrauen aufzubauen, um ein tiefes Öffnen und Einlassen möglich zu machen. Ist das gegeben, bröckeln die Mauern. Die Penetration wird zur Vereinigung, und Sie werden keine Geilheit mehr vermissen:

»Ich habe mich immer für sexuell ziemlich unkompliziert gehalten. Beim langsamen Vereinigen mit meinem jetzigen Partner kam aber auf einmal Angst hoch, es war fast Panik. Ich wollte aus dem Bett springen und davonlaufen. Da wurde mir klar, dass ich mit meiner überaktiven Sexgymnastik, die die meisten Männer großartig fanden, immer nur vor dieser Angst weggerannt bin. Beim langsamen Vereinigen kann man sich nicht verstecken. Ich musste nach dem ersten Mal auch weinen. Ich habe gespürt, wie sehr ich mich danach sehne, geliebt zu werden – und wie sehr ich mich genau davor fürchte.«

Einfach und magisch: Stilles Liebemachen

Die ultimative Steigerung von Langsamkeit ist völlige Ruhe. (Fast) gar nichts zu tun, außer in Vereinigung zu sein, ist anspruchsvoll, da Sie einiges Unkonventionelle akzeptieren müssen: Sex völlig ohne Erregung und ohne Fantasien, den Orgasmus loslassen, miteinander in Kontakt bleiben. Aber ist Sexualität ohne Erregung überhaupt möglich?

Im Tantra gibt es ein interessantes Ritual, das als »Maithuna« beschrieben wird. Es gibt vor, dass man ohne jegliche Bewegung eine Dreiviertelstunde in Vereinigung liegen soll, dann passieren unwillkürliche, orgasmusähnliche Kontraktionen. Ganz so streng muss man es nicht betreiben, aber viele Paare teilen eine eigenartige Wahrnehmung, wenn sie es schaffen, längere Zeit in ruhiger Vereinigung zu sein. Es fließt auf jeden Fall Energie, intensiv und angenehm, wenn auch nicht so wie bei einem üblichen Höhepunkt.

Bei der Frau ist es also weder der aufgeregte Orgasmus durch Klitorisstimulation noch der vaginale. Die Quelle sitzt tiefer, es ist, als ob der Muttermund selbst diese Energie abstrahlt, sodass ein weiches Wohlbefinden das Becken wie auch den ganzen Körper erfüllt. Beim Mann sieht es so aus: Seine Erektion wird meist schwächer, wenn er längere Zeit ohne Bewegung liegt. Doch je mehr er sich der tiefen weiblichen Sexualenergie öffnen kann und in seiner virilen Präsenz und Potenz ruht, desto intensiver ist sein Erleben, desto länger hält sich die Erektion auch ohne Stimulation aufrecht. Wenn ein Orgasmus über ihn kommt, erfasst dieser seinen ganzen Körper.

Für das stille Liebemachen ist Erregung nicht nur unnötig, sondern sogar abträglich. Erregung will sich entladen, und das verführt zum temporeichen Machen. Der große Vorteil der ruhigen Nummer ist, dass Sie nicht darauf zu warten brauchen, Lust zu haben. Verabreden Sie sich zum Sex. Möglichst regelmäßig, für eine bestimmte Zeit auch gern täglich, wenn Sie es einrichten können. Gehen Sie einfach zusammen ins Bett, ohne scharf aufeinander zu sein. Reduzieren Sie das Vorspiel, Sie können es auch ganz weglassen. Wichtig ist, dass Sie zusammen in der Gegenwart ankommen:

›Schauen Sie sich an, begrüßen Sie sich, und unternehmen Sie gerade so viel, wie nötig ist, um in Vereinigung gehen zu können. Tipps dazu finden Sie in dem Abschnitt »Mützentrick und Liebesschere« (s. S. 248).

Finden Sie Ihre Position, in der Sie am besten gemeinsam entspannt liegen können. Bewegen Sie sich genau so viel, dass der Mann seine Erektion erhalten kann. Anfangs sind dazu Beckenbodenkontraktionen ideal – ihre und seine. Wenn Sie nach einiger Zeit in tiefere Zustände kommen, werden Sie sogar diese nicht mehr wollen, da jede Anspannung das Weitwerden und Ausdehnen vermindert.

Nehmen Sie immer wieder Blickkontakt auf, und teilen Sie sich mit, was Sie beide empfinden. Sie sollen nicht irgendetwas plaudern, nicht diskutieren, nur berichten, was Sie gerade spüren. Das können schöne Empfindungen sein, aber auch rätselhafte oder schwierige: »So ganz ruhig mit dir zu sein, das ist ein unheimlich wohliges Gefühl.« – »Ich merke gerade, dass ich ungeduldig werde, mich frage, wann bald mal was passiert.« – »Ich spüre, dass etwas in mir erwartet, dass du dich heftig bewegst. Wobei ich dir dann vorwerfen könnte, dass du dich nicht an unsere Vereinbarung hältst.«

Üben Sie sich darin, mitzuteilen, was Sie gerade in diesem Moment bewegt. Oft fürchtet man, bestimmte Dinge könnten den anderen kränken und verschweigt sie lieber. Doch vieles löst sich auf, wenn man es nicht verheimlicht, sondern offen ausspricht. Versuchen Sie keine Lösungen zu finden, steigen Sie auf keinen Fall in Ihnen bekannte Diskussionen ein. Akzeptieren Sie einfach nur, möglichst liebevoll und einschließend, dass es so ist, wie es ist. Bleiben Sie in der Gegenwart, oder kehren Sie dahin zurück, wenn Sie sich in Gedanken verloren haben. Atmen Sie bewusst und tief, und erinnern Sie sich gegenseitig daran, wenn Sie es vergessen haben, indem Sie sich zuflüstern: »Atmen …« Dabei lassen Sie die Luft tief einströmen. Sie werden merken, dass sich sofort Anspannungen lösen und Sie ins intensive Wahrnehmen zurückgebracht werden.

Spüren Sie Ihre Genitalien, forschen Sie hinein in die Höhle, in der der wilde Tiger ruht, und teilen Sie sich Ihre Empfindungen mit: »Wenn ich gar keine Bewegung mache, auch nicht mit dem Beckenboden, entsteht so ein feines, aufregendes Kribbeln, irgendwie innen, hinten am Kreuzbein.« – »Es ist, als ob mein Penis sich immer weiter in dir ausdehnen würde – das ist unbeschreiblich schön.«

Ausgefüllt zu sein, und das so friedlich, bringt alte Widerstände zum Schmelzen. Die Vagina kommt ins Pulsieren und nimmt den Penis wirklich an. Für den Mann ist es eine berührende Erfahrung, einfach nur da zu sein, im erigierten Zustand, und sich nicht zu bewegen. Diesen Ort, nach dem er sich ständig sehnt, nicht nur durchzurütteln und danach wieder abzuhauen, sondern sich von ihm nähren und in seiner Männlichkeit bestätigen zu lassen. Ein Mann, der es schafft, sich in Ruhe in der Vagina wohlzufühlen, ehrt das Weibliche und gibt ihm seine Würde zurück.

›Lassen Sie den Orgasmus los, auch wenn der Wunsch danach ständig im Hinterkopf sitzt. Konzentrieren Sie sich auf die Gegenwart. Und beobachten Sie, in welche Richtung sich Ihre stille Vereinigung entwickelt:

Vielleicht einigen Sie sich nach einer gewissen Zeit auf moderate Bewegungen, woraus dann eine angenehme, unhektische Nummer wird. Oder Sie gleiten – so wie Sie sind – in den Schlaf hinüber.

Wenn Sie länger zärtlich und sehr präsent miteinander liegen, kommt es zu einem Überströmen von sanfter sexueller Energie, das sich wie ein Aufwallen anfühlt. Sie sollten nicht versuchen, es zu verstärken, wenn es über Sie kommt: Geben Sie sich dem einzig hin.

Die Nachwirkungen des stillen Liebemachens sind oft subtil, dafür lang anhaltend:

»Bei uns passierte nichts Großartiges, kein kosmischer Orgasmus oder so etwas. Wir waren fast ein wenig enttäuscht und fragten uns, ob wir es auch richtig machen. Nach ein paar Tagen spürten wir jedoch, dass wir eine andere Grundschwingung hatten, wir waren froher, zufriedener, irgendwie vitalisiert. Auch ohne Action haben wir Lust aufeinander. Wir genießen es sehr, dass es dabei nichts richtig zu machen gibt, dass es genügt, gemeinsam in Liebe zu sein.«

Mützentrick und Liebesschere

Zwei entscheidende Fragen sind noch zu klären: Wie kommen Sie entspannt zusammen, und wie können Sie entspannt zusammenbleiben? Denn ohne längeres Vorspiel kann es an Feuchtigkeit und Festigkeit mangeln, und wenn man länger ruhig bleiben soll, muss die Position sehr bequem sein.

Machen Sie sich locker, wenn es um Gleitmittel geht. Der Griff zur Tube, um das Eintreten zu erleichtern, darf so selbstverständlich sein wie der Griff zum Einschaltknopf des Kaffeeautomaten am Morgen, um das Wachwerden zu erleichtern. Gut, dass es diese kleinen Helfer gibt.

Genial ist auch der »Mützentrick«, er erspart oft das Gleitmittel und assistiert bei einer schwachen Erektion:

›Dazu Vorhaut über die Eichel nach vorne streifen – also die Mütze über den Kopf ziehen – und danach den Penis zwischen die »aufgeblätterten« Schamlippen platzieren. Wenn der Winkel stimmt, kann er jetzt ganz leicht hineingleiten, selbst wenn er nicht besonders steif ist. Am besten funktioniert dieser Kniff in Verbindung mit der Scherenstellung, die zugleich für ein längeres Miteinander ideal ist.

Ausgangsposition dafür ist die Löffelstellung, der Mann liegt hinten, die Frau vorne. Jetzt dreht sie nur den Oberkörper um 90 Grad zur Seite, sodass sie auf dem Rücken liegt. Danach stellt sie ihr oberes Bein angewinkelt hinter den Rücken des Mannes und schiebt das untere Bein zwischen seinen Beinen durch. Im Beckenbereich haben jetzt beide engen Kontakt miteinander, und die Frau kann den oben liegenden Oberschenkel des Mannes anpacken und damit die Feinjustierung besorgen. Jetzt parken Sie seinen Ferrari – in welchem Zustand auch immer – fachgerecht ein und machen es sich bequem.

Das Schöne an dieser Position ist, dass Sie sich dabei in die Augen schauen können. Je nach körperlicher Statur wird die beste Stellung bei Ihnen anders aussehen, und vielleicht werden Sie sie auch immer wieder mal verändern, zum Beispiel den Oberkörper weiter hinausdrehen, sich seitlich übereinander schieben, in die Löffelposition wechseln. Fühlen Sie sich frei, kreativ miteinander nach angenehmen Stellungen zu suchen, ohne die Vereinigung aufzugeben.

Jede andere Position, die Ihnen ein entspanntes Miteinander ermöglicht, ist natürlich ebenfalls in Ordnung. Zum Beispiel der Froschsitz: Dabei liegt der Mann auf dem Rücken, die Frau auf ihm, mit angewinkelten Beinen. Oder beide befinden sich einander zugewandt in halb sitzender Position, das heißt mit Kissen im Rücken und gegrätschten Beinen. Für manche Paare ist es ideal, wenn die Frau die Bauchlage einnimmt, ein Bein angezogen, und der Mann von hinten kommt, sein Gewicht seitlich verlagert. Was für Sie passend ist, hängt von der Anatomie Ihrer Genitalien ab, von Ihrer Körpergröße, dem Gewicht und Ihrer Beweglichkeit. Probieren Sie herum, und finden Sie Ihre liebste »Faultierstellung« heraus.

Erotische Aussichten:
Zunehmende Aufheiterungen

Liebeskuren für männliche Schwächen

Für verschiedene erotische Schwierigkeiten ist die ruhige Vereinigung eine regelrechte Kur, zum Beispiel bei Männern, die unter einer vorzeitigen Ejakulation leiden. Bei ihnen ist der Penis entweder so übererregt, dass er sich bei der kleinsten Reizung bereits entlädt, oder er kann gar keine Spannung aufbauen und ejakuliert trotzdem schnell. Dahinter steckt eine unbewusste Abwehr vor dem als übermächtig empfundenen Weiblichen. Das erotische Dasein mit einem Mann, der unter diesem Problem leidet, ist karg, und über die Zeit baut sich enormer Frust auf, der nur mit viel Liebe und Geduld aufgelöst werden kann.

Manche dieser Männer sind große Klasse beim Vorspiel – weil sie da punkten können. Außerdem haben sie vor dem demütigenden Moment der schnellen Ejakulation bei der Vereinigung große Angst. Diese verstärkt die Anspannung und schließt somit den Teufelskreis des Versagens. Um daraus auszusteigen, ist es oft hilfreich, die beiden Phasen voneinander zu trennen – also zum einen eine Erotik ohne Vereinigung zu genießen und zum anderen die Vereinigung ohne großes Vorspiel zu gestalten. Für Letzteres bringen Sie den Penis möglichst unaufgeregt in der Vagina unter – und halten Sie ihn dort ruhig. Schauen Sie sich in die Augen, und bleiben Sie miteinander präsent. Keine Fantasien! Atmen Sie gemeinsam in Ihr Herz, das hilft dem Mann, seine Energie nach oben zu ziehen, weg vom Penis. Anfangs kann die Ejakulation trotzdem noch schnell kommen, aber wenn Sie öfter und nur auf diese Weise Sex haben, wird sein Penis Vertrauen »lernen« – und er kann sich nach und nach sanft bewegen. Dazu ist es gut, eine Zeit lang regelmäßig zu üben, am besten täglich.

Auch bei manchen Potenzproblemen ist das stille Liebemachen heilsam, vor allem dann, wenn ein gesunder Mann wegen Stress und Überforderung schwächelt. Zuerst muss man wissen, dass auch eine weiche Erektion völlig ausreichen kann, um in die Vagina zu gelangen – eben mit dem »Mützentrick« (s. S. 248). Oft verstärkt sich die Erregung, wenn Johnny erst einmal an seinem Arbeitsplatz ist. Bleibt sie aber schwach, lassen Sie die Vorstellung los, dass dies ein Problem ist. Natürlich können Sie damit keine heftige Rein-raus-Nummer veranstalten, aber sich sehr langsam oder auch gar nicht zu bewegen und dafür den Beckenboden einzusetzen, das geht sehr wohl.

Um die Vereinigung herum – ob sie jetzt klappt oder nicht – gestalten Sie Ihre gemeinsame Sexualität so, dass es schön für Sie beide ist: Genießen Sie Energieübungen, ein fantasievolles Vorspiel, oder bringen Sie sich gegenseitig zum Orgasmus. Wenn die Erektion nicht länger unbedingte Voraussetzung für ein befriedigendes sexuelles Miteinander ist, kann sich beim Mann die Anspannung auflösen. Nicht selten führt das dazu, dass die Erektion wieder besser wird.

Sexualität, die guttut

Wenn jüngere Paare überfordert, überlastet, am Ende ihrer körperlichen Kräfte sind, staut sich der Wunsch nach Sex oft auf unselige Weise auf: »Kamen wir beide endlich ins Bett, waren wir völlig erledigt. Ich wollte nur schlafen, aber mein Mann war immer noch zappelig, vor allem dann, wenn wir schon länger keinen Sex mehr hatten. Zum stillen Liebemachen konnte ich mich selbst meist noch überreden, aber es war abgemacht, dass es keine große Nummer mehr werden würde. Ein bisschen Schubsen, okay, aber danach nur ein Miteinander-Liegen. Es war ein bisschen mühsam, aber mein Mann hat gelernt, sich in mir zu entspannen. Oft sind wir in dieser Position eingeschlafen, erst im Laufe der Nacht auseinandergerutscht. Jetzt ist es so, dass wir manchmal eine kleine, recht simple, dennoch aber richtige Nummer daraus machen. Manchmal schlafen wir auch immer noch beim ruhigen Vereinigen ein, doch oft läuft dann was am Morgen. Jedenfalls haben wir auf diese Weise öfter Sex als mein gesamter Bekanntenkreis, drei- bis fünfmal die Woche. Zwar meist nur kurz, aber dadurch, dass wir viel in Vereinigung miteinander sind, fühle ich mich stärker aufgeladen, als wenn ich einmal alle zwei Wochen den Superorgasmus hätte. Ich habe das Gefühl, den Sex zu bekommen, der mir guttut. Und mein Mann ist gut drauf, weil er oft Sex hat.«

Es gibt Paare, die sich mit einem tiefen Aufatmen in ihrer gemeinsamen Yin-Energie niederlassen und keinerlei aufregenden Sex vermissen. Andere machen die interessante Erfahrung, dass durch das entspannte Liebemachen ihre Lust auf gelegentlichen wilden Sex wieder erwacht.

Frauen, die ihre Vagina durch das respektvolle und einfühlsame Liebemachen des Mannes zunehmend wieder als heil erleben, bekommen plötzlich oft Lust, den Mann in seiner Power zu spüren! Für ihn ist das natürlich herrlich, im wahrsten Sinne des Wortes: Er darf seine Energie spüren und leben und fühlt sich willkommen, ist nicht mehr im Konflikt zwischen Macho oder Softie. Wenn er Zugang zu seiner Seele hat, dann darf er ein sehr männlicher Mann sein, die Frau wird es genießen und zu ihrer weiblichen Hingabe finden.

Machen Sie sich auf den Weg

Finden Sie die Sexualität, die zu Ihnen passt. Heben Sie den Schatz, der Ihnen gehört, indem Sie das Potenzial Ihres Körpers entfalten, Ihre Sinnlichkeit erweitern, Ihr Miteinander aktiv gestalten.

Wenn Sie Single sind oder wenn Ihr Partner nicht mitmachen mag – keine Ausreden: den Beckenboden aktivieren und Selbstliebe pflegen liegen im Bereich Ihrer persönlichen Freiheit. Mehr Energie und eine positive Ausstrahlung haben schon so manches bewegt.

Wenn Sie den Weg als Paar gemeinsam beschreiten – wie schön!

Nehmen Sie die Anregungen auf, die Ihnen am meisten zusagen, machen Sie sich das Genießen wichtig. Und fordern Sie sich ruhig auch mal heraus, etwas in der Liebe zu wagen – für sich selbst und für eine lebendige Partnerschaft.

Frust nach Anfängerglück ist übrigens normal. Seien Sie geduldig, und bleiben Sie dran. Veränderungsprozesse funktionieren nicht über Nacht.

Belohnt werden Sie mit einer Sexualität, die Ihnen rundum guttut.