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Heutzutage existieren viele unterschiedliche Formen der Technik nebeneinander, durchdringen unseren Alltag und erleichtern das Leben: Thaumatek, Mechanik, elektrysche, thermische und sonstige alchemische Prozesse ... So nahtlos sie in der Praxis oft ineinander übergehen, darf dies doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um grundverschiedene Technologien mit jeweils eigener Geschichte handelt.

Wir alle kennen Beispiele, wie Kräfte aus dem einen Bereich sich in einen anderen transformieren lassen: Mit Drehmomentkraft, wie sie uns die Thaumatek liefert, lassen sich beispielsweise rein mechanische Uhrwerkkonstruktionen aufziehen, sie lässt sich über Bandgeneratoren oder magnetische Spulen in Elektryzität umwandeln, oder sie erzeugt Wärme in Reibungsöfen.

Tatsächlich aber ist die Erkenntnis der Konvertierbarkeit der Kräfte recht neu, und bei aller Durchdringung der Fachgebiete, die wir inzwischen erreicht haben, halten auch heute noch viele an dem Dogma fest, dass es zumindest zwei Welten gibt, die sich nicht substituieren lassen: die der Magie und die der grob stofflichen Technologien. Mit mechanischer Kraft beispielsweise einen Zauber zu wirken, ohne dass bei diesem Prozess ein Zauberkundiger beteiligt ist, das scheint den meisten unmöglich.

Aber ist nicht schon die Thaumakinetik eine Transformation magischer Energien ins Grobstoffliche ? Und funktioniert nicht die kürzlich entwickelte Strahlungsmembran an einer schwer fassbaren Grenze zwischen Magie und Stofflichkeit ? All das hat im Laufe der Zeit den Ehrgeiz vieler Wissenschaftler geweckt, auch die letzten Lücken interdisziplinärer Forschung zu schließen und eine vereinheitlichte Kräftetheorie zu entwickeln. Und lässt sich die beliebige Transformation aller Energieformen untereinander erst einmal berechnen, ist die technische Umsetzung nur eine Frage der Zeit.

 

Aus: »EINE KLEINE GESCHICHTE DER WISSENSCHAFT«,

VON TESLO HOIGAN

 

Die Reise dauerte länger, als Frafa erwartet hatte. Barsemias brachte den Wald näher an die Sonne heran, die bald größer am Himmel stand, als Frafa es vom Boden der Welt aus gewohnt war. Es wurde heiß. Die Winterkälte wich von einer Stunde zur nächsten einer sommerlichen Hitze. Wasser stieg vom Boden auf und machte das Atmen schwer.

Es blieb dämmrig unter dem Blätterdach, doch der Tag nahm kein Ende und Frafa verließ selten ihr Elfenhaus. Die gleißende Sonne überstrahlte sämtliche Gestirne, und fast eine Woche lang sah Frafa keine Sterne mehr. Die Lücken in der Vegetation füllten sich rasch, neue Bäume sprossen auf den Brandschneisen, und das Unterholz schloss sich dichter um Pfade und Plätze, die die Elfen frei hielten.

Warum blieben sie so lange hier?

Der Wald brauchte Sonne, doch es war ein magischer Wald. Frafa wusste, dass die Elfen ihre Bäume so verändert hatten, dass sie Kraft aus dem Äther ziehen konnten. Und diese Magie war das Entscheidende, nicht das Sonnenlicht. Sie brauchten Magie für die Reise, Magie für den magischen Schirm, der sie vor der Leere schützte und vor den schlimmsten Strahlen. Und Magie gab es überall.

Nur Frafa hatte keinen Anteil daran.

Sie saß ohne Magie in den fremdartigen Räumen, sie betrachtete die nützlichen Tiere und die lebende Einrichtung, deren Auren sie nicht spüren konnte, und sie fühlte sich von allem abgeschnitten.

Und dann, von einem Moment auf den nächsten, wurde es dunkel. Frafa hatte gehört, dass der Aufbruch bevorstand, doch sie sah das Portal nicht, das Barsemias öffnete. Sie verspürte eine Übelkeit, das Licht in ihrem Zimmer verschob sich, und als sie nach draußen trat, herrschte tiefste Nacht im Wald.

Sie lief an den Rand, zu ihrem Lieblingsplatz, von dem aus sie hinaus in die Leere blicken konnte. Frafa war lange nicht mehr dort gewesen. Die vertrauten Wege waren zugewachsen, und sie kämpfte sich mühsam durch federndes Gesträuch, ein Ast traf sie an der Schulter, und sie ging langsamer. Sie war es gewohnt, dass die Pflanzen ihr Platz machten; jetzt musste sie sich durch das Unterholz kämpfen wie ein Mensch, und Tränen traten ihr in die Augen. Endlich tat sich ein schmaler Streifen Wiese vor ihr auf, und der Wald schloss sich hinter ihr mit einem Rascheln.

Frafa stand am Ufer dieser winzigen Welt und blickte hinaus in die Ferne. Kalte Silberlichter funkelten in der Tiefe, Sterne, und Frafa schöpfte Luft. Sie genoss die klare, reine Nacht, die sie so lange hatte entbehren müssen. Schlieren trieben dahin, flossen zusammen. Frafa beobachtete, wie die Sterne hinter Dunst verschwanden, und binnen kürzester Zeit war der ganze Elfenwald von Nebel verhangen. Es wurde kühl.

Sie legte fröstelnd die bloßen Arme um den Leib, aber sie blieb stehen.

Noch zweimal reiste der Elfenwald durch die Tore des Äthers, glitt, von Barsemias gelenkt, durch die Lücken zwischen den Dimensionen. Diesmal sah Frafa die Tore wie Wunden in der Wirklichkeit. Ein unwirkliches Leuchten strömte heraus, das selbst den Nebel durchdrang, so rot wie eine sterbende Sonne, die als Grabmal über toten Welten gloste.

Der Nebel sank herab. Es tropfte und rauschte aus dem Wald hinter ihr. Frafa spürte, wie ihre langen Haare schwer wurden vor Nässe. Als sie sich umwenden wollte, um zurückzugehen, sah sie Barsemias aus dem Wald treten.

Der Elf wirkte erschöpft, seine Augen lagen tief in den Höhlen. Wortlos trat er neben sie, fasste sie am Arm, und sie sahen gemeinsam in den Abgrund. Die letzten Nebelstreifen verwischten das Sternenlicht, als hätte ein trübes Nichts sogar die Dunkelheit verschlungen. Frafa beugte sich vor und versuchte etwas zu erkennen.

»Ich wollte mit eigenen Augen sehen, wohin ich uns gebracht habe«, sagte Barsemias. »Man verliert die Perspektive, wenn man zu lange nur mit dem Geist ... auf die anderen Seiten der Wirklichkeit sieht.«

Frafa stand steif neben ihm. Sie spürte seine Hand auf ihrem Arm, doch sie wagte nicht, sich aus dem Griff zu lösen. Er mochte es als Kränkung ansehen, womöglich störte es seine Konzentration bei den notwendigen Zaubern. Wer verstand schon, was Elfen empfanden?

»Wo sind wir?«, fragte sie. »Ich sehe nichts.«

»Wir sind im Nirgendwo«, erwiderte Barsemias. »Ich brauchte eine Rast, ein wenig Schlaf. Wir setzen die Suche morgen fort.«

£5 gab keinen Morgen an diesem Ort...

Eigentlich sollte Frafa froh sein darüber, doch sie spürte ein Frösteln. Vielleicht lag es nur an der Kühle nach der Gluthitze der letzten Tage.

»Warum hast du uns hierher gebracht? Ich dachte, in den höheren Dimensionen spielt die Entfernung keine Rolle. Du hättest uns gleich ans Ziel bringen können.«

»Ich kenne das Ziel nicht«, sagte Barsemias. »Ich muss einer Spur folgen. Wenn ich den Faden verliere, an dem wir uns durch den Abgrund tasten, dann sind wir verloren. Verstehst du, Frafa, diese Spur ist unsere einzige Wegmarke in beide Richtungen, zu Leuchmadans Ursprung und zurück nach Hause. Wenn wir sie verlieren, kommen wir nirgendwohin.«

Frafa erkannte, dass nicht nur der Zauber ihn erschöpfte. Auch die Verantwortung zehrte an ihm. Der Wald verstärkte seine Magie, aber Barsemias allein sah den Weg, den sie nehmen mussten. Wenn er einen Fehler machte, strandeten sie hier draußen im Nichts. Der Wald würde welken und im Frost versinken. Und am Ende würde der magische Schirm erlöschen und das Dunkel sie verschlingen, diese unbedeutende Elfeninsel, die sich zu weit in die Leere hinausgewagt hatte ...

»Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist«, sagte Frafa. Sie nutzte das Gespräch und löste sich unauffällig aus seinem Griff. »Leuchmadans Magie muss gewaltig sein. Ich dachte, sein Abdruck im Äther wäre deutlich genug. Er müsste ja regelrecht lodern!«

»Er ist blass, und man sieht ihn kaum.« Barsemias seufzte. »Und die Wege sind verschlungen ... Du kannst das nicht verstehen, Frafa. Niemand kann es verstehen, denn niemand sieht, was ich sehe, und hier draußen ist alles so weit und so gewaltig. Es steht nicht still. Wir glauben, die Sterne regen sich nicht, doch das stimmt nicht. Alles rast dahin, und nichts ist mehr an dem Ort, wo es war, als Leuchmadan seine Spur in den Äther grub. All das muss ich bedenken.«

Frafa erinnerte sich an ihre eigene Zeitreise in Leuchmadans Hort. Die Bilder, die sie aus dem Äther geholt hatte, waren verschwommen gewesen. Aber dort hatten sich viele Dinge überlagert, und hier draußen gab es nichts, was Leuchmadans Spur hätte verwischen können.

»Zeit und Raum berühren den Äther nicht«, sagte sie. »In Leuchmadans Hort fand ich auf der ätherischen Ebene die Spuren früherer Zeiten, sosehr sich unsere Welt seither auch gedreht und bewegt haben mag. Ich dachte, was auch immer sich hier in der stofflichen Welt verändert hat, Leuchmadans Spur müsste immer noch mit denselben Orten verbunden sein wie einst.«

»Das ist auch so«, erwiderte Barsemias. »Aber es ist schwer, die Verbindung herzustellen, also die Spuren im Äther zu lesen und zu erkennen, was sie im wirklichen Raum bedeuten. Es ist schwer, und ich bin allein.«

Er setzte sich auf den nassen Boden und legte die Stirn auf die Knie.

»Weißt du«, fuhr er nach einer Weile fort, »die drei Späher, die wir verloren haben - ich habe sie nicht aufgegeben. Leuchmadans Blut hat sie verändert. Doch wenn wir unser Ziel erreichen und das Geheimnis dieser Substanz enträtseln, wenn wir erfahren, wie wir sie bekämpfen können, dann können wir auch dieses Bruchstück wieder aufsuchen und unser Wissen nutzen, um unsere Brüder da herauszuholen.«

»Du musst dich nicht rechtfertigen«, sagte Frafa. »Ich bin nur eine Nachtalbe. Erinnerst du dich noch an Altagrisa, als du mir vorhalten wolltest, was gut und richtig ist? Ich habe es nicht gern gehört. Also habe ich wohl auch nicht das Recht, dasselbe bei dir zu tun.«

Barsemias sah sie an. »Nein«, sagte er. »Wenn ich dir Vorwürfe gemacht habe wegen etwas, das ihr Nachtalben als gut und richtig empfindet ... dann warst du vermutlich zu Recht verärgert, und ich muss einfach hinnehmen, dass es Dinge gibt, in denen wir einander niemals verstehen werden.

Aber was die drei Elfen betrifft - du darfst nicht glauben, dass wir es gut und richtig fanden, sie zurückzulassen. Ich verstehe deine Vorwürfe, und ich verstehe, was du empfindest. Es gab nur nichts Richtiges, was wir hätten tun können.«

Frafa hätte sich gern neben ihn gesetzt, ihm den Arm um die Schulter gelegt. Sie schaute an sich hinunter, an ihrer elfisch lichten Gestalt, und sie konnte sich nicht dazu durchringen. Sie war keine Elfe, und sie war kein Mensch. Nachtalben vermieden es, einander zu berühren, außer auf die flüchtigste Weise. Grüßende Gesten, ein Halten, wo es nötig war - darüber hinaus war ein inniger Kontakt dem Umgang mit Kindern vorbehalten ... oder er drückte Begehren aus, den Wunsch nach Lust und nach dem Körper des anderen. Liebe womöglich.

»So ist es, seit Leuchmadan auf die Welt kam«, fügte Barsemias kraftlos hinzu. »Er verführt uns Elfen zum Übel. Denn es war ein Übel, dass wir unsere Kameraden im Stich lassen mussten.«

Frafa setzte sich nun doch neben ihn, hielt ihn fest in dem Wissen, dass er als Elf nicht erkennen konnte, welche Bedeutung diese Geste für eine Nachtalbe hatte.

»Nein«, sagte sie. »Manchmal muss man zwischen zwei Übeln das kleinere wählen. So groß ist der Unterschied nicht zwischen uns. Auch ich habe Dinge getan, nicht weil ich sie als Albe für gut und für richtig halte, sondern weil sie einfach notwendig sind.«

»Das kleinere Übel...« Barsemias schüttelte den Kopf. »Elfen sollten tun, was richtig ist. Sie sollten rein bleiben. Sie sollten niemals das Übel wählen, so klein es auch sein mag.«

Er griff nach Frafas Arm, der um seine Schultern lag. Seine Berührung war warm, und Frafa merkte, wie sehr sie hier draußen in der immerwährenden Nacht ausgekühlt war.

»Aber wer weiß«, sagte Barsemias. »Vielleicht ist das ja nur mein Empfinden. Mag sein, dass die anderen Elfen solche Dinge tun können und trotzdem rein bleiben dabei. Immerhin galt ich immer als ein merkwürdiger Elf mit meiner fast nach talbischen Magie.«

»Nun.« Frafa lächelte schalkhaft. »Mir hat auch schon jemand gesagt, dass meine Magie mehr zu einer Elfe passt als zu einer Nachtalbe. Dabei gibt es bei uns Alben eine Geschichte, dass gerade die Art unserer Magie Elfen und Nachtalben voneinander scheidet. Und wenn das so ist und ich damit fast eine Elfe bin und du fast ein Nachtalb, ist es dann nicht folgerichtig, dass wir uns begegnet sind, auf halbem Wege zwischen unseren Völkern?«

 

Der Elfenwald von Porfagilia reiste weiter durch den Abgrund zwischen den Welten. Sie mochten eine Woche unterwegs sein, oder zehn Tage; ohne den Wechsel von Tag und Nacht fiel es Frafa schwer, ein Gefühl für die Zeit zu behalten, und sie hatte keine anderen Sinne und Fähigkeiten mehr, die ihr dabei geholfen hätten.

Wann immer die Tore sich öffneten und der Wald einen Sprung durch eine höhere Dimension tat, war Frafa aufgewühlt. Sie suchte dann Barsemias, um sich zu vergewissern, dass alles gut gegangen war.

Wie rasch würde es sich herumsprechen, wenn Barsemias den Weg verlor? Mit wem würde er sein Wissen teilen? Würde er seine Brüder beunruhigen, oder würde er erst einmal selbst versuchen, die Fährte wiederaufzunehmen? Womöglich war es schon längst geschehen, womöglich suchte Barsemias bereits verzweifelt nach Leuchmadans Spur und niemand ahnte es, weil niemand sah, was er sah ...

Frafa bereute schon, dass sie die Elfen auf diesen Weg gebracht hatte. Was kümmerte sie das Blut der Erde? Sie war auf einem Boden aufgewachsen, der getränkt gewesen war mit dieser Substanz, und es hatte ihr nicht geschadet. Frafa sehnte sich nach zu Hause, und jetzt, wo sie die Gefahr kannte, hier im Nichts verloren zu gehen, zweifelte sie an ihrem eigenen Plan.

Dann dachte sie an das Bruchstück, daran, was mit den Elfen dort geschehen war, und an jene andere Form des Thaumagels, die man darauf gefunden hatte, fremder und gefährlicher als das, was unter ihrer Welt floss.

Wer wusste schon, wo es enden würde, ob der Einfluss des Blutes der Erde so harmlos bliebe, wie Frafa es gewöhnt war. Was, wenn dies am Ende Leuchmadans Ziel war: die ganze Welt so zu verwandeln, wie man es auf dem Bruchstück gesehen hatte? Wenn sein Blut sich nur zurückhielt, solange es noch wachsen musste?

Mit solchen Gedanken stärkte Frafa ihren Mut, hielt durch, auch wenn ihr graute vor der Reise. Aber sie flog mit den Elfen, und es gab ohnehin kein Zurück mehr.

»Haltet ihr es für möglich«, sagte sie eines Tages, als sie mit dem kleinen Volk beisammensaß, »dass wir alle Geschöpfe von Leuchmadans Blut sind?«

Die Gnome und Biste schauten sie an. Der Wichtel saß an der entferntesten Ecke des Tisches, wie immer mit einem Gerät in den Händen. Seine Nase war dick und rot, und er schniefte.

»Wir wissen, dass das Blut der Erde alles Leben verändert«, fuhr sie fort. »Und auf dem Felsbrocken in der Leere haben wir gesehen, wie weit es gehen kann. Dazu gibt es diese alten Geschichten bei meinem Volk, dass Elfen und Nachtalben einst aus demselben Geschlecht hervorgingen. Haltet ihr es für möglich, dass Nachtalben einst Elfen waren? Und Gnome ... beispielsweise Wichtel? Dass unsere Vorfahren irgendwann in Falinga lebten und vom Blut der Erde verändert wurden wie die Pflanzen und Tiere und dass am Ende wir dabei herauskamen?«

Wisbur, Waldron und Segga hoben den Kopf. Wie ein einziges Geschöpf schauten sie Biste an, und Wisbur sagte: »Wir waren bestimmt nie so etwas.«

»Nachtalben sind doch verrückt«, hörte Frafa Waldron flüstern.

»Ja, aber sie haben ein gutes Gehör«, zischte Segga mit einem verlegenen Lächeln in Frafas Richtung.

Auch der Wichtel wies Frafas Idee von sich. Mit einem angewiderten Laut ließ er den Taschenintegrator sinken. »Iiihhh, ich kann mir wirklich keine Thaumagel-Deformierung vorstellen, die aus einem Wichtel so einen unförmigen Wasserkopf werden lässt.«

Ein wütendes Zischen von den Gnomen ertönte.

»Ich hänge der Theorie an«, sagte Wisbur bissig. »Dass Wichtel Bastarde von Elfen und Zwergen sind.«

»Und ich«, erwiderte Biste, »bin ein großer Freund der These, dass Gnome aus einem Kürbis entstanden sind, den man zu nah bei einer Alraunwurzel gepflanzt hat. Mag sein, dass Thaumagel im Spiel war, um beides zu verbinden. Die Nase spricht für eine solche Mutation.«

Frafa hob die Hand. »Schon gut«, sagte sie. »Vergesst die Frage.«

Sie stand auf und ging nach draußen. Die Tür fiel zu, und die streitenden Stimmen von Gnomen und Wichtel verstummten wie abgeschnitten.

Sie stand auf dem schmalen freien Streifen vor dem zusammengewürfelten Haus von Barsemias' Familie. Der Wald hatte etwas Winterliches an sich, Frafas Atem stand weiß vor ihrem Mund. Allerdings behielten die Bäume ihr Grün, und die Elfen achteten sehr darauf, dass die Temperaturen über der Frostgrenze blieben. Sie konnten es sich nicht leisten, dass das Pflanzenwerk geschädigt und der Wald gelähmt wurde.

Frafa hatte sich angewöhnt, eine Decke mitzunehmen und sich als Mantel über die Schultern zu legen. Der Stoff war leicht und mit Blattmustern bestickt, dennoch trug Frafa ihn mit Unbehagen. Es war ein weiteres Zeichen ihrer Schwäche, dass sie einen Schutz gegen die Kälte brauchte und ihren Körper nicht mehr genug unter Kontrolle hatte.

Sie ging ein paar Schritte, und die schmalen Lichtflecken aus den Heimen der Elfen blieben hinter ihr zurück. Es wurde dunkel im Wald, und das dichte Blätterdach verhüllte die Sterne. Doch das matte Licht, das an manchen Stellen seinen Weg zum Boden fand, reichte Frafa, und sie folgte dem vertrauten Pfad, den sie während der letzten Tage selbst geschlagen hatte. Ein würziger Herbstgeruch erfüllte die kalte Luft, und es war still, abgesehen von gelegentlichem Rascheln und Knistern zwischen den Bäumen.

Sie hatte etwa den halben Weg zum Rand zurückgelegt, als die Farben sich ein wenig verschoben. Eine Spur von Rot stahl sich zwischen die Blätter, doch es war ein Licht, das keine Helligkeit spendete und wie Dunst zwischen den Pflanzen waberte. Ein weiteres Tor, ein weiterer Sprung ...

Im nächsten Moment war ihr so leicht zumute, als stünde sie in einem Aufzug, der rasch nach unten fuhr. Dann schien der Boden des Waldes zu kippen. Frafa taumelte, sie hielt sich am nächsten Baum fest. Im Unterholz brach ein Tumult los. Kleine Tiere flohen kreischend und keckernd durch das Buschwerk, suchten Schutz in den Kronen. Frafa hörte Rufe in der Ferne, und es wurde heller. Ein schwerer graublauer Schein sickerte warm durch das Blattwerk.

Frafa zögerte, dann lief sie weiter. Am Waldrand legte sie die Hände um den schlanken Stamm einer Esche und streckte nur den Kopf durch das Unterholz.

Eine neue Welt lag schimmernd über dem Elfenwald wie ein übergroßer Mond und füllte ein Drittel des sichtbaren Firmaments. Frafa sah Wolken und Ozeane, graue und dunkelbraune Landmassen. Ganz langsam kroch diese Welt den Horizont hinab, während der Elfenwald sich darunter drehte, und sie wurde größer.

Frafa blinzelte erschrocken, doch es gab keinen Zweifel: Der Wald von Porfagilia stürzte auf diesen Planeten zu.