18
Ich liege im Bett und hoffe, dass der Tod schnell kommt. Es ist frühmorgens kurz nach sieben (da habe ich mich zuletzt übergeben), und im Zimmer ist es dunkel. Nur ein Streifen Licht fällt durch einen Spalt zwischen meinen Vorhängen, aber selbst der scheint sich in meinen Kopf zu brennen und die Hauptarterie meines Gehirns aufzureißen, aus der vermutlich immer noch Sauvignon Blanc fließen wird.
Der Grillabend war furchtbar. Von wegen Grillabend des Grauens, es war mehr wie die gesamte DVD-Box von Nightmare on Elm Street, nur live.
Ich greife nach dem Glas Wasser auf meinem Nachttisch. Meine Kehle fühlt sich an, als würde ich gerade versuchen, einen Igel zu schlucken, aber ich kann mich nicht weit genug aufsetzen, ohne dass der Raum sich dreht, also läuft mir die Hälfte von dem Wasser in die Nase, und ich ersticke fast daran.
Den Rausch ausschlafen, das ist es, was ich tun muss, obwohl alles, was ich sehen kann, wenn ich die Augen schließe, ich selbst bin, wie ich (unglaublich betrunken) rufe:
»Fever Pitch. Ja. Das haben wir gelesen, es ist ein Kultroman unserer Zeit.«
Dämliche Kuh.
Dann Rachel (unglaublich nüchtern): »Es ist kein Roman, es ist eine Autobiografie.«
Es ist kein Roman, es ist eine Autobiografie. Es ist kein Roman, es ist eine Autobiografie. Es ist kein Roman … Sie wissen schon. Das läuft quasi in einer Dauerschleife, bis ich es nicht mehr ertragen kann und mich ein bisschen mehr mit Ibuprofen dopen muss, in der Hoffnung, dass bei mir endlich die Lichter ausgehen.
Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass die Fever-Pitch-Katastrophe nur stattgefunden hat, weil zuerst das Buchclub-Gespräch stattgefunden hat, und das Buchclub-Gespräch hat nur stattgefunden, weil Lexi das Thema trotz aller Warnungen von Toby angesprochen hat.
Wir waren gerade mit den Seeteufel-Kebabs fertig (das war kein normaler Grillabend, kein Burger weit und breit in Sicht), und ich hatte bereits fast eine Flasche Wein und mehrere Wodkas getrunken, weil ich so nervös war, und auch schon ungefähr genauso viele quälende Fauxpas begangen.
Rachel hatte sich nach stundenlangem Herumlaufen und Bedienen endlich hingesetzt, da Tobys Vorstellung von Grillen darin bestand, das Fleisch auf den Grill zu werfen und es dann sich selbst zu überlassen, während er sich weiter betrank.
»Also ehrlich, Toby«, sagte Lexi und ließ den Blick über das Bücherregal schweifen, das eine Wand in der Küche bedeckte, von der aus man durch die Terrassentüren in den Garten schauen konnte, »dafür, dass du an einem Buchclub teilnimmst und so eine Art Bücherwurm bist, hast du aber ziemlich wenige Bücher, oder?«
Es war ein typischer Holzhammer-Kommentar von Lexi – und einer, bei dem ich mein Glas Weißwein in einem Zug austrank.
Toby trank von seinem Bier, und Rachel lachte. »Toby? Ein Bücherwurm?«, fragte sie. »Ich glaube, das einzige Buch, dass er jemals von Anfang bis Ende gelesen hat, bevor er mit diesem Buchclub anfing, war Allen Carrs Endlich Nichtraucher! Und selbst das hat er sich von einem Kumpel geliehen und musste dann ein neues kaufen, weil er mit seiner Zigarette ein Loch in den Deckel gebrannt hat. Stimmt’s nicht, Schatz?«, neckte sie ihn. »Deshalb konnte ich es kaum glauben, wie begeistert er von diesem Buchclub war.«
Ich guckte Toby an. Das war neu für mich. Er hatte mir gegenüber immer so getan, als wäre er auch ein Bücherwurm. Hatte er sich nur einen Weg in mein Höschen graben wollen?
»Du hast keine Ahnung, welche Bücher ich in meiner Freizeit lese«, wehrte er sich und verschränkte verärgert die Arme vor der Brust.
»In welcher Freizeit?«, entgegnete Rachel lachend. »Du arbeitest, dann kommst du nach Hause und spielst Tomb Raider auf der Playstation.« Rachel leckte sich so verführerisch wie die attraktive Fernsehköchin Nigella Lawson die Finger ab und schwang ihre gebräunten Beine über die Bank, um sich zu setzen. »Aber danke, Lexi, dass du mich daran erinnert hast, ich habe ganz vergessen zu fragen: Wie läuft es denn im Moment mit dem Buchclub?«
Toby lachte tatsächlich – wahrscheinlich aus Nervosität. Ich wollte ihn mit meinem Kebab-Spieß erstechen.
»Es ist cool.« Toby zuckte mit den Achseln und klang alles andere als cool.
»Es ist ein guter Club«, lallte ich. Meine kommunikativen Fähigkeiten waren inzwischen sehr eingeschränkt.
»Shona, gefällt es dir auch?«, fragte Rachel und wandte sich an Shona.
»Es ist … Ja, es ist lustig«, stimmte Shona zu und guckte, als hätte ihr gerade jemand einen Stock in den Hintern geschoben.
»Woher willst du das denn wissen?«, mischte sich ihr Freund Paul ein. »Du gehst doch gar nicht mehr hin.«
So viel zu Shonas Überzeugung, dass Paul immer viel zu vollgedröhnt war, um zu bemerken, ob sie das Haus verließ. Lexi schwieg jetzt. Es wurde immer schlimmer.
»Doch, das tue ich!«, protestierte Shona.
»Nein, tust du nicht«, beharrte Paul.
»Ich habe nur ein paar Wochen ausgesetzt, das ist alles.«
Shona warf mir einen bösen Blick zu, und ich schloss meine Augen. Für einen ganz furchtbaren Moment wurde es still im Raum.
Rachel trank einen großen Schluck von ihrer selbst gemachten Limonade. Sie war gerade auf einem »Gesundheitstrip«. Natürlich war sie das. Bei ihr gab es keine schmählichen Alkoholexzesse am helllichten Tag.
»Und wer geht dann noch hin?«, erkundigte sie sich fröhlich, während ich noch ein Glas Wein runterstürzte.
»Ich«, antwortete ich.
»Und ich«, sagte Toby.
Lexi rümpfte die Nase. »Das ist nicht gerade ein großer Club. Du hast mir erzählt …«
Ein Blick, der Wasser hätte gefrieren lassen können, brachte sie zum Schweigen. Mein Gott, konnte sie die Buchclub-Sache nicht endlich auf sich beruhen lassen?
Ich wollte gehen, aber ich konnte nicht, also traf ich die vernünftige Führungskraft-Entscheidung, mich noch etwas mehr zu betrinken.
»Also …« Man konnte förmlich die Zahnräder hinter Rachels glatter Stirn rattern sehen, während sie noch mehr Salat servierte. »Dann seid ihr nur noch zu zweit? Nur du und Caroline?«
»Äh, ja.« Toby nickte weise.
»Ja«, murmelte ich lahm. »Ich schätze, so ist es.«
»Und was lest ihr gerade?«, fragte Paul, und das Seeteufel-Stück, das ich gerade geschluckt hatte, drohte, mir wieder hochzukommen. Paul schlug sich wirklich tapfer, er hatte jetzt zwei Gesprächs-Fauxpas in der gleichen Anzahl von Minuten geschafft.
»Weißt du, das ist eine gute Frage.« Rachel versuchte immer noch, ihre fröhliche Lebhaftigkeit zurückzugewinnen. »Als Toby mit dem Buchclub anfing, hat er mir die ganze Zeit davon erzählt. Jetzt kauft er sich, glaube ich, noch nicht mal mehr die Bücher, oder, Tobes? Ich habe den Eindruck, seine Begeisterung schwindet langsam«, fügte sie hinzu und stieß ihn spielerisch an.
Toby zuckte nicht mal zusammen.
»Ich lese die Bücher im Büro, Rach.«
»Und was liest du?«, fragte Rachel. »Komm schon, wie heißt das Buch?«
Und von da an lief alles schief. Auf schreckliche, verzweifelte, tragische Weise schief. Niemand sagte etwas. Ich konnte sehen, dass Shona nach ihrem kurzen Ausflug ins Alibi-Land jede Sekunde hasste, und ich kann nicht sagen, dass ich ihr das übel nahm. Die Zeit stand still. Der Raum drehte sich. Ich inhalierte den Wein förmlich. Immer noch sagte niemand etwas. Dann entdeckte ich das Bücherregal. Die ersehnte Rettung. Ich überflog die Titel. Meine Augen suchten verzweifelt nach etwas, das ich kannte. Irgendetwas, egal, was. Alles verschwamm.
»Fever Pitch!«, rief ich.
»Fever Pitch?« Paul lachte. »Aber das ist ein Buch über Fußball, über Arsenal.«
»Aber ich liebe Arsenal«, behauptete ich. Keine Ahnung, warum.
Alle Augen waren auf mich gerichtet; Lexi war jetzt sehr still.
»Ich weiß, dass die Leute glauben, es wäre nur ein Buch über Fußball«, lallte ich, »aber tatsächlich ist es ein Kultroman unserer Zeit.«
Das war der Moment, in dem Rachel erklärte, dass es sich um eine Autobiografie handelte. Das war der Moment, in dem ich sterben wollte. Das war der Grund, warum ich dann ein völlig neues Level an Betrunkenheit erreichte und warum ich jetzt immer wieder in die Bewusstlosigkeit abgleite.
Vielleicht wäre es nicht so schlimm gewesen, wenn das die einzige Gesprächskatastrophe beim Grillabend on Elm Street gewesen wäre, aber: Oh nein, das war sie nicht.
Ich schiebe meine Schlafmaske auf meine Stirn und öffne ein Auge, um zu sehen, wie spät es ist. Neun Uhr acht. Es ist mehr als zwei Stunden her, dass ich mich zuletzt übergeben habe. Hoffentlich ist das wenigstens vorbei. Vielleicht kann ich mich in einer Stunde schon wieder aufsetzen, ohne dass mir Magensäure hochkommt.
Ich gehe die Ereignisse noch einmal im Kopf durch. Eine Art sadomasochistische Foltersitzung.
1. Die schlechteste Aperitif-Wahl aller Zeiten.
Ich würde gerne sagen, dass alles von dem Moment an schieflief, als Rachel die Sangria herausholte, aber es fing schon viel früher an – als ich Lexi ins Sun in der Altstadt von Clapham zog, um dort vor dem Essen etwas zum »Lockerwerden« zu trinken.
»Geht es dir gut?«, fragte sie und runzelte die Stirn, während sie ihre Cola trank und ich einen Wodka herunterstürzte und dann noch einen bestellte.
»Ja, wieso?«
»Du wirkst nur irgendwie komisch, das ist alles.«
»Komisch?«
»Nervös«, präzisierte sie.
»Nervös?« Ich lachte. Ha, ha, ha! »Nein, ich bin nicht nervös. Aber man kann bei einem Grillabend einfach nicht nüchtern erscheinen, Lex, das weiß doch jeder.«
Das war also der Grund, warum Lexi, als Rachel uns zehn Minuten später stocknüchtern die Tür öffnete und uns etwas zu trinken anbot, fröhlich erklärte: »Keine Sorge, sie ist schon halb betrunken. Sie hat auf dem Weg hierher zwei Wodkas getrunken.«
2. Das irreführende Doppelkinn-Foto
In dem Moment, in dem Rachel die Tür öffnete, wurde mir klar, dass sie schön war. Nicht nur hübsch, sondern richtig wunderschön. Wie sich herausstellte, war sie auf dem Doppelkinn-Foto, das ich auf Facebook gesehen hatte, unvorteilhaft getroffen. Das Bild ähnelte ihr überhaupt nicht. Alle anderen jedoch – die, die ich entschlossen nur sehr kurz betrachtet hatte – stellten sie korrekt dar. Sie waren nur nicht so großartig wie die echte Rachel mit ihrem flachsblonden Haar, ihren Kurven an genau den richtigen Stellen, ihrem üppigen Schmollmund und den wenigen Lachfältchen um ihre freundlichen braunen Augen, die sie sexy aussehen ließen. Sie war barfuß und trug eine coole Haremshose und ein hautenges kurzes Sonnentop, das ein bisschen von ihrem gebräunten, glatten Bauch zeigte. Es war ein Look, der sagte: Ich bin selbst dann noch atemberaubend stylish, wenn ich einfach nur in meinem Garten abhänge und auf meine echte, unaufgesetzte Weise völlig entspannt bin. Mein eigenes Outfit – ein Hosenrock (ich weiß, ich weiß) und das, was im Grunde ein Twinset von Jigsaw war – sagte: Ich habe gerade einen Blindenhund-Preis gewonnen, und ich trinke gleich Tee bei der Queen.
Trotzdem war ich zum Glück nicht die Einzige, die modisch in die Tonne gegriffen hatte. Mir war völlig klar, als ich Toby sah, der sich hinter dem Grill im Garten versteckte (ich sage Garten, es war jedoch eher etwas aus Grand Designs: Holzterrasse, tropische Pflanzen und hohe Wände mit fröhlichen, bunten Bildern), dass er es übertrieben hatte. Er trug ein Hawaii-Ensemble: eine Bermudashorts, die ihm halb vom Hintern hing, einen Sombrero und ein weit offenes Hemd, das eng an seiner festen, breiten Brust lag.
»Hey!«, sagte er und breitete die Arme aus. (Wie konnte er nur so verdammt entspannt aussehen?) »Dann habt ihr es aus Battersea hierher geschafft? Na, schon Heimweh?«
Lexi trat ihm in die Eier.
»Also gut, du hässlicher Vogel«, sagte sie. »Was soll dieser ganze Club-Tropicana-Aufzug? Und die Tommy Hilfiger ist auch echt schick«, ergänzte sie und zog an seiner Unterhose. Dann ging sie, und ich stotterte etwas über Marinade und wollte ihn so gerne knutschen, dass ich meine Beine verschränken musste, um ihm nicht um den Hals zu fallen.
3. Die große Hausführung
Im Nachhinein würde ich vermutlich sagen, dass auf der Liste der »Dinge, die man vermeiden sollte, wenn man das Haus seines verheirateten Liebhabers besucht« (wenn man überhaupt hingeht), der Blick auf das Ehebett ganz oben steht.
»Hey, ich zeige dir gerne das Haus, wenn du möchtest?«, bot Rachel an, als ich im Flur stand und etwas Unartikuliertes über ihre unglaublich coole, mit Flamingos bedruckte Tapete sagte.
»Das wäre toll«, log ich.
Zu den Höhepunkten gehörte, dass ich so tun musste, als würde es mir gefallen, mir ihre tolle, große, glänzende Küche anzusehen, für die sie wirklich viel Geld ausgegeben hatten, weil »wir hier so viel Zeit zusammen verbringen, mit Freunden essen und Partys feiern«. (Bravo, wollte ich sagen, bravo …) Es wurde noch schlimmer, als Toby auf der Hälfte ihrer Schilderungen dazukam, den Arm um sie legte und anfing, ihren Rücken zu streicheln. Sprechen? Ich konnte gerade noch verhindern, dass ich losheulte.
Dann kam das Schlafzimmer. Das Ehebett! Konnte es noch schlimmer werden? Ja, das konnte es, denn während Rachel mir detailliert berichtete, dass es ein französisches Bett im Louis-XV-Stil war, das sie bei einem romantischen Wochenende in Paris auf einem Flohmarkt gekauft hatten, stand Toby mit einem Bier in der Hand in der Tür, und ich machte immer »Mm« und »Aah« an den richtigen Stellen und achtete darauf, dass mein Gesicht nicht vor Anstrengung anfing zu krampfen.
Dann trat Rachel ans Fenster. »Tut mir leid, zieht es hier?«, fragte sie und berührte mich am Arm. »Es ist nur, dass Toby gerne aus dem Fenster raucht nach … Na ja, du weißt schon …« Sie kicherte.
Ja, ich wusste das.
Und da hatte ich doch geglaubt, die postkoitalen Zigaretten am Schlafzimmerfenster wären eine Besonderheit des Buchclubs. Dumm von mir. Die dumme kleine Steeley!
Ich beschloss, dass ich danach eine Pause brauchte, aber selbst auf der Toilette war ich umgeben von Bildern der beiden: wie sie in das Haus zogen, wie sie zusammen Skilaufen waren, eines von Rachel, wie sie an Tobys Schulter schlief – das brachte mich fast um. Aber ich riss mich zusammen, verließ das Bad – und stieß auf dem Flur mit Toby zusammen.
»Hallo, meine Schöne«, sagte er und legte seine Hand auf mein Top.
»Toby«, zischte ich, »was zum Teufel tust du da?« Er sah göttlich aus (James Dean im Hawaii-Look). Aber ernsthaft, in seinem eigenen Haus? Während seine Frau unten war? Hatte er denn gar kein Schamgefühl?
4. Dann versuchten sie, mich zu verkuppeln.
Als wir aßen, war ich schon ein hoffnungsloser Fall, und sah bereits zwei Seeteufel-Kebabs. Zum Glück zog Lexi, wie ich gehofft hatte, mit ihren lustigen Anekdoten über das Teenagerleben alle Aufmerksamkeit auf sich, deshalb konnte ich in meinem Stuhl zusammensinken, mit dem Hintergrund verschmelzen und mich weiter betrinken, bis das alles vorbei war – oder nicht? Nein, konnte ich nicht. Denn dann sagte Rachel: »Weißt du, während du im Bad warst, haben wir uns gerade gefragt, warum eine so tolle Frau wie du noch allein ist? (Warum musste sie schön und nett sein?)«
Lexi machte eine Art Hört-hört-Geräusch, und Shona klang wie ein Hund, der sich gleich übergibt.
»Also, ich …« … bin eindeutig völlig schamlos, schlafe mit deinem Mann und werde in der Hölle schmoren, lag mir auf der Zunge, aber dann fuhr Rachel fort: »Tobes, komm schon, welche Männer kennen wir? Wir müssen doch irgendjemanden kennen, mit dem wir Caroline verkuppeln können?«
Ich konnte Toby nicht mal ansehen und konzentrierte mich stattdessen ganz auf mein siebzehntes Glas Wein. Dann holte Rachel das Fotoalbum raus. Ich war gerade dabei, im Haus meines verheirateten Liebhabers in eine Dating-Agentur einzutreten. Es konnte nicht mehr besser werden.
»Also, das ist Jamie«, erklärte sie und zeigte auf jemanden, der wie der Satiriker Ian Hislop aussah. »Wie findest du ihn? Und das ist Hamish, ein netter Kerl, ein bisschen autistisch. Oh, was ist mit Daniel, Tobe?«, sagte sie zu Toby, der sich tatsächlich über ihre Schulter beugte. »Er ist doch eine gute Partie, oder nicht?«
Toby sah sich das Bild an.
»Oooh, ja, Caroline liebt Dreitagebärte, nicht wahr, Caroline?« Meine Kinnlade fiel runter. Beteiligte sich der Mann, mit dem ich seit sechs Monaten eine Affäre hatte, der Mann, den ich liebte, tatsächlich aktiv daran, mich mit einem anderen Mann zu verkuppeln?
Ich kaute auf meinem Kebab herum. Was vorher wie saftiger weißer Fisch geschmeckt hatte, fühlte sich plötzlich an, als würde ich Semmelbrösel kauen. Ich musste hier verschwinden, und zwar schnell, was ich fünf Minuten später auch tat.
»Möchtest du denn keinen Nachtisch mehr?«, fragte Rachel besorgt und folgte mir, während ich Lexi zur Tür hinausschob. »Es gibt Crème brûlée mit Sommerfrüchten.«
»Klingt toll, aber nein, ich bin wirklich satt!« Dann stolperte ich über die Türschwelle und stieß mir den Zeh an.
Und das Schlimmste ist, dass ich, während ich hier auf meinem Sterbebett liege, nicht mit Toby sprechen kann – und ganz sicher nicht mit Lexi.
Es klopft leise an der Schlafzimmertür.
»Möchte die Patientin etwas trinken?«, erkundigt sich Lexi.
»Nein«, stöhne ich und krieche noch tiefer unter die Decke.
Sie öffnet vorsichtig die Tür und seufzt ganz mütterlich. Wieder habe ich dieses Gefühl, dass es eigentlich andersherum sein müsste.
»Du warst wirklich betrunken, oder?«
»Ich bin wie ein hochtrainiertes Pferd, Lexi«, murmele ich unter der Bettdecke. »Ich befinde mich gerade auf dem Höhepunkt meiner Leistungsfähigkeit, deshalb bin ich sehr sensibel, das ist alles.«
Ich schiebe die Decke weg.
»Du siehst scheiße aus.«
»Danke. So fühle ich mich auch.«
»Kann ich dich was fragen?«, versucht sie es und setzt sich auf mein Bett. »Läuft da was zwischen Toby und dir?«
Ich spüre, wie die Übelkeit wieder zurückkehrt, spiele mit dem Gedanken, es ihr zu sagen. So schlimm ist es doch eigentlich gar nicht, oder? Ich meine, wir machen alle mal Fehler. Aber ich kann nicht, nicht jetzt; ich weiß nicht, wieso. Eigentlich sollte ich die große Schwester sein, oder nicht? Ich sollte ein Vorbild für sie sein. Ich hole tief Luft.
»Um Himmels willen, was meinst du denn damit?«
»Es ist nur, du scheinst ihn wirklich zu mögen, das ist alles. Und du wirktest gestern so nervös, gar nicht wie du selbst.«
Ich entscheide mich für etwas in der Mitte.
»Ja, ich finde ihn attraktiv«, gestehe ich. »Wer tut das nicht? Er ist ein sehr attraktiver Mann. Aber er ist verheiratet, Lexi. Das könnte ich nie. Niemals, in einer Million Jahren nicht!«
Sie seufzt. »Okay, also gut, ich dachte nur, ich frage mal. Außerdem wollte ich mich entschuldigen.«
»Entschuldigen? Für was?«
»Dafür, dass ich gestern das mit dem Buchclub erwähnt habe, obwohl Toby doch gesagt hatte, dass es politisch gesehen ein heißes Eisen ist.«
Es gelingt mir zu lächeln.
»Oh, mach dir deshalb keine Gedanken«, sage ich.
Das, denke ich, ist meine geringste Sorge.