«Ich hatte die Idee ja schon vor längerer Zeit, aber da wollte sie niemand hören. So kann es einem gehen, wenn man der Zeit voraus ist.» Er stellte sich vor die Schiefertafel, die er vor zwei Jahren in einer Schule an der Niederelbe abmontiert hatte. «Liebe Kollegen und Tita, die Grundidee ist folgende: Alle Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, daß eine Kampagne größere Aussicht auf Erfolg hat, wenn man sie über den Treibriemen einer Identifikationsperson oder eines Sympathieträgers laufen läßt. Stichwort: Tiere und Babies.»
«Also dürftest du nie bei so was mitmachen», rief Tita und kam vor Lachen fast um. «Die Passau-Paderborner ist eine Versicherung. Versicherungen verkaufen Sicherheit, Zukunft und Schutz vor Schicksalsschlägen. Ich denke mir nun: Wir müssen eine Familie finden, die ihr Leben quasi öffentlich macht und es der Passau-Paderborner zur Ausschlachtung zur Verfügung stellt. Dann können wir über einen Zeitraum von Monaten diese Familie in ihrem Alltag vorstellen und hätten die Gewähr, daß 90 Prozent aller Leute, die wir über die Medien erreichen, die Sorgen und Nöte unserer Paradefamilie interessiert und neugierig verfolgen, weil sie diese Probleme von sich selbst kennen.» Kurz holte sich zustimmendes Nicken ab. «Ich denke also, daß wir eine Checkliste von möglichen Situationen und Kommunikationen in unserer Familie erstellen und mit Bild und Text zur Stelle sind, wenn sie sich über Pipapo unterhalten, also sagen wir mal private Krankenversicherungen, der Sohnemann donnert den Ball in die Scheibe, oder Töchterchen wird konfirmiert, kriegt die gleichnamige Versicherung ausgezahlt. Oder daß man mit Beleihen von Lebensversicherungen billiger bauen kann als mit Bausparverträgen. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt? Wir bauen eine Familie zur Identifikationsfamilie auf. Und der hängen wir das Sicherheitspaket der Passau-Paderborner um den Hals.» Roswitha klatschte Beifall. Rolf Kunze öffnete eine Dose Bier und reichte sie Kurz. Kurz trank die Dose aus und stellte sich wieder vor die Tafel. Mit schnellen Strichen skizzierte er das Bild einer vierköpfigen Familie, die um einen Tisch sitzt und Abendbrot ißt. «So könnten sie aussehen. Und so könnte man in den Anzeigenraum ihre Unterhaltung und die Passau-Paderborn-Lösungen reinstellen», begleitete Kurz seine Striche. «Die Frage ist nur», warf Wegemann ein, «ob es solche durchschnittlichen Familien tatsächlich gibt oder ob wir sie uns basteln müssen.» «Die gibt es», ereiferte sich Kurz, «aber original. Ich kann dich mal zu meiner Schwester mitnehmen, da fallen dir die Eckzähne aus.» «Oder meine Eltern», schnatterte Tita. «Nicht nötig», sagte Kunze, «wir kennen ja dich.» Kurz scribbelte einige Sprechblasen an die Tafel. «Zum Beispiel könnte der Vater gerade zur Tochter sagen, wenn die Tochter, sagen wir mal, so fünfzehn, sechzehn ist, also die große Schwester von Tita, dann sagt der Vater zur Tochter...»
«...meine liebe Jutta, wenn du deinen Oberkörper aus dem Teller nehmen würdest, könnte ich richtig mit Appetit meine Suppe essen.» Jutta rührte in dem sämigen Brei herum. «Grießbrei ist sehr erfrischend, wenn es draußen heiß ist», stellte Marianne klar. «Ich muß übrigens nachher noch mal weg», sagte Borbet leichthin. «Vati geht weg, das ist ja ein Ding.» Borbet ignorierte seine Tochter und wappnete sich gegen die todsicher kommende Frage von Marianne. «Wo willst du denn hin?» «Ich will nicht, ich muß. Die Gewerkschaft macht eine Informationsveranstaltung über EDV. Das kommt vielleicht irgendwann auch mal auf uns zu. Da muß man ja wissen, was einem ins Haus steht.» «Schade», sagte Marianne betrübt, «aber ist ja klar, da mußt du wohl hin. Kommst du hinterher gleich zurück?» «Komm ich. Und deshalb gehe ich jetzt auch gleich los.» Borbet stand auf, drückte seiner Frau einen Kuß auf die Wange, stand unschlüssig neben Jutta und quetschte ein bißchen an ihrer Schultermuskulatur herum. Dann ging er pinkeln und verließ die Wohnung. Aus dem Keller holte er zwei weiß-rot gestreifte Verkehrshütchen (Pylone) und eine Decke. Im Wagen lag für die sporadischen Picknicks eine zweite Decke. Er setzte den Audi aus der Parklücke, stieg aus und stellte die Verkehrshütchen auf den freigewordenen Platz. Dauert garantiert noch zwei Stunden, bis es dämmrig wird. Aber in der Woche sind nicht so viele in der Kolonie.
Auf der Fahrt zur Kolonie fiel langsam ein klammes Gefühl von Borbet ab. Langsam gewannen Zuversicht und Optimismus Platz. Er parkte den Wagen in einiger Entfernung und ging in seinen Garten. Vorsichtig guckte er über die Ligusterhecke von Behles. Das vietnamesische Adoptivkind stellte gerade dem schwächeren der zwei echten Behle-Kinder ein Bein. Das Kind stürzte und plärrte los. Irgendwie befriedigt ging Borbet weiter. Willi Rose spielte vor seiner Laube Pfeilwerfen und hörte dazu Abba-Musik. In einer stillen Minute hatte Borbet seiner Frau gestanden, daß ihm der vierundsiebzigjährige Willi sehr imponierte. Heinz Borbet holte sich einen Stuhl aus dem Schuppen du mußt aufräumen und setzte sich. Ruhig, du hast Zeit, die gehen schon. Dir läuft nichts weg. Borbet schloß die Augen, er schlief fast ein. Genüßlich lauschte er dem Gebrüll von Vater Behle, der seine Brut einsammelte. Von Rose drohte keine Gefahr. Das warf ihm der Vereinsvorstandja gerade vor, daß er sich einen Dreck um das Geschehen in der Kolonie kümmerte. Außerdem war es bald 20 Uhr. Dann verzog sich Willi in seine Laube, und die wenigen Kleingärtner, die um diese Stunde noch da waren, sahen, wie sich die vier Meter hohe Antenne auf der Laube drehte. Willi besaß einen Rotor, mit dem er die Antenne ausrichten konnte. «Ostzone haut dir sonst immer wieder raus», war Willis Hauptsorge.
Plötzlich kam Borbet zum Bewußtsein, daß es völlig still war. Er stand auf und ging in die Laube. Ohne Eile zog er sich um. Im Trainingsanzug schaufelte er danach den Tresor frei. Er schaffte es, die Schubkarre aus dem Schuppen zu ziehen, ohne daß weitere Geräte umstürzten. Es fiel ihm genauso schwer, den Stahlschrank auf die Karre zu befördern, wie beim erstenmal. Nach zehn Minuten hatte er es geschafft. Borbet breitete die Decke darüber und fuhr den Tresor zum Eingang der Kolonie. Vor Bernburgers Parzelle schrak er zusammen. Borbet glaubte, einen kurzen Lichtschein in der Laube gesehen zu haben. Von Marianne kannte er das Gerücht, daß Bernburgers achtzehnjähriger Sohn Ulf, den sonst keine Macht der Welt in den Garten zu bringen vermochte, nach Einbruch der Dunkelheit seine sexuellen Fertigkeiten auf Vaters altem Eisenbett perfektionierte. Borbet kicherte. Wenn das stimmt, dann ist der Lümmel jetzt jedenfalls beschäftigt. Er stellte die Karre am Tor ab, eilte zum Wagen und rangierte ihn mit dem Heck vor das Tor. Er klappte die Kofferraumhaube auf und rollte den Tresor so dicht wie möglich heran. Borbet holte tief Luft und kippte den Tresor in den Kofferraum. Dabei kratzte er eine lange Schramme in den Lack. Im Eilschritt brachte er die Karre in den Schuppen zurück. Auf dem Rückweg blieb er vor Bernburgers Parzelle stehen. Borbet war sicher, daß es ein unterdrücktes Kichern war, was er da flüchtig gehört hatte.
§ 18 Wohnen im Kleingarten
Dauerbewohnen der Laube ist unzulässig, Übernachten während der Sommermonate ist erlaubt.
Aus: Satzung des Landesbunds der Gartenfreunde e. V.
Er befand sich zwei Häuserblocks vor seiner Wohnung, als ihn die panische Angst überfiel, er könnte Marianne im Hausflur begegnen. Wehmütig dachte Borbet an seine beige Flanellhose und sein Baumwollhemd. Beide lagen in der Laube. Die Verkehrshütchen standen noch dort, wo Borbet sie hingestellt hatte. Es sah lächerlich aus, weil rechts und links von ihnen kein Auto stand. Borbet parkte, und stieg aus. Er war so angespannt, daß er den automatischen Blick zum Wohnzimmerfenster von Elfriede Frenzel vergaß. So sah er nicht, daß ihr auch heute die Ankunft eines Hausbewohners keineswegs entging. Frau Frenzel saß in ihrem Lieblingssessel. Sie hatte ihn schräg in die Zimmerecke gestellt, so daß sie zu einem Blick auf den laufenden Fernsehapparat und zu einem Blick aus dem Fenster auf den Bürgersteig vor dem Haus den Kopf kaum bewegen mußte.
«Einfach frech, meine Damen und Herren, ist eine Unterhaltungssendung, in der genau das passiert, was Sie nicht für möglich halten, aber vielleicht gern selbst tun würden. Haben Sie nicht auch schon einmal etwas Ähnliches erlebt?» Der Moderator zeigt auf einen Monitor, kurz darauf wird eine Szene eingeblendet: Eine Frau auf einem Fahrrad, beladen mit Einkaufstaschen, wird von einem rücksichtslosen Autofahrer an den Fahrbahnrand gedrängt. Sie muß abspringen, um nicht hinzufallen. «Einfach frech», das Gesicht des Moderators ist wieder da, «aber passen Sie auf, was jetzt passiert.» Die Frau steigt auf ihr Rad und holt den an der nächsten Verkehrsampel haltenden Verkehrsrowdy ein. Sie hält neben dem Wagen, lächelt den Fahrer an und nimmt ihrem im Kindersitz sitzenden Sohn den angebissenen Negerkuß aus der Hand, klatscht ihn auf die Windschutzscheibe und verteilt dort die klebrige Masse gleichmäßig. Dann steigt sie auf ihr Rad, drückt dem staunenden Sohn einen neuen Negerkuß in die Hand und radelt davon. Der Autofahrer steigt aus und kratzt sich am Kopf. Aus einem imaginären Zuschauerraum sind Lachen und Applaus zu vernehmen. «Der wird lange keine Mohrenköpfe essen, meine Damen und Herren!
Das ist «einfach frech«. Sieben Erlebnisse dieser Art haben wir in den nächsten 45 Minuten für Sie vorbereitet. Aber hier ist erst einmal Frau Elsa Schneider, die Frau mit dem Negerkuß. Applaus für Frau Elsa Schneider!»
Im Fernsehen lief eine Unterhaltungs-Show mit dem Titel «Einfach frech».
Vor dem Fenster lief Borbet schnell ins Haus. Er eilte in den Keller, schnappte sich die Sackkarre und lief zum Wagen. Mit eingezogenem Kopf sicherte er nach beiden Seiten ab. Das kratzende Geräusch, mit dem der Tresor den Autolack zerschrammte, tat ihm in der Seele weh. So schnell wie möglich zog Borbet Karre samt Tresor über den Bürgersteig ins Haus. Stufe für Stufe ließ er sie die Kellertreppe herunter. Er wuchtete den Tresor gegen eine Längswand des schlauchförmigen Kellerraums. Mühsam tarnte er ihn mit der Decke und mit zwei leeren Bierkästen, die er vor dem Tresor aufstapelte. Borbet betrachtete sein Werk von allen Seiten und stellte sicherheitshalber den Werkzeugkasten auf den Tresor. Dann war er zufrieden. Geschafft. Jetzt ist alles geschafft. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Dir kann keiner mehr. Ab jetzt geht es andersherum.
Frohgemut kam Borbet aus dem Kellerraum und lief gegen Elfriede Frenzel. «Huch, Sie schlimmer Mensch», schrie die alte Frau mit ihrer rauhen und lauten Stimme.
Borbets Herz machte einen Sprung. «Aber Frau Frenzel, haben
Sie sich weh getan?» fragte er.
Frau Frenzel hielt einen Mülleimer in der Hand. Er war knapp halbgefüllt. Selbst wenn du den Kopf unterm Arm tragen würdest, vor lauter Neugier würdest du keinen Schmerz spüren. Haßerfüllt sah Borbet sie an. Frau Frenzel hielt ihm den Eimer entgegen und sagte zu allem Überfluß noch: «Müll.»
«Ah, Müll», erwiderte Borbet. Dann kam Frau Frenzel zum Thema. «Na, noch so spät unterwegs? Ich habe Sie zufällig aus meinem Fenster gesehen, wie Sie das in den Keller gebracht haben.»
Das Wort «das» sprach sie sehr betont aus. In Borbets Kopf ging es hoch her. Vertraulich näherte er seinen Kopf einem Ohr von Frau Frenzel. «Was ich Ihnen jetzt verrate, muß unter allen Umständen unter uns bleiben. Versprechen Sie mir das?» Frau Frenzel nickte begeistert.
«Es ist nämlich wegen meiner Frau. Sie hat ja bald Geburtstag, und ich will ihr eine ganz besondere Überraschung bereiten, verstehen Sie?»
«Aber Herr Borbet, das ist ja entzückend. Natürlich verstehe ich das. Und natürlich halte ich dicht. Sie wissen doch, ich kann schweigen. Wie ein Sarg», sagte sie verschwörerisch und lachte dazu. Alte Giftnudel. Borbet zwang sich zu einem Lächeln und eilte in den ersten Stock.
Noch nie war er so froh gewesen, daß er Wohnungsschlüssel und Autoschlüssel an einem Bund mit sich trug. Sonst wäre die Blamage perfekt gewesen. Borbet lauschte an der Tür. Jemand redete. Vorsichtig drückte er sich in die Wohnung. Marianne saß im Wohnzimmer und telefonierte. Der Fernsehapparat lief mit abgestelltem Ton.
Borbet schlich ins Schlafzimmer, zog den Trainingsanzug aus und versteckte ihn in der karierten Reisetasche, die sie seit dem Bornholm-Urlaub Ende der siebziger Jahre nicht mehr benutzt hatten. Im Schrank suchte er nach Hemd und Hose, die große Ähnlichkeit mit den Sachen in der Laube besaßen. Danach ging er ins Badezimmer, schloß ab und setzte sich auf den Wannenrand. Schlagartig fiel die Anspannung von ihm ab. Borbet fühlte sich zerschlagen und müde. Er blickte kurz in den Spiegel und ließ sich im Wohnzimmer sehen. Marianne guckte erstaunt und winkte ihm freundlich zu.
Borbet ging in die Küche und holte den Kräuterlikör aus dem Kühlschrank. Hastig suchte er sein gesamtes Wissen über Datensichtgeräte zusammen, um Mariannes Fragen beantworten zu können. Ihm wurde bewußt, daß er überhaupt keine Ahnung hatte. Borbet wollte ihr erzählen, daß die Versammlung kurzfristig ausgefallen war und er mit einigen Kollegen die günstige Gelegenheit zu einem Bier oder auch zwei bzw. drei genutzt hatte. Dagegen hatte Marianne nichts, das wußte Borbet. Er rückte neben sie, faßte sie dahin und dorthin und setzte dabei einen Blick auf, bei dem sie sich den Rest auf Grund zahlreicher Ehejahre selbst zusammenreimen konnte.
«Espresso?» Jo Puttel nickte. Götz Wegemann bestellte zwei Espresso. Jo nahm das Weinglas in beide Hände und stützte die Ellbogen auf den Tisch. Versonnen sah sie über den Rand des Glases hinweg Wegemann an. Der guckte nachdenklich. Wenn sie im Bett genauso wie die Feuerwehr abgeht, wie sie auf diese Serie scharf ist, sollte man sich das Erlebnis wohl gönnen. Aber laß dich nicht von Äußerlichkeiten täuschen. Britta war auch immer putzmunter. Aber kaum hast du mehr als zwei Hemdknöpfe aufgehabt, mußte sie dringend sofort einschlafen und durfte keinem Härtetest mehr unterworfen werden. Die Anspannung des Tages fiel von ihm ab, Wegemann wurde sehr müde. Die zweite Flasche Barolo gab ihm den Rest.
Jo und Wegemann saßen in einem der bestbeleumdeten Lokale der Stadt. Jo geriet ins Schwärmen: «Eigentlich haben wir es doch gut. Wir wissen, was die Millionen armseligen Büromäuse und Fabrikexistenzen sich gerne reinziehen und bieten es ihnen jeden Tag aufs neue für ein paar lumpige Groschen.» Wegemann erzählte von der neuen Kampagne, auf die sie sich am Nachmittag in der Agentur verständigt hatten. Jo, die zu Wegemanns Überraschung plötzlich anfing, Menthol-Zigaretten zu rauchen, fand die Idee sehr vielversprechend. «So was ist bestimmt ein voller Ankommer. Was interessiert die Leute denn? Entweder Berichte aus dem Schlafzimmer oder aus der großen weiten Welt, von der sie nur träumen können.» «Es ist ja auch wirklich erschütternd, mit wie wenig die meisten zufrieden sind. Die müßten doch irgendwann mal mitkriegen, was die Welt eigentlich zu bieten hat. Warum holen die sich nicht ein paar Krümel davon?» Jo stellte die Theorie auf, daß eine Boulevardzeitung wie ein Katalog der schönen und schrecklichen Seiten des Lebens war. «Unsere Zeitung fordert die Leser doch im Grunde auf, sich zu bedienen. Oder zu verabscheuen.» «Die sind eben amputiert», brummte Wegemann, er kam sich sehr privilegiert vor und fühlte sich gut. Auch Jo vergaß den Ärger mit ihren diversen Liebschaften der letzten Monate. Sie badete in der Aussicht auf die Lobeshymnen, die ihr in den nächsten Tagen von Kollegen zuteil werden würden. Sie nahm sich vor, ihr Telefon so oft wie möglich freizuhalten. Wegemann ging in Gedanken alle Bestandteile seines derzeitigen Lebensstandards durch. An jedem einzelnen Punkt prüfte er nach, ob er sich vorstellen konnte, auf ihn zu verzichten. Befriedigt stellte er fest, daß er genauso lebte, wie er leben mußte, um sich wohl zu fühlen. Erfand es ein wenig langatmig, als Jo über ihr Elternhaus, Sozialisation und Loslösungsprobleme heranwachsender Töchter sprach. Er überbrückte die Zeit mit zwei Glas Wein. «Mein Wagen läßt unten Wasser durch. Muß geschweißt werden», sagte er unvermittelt. Jo fand den Themenwechsel etwas brutal. «Ist denn dein Jaguar kaputt?» fragte sie mitleidig und legte ihre Hand auf Wegemanns. «Kaputt», ließ er aus sich herausfallen, «völlig kaputt. Schön, aber morbide. So sind alte Autos nun mal.» «Ich kann dir die Adresse von einer Werkstatt geben. Ich habe gute Erfahrungen mit den Leuten gemacht, jedenfalls witzige.» Wegemann hob den Kopf und stierte sie an. «Sind so Alternative, in Altona. Arbeiten total nach dem Bockprinzip. Also mit Termin abmachen läuft da nichts. Und mit komplizierteren Reparaturen sind sie natürlich hoffnungslos überfordert. Solche Typen können alles immer nur ein bißchen. Aber wenn es ums Schweißen geht, sind die genau richtig.» «Na gut», sagte Wegemann schwer, «man muß eben auch die Neger der Gesellschaft unterstützen.» Jo schrieb die Adresse der Werkstatt auf eine Serviette. Wegemann steckte die Serviette ein und hatte sie im nächsten Moment vergessen. «Ich habe Hunger», maulte er, «bei diesen Italienern werde ich nie satt.» Sie bezahlte. Jo bestand darauf, Wegemann eingeladen zu haben. Zwei Straßen weiter fanden sie eine Kneipe, in der sich Wegemann den Bauch mit Bratkartoffeln vollschlug.
Er brachte Jo nach Hause. Vor dem Haus guckte sie ihn prüfend an, er guckte müde zurück. «Na, dann geh ich mal», blies Jo ihren Versuchsballon auf. «Ich freue mich auf die Allgemeine von morgen», sagte Wegemann und guckte hartnäckig nach vorne auf die Straße. Er wartete, bis Jo die Haustür öffnete. Dann winkte er ihr zu, fuhr zum Hauptbahnhof und kaufte sich die Allgemeine von morgen. Der Verkäufer suchte dermaßen lange nach Wechselgeld, bis sogar der müde Wegemann das Signal verstand und verzichtete. Zu Hause angekommen, beschlich ihn wieder das merkwürdige Gefühl beim Anschauen des eigenen Gesichts in der Zeitung.
«Paß doch auf», fauchte Elfriede Frenzel, als Fred mit dem großen Paket gegen die Garderobe stieß. «Ja, ja», brummte er und drückte die Tür seines Zimmers auf. Er wollte sie schnell schließen, doch seine Tante stand schon im Raum und pumpte sich für die folgende Rede mit der nötigen Wut auf. «Du wolltest heute zum Arbeitsamt und hast bis in die Puppen geschlafen. Am Sonnabend habe ich dir die Zeitung mit den Stellenanzeigen hingelegt, du hast sie nicht angerührt. Und jetzt kommst du mitten in der Nacht nach Hause und zerstörst mir die halbe Wohnung. Fred, Fred, was soll nur aus dir werden?» Der erste Tantenmörder, der freigesprochen wird. «Ich hatte zu tun. Und ich habe einiges am Laufen. Wirst mal sehen, das klappt schon. Bald. Bestimmt», sagte er leise. Fred war zerschlagen. Der Wachmann vorhin in Hammerbrook war zehn Minuten eher zurückgekommen, als Fred eingeplant hatte. Dann hatte er auf der Flucht ein Paket verloren. Vor allem jedoch nagte die Wut über den verschwundenen Tresor an Fred. Der Tresor war das erste Ding gewesen, das eine gewisse Klasse und Rasse besaß, das hieß für Fred: mehr als 1000 Mark wert war.
Elfriede Frenzel weitete ihre Abneigung gegen den nichtsnutzigen Neffen zu einer vernichtenden Kritik der bundesdeutschen Jugend überhaupt aus. Mißmutig schlitzte Fred den Karton auf und entfernte die Holzwolle. Silbrig blinkte ihm die Espresso-Maschine entgegen. Das dürfte ja wohl in etwa das Ding sein, das Josty haben wollte. Elfriede Frenzel redete sich in Rage. «Weißt du, was ich jetzt am liebsten machen möchte?» fragte Fred dumpf und ging langsam auf die alte Frau zu. Sie wich etwas zurück und sagte mit fester Stimme: «Nein, aber es wird schon nichts Rechtes sein.» Fred drehte sich um und holte die Espresso-Maschine aus dem Karton. «Hier, Tante Frieda, für dich. Von deinem nichtsnutzigen Neffen.» Frau Frenzel schlug beide Hände vor den Mund. «Aber Fred, das sollst du doch nicht. Immer diese teuren Geschenke. Das ist doch viel zuviel für deine alte Tante.» Da hast du ausnahmsweise völlig recht. Aus früheren Brüchen hatte Fred der Tante ab und an ein gutes Stück zukommen lassen. Elfriede Frenzel war dem Weinen nahe. Weil die Espresso-Maschine so schwer war, mußte Fred sie ihr in die Küche tragen. Dort stellte er sie neben die andere Espresso-Maschine auf die Resopalplatte.
Kurz nach elf klingelte es bei Frenzels. Fred öffnete, «n’Abend, Bruno, komm rein, wenn es unbedingt sein muß», sagte er müde, holte Bier aus der Küche und latschte in sein Zimmer. «Mensch, mußte mal lüften», sagte Bruno mit erstickter Stimme und riß das Fenster auf. Fred antwortete gar nicht erst. Bruno brachte das Bier auf den Weg und seufzte abgrundtief. «Ich habe den ganzen Tag darüber nachgedacht. In der Firma habe ich einen Lkw komplett mit der falschen Ladung beladen lassen. Kabel statt Eternit, muß man sich mal vorstellen.» «Ja, ja», murmelte Fred. «Ich habe gegrübelt und gegrübelt. Was können wir bloß machen, um den Tresor wiederzukriegen?» «Nix», sagte Fred nüchtern, «nix, nix, nix, gar nichts.» «Aber das ist doch schrecklich», jammerte Bruno, «die ganze Mühe umsonst.» «So geht das nun mal im Leben. Die einen säen, die anderen ernten.» «Das mußt du mir als Kleingärtner nicht sagen. Wenn wir bloß einen Anhaltspunkt hätten.» «Wir hatten einen, mein Lieber. Deine Kohlrabis. Gestern hat das Ding garantiert in irgendeiner Laube gestanden. Aber dir ist es ja peinlich gewesen, mal nett und zufällig bei den Kumpels reinzugucken.» «Bei Borbet war ich», protestierte Bruno. «Na toll», sagte Fred höhnisch. Borbet haben wir hier auch im Haus. «Das heißt also, der Tresor kann schon auf der Zugspitze stehen oder ganz in der Nähe», sagte Bruno nachdenklich. «Oder ganz in der Nähe», wiederholte Fred und schüttelte sich unwillkürlich. «Daran möchte ich nicht mal im Spaß denken.»
«Oh, guck mal da. Die könnte mir auch gefallen.» Marianne schob ihrem Mann die Zeitung über den Frühstückstisch. Borbet wollte gerade herummuffeln, da sah er das Foto von Wegemann unter einem Artikel mit der Überschrift «Männer mit Ideen» — «Neue Serie: Unsere Selbständigen — großer Report über moderne Abenteurer.» Marianne tippte auf ein Bild. Es zeigte die Brosche, die in Wegemanns Tresor gelegen hatte. «Soso, die gefällt dir», sagte Borbet mehr zu sich. «O ja», erwiderte Marianne schwärmerisch. Den Tonfall kannte Borbet. Wenn sie diesen Schmelz auf die Stimmbänder bekommt, dann ist es ihr ernst.
Borbet fuhr nicht direkt zur Arbeit. Erst holte er Hemd und Hose aus der Laube. Danach fühlte er sich wohler. Als Borbet zum wiederholtenmal einen Blick von Erna Degenhardt aufgeschnappt hatte, fragte er höflichkeitshalber nach dem Verlauf des gestrigen Abends: «Oh, es war sehr informativ. Und mir tun alle von Herzen leid, die nicht dabei waren», erwiderte Erna böse. Hildegard sah wieder hinreißend aus. Borbets Schreibtisch stand so, daß er nur den Kopf heben mußte, um mitten in Hildegards Gesicht zu gucken. Borbet war besorgt, als er sah, daß sich Hildegard offensichtlich mit einem Problem herumquälte. Sie stand auf und kam mit einer dünnen Akte zu Borbet hinüber. Er spürte, wie er sich verspannte, es war ein schönes Gefühl. Hildegard stellte sich neben ihn, legte die Akte auf die grüne Schreibunterlage und schlug sie auf. Mit einem perfekt manikürten Zeigefinger tippte sie auf eine Zahlenkolonne. Borbet zog den Duft des Parfüms in die Tiefen seiner Lungenflügel. «Hier, Heinz, sehen Sie?» «Ja?» «Hier», wiederholte sie und drückte den Finger auf die Zahlenkolonne. «Ja und?» «Dieser Termin», sagte Hildegard, ihre Gesichter waren jetzt ganz dicht beieinander, «dieser Termin ist seit genau fünf Tagen vorbei.» «O Gott», flüsterte Borbet, «wie peinlich, daß mir das passieren muß. Geben Sie her», sagte er und grapschte nach dem Bogen. «Aber das kann doch jedem mal passieren», sagte Hildegard beflissen. «Das darf aber nicht passieren», trumpfte Borbet auf. «Ach was, wir sind doch alle nur Menschen», sagte Hildegard verzweifelt. «Sie vielleicht.» Er bemerkte, was er für einen Quatsch geredet hatte, und schwieg peinlich berührt. «Nächstes Mal ein bißchen drauf achten, ja?» brachte Hildegard zaghaft vor. Sie schlug die Akte zu und ging zurück zu ihrem Schreibtisch. Achtung, Junge! Nicht vor der Zeit nachlässig werden. Die Fassade bleibt stehen, bis das Geld auf dem Konto ist. Die paar Tage hältst du auch noch durch. Hast schließlich 43 Jahre durchgehalten. Ach, Hildegard, warum bist du da drüben, und ich bin hier? Ein abgrundtiefer Seufzer, in seiner Intensität nur einem Rülpser vergleichbar, entrang sich Borbets Eingeweiden. «Ich habe drei kleine Stonsdorfer in der Schublade, das hilft bei Blähungen», sagte Belmondo freundlich. Borbet drehte sich um. Und dir tue ich persönlich was an, ich werde mir was Feines ausdenken.
In der Mittagspause verzichtete Borbet auf den immer wieder aufregenden Gang ins Casino mit Hildegard. Er eilte durch die Wandelhalle des Hauptbahnhofs, wo zwei mit Sprechfunkgerät ausgerüstete Bahnpolizisten gerade von einer Gruppe Punker mit Wasserpistolen naßgemacht wurden. Die Beamten riefen in ihre Sprechfunkgeräte um Hilfe.
Borbet betrat ein Kaufhaus und fragte sich in die Heimwerkerabteilung durch. Vor einer Wand mit zahlreichen Bohrerlängen und -durchmessern verweilte er hilflos. «Das ist eine Auswahl, was?» ertönte eine Stimme hinter ihm. Borbet drehte sich um. Der Verkäufer war älter als er. «Kann ich damit auch Stahl bohren?» fragte Borbet und zeigte auf alle Bohrer gleichzeitig. «Kommt darauf an», erwiderte der Verkäufer und guckte wichtig. «Und worauf kommt es an?» «Na, wie dick er ist, der Stahl. Sehen Sie zum Beispiel mal hier», tönte der Verkäufer und griff nach einem Bohrer. «Was soll’s denn sein? Guß, St 34 oder 54 oder was?» Borbet deutete mit Daumen und Zeigefinger eine Dicke an. «So ungefähr. Zwei bis drei Zentimeter vielleicht.» «Wollen mal sehen», sagte der Verkäufer, zauberte einen Zollstock herbei und hielt ihn an Borbets Hand. «Das sind vier Zentimeter, aber dicke.» Der Verkäufer zeigte Ungeduld. «Was wollen Sie denn nun bohren?» fragte er herablassend. «Ungehärteten Stahl oder gehärteten?» Borbet ging aufs Ganze. «Gehärtet, auf jeden Fall gehärtet. Eher noch härter. Wie ein Panzerschrank.» Borbet lachte. Der Verkäufer nahm einen anderen Bohrer. «Hiermit sind Sie gut bedient, der bohrt, wo sie ihn ranhalten. Ist nicht ganz billig, aber damit kommen Sie rein, wo Sie wollen.» Der Verkäufer stieß Borbet mit dem Ellbogen vertraulich in die Seite und lachte meckernd. Borbet lachte nicht. Der Verkäufer ließ sein Lachen sanft auslaufen. «Wie viele denn?» fragte er nicht mehr freundlich. «Zwei», antwortete Borbet spontan, «nein, geben Sie mir sechs.» «Die volle Leistung bringt der Bohrer natürlich nur, wenn Sie eine entsprechend leistungsfähige Maschine haben. Wenn ich Ihnen da mal dieses Modell zeigen dürfte...» «Ich möchte zahlen.» «Aha, zahlen, na, auch gut.» Borbet verstaute die Bohrer in der Innentasche seines leichten Jacketts.
Als er auf den ersten Außenspiegel am Eingang des Kaufhauses zukam, hatte er das Gefühl, daß die Bohrerpackung unter der Jacke wie eine Pistole aussah. Borbet ging durch die Wandelhalle des Hauptbahnhofs. Ein Punker, der sehr niedlich aussah und höchstens dreizehn Jahre alt war, raste auf ihn zu. Er wurde von einem Dutzend Polizisten verfolgt. Im Vorbeilaufen warf der Junge Borbet etwas zu. Automatisch fing Borbet es auf und starrte verblüfft auf eine Wasserpistole. Sofort sah er sich von mehreren Polizisten umringt. «Sie, geben Sie das sofort her. Das ist ein Beweisstück», herrschte ihn einer von ihnen atemlos an. Borbet reichte ihm die Wasserpistole. Der Bahnpolizist beguckte sie wichtig, dann schüttelte er sie. Gebannt beobachteten die jüngeren Polizisten den Vorgesetzten. Der Beamte richtete die Pistole auf einen jungen Kollegen und spritzte ihm Wasser ins Gesicht. Der nasse Polizist schnaufte, die Kollegen blickten zwischen ihm und dem Vorgesetzten hin und her. Plötzlich fing der donnernd zu lachen an. Augenblicklich lachten auch alle Umherstehenden.
Auf dem Weg zur Versicherung kam Borbet durch die Bremer Reihe. Die meisten der zahlreichen Bars und Kneipen hatten geöffnet. Vor einigen Türen standen Männer: braun gebrannt mit durchtrainierten Körpern oder aufgeschwemmt mit über die Hose hängenden Bäuchen. Aus den Lokalen quoll die Mischung aus kaltem Rauch, Alkohol und Duftwässern. Borbet fühlte sich abgestoßen und angezogen. Mit betont beiläufigem Gesichtsausdruck und hungrigen Augen guckte er flüchtig in die Schaukästen, in denen ausgeblichene Fotos von dürftig bekleideten Frauen hingen. Die Fenster einer Bar waren schwarz bemalt, dieses Lokal wählte Borbet. Eine üppige Frau von über vierzig, die in extremer Weise kosmetische Hilfsmittel angewendet hatte und eine Piccolo-Flasche Sekt in der Hand hielt, blickte zu Borbet hinüber. Dann stellte sie die Flasche auf die Theke, an der zwei Personen saßen. Die Frau war jung, eine richtige Zeitschriften-Schönheit. Sie trug ein Kleid, das geeignet war, verklemmte Phantasien auf rumpelnde Touren zu bringen. Neben ihr saß ein Kavalier von Mitte Vierzig. Die Frau verteilte das bißchen Sekt in die Schalen, hob ihr Glas und prostete dem Galan zu. Die Frau hinter der Theke wie eine Herbergsmutter hielt ihren Mund vor eine Wechselsprechanlage und sprach ein paar Worte. Sekunden später erschien eine junge Frau. Sie trug die Haare auf altmodische Art hochtoupiert, was Borbet sehr anmachte. Ihr Kleid war nicht der Rede wert. Borbets Augen begannen leicht zu tränen. Die Frau lächelte ihn an und lüpfte ihren Hintern lässig auf einen Barhocker. Zögernd näherte sich Borbet der Theke. Die Herbergsmutter kam ihm entgegen. Borbet fühlte sich taxiert und bis aufs Hemd ausgezogen.
«Haben Sie Rum Collins?» fragte er knarrend. Die Frau nickte und sagte mit einer Stimme, daß sich an Borbets Waden die Haare hochstellten: «Habe ich.» «Auch Bloody Mary?» «Auch Bloody Mary.» Borbet hatte nie gedacht, daß man diese Worte dermaßen anstößig aussprechen könnte. «Möchten Sie eine Bloody Mary?» fragte die Herbergsmutter. Borbet spürte, wie der Blick der Frau auf dem Barhocker seine rechte Wange wärmte. «Nein danke, geben Sie mir lieber ein Bier.» Von einer Sekunde zur anderen verwandelte sich die Smith & Wesson in Borbets Jackentasche in einen Sechserpack Stahlbohrer. Die Herbergsmutter guckte, als ob Borbet ihr einen unzüchtigen Antrag gemacht hätte. Die Frau auf dem Hocker drehte sich zur anderen Seite und zeigte einen absolut makellosen Rücken. Unwillkürlich dachte Borbet an Juttas Akne. Die Mutter hielt ein Glas unter den Zapfhahn und ließ Bier hineinschäumen. Der Anblick des Versicherungsgebäudes zehn Minuten später tat Borbet richtig gut.
Rum Collins
Für 1 Person
9 cl mitteldunkler Rum
3 cl durchgeseihter, frischer Limetten- oder Zitronensaft
1 TL extrafeiner Zucker
2 oder 3 Eiswürfel
18 cl gekühltes Club-Soda
1 dünne Orangenschale (nach Belieben)
1 Maraschinokirsche (nach Belieben)
Bloody Mary
1 Teil Wodka
2 Teile Tomatensaft und Eis
einen Spritzer Tabasco,
etwas Worcestersauce
Salz, Paprika, Zucker,
Pfeffer und Zitronensaft gut durchrühren
Bier
Wasser
Hopfen
Malz
Hefe
Kurz nach zehn erhielt Götz Wegemann einen Anruf der Passau-Paderborner. Eine Sekretärin fragte, ob es ihm morgen um 9 Uhr 30 passen würde. Wegemann genoß die übertriebene Freundlichkeit der Frau. Danach wählte er die Nummer der Schule, an der seine frühere Frau Britta unterrichtete. Eine Sekretärin teilte ihm mit, daß an der Schule gerade Unterricht herrschte. Sie war beleidigt, weil Wegemann das nicht gewußt hatte. Routiniert poussierte er mit der Frau herum, sie neigte zu plötzlichen Kieksern im oberen Frequenzbereich. Am Ende sagte ihm die Sekretärin zu, daß sie der Kollegin Wegemann einen Zettel ins Fach legen würde.
Wegemann kam sich in der Agentur kurzfristig überflüssig vor. Er machte die Runde und ließ sich von allen Kollegen bestätigen, daß der Fotograf der Allgemeinen ihn selbst von rechts, was nicht seine Schokoladenseite war, kongenial abgelichtet hatte. Die achtzehn Stufen hinauf in seine Wohnung fielen ihm heute leicht. Wenn er sie an anderen Tagen während der Arbeitszeit ging, spürte er stets die neidischen Blicke der Kollegen. Wegemann setzte sich im Wohnzimmer vor den Sekretär, den noch Britta gekauft hatte. Er zog für sich eine Bilanz der nervenaufreibenden letzten Tage. Wegemann drückte seine Lügen zur Seite und konzentrierte sich auf die positiven Seiten. Er hatte die Passau-Paderborner in der Hand. Der Teiletat würde seiner Agentur erhalten bleiben, das hatte er Jo zu verdanken. Durch die Berichterstattung in der Allgemeinen bekam die Agentur einen Bekanntheitsgrad, der für sie unter normalen Umständen unerreichbar gewesen wäre. Wegemann nahm sich vor, in den nächsten Tagen telefonisch und persönlich bei potentiellen Kunden aufzutreten. Und abends auf die Piste, Glückwünsche und neidische Blicke einsammeln. Diese leicht angesoffenen Gespräche, das hatte Wegemann schon häufig erlebt, waren bares Geld wert. Wer im Gespräch war, und dann noch positiv, hatte gute Karten.
Wegemann ging hinunter ins Büro und schlug in der Zeitung die Seite mit dem Artikel über ihn auf. «Bangemachen gilt nicht, diese alte Kalenderweisheit gewinnt durch Menschen wie Götz Wegemann neue Aktualität. Die Wegemanns könnten bahnbrechend wirken, zeigen sie doch durch ihr aktives Beispiel, wie hinter der allgemeinen Volkskrankheit ‹Anspruchsdenken› am Horizont die Chance der Selbstverwirklichung leuchtet.» Versonnen blickte Wegemann aus dem Fenster. Aber genau, so bin ich. Ist gut getroffen. Er ging nach nebenan und informierte Roswitha, daß er am Nachmittag außer Haus sein würde.
Als Wegemann gerade gehen wollte, kam noch ein Anruf. Ein Volker war am Apparat. Wegemann kannte keinen Volker und wunderte sich über dessen Vertraulichkeit.
«Ich bin ganz zufällig an Brittas Fach vorbeigekommen. Da lag der Zettel mit der Bitte um Rückruf. Ich wollte nur der Ordnung halber durchsagen, daß Britta nicht in der Stadt ist. Sie ist draußen in Reinbek und macht Fortbildung. Die gesamte Woche, toll für sie, was?»
Wegemann war ehrlich verblüfft. Der Volker ist das, dieses lockerflockige Plappermaul, mit dem Britta auf ihrer Fortbildung schwach geworden ist. Mit beherrschter Stimme dankte Wegemann für den Anruf. Volker sagte am Schluß: «Vielleicht sieht man sich ja mal. Ich würde mich freuen. Aloha.»
Auf der Fahrt zum New Yorker fuhr Wegemann sehr aggressiv.
Er gab Volker die Schuld, als er vor dem Lokal keinen Parkplatz fand. Vor einem Hotel scheuchte ihn ein herrischer Empfangschef fort, und als er direkt hinter einer Kreuzung hielt, winkte ihm ein Kontaktbereichsbeamter schon von weitem zu.
Mißmutig betrat Wegemann einige Minuten später das New Yorker. Es war halb eins, im vorderen Trakt wimmelte es von Lehrern, die ihr Halbtagslos hinter sich gebracht hatten und vor dem Mittagsschlaf mit ihresgleichen plaudern wollten. Eine Lehrerin sah von schräg hinten sehr reizvoll aus. Sie drehte sich um, Wegemann sah woanders hin. Es roch durchdringend nach Königsberger Klopsen.
«Hey, Josty», sagte er scharf und warf seine Hand lässig in die Höhe.
«Gott zum Gruße, Gast Götz. Darf ich dich darauf hinweisen, daß es halb ein Uhr mittags ist und nicht halb ein Uhr nachts.»
Und dann ging es los. Josty war im Besitz des schrecklichsten Lachens von Norddeutschland. Blitzschnell pumpte er sich auf und ließ ein donnerndes Geräusch ab, das geeignet war, Ziegel von den Dächern zu fegen. Der größte Bewunderer seines Lachens war er selbst. Hatte er erst einmal angefangen, berauschte er sich an dem Lärm und produzierte eine Fortsetzung nach der anderen. Deshalb bemühte sich Wegemann, fahrlässige Scherze zu vermeiden. Als er noch nach einer harmlosen Eingangsfloskel suchte, kam ihm Josty entgegen.
«Brauchst wohl ‘nen neuen Job, was? Wie hart hat dich denn die Sache mit dem Stahl-Portemonnaie getroffen?»
Wegemann lächelte melancholisch, Josty stieg mimisch voll ein.
«Ich kann’s nachfühlen.»
Wegemann erzählte dem Wirt die Hintergründe der Tat und warum sein Fall so groß in die Zeitung gekommen war. Auf solche Informationen legte Josty größten Wert, das war er dem Ruf des Lokals schuldig.
Das New Yorker war eine Kneipe, die mit großer Sicherheit auf der Grenze zwischen Schickeria-, Intellektuellen- und Halbweltlokal balancierte. Hier trafen sich Popper aus vornehmen Elternhäusern, Jurastudenten aus der Jungen Union, Fotomodelle, Kreative aus allen Werbebereichen, der geisteswissenschaftliche Unter- und Mittelbau der Universität, Journalisten aus allen Lagern. Den Bodensatz der Kundschaft bildeten Lehrer sowie junge Versicherungsangestellte. Was das New Yorker zu einem Lokal machte, bei dessen Erwähnung der Kundige Kennerschaft signalisierend die Augenbrauen hob, war die Tatsache, daß auch der kriminelle Unter- und Mittelbau der Prostitutions- und Drogenszene der Stadt hier zu zechen pflegte. Das Gefühl, seinen Wein inmitten von mehreren hundert Jahren Gefängnis zu süffeln, beflügelte die Phantasie der Gäste und gab ihnen ein Gefühl von Weitläufigkeit und Mut.
Der Kommunikationsstil im New Yorker bewegte sich zwischen Klatsch und schwadronierendem Smalltalk. Ein Kollege von Wegemann hatte es jüngst auf den Punkt gebracht: «Wenn ich in den Laden reinkomme, kann ich sagen, was mir gerade an dummem Zeug einfällt. Ich bin mit meinem Satz auf jeden Fall in einem Gesprächskreis drin. Das ist das Schöne am New Yorker.» Noch schöner waren die beiden Razzien gewesen, die die Polizei im letzten halben Jahr hier veranstaltet hatte. Ihre Folge war, daß kaum noch ein Gast ohne Personalausweis oder Paß kam, doch die kribbelnde Vorfreude, Zeuge zu werden, wie heimlich verachtete Ordnungshüter arme Schweine aufmischten, bevor man sich selbst durch bloßes Vorzeigen des Identifikationspapiers und direkte Erwähnung des Berufs «Journalist» als Mitglied der Guten ausweisen konnte, diese Aussicht zog die Leute in Scharen an.
Die Klatsch-Kolumnisten der örtlichen Zeitungen hielten im New Yorker regelmäßig Hof. Wenn auswärtige Künstler in der Stadt weilten, kamen sie im Verlauf der abendlichen Sauftour todsicher auf einige Glas herein. Das Lokal hatte sich zum Mode-Trendsetter der Stadt entwickelt. Die Textilien, die hier vor Busen und Schenkeln hingen, hatten gute Chancen, in ungefähr der übernächsten Ausgabe einer Mode- und Frauenzeitschrift als Geheimtip in Millionenauflage abgedruckt zu werden. Wegemann war Stammgast im New Yorker. Von seinen Kollegen und Freunden waren viele ebenfalls Stammgast. Merkwürdigerweise war es Rainer Kurz nicht. Kunze kam meist nur kurz vorbei. Bei den Mengen, die er schluckte, konnte er sich das New Yorker nicht einen kompletten Abend lang leisten. Zwar gab Josty Kredit, weil solche Handlungsweise sein Image ungeheuer beförderte. Und es gehörte zum Höchsten, die Flasche Schnaps mit aufgeklebtem eigenen Namen im Regal von Josty. Allerdings setzte ein regelmäßiger Besuch entsprechendes Einkommen voraus.
«Sag mal, Josty, ich hätte da eine Information. Meinst du, daß sie bei dir gut aufgehoben wäre?»
«Legal?» kam es zischelnd zurück.
«Logisch, du müßtest sie allerdings an die Richtigen weitergeben. Ich verkläre es dir mal kurz.»
Wegemann stellte sich dicht an die Theke, Josty mixte einen schlierigen Drink, den Wegemann mißtrauisch beäugte. «Also mein Tresor ist ja weg», begann er.
Josty nickte.
«Nun ist die Polizei natürlich am Rotieren.»
Josty machte eine Handbewegung, die starken Zweifel ausdrückte.
«Nach menschlichem Ermessen werden die das Ding also irgendwann mal irgendwo ausgraben. Das kann allerdings dauern.»
«Das wird auch dauern», bestätigte Josty.
«Mmh, nun hab ich mir überlegt, was ich als kleiner Privatmann unternehmen könnte, damit vielleicht noch ein paar mehr Leute nach meinem Tresor suchen», sagte Wegemann gedehnt.
Jostys Gesicht nahm den Ausdruck an, zu dem nur jemand fähig war, der auch in der Lage war, so ein Lokal zu betreiben.
«Also, Josty, wir beide wissen, daß du Leute kennst, die unter Umständen einen guten Draht zur Szene haben könnten.»
«Wenn du meinst», Josty gab vor Freude noch einen aus.
«5000 Mark», sagte Wegemann leise.
«Wie 5000 Mark?»
«Ich setze 5000 Mark für den aus, der mir meinen Tresor wiederbringt - und zwar, Josty, diskret wiederbringt. Also ohne Pauken und Trompeten und Maul aufreißen. Ganz diskret, wie sich das für Profis gehört. Ich will einfach die Sache mit meinem Tresor breiter streuen. Davon habe ich ja Ahnung als Werbemensch.»
«Aha», sagte Josty, obwohl er den Zusammenhang nicht verstand. Jostys Image als Unterweltwirt hatte dazu geführt, daß er sich nicht mehr seiner Halbbildung schämte, die ihre Wurzeln in einem abgebrochenen Fachhochschulstudium hatte.
Josty hatte schon viel aufgeschnappt, doch mitreden konnte er immer noch nicht. Dafür war er im Besitz diverser Gesichtsausdrücke und einer ganzen Latte von Lautäußerungen, die anzeigen sollten, daß er dem Gang der Unterhaltung zu folgen wußte.
«Es soll auch dein Schade nicht sein», sagte Wegemann. Josty guckte ihn bekümmert an. «Wegemann, du enttäuschst mich. Das fällt bei mir unter Service. Was mach ich nicht alles, damit ihr Lumpen euch wohl fühlt?»
Eine Sekunde stand das Gespräch auf der Kippe, Josty drohte zu lachen, da sagte Wegemann:
«Ich komme dann ab und zu mal die Lage peilen.»
Josty schmunzelte, griff ins Regal und knallte eine Bourbonflasche auf die Theke. Auf dem Flaschenleib stand Wegemanns Name.
«Daran erkenne ich, daß du in der letzten Zeit häufiger mal hier warst.»
«Was, daran?» fragte Wegemann kokett und zeigte auf die zu sieben Achtel leere Flasche. «Das ist, also das ist... meine Tagesration ist das.»
Josty war in seinem Element. Geschickt bestätigte er Wegemann in seinem Glauben von Männlichkeit. Als Wegemann die Drinks bezahlen wollte, verbat sich Josty diese Beleidigung.
«Kannst da ja reinmachen», sagte er und wies auf den Spendentopf des «Vereins ehrenamtlicher Bewährungshelfer e. V.»
An der Tür kam Wegemann ein junger Mann entgegen. Sieht auch nicht so aus, als ob er die Arbeit erfunden hat. Fred drehte sich nach Wegemann um. Ach Gott, muß das schön sein, sich jeden Morgen zwei Stunden im Badezimmer rumzutreiben. Du stinkst wie ein ganzer Puff. Fred nickte Elsa, der fixen Bedienung aus dem Lehrertrakt, zu. Hungrig schielte er auf ein Tablett mit Königsberger Klopse-Tellern. Elsa stellte sie auf einen Viermanntisch, an dem drei Männer saßen. Eben kam ein vierter. Er ließ sich auf den Stuhl fallen, öffnete seine Aktentasche und zog einen Stab heraus. Er klappte ihn zweimal aus und stellte einen 30 Zentimeter hohen Ständer auf den Tisch. Die schwarze Schrift auf gelbem Grund lautete: «Atomwaffenfreie Zone.»
«Hallo, du Arsch», rief Josty von hinten.
Fred lächelte geschmeichelt. Josty grinste. Er hatte Fred vor kurzem weisgemacht, daß so die neueste Anrede in einschlägigen Kreisen lautete.
«Das nächste Mal kannst du ein bißchen zurückschalten», sagte Josty leiser. Er langte unter die Theke und drückte Fred zwei Fünfzig-Mark-Scheine in die Hand.
«War nicht schlecht, die Augenklappe, wie?» kicherte Fred und roch an den Scheinen.
«Genau die Augenklappe meine ich. So sieht doch heutzutage kein Gauner mehr aus, noch nicht mal die Kleinen. Mensch, das ist hier kein Piratenfilm.»
«War gut gemeint», muffelte Fred.
«Weiß ich doch. War ja auch dufte sonst. Besonders die Ausbuchtung unter deiner Achsel. Was war’s denn? Hasenpfote, was?»
«Das war eine Knarre», sagte Fred erstaunt und bekam ein Lachgewitter um die Ohren. Ein wenig Feuchtigkeit war auch dabei.
«Wer war denn der kleine kugelrunde Fettsack, den du dabeihattest? Das ist ja ein Naturtalent. Wo lernt man das nur, so meschugge aufzutreten?»
«Das war Bruno. Bruno ist mein Freund», sagte Fred mit Betonung, weil es ihm wichtig war. Josty spürte das. Je dümmer, desto empfindlicher. Muß man immer einkalkulieren. Dann fressen sie dir aus der Hand.
«Und Bruno war auch nicht verkleidet. Bruno sieht immer so aus.»
«Der Mann ist gekauft. Der darf wiederkommen. Heute abend? Oder hast du zufällig was vor?»
«Leider nicht», sagte Fred betrübt.
«Toll. Fred und Bruno spielen wieder Unterwelt. 21 Uhr 30. Aber bitte pünktlich.»
Fred nickte.
«Und die Maschine?» Josty lächelte erwartungsfroh.
«Ja, die Maschine», erwiderte Fred, «da bin ich noch dran, ganz dicht. Noch in dieser Woche vielleicht. Dann kannst du Espresso in Stereo kochen.»
Beim bloßen Gedanken an die Maschine und Tante Frieda wurde Fred wütend. Er wollte gehen.
«Noch was», sagte Josty. Fred drehte sich um.
«Der zweite Schein ist für deinen Kumpel. Ich verlasse mich da ganz auf dich.»
Die Männer blickten sich an. Hab ich dich erwischt, du miese Ratte. Betrügst deinen netten, dicken Freund. Fred grinste. Getroffen, Josty. Aber du kannst es nicht beweisen. Und ich könnte auch mal eine kleine Rede halten im Lokal, wenn es voll ist. Daß wir gegen Geld Räuber spielen müssen, damit deine feinen Gäste was zum Gruseln haben.
Fred ging.
«Noch was», rief Josty.
«Es reicht, such dir wen anders zum verarschen.»
«5000 Mark», rief Josty.
Wie ferngelenkt kam Fred zurück.
«Hätte ich beinahe vergessen», sagte Josty lächelnd.
«5000 Mark vergessen?» fragte Fred fassungslos.
«Paß auf, ich habe einen Gast, dem ist ein Tresor abhanden gekommen.» Alarm! Was soll das? Warum Josty? Ich bin umstellt. «Hast du vielleicht in der Zeitung gelesen. So ein blonder Neureicher. Große Fresse, reichlich Kohle, Werbung eben.»
Fred schluckte.
«Der hat nun natürlich ein Interesse, seinen Schrank wiederzukriegen. Liegt wohl einiges drin. Oder auch nicht. Weiß man’s?»
Josty lächelte breit.
«Wenn du also einen Tip hast oder wenn du den Tresor zufällig treffen solltest, bring ihm den doch vorbei.»
Josty kam dicht an Freds Gesicht. «Es sei denn, er ist noch zu, und du willst ihn aufmachen. Aber das ist nicht ganz dein Format, wie?» Was weißt du denn? Logisch kriege ich ihn auf, den Tresor. Ich laß ihn mir nur vorher klauen.
Knappe 20 Minuten später standen Fred und Bruno schnaufend vor Josty.
«Aber hallo», sagte der überrascht.
«Hör zu, Josty», zischte Fred ihm zu, «die Sache mit dem Tresor und den 5000 Mark, die geht in Ordnung. Du hast den Tip doch noch nicht weitererzählt?»
«Nee, habe ich nicht», entgegnete Josty und blickte die beiden prüfend an.
«Aber hört mal, wie kommt denn ihr zu...»
Fred legte den Finger auf den Mund. «Ich sage gar nichts. Nur soviel: Wir haben einen absolut heißen Draht zu den Leuten, die den Tresor haben, reicht das?»
«Mir reicht’s», erwiderte Josty, «mich geht’s ja auch nichts an. Und ihr meint, ihr könnt Wegemann wirklich den Tresor besorgen?»
«Jawollja», sagte Bruno stolz und aufgeregt.
Weil sie nun schon mal da waren, aßen sie Königsberger Klopse.
Beim Ausscheren aus der Parklücke knallte Borbet mit der rechten Rückseite gegen den Laternenmast, dessen Neonpeitschenlampen die abgestellten Wagen und ihre Insassen bei Dämmerung und Dunkelheit mit einer ungesunden Blässe überzogen. Borbet wartete ab, bis ein Ford Sierra, der eine Reihe hinter ihm startete, verschwunden war. Dann stieg er aus und besah sich die neue Beule. Zusammen mit den Schrammen vom Tresortransport sowie der dicken Delle vorne rechts hätte der Anblick des geschundenen Automobils Borbet an jedem anderen Tag tief deprimiert. Heute fand er sein Mißgeschick richtig spaßig. Das ist das Unterbewußtsein. Das rebelliert schon gegen Mittelklasse-Autos. Der brünstige Schrei nach zwölf Zylindern. Du bist aus deiner alten Haut rausgewachsen. Wie die Flußkrebse, die wir damals in den Ferien gefangen haben. Borbet ließ sich von dem Gedanken an seine Kindheit rühren. Er stieg in den Wagen und drehte den Zündschlüssel. Da fiel ihm ein, daß die Krebse, wenn sie ihren alten Panzer abgestreift haben, eine Woche warten müssen, bis der neue hart geworden ist. Bis dahin sind sie völlig schutzlos, jeder Gegner hat leichtes Spiel mit ihnen.
Borbet leistete sich den Luxus einer schwungvollen Heimfahrt. Er bestätigte sich, was er schon immer geahnt, aber noch nie ausprobiert hatte. Mit genügend Rücksichtslosigkeit, mit Schneiden und Ausbremsen kam man auch in der Rush-hour relativ zügig voran. Am Dammtorbahnhof erwischte ihn natürlich doch ein Stau. Es traf sich günstig für Borbets Zwecke, daß Marianne dienstags immer bei ihren Eltern war. Die rüstigen Alten lebten in einem Heim vor den Toren der Stadt.
Juttas Zimmer lag zur Straße hinaus. Borbet lauschte einige Sekunden auf Musikgeräusche, dann leerte er den Briefkasten, weil er das jeden Dienstag tat. Ein DIN-A5-Umschlag war an den «Schrebergartenfreund» Heinz Borbet adressiert. Er fand eine Art Flugblatt ohne Absender. Es ging um angebliche skandalöse Pläne zur Vernichtung der Kolonie. Morgen, hat alles Zeit bis morgen. Sicherheitshalber blickte er in alle Räume. Bei der Gelegenheit zog er die farbverkleckste Zimmermannshose und das baumwollkarierte Hemd an. Dann ging er in den Keller. Angespannt lauschte Borbet auf Geräusche aus anderen Kellerräumen. Bei Kühls ging er extra gucken. Herr Kühl war ein fanatischer Liebhaber von Zierfischen. Nachdem er durch ständigen Zukauf neuer Becken erst seine Frau vergrätzt und dann einen zur Prüfung herbeigeeilten Statiker zu eiligem Rückzug aus der Wohnung gebracht hatte, mußte er mit den größten Becken in den Keller umziehen. Nachbarin Frenzel hatte darauf bestanden, daß Kühls Kellerstromverbrauch in Zukunft auf einen gesonderten Zähler ging. Borbet war ihr ganz dankbar dafür gewesen, daß sie die Dreckarbeit erledigte. Er wolle auch nicht gern für Kühls Hobby bezahlen. Aber er genierte sich, das laut zu sagen. Kühls Tür war verschlossen. Borbet ging schnell in seinen Kellerraum und schob den Riegel vor. Er räumte den Tresor frei und stand ergriffen vor dem leuchtend roten Schrank. In der Hosentasche fühlte er die Bohrer. Die Entscheidung nahte. Jetzt bohrst du dein Glück an. Borbet schraubte einen Bohrer in das Bohrfutter, steckte den Stecker in die Steckdose und drückte auf den Knopf. Sirrend begann der Motor zu arbeiten. Borbet kniete sich vor den Tresor und merkte, daß er nicht wußte, wo er den Bohrer ansetzen sollte. Er wählte eine Stelle knapp neben dem Schloß. Er setzte den Bohrer vorsichtig gegen den Stahl. Der kreisende Stab witschte, wie weggeschleudert, von der Oberfläche des Schranks ab. Borbet riß es fast die Bohrmaschine aus der Hand. Er setzte erneut an. Diesmal vibrierte der Bohrer auf der Oberfläche
Ein Bohrer ist ein Werkzeug
zur Herstellung von Löchern.
Aus: «Knaurs Lexikon von A-Z»
herum und schlug erst seitwärts weg, als Borbet den Druck verstärkte. Er war nicht enttäuscht, nur angespannt, setzte wieder an und wieder und wieder. Dann schaltete er den Strom ab. Im nächsten Moment fuhr er wie elektrisiert hoch. Vor der Kellertür hatte er ein Geräusch gehört. Hastig warf Borbet die Decke über den Tresor und legte die Bohrmaschine in das Regal. Er schlich an die Tür und hielt den Kopf gegen das Holz. Zentimeter für Zentimeter schob er den Riegel zur Seite. Dann riß er mit Schwung die Tür auf. Sie entglitt ihm und schlug knallend gegen das Regal, in dem Marianne die Gelees, die eingeweckten Aprikosen und Kirschen sowie Himbeer- und Kirschsäfte aufbewahrte. Elfriede Frenzel ließ erschreckt den Emailleeimer fallen. Er veranstaltete auf dem Zementfußboden einen höllischen Lärm. Das hört doch jeder, das hört doch das ganze Haus. Bleibt bloß in euren Löchern. «Na, Frau Frenzel, wieder Müll, was?» sagte Borbet eisig und wies auf den Eimer. «Nein, nein», rief die alte Frau und zupfte verlegen an ihrer Schürze herum. «Was denn dann?» Du Drachen. Ich hätte wetten können, daß dich die Neugier um den Schlaf bringt. Aber an mir beißt du dir die Zähne aus, wenn du noch welche hast. «Ach», sagte Frau Frenzel. Borbet konnte spüren, wie sie nach einer plausiblen Erklärung suchte. «Sie sind wohl an Ihrer Überraschung zugange, was?» fragte sie. «Da wird sich Ihre Frau aber bestimmt freuen.» Borbet spürte eine ungeheure innere Spannung. Die Vorstellung, daß ihm ausgerechnet durch eine neugierige Nachbarin der goldene Plan kurz vor der Vollendung kaputtgemacht werden könnte, fand er absurd. «Liebe Frau Frenzel», sagte Borbet unterdrückt und bemühte sich um einen vertrauenerweckenden Tonfall.
Frau Frenzel drückte sich ängstlich gegen die gekalkte Wand des Kellergangs. «Frau Frenzel, es kann sein, daß ich länger als einen Abend im Keller arbeiten muß. Es soll doch auch ein besonders schönes Geschenk werden, nicht wahr?» Frau Frenzel nickte.
«Und deshalb, Frau Frenzel, wäre es sehr schön, wenn... wenn Sie mich mit Ihrer impertinenten Neugier verschonen würden. Ihnen entgeht schon nichts», brüllte Borbet. Als er sich von dem Schreck über seinen Ausfall erholt hatte, war Elfriede Frenzel verschwunden.
Achtung!
Auch Nebenfiguren haben ihre Geschichte.
Mißmutig ging er in den Kellerraum und schob den Riegel vor. Borbet setzte den stärksten Bohrer auf die Maschine. Der rote Lack kriegte zahlreiche Kratzer, doch Borbet kam nicht in die Tiefe. Zuletzt drückte er sich mit dem gesamten Körpergewicht gegen die Maschine, da fraß sich der Bohrer durch die Oberfläche. In Borbet platzte stille Freude auf, dann hatte der Bohrer eine zweite Schicht erreicht, die offensichtlich noch stärker gehärtet war. Borbet gab auf.
Ein wenig erschöpft und sehr enttäuscht saß er auf dem Bierkasten. Abwesend fischte er sich ein Glas Kompott aus dem Regal. Völlig verzuckert, die Birnen. Am besten wäre, wenn du die Kombination kennen würdest. Der Gedanke traf Borbet völlig unvorbereitet. An den konservativen Einstieg in die Traumwelt hatte er bisher keine Sekunde gedacht. Kein Problem, brichst bei dem Burschen ein, Adresse stand ja in der Zeitung. Der hat die Kombination garantiert auf einem Spickzettel stehen. Jedenfalls wenn er ein schlechtes Zahlengedächtnis hat. Borbet aß noch ein paar Stücke Kompott. Los jetzt, der letzte Versuch. Doch er war fahrig und ungeduldig, er rutschte auf der Oberfläche ab und bohrte im tiefsten aller Löcher weiter. Danach blickte er die Bohrmaschine an wie einen Feind.
Elfriede Frenzel verfolgte die Waschmittelwerbung mit Empörung. Ausgerechnet die Marke, die ihr nach dem Waschen statt eines entfernten Rotweinflecks eine Rotweinbluse beschert hatte, sollte das Gelbe vom Ei sein. Das kann ich wirklich besser beurteilen, als diese jungen Dinger da im Apparat. Beim Saubermachen braucht man Lebenserfahrung und ein solides Waschmittel, nicht diesen Firlefanz. Und was die jungen Frauen im Fernsehen alle für Hände haben. Die haben doch in ihrem Leben nie wirklich mit Wäsche gearbeitet. Leise klirrten die Weingläser im Wohnzimmerschrank. «Fred, ich habe dir tausendmal gesagt, du sollst die Tür nicht so zuknallen. Eines Tages fallen noch mal die Wände um, und dann ich bin tot.» Fred steckte den Oberkörper ins Wohnzimmer. Aber Tante, wer wird denn gleich mit dem Schönsten rechnen? «Hallo, Tantchen, sorry... War nicht so gemeint. Ich muß nur kurz was holen. Bin gleich wieder weg.» Fred verschwand, unzufrieden verfolgte seine Tante eine Reklame für Dosensuppen. Plastik, alles Plastik. Mit zwei Pfund Markknochen und frischem Gemüse lege ich denen eine Suppe hin, da lassen sie ihre läppischen Dosen aber für stehen. Wenn Elfriede Frenzel Werbefernsehen guckte, wurde sie stets ganz kämpferisch. Mit der Wucht ihrer 62 Jahre Lebenserfahrung wußte sie, was wahr war und was Werbung. Gut fand sie eigentlich nur die Spots, in denen kleine Kinder vorkamen. Kalt ließen sie Spots für Autos, davon verstand sie nichts. Bisweilen rief sie dann nach Fred, und wenn er genervt im Zimmer erschien, war der Spot meist gerade vorbei. Da! Dieses Reinigungsmittel, das ein Arm ständig auf eine Unterlage knallte, das fand Elfriede Frenzel gut, weil sie es selbst benutzte. Sauberkeit gab Elfriede Frenzel ein Gefühl von Macht. Alles, was sie im Leben noch umkrempelte, waren der Schmutz in ihrer Wohnung und die gute Laune von Fred. «Tschüs, Tantchen», rief er ins Zimmer, dann klirrten die Weingläser.
Schmutz? schrill
Ränder? schrill
Flecken? schrill
Weg damit! bam
Ende dem Chaos bam
CHLO- bam
RES- bam
TOS- bam
putzt und
ätzt klingel
zugleich klingel
In Zukunft sauber mit
CLO- bam
RES- bam
TOS! bam
Im Treppenhaus begegnete Fred dem Nachbarn Borbet, der mit schweren Schritten in den ersten Stock ging. Die beiden Männer grüßten sich flüchtig. Vor der Wohnungstür blieb Borbet stehen. Du mußt das Risiko ausschalten, daß Marianne in den Keller geht. Sicherungen einbauen, kein Risiko eingehen. Der Gedanke an eine mögliche Entdeckung machte Borbet noch unzufriedener.
Schließlich wollte er durch den Inhalt des Tresors endlich davon wegkommen, Rücksichten nehmen zu müssen. Er wollte an Zukunft nicht immer nur in Form von Bausparverträgen und Versicherungspolicen denken. Recht und Unordnung, in dieser Richtung. Borbet konnte keine Einzelheiten nennen. Noch konnte er nur in großen Linien denken. Beruf aufgeben, raus aus der Wohnung, viel herumreisen, neue Eindrücke, sich mehr trauen, neuer Bekanntenkreis. «‘n Abend, Herr Borbet, fleißig gewesen?» warf ihm Frau Wassermann aus dem dritten Stock in den Nacken. «Ja, ja», sagte Borbet mürrisch und ging in die Wohnung.
Er latschte in die Küche und stieß gegen Andreas. Da erst hob Borbet den Kopf. «Kaum bist du mal hier, stehst du im Weg», murmelte er. «Guten Abend, lieber Erzeuger», sagte Andreas mit übertriebener Betonung und trug die Salatschüssel ins Wohnzimmer. Marianne kam freudig erregt in die Küche geeilt. «Stell dir vor, Andreas ist vorbeigekommen.» «Ich weiß, wir sind uns begegnet.» Borbet wollte duschen und sich in Ruhe eine neue Strategie ausdenken. «Zur Feier des Tages habe ich im Wohnzimmer gedeckt», sagte Marianne munter. «Wieso Feier?» stänkerte Borbet und blickte sich demonstrativ um. «Ich dachte, du bist noch bei deinen Eltern.» «Ach, Heinz, du weißt doch, länger als bis zum Abendbrot bleibe ich dort nie.» Borbet ging unter die Dusche. Als Andreas seine stürmische Pubertät durchtobt und das Nervenkostüm der Familie aufs äußerste strapaziert hatte, vermochte Borbet seinen Ärger über die Schulprobleme und den rotzigen Ton von Andreas nur dadurch unter Kontrolle zu halten, indem er sich eine barsche Sprache angewöhnte. Irgendwann hatte Marianne ihren Mann sanft darauf hingewiesen, daß er nun eigentlich aufhören könnte, mit seinem Sohn in diesem bellenden Ton zu sprechen. Borbet hatte es bis heute nicht geschafft, alle Reste zu tilgen. Und seitdem Andreas vier Monate vor dem Abitur die Schule verlassen, aus der Wohnung ausgezogen und nach einigen Wochen im 6-qm-WG-Zimmer einer Freundin in den Stadtteil Altona gezogen war, wo er mit Freunden eine alternative Kfz-Werkstatt betrieb, sah Borbet auch gar nicht mehr ein, warum er seine Enttäuschung über den Sohn hinter liberalem Gesäusel verbergen sollte.
Nach dem Duschen griff sich Borbet in der Küche die leise singende Ehefrau. «Hör mal kurz zu, Marianne. Würde es dir etwas ausmachen, die nächsten Tage nicht in den Keller zu gehen?» Marianne verstand nicht, Borbet legte nach. «Wie dir vielleicht bekannt ist, hast du in einigen Tagen Geburtstag. Weiter befindest du dich im Besitz eines dich liebenden Ehemannes. Und der brütet zur Zeit im Keller ein Ei aus, mit dem er seiner Marianne eine kleine Freude machen kann.» «Aber Heinz, das ist ja lieb», rief sie und fiel ihm um den Hals, «du bist doch sonst nicht geschickt beim Basteln.» Hahaha. «Natürlich werde ich mich zusammenreißen. Aber dann mußt du runtergehen, wenn wir Besuch haben und Bier oder Brause brauchen, zum Beispiel jetzt.»
«Was soll der Salat auf dem Tisch? Erwarten wir noch deinen hasenartigen Freund zum Essen», pflaumte Borbet Jutta an. «Wer seine Hosen an unmöglichen Orten rumliegen läßt, sollte vorsichtig sein», sagte Jutta und blickte lächelnd in das versteinerte Gesicht ihres Vaters. In Borbets Kopf rauschte es. Erinnerungsbrocken und Angst polterten durcheinander. Marianne und Andreas blickten ihn an. Woher weiß die Ziege, daß die Sachen in der Laube lagen? Was wollte Jutta in der Laube? Plötzlich stand Ulf Bernburger, der Sohn von Borbets Gartennachbarn, vor ihm. Borbet stand wieder auf dem nachtdunklen Weg und lauschte auf die Geräusche, die aus Bernburgers Laube kamen. «Pfui», sagte er spontan. Jutta blickte ihn an. Die denkt, ich hab da in der Laube was mit einer Frau, und dann laß ich die Hosen liegen, und fünf Lauben weiter ist meine Tochter mit dem Schlaks zugange und... Er beschloß, in einer ruhigen Minute mit Jutta zu sprechen. Andreas hatte in der Zwischenzeit den größten Teil des Salats in sich hineingeschaufelt. Er fing den Blick des Vaters auf: «Oh, hab ich dir was weggegessen?» «Laß mal», sagte Borbet gönnerhaft, «wenn du nur satt wirst.» Marianne hatte Schnitzel gebraten, dazu gab es eine große Schüssel Spaghetti. Als Borbet das trogähnliche Behältnis sah, fiel ihm ein, daß er seit einiger Zeit nicht mehr beim Angeln gewesen war. Heimlich beobachtete Borbet seinen Sohn. Der achtzehnjährige Andreas trug seine Haare jetzt extrem kurz. Das gefiel Borbet genausowenig wie die Mähne vorher. Bei solchen Frisuren war er auf eine weiße Ratte gefaßt, die im nächsten Moment aus der Jackentasche hervorlugen konnte. Borbet las regelmäßig Illustrierte. Irritiert stellte er fest, daß Andreas hager und blaß aussah. Er hatte ganz offensichtlich abgenommen. Der Heißhunger, mit dem er aß, bedrückte Borbet. Jenseits aller Anmache, die zwischen ihnen zum Ritual geworden war, kam Borbet die große Fremde zwischen Sohn und Vater zum Bewußtsein. Dabei hatte er zu seinen Kindern einen besseren Draht als einige Kollegen. Da ging es hoch her: vorzeitiges Enterben, Androhungen von Prügel, völlige Funkstille, die im Fall von Oskar Rumpelt aus der Abteilung Leben schon zwei Jahre anhielt. Schweißgerät, du brauchst ein Schweißgerät, um den Tresor zu öffnen. Andreas muß so ein Gerät haben. Wer Autos repariert, muß schweißen. Borbet nahm sich vor, seinen Sohn in Kürze zu besuchen. «Wie geht’s denn so?» fragte Borbet. «Alles im Griff?» Andreas wischte sich den Mund ab und gab seinen Eltern eine begeisterte Schilderung von unzähligen Vorteilen alternativen Lebens. «Und das Geld? Kommt genug rein?» Andreas schilderte detailliert, wie wenig man braucht, wenn man sich gesund ernährt und in großen Mengen einkauft. Borbet glaubte seinem Sohn kein Wort. Andreas half beim Abräumen. Borbet, der sich schon Richtung Sitzecke orientiert hatte, packte lieber gleich mit an, bevor die weibliche Fraktion sich auf ihn einschoß. Marianne holte Wein, Bier und Eierlikör, Borbet legte seine in Silberfolie eingepackten Havanna-Zigarren auf den Tisch.
Jo Puttel wählte die Nummer und wartete. Er wartet, bis der Anrufer aufgibt, und wenn er nicht aufgibt, wird er rangehen. Berufskrankheit, kenne ich gut. «Fleischhauer, was ist denn?» «Guten Abend, lieber Herr Fleischhauer, Puttel hier, Jo Puttel.» «Ich weiß nichts Neues, und ich habe Feierabend. Wie kommen Sie überhaupt an meine Privatnummer?» Puttel bohrte nach und schrieb dann Fleischhauers Antworten mit: «Wir haben einen Zeugen, ich halte nicht viel von dem, aber man weiß ja nie. Er will am Freitag gegen 22 Uhr 45 vor Wegemanns Haus einen Pkw-Kombi gesehen haben, bei dem die Heckklappe offenstand. Er hat sich nur deshalb darüber gewundert, weil kein Mensch weit und breit zu sehen war. Er ist mit seinem Bello, nein Moment mal, es war eine Frau, seine Frau, mit seiner Frau ist er einmal rum um die Tennisplätze, und als sie wieder vorbeikommen, ist der Kombi weg. Muß ja nichts bedeuten, aber der Wagen soll direkt vor Wegemanns Haus gestanden haben. — Dann berichten unsere V-Leute, daß in der Unterwelt ein großes Interesse herrscht, die Tresor-Räuber namhaft zu machen. Von wegen der Konkurrenz. Denn die vier, fünf Kandidaten, die dafür erfahrungsgemäß in Frage kommen, scheiden aus. Zwei sitzen, ein Paar ist nachweislich auf Norderney, und zwei Tandems haben wir abgeklärt: Alibis wie aus dem Bilderbuch. Also neue Kandidaten. Das erschwert uns die Sache natürlich. Den Hehlern ist noch keine Brosche angeboten worden. Und in keinem Lokal oder Puff hat ein kleiner Ganove die Tausender springen lassen. Daraus darf man schließen, daß der Tresor noch dicht ist. Das wundert mich eigentlich. Und dann noch, ja, Fingerabdrücke keine, auch nicht an dem Stein, mit dem sie das Fenster zerdeppert haben. Wir überlegen noch, warum sie ein dermaßen riesiges Loch reingehauen haben. Müssen wenigstens zwei gewesen sein. Üblich ist bei solchen Delikten auch ein Trio. Mehr nicht. So ein Tresor ist nicht leicht. Wegemanns wiegt knapp zweieinhalb Zentner. Die Spur mit dem Pkw-Kombi ist natürlich tote Hose.»
Puttel notierte und stellte dann eine Frage, bei der ihr gar nicht besonders wohl war: «Und Wegemann?»
«Wieso Wegemann?»
«Ist Wegemann sauber?»
«Na, Sie sind mir ja eine, der war doch gar nicht in der Stadt.»
«Haben Sie das nachgeprüft?» Fleischhauer muffelte herum. Jetzt hab ich ihn. Für den ist der Abend gelaufen. «Natürlich haben wir das nachgeprüft.» Spielverderber.
Das New Yorker war rappelvoll. «An diesem schönen Sommerabend fliehen die Menschen aus ihren Wohnungen. Freiheit, Sex und Lindenduft liegen in der Abendluft. Ein längst verschüttet geglaubter Rest des alten Adam bricht machtvoll durch das Urgestein nach außen. Der Mensch sucht seinesgleichen, und wir Medienmenschen suchen zusätzlich nach einer Flasche.»
So, darauf bestand der angeschickerte Manfred Zahn, müsse man diese schändlich überfüllten Lokale mit viel zuwenig Sitzgelegenheiten unter freiem Himmel verstehen. Voller Freude sah er dem herandrängenden Kollegen von der konkurrierenden Boulevardzeitung entgegen.
«Guck mal», flüsterte Zahn der neben ihm stehenden Jo Puttel zu, «ist wieder einer im Anmarsch. Ist der zehnte heute. Mensch», freute sich Zahn, «der ist ja richtig grün vor Neid.»
Der Journalist blieb vor ihnen stehen und sagte nach einigen einleitenden Sätzen: «Übrigens, euer Ding mit dem Hohelied auf die kleinen Selbständigen, das paßt ja wirklich nicht übel in die Landschaft. Da habt ihr das Ohr am Puls der Zeit gehabt, das muß euch der ungehemmte Neid lassen.»
«Mehr, mehr, davon kann ich gar nicht genug hören», sagte Zahn geifernd.
Jo fühlte sich sehr gut Jaaa, das ist es. Die Kerle stehen unter Feuer. Die Stimmung mußt du nutzen. Bloß nicht die Gelegenheit verpassen. Jetzt oder nie. Chefreporterin, das wäre die Sache. Platz 3 im Impressum.
Als Zahn nach einer Bestellung zurückkam, wies er Jo grinsend auf zwei Männer hin, die an der Theke standen. Der jüngere der beiden trug ein schwarzes Hemd mit einem silberfarbenen Schlips, eine weite Hose und Stiefel. Der ältere, dicke steckte in einem weiten Jackett und hatte seine hellbraunen Haare, deren Farbe Jo an Durchfall erinnerte, mit Pomade an den Schädel geklatscht. Josty wieselte hinter der Theke hin und her. Der Jüngere beugte sich hinüber und packte ihn am Hemd.
«He, erlauben Sie mal», sagte Josty empört.
Fred grinste so, wie er sich ein schmieriges Grinsen vorstellte.
«Laß mich sofort los, sonst passiert ein Unglück», zischte Josty leiser.
Bruno, der mächtiges Lampenfieber hatte und deshalb viel lauter redete als sonst, quakte los: «Wann kommt er denn? Kommt er auch sicher?»
«Das weiß ich nicht, du Fuzzi. Ich bin nicht seine Amme.»
Das fand Bruno so lustig, daß er in ein Lachen ausbrach. Eifersüchtig hörte Josty dem Geräusch zu. Es erinnerte ihn an sein eigenes.
Jo, die ruhelos die Gesichter der Gäste durchstreifte, während Zahn so betrunken war, daß er — kaum noch zurückhaltend — begann, auf die bedrückenden Nachteile seiner kaputten Ehe hinzuweisen, sah ihn zuerst. Wegemann betrat das Lokal, an seiner Seite war Mona. Die hemmungslose Art, in der Mona es schaffte, in der folgenden Minute durch Lachen, Kichern und lautstarke Begrüßungen die Kunde von ihrem Erscheinen bis in den hintersten Winkel des New Yorker zu verbreiten, nötigte Jo Anerkennung ab. Volle Profifrau.
Wegemann stand ihr kaum nach. Er nickte, schüttelte Hände, klopfte auf Schultern, stieß spielerisch gegen Bäuche und Rippen und ließ sich ebenso begrüßen.
«Geil, guck doch mal», sagte Fred und buffte Bruno in die Seite. Seine hungrigen Augen hingen an Mona.
«Eine Frau eben», erwiderte Bruno.
«Ja, aber was für eine.»
«Renate hat mehr auf den Rippen.»
«Mensch, das ist doch, das ist... Wegemann.»
Fred und Bruno guckten sich schweigend an. Die Größe des Augenblicks drohte sie zu überwältigen. Bruno wollte sofort los. Fred bekam das Jackett zu packen und pellte den vorwärtsdrängenden Bruno halb heraus. Dabei wurde die Nummer 9 auf der Rückseite seines weißen Trikots sichtbar. «Laß mich», fauchte Bruno.
«Mensch, du kannst doch nicht einfach los auf den Burschen. Hier vor allen Leuten.»
Mufflig kam Bruno an die Theke zurück. Erschreckt sahen sie, wie Wegemann auf sie zusteuerte. Sie rückten schnell zur Seite. Wegemann begrüßte Josty. Er tat das, wie die besten Kunden und Josty sich zu begrüßen pflegten. Der Anblick war nichts für zartbesaitete Gemüter. Verdattert sah Fred, zu welch schleimiger Masse sich Josty verflüssigen konnte.
«Du gehst aufs Klo», flüsterte Fred Bruno zu.
«Ich muß doch gar nicht», protestierte Bruno.
«Du gehst, und ich sage Wegemann Bescheid, daß ihn einer sprechen will auf dem Klo.»
«Auf dem Klo», sagte Bruno wenig begeistert und trollte sich.
Als Bruno verschwunden war, wartete Fred, bis Josty und Wegemann ihre Begrüßung beendet hatten. Neidisch sah er, wie Josty dem Gast aus einer Flasche eingoß, über die groß und schräg ein Etikett mit dem Namen «Götz W.» geklebt war. Wegemann bestellte und verschwand. Darauf hatte Fred gewartet.
«Josty, Sekunde mal.»
Jostys Blick war genervt.
«Kannst du nicht mal Wegemann sagen, daß auf dem Klo einer auf ihn wartet.»
Josty zog leicht die Augenbrauen in die Höhe.
«Es geht um den Tresor», schob Fred nach.
Josty machte sich auf den Weg. Fred freute sich. Sehr schön. So kommt die Nachricht auch an den Mann. Und mein Gesicht bleibt aus dem Spiel. Man kann ja nicht wissen, wofür das noch mal nützlich sein kann.
Ich komme mir ja so blöd vor. Bruno stand vor dem Pinkelbecken und starrte auf die leicht abstrahierte Strichzeichnung eines primären männlichen Geschlechtsteils. Als die Wasserspülung auf einem der Sitzklosetts losrauschte, zog Bruno den Reißverschluß herunter. Der Mann wusch sich die Hände und zog dabei etwas Festsitzendes aus der Speiseröhre nach oben. Es saß wohl sehr fest. Dann ging er.
Aus den Geräuschen schloß Bruno, daß er an der Tür mit jemandem zusammenstieß. Bruno rang sich einige Tropfen ab. Ein Mann kam heran und ließ zwei Becken zwischen sich und Bruno frei. Ein Strahl traf auf Porzellan. Bruno riskierte einen Blick. Zur selben Zeit riskierte auch Wegemann einen Blick.
Ihre Köpfe schossen zurück, sie starrten die Wand an.
«Sind Sie der, der mich sprechen will?»
«Kommt drauf an, was Sie wollen.»
«Werden Sie nicht frech. Sie wollen was von mir, sagt Josty.» Josty, aha. Na warte, Fred. «Jaha», machte Bruno und wußte nicht mehr, wohin mit den Händen. «Ich habe gehört, daß Ihnen ein Tresor abhanden gekommen ist.»
«Ja und», bellte Wegemann. Ihm wurde die Lächerlichkeit der Situation bewußt.
«Könnte sein, daß wir den Schrank wiederbeschaffen können.»
«Aha, und wie sollte das gehen?» fragte Wegemann lauernd. «Das ist unser Problem. Interesse?»
«Das ist ja bekannt.»
«Wieviel ist er Ihnen denn wert?»
«5000, habe ich alles schon gesagt. Aber diskret möchte ich ihn wiederhaben. Sind Sie dazu imstande?»
«Logo.»
«Na gut», sagte Wegemann. Er wollte raus aus dieser Toilette. Wenn jetzt einer kommt, was muß der denken.
«Und nun die Beschreibung.»
Wegemann dachte, er höre nicht richtig. «Machen wir hier Quiz oder was?»
«Also los. Ohne Beschreibung läuft nichts.»
Wegemann gab auf. Kurz und sachlich beschrieb er Marke, Baujahr, Farbe und die eingetrockneten Ringe von den Weinflaschen auf der Deckplatte des Tresors.
«Größe?»
«Circa 60 Zentimeter», erwiderte Wegemann und zeigte mit den Händen eine Spanne von rund 60 Zentimetern an. In diesem Moment ging die Tür auf, und ein Mann betrat die Toilette. Wegemann ließ sofort seine Hände herunterfallen. Er hörte, wie der Mann eilig den Raum verließ.
«Gut, gut», sagte Bruno, «und jetzt Betriebskapital.» Mit Daumen und Zeigefinger machte er eine reibende Bewegung.
«Nix da», protestierte Wegemann, «erst die Ware, dann das Geld.»
«Sie hören von uns», sagte Bruno, packte ein, winkte Wegemann grüßend zu und verließ die Toilette. Wegemann verspürte plötzlich einen ungeheuren Druck auf der Blase.
In dieser Nacht schlief Wegemann schlecht. Er träumte wirres Zeug, an das er sich nach dem Aufwachen nicht mehr erinnern konnte. Doch es hatte etwas mit Tresoren, Polizei und Gefahr zu tun. Die Schnelligkeit, mit der der Typ angekommen war, hatte ihn sehr beeindruckt. Er wußte nicht, wie die Informationskanäle im kriminellen Milieu verliefen. Er hatte einfach angenommen, daß es langsamer gehen würde. Mona sah selbst am frühen Morgen tadellos aus. Wegemann fühlte sich wie umgekrempelt. Er bereitete sich ein schnelles Frühstück und kochte ein Ei mehr. Er wickelte es in ein Handtuch und legte es mitten auf den Tisch.
Seine Gedanken waren schon bei dem Gespräch in der Passau-Paderborner. Kurzentschlossen wechselte er die Kleidung, weil er sich zu salopp vorkam.
Igitt, was ist denn das? Angewidert hob Wegemann den Schuh. Im Fußraum vor den Pedalen stand eine Pfütze. Das nächtliche Gewitter mit anschließendem Tropenregen hatte seine Spuren im Jaguar hinterlassen. Wegemann griff ins Handschuhfach. Dort lag die Serviette, auf die Jo Telefonnummer und Adresse der Alternativ-Werkstatt geschrieben hatte. Da fahr ich hin. Schweißen werden die Typen ja wohl gerade noch können. Tut denen ganz gut, mal was anderes als diese piefigen Enten und Käfer auf dem Hof stehen zu haben. Können sie mal sehen, was das Leben für sie bereithält, wenn sie sich entschließen würden, zum äußersten zu greifen: zu Arbeit. Der Parkplatz war voll, Wegemann quälte sich zweimal um den Pudding und quetschte sich neben einen Audi, der dieselbe Farbe hatte wie sein Jaguar. Der Audi sah ziemlich verschrammt und zerdellt aus.
Der Pförtner begrüßte ihn überschwenglich. «Aber Herr Wegemann. Warum haben Sie denn nicht unseren Gästeparkplatz benutzt?» Daran erkannte Wegemann, daß der Pförtner Leser der Allgemeinen war. Er fragte nach Herrn Kahl. «Gehen Sie ruhig schon rein, Herr Wegemann», scharwenzelte eine gepflegte Mittvierzigerin, «es ist noch ein Mitarbeiter drin, aber der ist sowieso schon über die Zeit.» Wegemann klopfte und öffnete, ohne eine Antwort abzuwarten. In einem dunkelgrün gehaltenen Raum mit dunkelbraunen Möbeln und schweren Lampen saß Helmut Kahl, der Leiter der Schadensabteilung. Vor seinem Schreibtisch saß ein Mann. Wegemann schätzte ihn auf Mitte 40. Sachbearbeiter. Der Mann bemerkte den eintretenden Wegemann nicht. «Das kann ich Ihnen verbindlich zusagen, lieber Herr Kahl. Das erledigen wir forciert zu Ihrer vollen Zufriedenheit.» Kahl blickte zu Wegemann und bedeutete dem Untergebenen mit einer Handbewegung, er möge schweigen.
Jetzt bin ich ja mal gespannt. Kahl stand tatsächlich auf und kam auf Wegemann zu, um ihm eine ziemlich labberige Hand hinzuhalten. Wegemann drückte zu. Kahls Lächeln wurde sekundenkurz krampfhaft. «Bitte sehr, lieber Herr Wegemann», sagte Kahl und wies auf die Sitzecke. Wegemann wählte einen Sessel. Erstaunt bemerkte er, daß der Sachbearbeiter ihn anstarrte. Borbet war wirklich verblüfft. Mensch, das ist doch der Schnösel aus dem Jaguar. Freitag, fährt wie die Wildsau und benimmt sich hinterher noch unverschämt. Na warte, mein Lieber. Wenn ich erst mal meinen BMW habe, dann kannst du mich mal an der Heckklappe lecken. «Herr Borbet, wir sind soweit wohl klar», sagte Kahl. Borbet nickte: «Ich werde es sofort in die Wege leiten, Herr Kahl.» Er raffte einige Papiere zusammen und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. Er sah, wie Wegemann einen dünnen Aktenordner auf den Tisch legte und in ihm zu blättern begann. Da traf es Borbet wie ein Schlag. Wegemann? Wegemann! Das ist doch... nicht zu fassen. Das ist er nicht, das ist er doch. Kahl betrachtete Borbet mit kaum verhülltem Unwillen. «Es ist gut, Herr Borbet», sagte er schon ziemlich vereist. Fassungslos sah er, wie Borbet wieder in den Raum trat. Er näherte sich Wegemann, umstrich ihn regelrecht. Das ist er, todsicher. Sieht schlechter aus als auf den Fotos in der Zeitung. Aber das ist er. «Die Welt ist klein, nicht wahr?» sagte Borbet ausgelassen zu Wegemann. Der blickte überrascht und belustigt hoch. «Kommt darauf an, aus welcher Perspektive man sie sieht», entgegnete er.
Kahl war so irritiert, daß er den Chef herauskehren mußte. «Herr Borbet, ich darf nun also wirklich bitten», sagte er flehentlich. Borbet erinnerte sich, daß auch nur die Ähnlichkeit mit einer Vorgesetztenstimme ihm bis letzte Woche den Rücken gebeugt hatte. Heute trat er auf Kahl zu, schlug ihm auf die Schulter, lachte ihn an und sagte leichthin, fast perlend: «Herr Kahl, durchhalten. Langer Atem, das ist das Geheimnis im Leben.» Danach lachte Borbet laut und albern und verließ das Büro. Vorzimmerfrau Hannelore Weber fummelte an der Schreibmaschine herum. «Tschüs, Weberchen. Durchhalten. Und träumen Sie zur Abwechslung mal wieder was Schönes», jubilierte Borbet und drückte im Vorbeigehen auf die Zeilentaste der Schreibmaschine. Der Wagen knallte zur Seite und stieß eine Viertassen-Kaffeekanne um, in der Frau Weber ihren Tee zu bereiten pflegte. Der Tee ergoß sich über die Unterschriftenmappe und tropfte in das obere Fach der linken Schreibtischseite. Entsetzt sprang Frau Weber auf. Dabei blieb sie mit ihrer linken Sandale an einem der fünf Füße des Stuhls hängen und kippte, während sie den Stuhl nach hinten hebelte, nach vorn. Der Stuhl schlug gegen den kleinen Anrichtewagen, auf dem das Geschirr gestapelt war. Während sich der Wagen mit dem Geschirr langsam in Bewegung setzte, landete Frau Weber mit dem Oberkörper zwischen den Grünpflanzen des zur Südseite gelegenen Fensterbretts. Sie fiel mit dem Gesicht in die Humuserde der Schefflera «Henriette». Trocken. Der Anrichtewagen rollerte gegen die Tür von Kahls Büro. Von drinnen ertönte ein lautes und gereiztes «Herein! Himmelherrgott ja, was ist denn?» Bei diesem Stand der Dinge verließ Borbet das Vorzimmer.
Und wer macht den Dreck weg?
Und wer gießt die Blumen?
Hildegard Klingebiel war leicht verwundert. «Haben Sie eine heimliche Liebe da draußen?» fragte sie Borbet und wies aus dem Fenster. «Wieso Liebe?» fragte er dumm zurück. «Weil Sie mich heute schon den zweiten Tag hintereinander mutterseelenallein ins Casino gehen lassen.» Sie hat es bemerkt. Wie lieb. Borbet erzählte ihr die Geschichte vom Geburtstag seiner Tochter Jutta, der sorgfältig vorbereitet sein wollte. «Vor allem von der Geschenkseite her», sagte Borbet, zwinkerte mit den Augen und nahm befriedigt Hildegards wissendes Schmunzeln wahr. Wenn du wüßtest.
Zwei Minuten umschlich er das Tresor-Geschäft, dann gab er sich einen Ruck. Drinnen war es nicht angenehm kühl, sondern stickig und schwül. Aus einem Nebenraum kam ein gleichbleibendes Geräusch, das Borbet nicht identifizieren konnte. Als der Verkäufer um die Ecke bog, wußte Borbet, daß dieser Mann neunmalklug, naseweis und vorlaut war. Ergeben ließ er den taxierenden Blick über sich ergehen, mit dem Verkäufer sich Menschenkenntnis beweisen wollen. Borbet zeigte wahllos auf einen Tresor. «Über den würde ich gern mehr wissen.» Während der Verkäufer über Zweiwandsysteme, Sicherheitsstufe B, schwere Bauart, Zahlenkombinationsschlösser mit drei Scheiben sowie die Nachteile von Doppelbartsicherheitsschlössern schwadronierte, nutzte Borbet die Gelegenheit, sich gründlich im Laden umzusehen. Schnell stieß er auf einen Tresor, der seinem weitgehend ähnelte. Sogar die Marke stimmte: Bode Panzer. Er unterbrach den Verkäufer und wies auf den Tresor: «Der da.» Der Verkäufer verlor einen Moment den roten Faden und stellte sich auf die neue Lage ein. Borbet unterbrach ihn. «Sagen Sie mal, wie kriegt man so ein Ding eigentlich auf?» Der Verkäufer stockte. «Na, die Tür», stammelte er. «Kombination und dann die Tür.» Borbet nickte freundlich. «Sagen wir mal, ich habe die Kombination nicht zur Hand, sagen wir mal, sie ist völlig weg, was mache ich denn dann?» «Spurlos verschwunden?» fragte der Verkäufer zweifelnd. «Ja.» «Dann gibt es eine Möglichkeit, die selten in Anspruch genommen wird, die auch nicht ganz billig ist. Allein deshalb ist es schon wichtig, daß Sie etwas wirklich Wertvolles im Tresor aufbewahren. Damit es sich auch lohnt.» Der Verkäufer lachte. Borbet schwieg. Nun sag schon. «Sie können einen Spezialisten der Firma kommen lassen. Der macht Ihnen das Ding auf.» «Wie im Film?» «Genauso», sagte der Verkäufer tief befriedigt. Mist. «Gibt es da keinen Trick, ich meine, hat man als normaler Bürger denn gar keine Chance, so einen Tresor aufzubekommen?» «Na, Sie sind mir ja einer. Haben wohl einen geklaut, was?» scherzte der Verkäufer. «Nun sagen Sie schon, ich habe auch nicht ewig Zeit.» «Nein, wenn ich es Ihnen doch sage. Sie brauchen einen Schlüssel und bei den schweren die Kombination oder Schlüssel und Kombination. Und wenn das alles nicht geht, dann müssen unsere Spezialisten ran. Das ist ja das Gute an diesen Geräten», sagte der Verkäufer lebhaft, «sonst hätten sie doch gar keinen Zweck. Die sind bombensicher. Da bekommen Sie noch nicht mal eine Beule rein.» Bei diesen Worten schlug er bekräftigend mit der Faust auf die Decke des Tresors. Lautlos schwang die Tür auf. Borbet fielen fast die Augen aus dem Kopf.
«Arsch offen, was?» fauchte Fred und tippte mit der Hand gegen seine Stirn. «Mußt ihn ja nicht kaufen», sagte der unrasierte Mann mit der kalten Pfeife im Mund. Er steckte in einem ungeheuer schmutzigen Monteursanzug. Bruno saß auf einem Autowrack und blickte fasziniert über die Weiten des Schrottplatzes. Das Gelände war noch größer als die ersten beiden, die sie aufgesucht hatten. «Natürlich muß ich ihn nicht kaufen», brummte Fred, «aber ich brauche ihn.» «Dann akzeptier meinen Preis, und ich frage dich auch garantiert nicht, was du mit dem Ding vorhast», sagte der Mann. Sein Grinsen wurde fast so schmierig wie seine Hände, die er sich fortgesetzt an einem ebenfalls völlig verdreckten Stück Putzwolle abwischte. «Diese Schränke sind nun mal massiv. Da kostet das bloße Material natürlich schon. 600 Mark sind fast ein Freundschaftspreis.» Aus dem Hintergrund winkte Bruno. «Ich ziehe mich mal eben zur Besprechung zurück», sagte Fred. Der Mann nickte und verschwand mit dem Oberkörper im Motorraum eines Opel Admiral. «Was meinst du, Bruno?» «Das ist ungefähr der Typ Tresor. Ich schlage vor, wir nehmen ihn.» «Und wo willst du 600 Mark herkriegen? Und dann noch einen Topf Farbe und einen Pinsel. Mensch, das geht ins Geld», stöhnte Fred und dachte an die Espresso-Maschine, die in der Küche von Tante Frieda stand. Totes Kapital. «Tja», sagte Bruno. Schon am Tonfall erkannte Fred, daß er sich auf eine Lebensweisheit gefaßt machen mußte. «Wer ernten will, muß säen.» «Gut, daß du Kleingärtner bist und kein Urologe», knirschte Fred. «Sonst würde mir bei deinen Vergleichen ständig der Appetit vergehen. Wie geht es übrigens deinem Hexenschuß?» Bruno winkte lässig ab. «Längst vergessen. Die Creme von Doktor Strothmann und dann die Massage von Renate...» Immer wenn die Rede auf Brunos Gattin kam, wurde Fred die ganze Malaise seiner Beziehungen zu Frauen bewußt. Das muß überhaupt auch wieder anders werden. Bruno faßte in seine Tasche und zog zwei Schecks heraus. «Hier, meine eiserne Reserve. Wenn ich mal mit dem Wagen liegenbleibe oder so.» Fred packte Bruno an den Oberarmen. «Du bist ein echter Kumpel, Bruno. Weißt du das?» Bruno schrieb die Schecks aus. Fred ging zum Schrotthändler, der sich in der kurzen Zeit noch weiter eingesaut hatte. «Okay, Meister, 600 Mark, nehmen Sie Schecks?» Der Mann schob die Schiebermütze nach hinten. «Nicht gern.» «Das verstehe ich gut», sagte Fred munter. «Aber in diesem Fall muß es mal so gehen, okay?» Bruno reichte dem Mann die Schecks. Er ließ sich die Scheckkarte zeigen. Bruno rangierte den Passat-Kombi so dicht wie möglich an den Tresor heran. Der Schrotthändler faßte beim Einladen mit an. «Ging doch ganz fix», sagte Bruno auf der Fahrt vom Gewerbegebiet zurück in die Stadt. «Und jetzt? Wir können doch nicht einfach klingeln bei dem Werbefritzen.» «Jetzt kaufen wir uns in einem Farbengeschäft Farbe und Pinsel, fahren an einen einsamen Ort und tunken den Schrank in die Farbe. Dann stellen wir ihn in die Sonne, gehen ein Bier trinken, und dann nehmen wir Kontakt mit dem Werbeonkel auf.» «Ach Fred», sagte Bruno versonnen, «ich würde dir zwar nicht meine Tochter zum Heiraten geben, aber so als Freund, der auch ein halbes Pfund Grütze unter dem Scheitel hat, bist du schon unschlagbar.» «Was soll ich mit deiner Tochter?» sagte Fred klagend, «gib mir deine Frau.» Bruno lachte laut, Fred lachte nicht mit. Bruno hörte auf zu lachen. Er guckte mehrmals kurz zu Fred hinüber und hing beunruhigenden Gedankengängen nach.
Auf dem Weg vom Tresor-Geschäft zur Versicherung war Borbets Stimmung ausgezeichnet. Die Zukunft nahm langsam Gestalt an. Er kam an keinem Schaufenster vorbei, ohne in den Auslagen etwas zu entdecken, das er für sich oder für Marianne gebrauchen konnte. Nach einem kurzen Gedankenflug, der ihn unwiderstehlich in Hildegard Klingebiels Zwei-Zimmer-Eigentumswohnung geführt hatte, kam Borbet sanft in seiner Vier-Zimmer-Mietwohnung nieder. Er hatte sich sehr wohl gefühlt in Hildegards Wohnung. Er hatte Hildegard viel besser kennengelernt. Stellenweise waren sie sich sogar nahegekommen. Borbet wußte also, was er aufgab. Du solltest Marianne ein Geschenk mitbringen. Borbet starrte in das Schaufenster einer Parfümerie. Da stand es: «Charisma», ein durchdringend riechendes Parfüm, das nebenbei Mücken fernhielt und 87 Mark kostete. In Parfümerien wurde Borbet regelmäßig schlecht. Dennoch hätte er es für Marianne auf sich genommen. Doch er zögerte. Du darfst jetzt nicht auffallen. Keine überraschenden Geschenke. Das sieht immer wie schlechtes Gewissen aus. Nachher fängt sie doch an zu schnüffeln.
Borbet landete vor einem Schuhgeschäft. Neidisch blickte er auf die eleganten und sehr modischen Slipper in Rot, Grün und Blau. Sie kamen ihm viel zu schmal für Männerfüße vor, aber er hatte schon zwei Männer in diesen Dingern gesehen. Borbets Blick wanderte von der Eleganz hinter der Scheibe zu seinem eigenen Schuhwerk. Plötzlich erschienen ihm die gesteppten Schuhe mit der soliden Specksohle doch sehr klobig.
Leicht erschüttert blickte er auf und stand Humphrey Bogart gegenüber. Trenchcoat, Kragen hochgeschlagen, weicher und doch nicht labberiger Hut, schräg in die Stirn gezogen, Zigarette im Mundwinkel festgeklebt. Und dann der Blick. Der Blick ging Borbet durch Mark und Bein. So wirst du in Zukunft gucken. Genauso. Übst ein bißchen, dann haut das hin. Wie Borbet so auf das Bogart-Plakat schaute, gefiel ihm die Zigarette nicht übel. Vor vier Monaten hatte er zum letztenmal mit dem Rauchen aufgehört. Er fühlte sich noch nicht sehr gefestigt. Für den richtigen Lebensstil muß man zu gesundheitlichen Opfern bereit sein. Einige Sekunden fiel das milde Licht des Wagemuts auf Borbet. Marianne quakt garantiert wieder rum: kalter Rauch, Gestank, orale Phase. Wo sie das nur her hat, von mir jedenfalls nicht. Tschüs, Bogey. Wir sehen uns wieder. Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Zwar startete jetzt kein Flugzeug in die neblige Nacht. Dafür fuhr die Vespa Borbet fast über die Zehen. Wütend blickte er dem Jüngling hinterher.
Borbet kam an einem Buchladen vorbei. Ach ja, Kultur. Das kommt nun auch alles auf dich zu. Borbet blieb vor dem Schaufenster stehen. Oper, ach du meine Güte, nein. Man muß auch nicht übertreiben. Theater, schön, laß ich mir gefallen. Man muß sich ja nicht die Sachen zumuten, wo einem die Füße einschlafen. Aber Ohnsorg ist wohl nicht mehr drin bei unserem Lebensstandard. Gucken wir dann heimlich im Fernsehen. Borbet betrat den Laden. An der Kasse verlangte er eine Quittung. «Aber bitte jeden Titel aufführen. Sonst schießt das Finanzamt quer.» Die junge Frau fing an: «Wie man Erfolg bei Frauen hat», «Die schönsten Inseln der Welt». Sie setzte den Kugelschreiber ab und unterzog Borbet einer kurzen Blickprüfung. Tapfer blickte er zurück. «Brennen und Schweißen von Stahl», «Nummernkonten in der Schweiz — Leitfaden für Erfolgreiche». Die Frau reichte Borbet den Zettel. «Sie sind sehr vielseitig interessiert.» Borbet reichte ihr die Geldscheine. «Ja, ja», lachte er, «man muß auf dem laufenden bleiben.»
Marianne Borbet hielt sich gewiß nicht für neugierig. Sie konnte aus dem Stegreif zahlreiche Freundinnen nennen, die bedeutend neugieriger waren als sie. Darum wunderte sie sich, warum es sie wie unter einem mächtigen Zwang aus der Wohnung über die Treppe in den Keller zog. Den Kellerschlüssel hatte sie vergeblich gesucht. Marianne Borbet strich über die glatten Holzbretter der Tür. Einige Sekunden verharrte ihre Hand über der Klinke. Sie sah zu, wie die Hand sich senkte und das Eisen des Türgriffs umspannte. «Aber Frau Borbet, das geht wirklich nicht.» Marianne fuhr zusammen, drehte sich um und drückte den Rücken gegen die Tür. «Wieso, Frau Frenzel, was ist denn? Ich verstehe nicht.» Elfriede Frenzel, die einen Eimer in der Hand hielt, in dem Marianne trotz wiederholten Hineinguckens nichts entdecken konnte, drohte mit dem Zeigefinger. «Na, na, nicht flunkern. Da gibt sich Ihr lieber Gatte so viel Mühe, und Sie können es nicht erwarten, bis er fertig wird.» Bei diesen Worten hatte Frau Frenzel den altklugen Ausdruck im Gesicht, zu dem Menschen neigen, die sich einbilden, daß sie rundum informiert sind. Hexe. Heinz hat ganz recht. Du bist eine alte neugierige Hexe. Dir fehlt nur noch die Warze auf der Nase und ein Rabe auf der Schulter. Wie die Concierge in französischen Filmen. Mühsam lächelnd machte Marianne Borbet gute Miene zu dem Spiel, das Frau Frenzel überhaupt nichts anging. Sie ließ sich am Ende sogar in die Wohnung der Nachbarin bitten und stand erstaunt vor einer großen Espresso-Maschine, die ihr Elfriede Frenzel stolz vorführte. Während die Frauen in der Küche standen, kam Fred nach Hause.
Borbet wechselte seine Sitzhaltung und legte den Kopf in
die rechte Handschüssel. Das Büro versank.
Nun ist alles anders, Hildegard. Es heißt Abschied nehmen. Jetzt muß ich nur mit zwei Haaren einer Augenbraue flattern, und die jungen Dinger schwirren um Heinz Borbet wie die Motten ums Licht. Das mußt du verstehen, daß ein Mann nimmt, was er kriegen kann. So sind wir nun mal gebaut. Der Schniepel ist uns näher als die Hose. Und wenn die jungen Dinger sonst auch nichts zu bieten haben, eins kannst du ihnen nicht absprechen, Hildegard: sie sind jung. Die müssen sich nur hinstellen, dann dröhnt es dir im Kürbis wie Mastroianni in «Der Fremde», bevor er den Araber erschoß. Borbet wurde durch diese Assoziation regelrecht aufgeschreckt, beruhigte sich jedoch gleich wieder. Aber ich möchte, daß wir zusammenbleiben. Ich stelle mir das so vor: Marianne lasse ich hier in der Stadt, und sie bleibt auch meine Frau. Dann habe ich so drei bis vier Zweitwohnsitze, schätzungsweise. Und pro Wohnsitz ein Häschen, du verstehst? Danke, Hildegard, du bist so menschlich. Aber die Geschäfte nehme ich ja immer mit. Telefon ist überall, Telexe bellen dich an, die Geldanlage fordert schnelle Entscheidungen. Ich brauche eine graue Eminenz an meiner Seite, Hildegard, eine, auf die ich mich verlassen kann. Keine überflüssigen Worte, zackzack, dann geht die Post ab. Du würdest das kleine Graue tragen, das du beim Vorweihnachts-Beisammensein im letzten fahr... du weißt? Hach, das ist fein. Weißt du auch noch danach auf dem Parkplatz? Als wir alle aus dem Lokal raus, die Parkplatzlaterne war irgendwie kaputt, flackerte immer so hektisch. Arschkalt war’s. Ich hatte die Schuhe mit den rutschigen Sohlen an, aufs Klo mußte ich auch, eijeijei, und wie wir uns da in die Augen guckten, wie die Welt um uns versank, nur diese flackernde Parkplatzlaterne und der donnernde Druck auf die Blase. Ach, Hildegard. «Was? Wie? Woher? Wohin?» Borbet orientierte sich mühsam. Belmondo lag schon wieder halb über seinem Schreibtisch. Da er nur 1 Meter 70 groß war und sein Oberkörper davon noch das wenigste abbekommen hatte, sah es so aus, als ob er im nächsten Moment, den Gummibaum als Zwischenhalt nutzend, auf Borbets Schreibtisch weiterklettern wollte. Belmondo grinste. «Ja, lieber Kollege Borbet, wo sind wir denn mit den Gedanken? Lassen wir heimlich den Larry raushängen?» Borbet spürte ein Brennen auf der rechten Wange. Er wandte den Kopf und verfiel einem totalen Augenkontakt mit Hildegard. Und nach Feierabend, Hildegard, wenn die Warentermingeschäfte mit Kanada, Südafrika und Australien abgewickelt sind, wenn du schon längst die Jacke deines strengen, grauen Kostüms abgelegt hast, wenn du auch deine entzückende Brille abgesetzt hast, dann mußt du darauf gefaßt sein, daß ich, dein Heinz, hinter dich trete und dir mit einer schnellen Handbewegung, die den Weltmann auszeichnet, den strengen, kleinen Knoten löse. Dann fällt dein prachtvolles Kastanienhaar über die weiße Bluse. Dann wirst du herzlich hilflos gucken, Hildegard, weil dir deine Kurzsichtigkeit einen Streich spielt. Dann werde ich dir sanft, aber bestimmt den Bleistift, den du hinterm Ohr trägst, abnehmen und ihn mit zwei Fingern zerbrechen. Ich hoffe, deine Bluse hat nicht mehr als zwei Knöpfe, sonst müßte ich sie nämlich abreißen. Wer hat denn so viel Zeit, wenn du vor ihm stehst? Wir schicken die jungen Dinger aus dem Haus, sollen sie sich in dieser Nacht mit stämmigen Surfern an der Pommes-frites-Bude vergnügen.
Wir beide aber, Hildegard, wir beide. «Feierabend», brüllte Belmondo. Borbet hätte ihn würgen können.
Kurz vor 17 Uhr stellte Roswitha noch einen Anruf durch. Wegemann saß mit Rainer Kurz zusammen und redete über die Präsentation für die Passau-Paderborner. Kurz hatte Ringe unter den Augen, Wegemann sah das nicht ungern. Immer wenn sein Partner an einer Idee Feuer gefangen hatte, arbeitete er 14 bis 16 Stunden am Tag. Familie Spielmann hatte schon mächtig an Konturen gewonnen. Wegemann nahm den Hörer ab. «Is denn?»
«Gespräch, dringend, mehr verrate ich nicht. Ich würde dir aber raten, den Knopf zu drücken», sagte Roswitha hastig. Wegemann blickte zu Kurz und nahm das Gespräch an.
«Wegemann + Khurtz, Wegemann.» «Sagehorn vom Autohaus Sagehorn, Sie kennen es?» Wegemann war die dynamische Männerstimme gleich angenehm. «Kenne ich, wo lebe ich denn? Sie sind das größte Haus am Platz, was Autos von 150 PS an aufwärts betrifft.» «So ist es», sagte die Stimme höchst befriedigt. Jetzt springt dem der Knopf von der Hose. «Was kann ich für Sie tun, Herr Sagehorn?» «Je nun, in unseren Kreisen gibt es seit zwei Tagen ein nettes Gesprächsthema. Ich meine die entzückende Serie in der ‹Allgemeinen›.» «Ah ja, natürlich. Und?» «Herr Wegemann. Der Zufall will es, daß wir in diesen Tagen in der Geschäftsführung zusammengesessen haben, weil wir mit unserer derzeitigen Agentur — ich will es zurückhaltend ausdrücken — , weil wir mit ihr nicht gerade deckungsgleich sind.» Automatisch gab Wegemann seine lässige Sitzhaltung auf. Rainer Kurz wurde aufmerksam und schaltete den Telefonlautsprecher an. «Ja, Herr Sagehorn, das hört sich bisher doch alles so an, als wenn wir Ihnen helfen könnten.» Wegemann genoß das leicht brünstige Lachen seines Gesprächspartners. «Also, lieber Herr Wegemann, darf ich Sie Götz nennen?» «Sie dürfen.» «Ich heiße Winfried. Götz, wann können wir uns sehen?» «Wenn ich die Größenordnung des Gesprächs wüßte, könnte ich mich besser einrichten.» «Sagen wir 300 000 Deutsche Mark. Eine angenehme Zahl?» «Eine ausgesprochen sinnliche Zahl», bestätigte Wegemann. Er blätterte im Terminkalender. «Montag, sagen wir 11 Uhr, recht so?» «Ist notiert und zu den Akten genommen. Wenn wir miteinander ins reine kommen, woran ich unter Brüdern gesagt eigentlich keine Sekunde zweifle, verehrter Götz, können Sie Ihren im übrigen todschicken roten Tresor vergessen.» Mit einem kehligen Lachen verabschiedete sich Sagehorn.
Kurz eilte spornstreichs in sein Arbeitszimmer, um an Familie Spielmann weiterzubasteln. Wegemann wählte die Nummer der Allgemeinen. Er gab sich beim Wählen große Mühe, um nicht wieder bei der gutturalen Sexstimme zu landen. «Puttel.»
«Wegemann. Ich möchte nur kurz Danke sagen.»
«Was habe ich angestellt?»
«Du bist zur Zeit dabei, mir sehr zu helfen.» Wegemann grinste. «Mir und meinen Angestellten. Du machst dich um die wirtschaftliche Situation des Mittelstands in dieser unserer Republik verdient. Dafür möchte ich dir danken. Wir haben vor einer Minute wahrscheinlich einen großen Auftrag an Land gezogen. Saftiger Etat. Wäre nach der Passau-Paderborner unser zweitgrößter Brocken. «Na, dann beginnt sich der Tresorklau für dich ja zu lohnen.» Wegemann schaltete schnell die Mithöranlage aus. Mit leisem Bedauern dachte Jo daran, daß sie heute abend mit Messerschmid verabredet war. Als sie noch überlegte, mit welcher Taktik sie sich für den Abend kurzfristig freimachen konnte, verabschiedete sich Wegemann schon. Idiot. Jo blickte auf den Hintern des hinreißend gebauten Redaktionsboten Albrecht, der soeben an ihrem Schreibtisch in Richtung Chefredaktion vorbeischwebte. Sie mußte wieder darüber nachdenken, wie Manfred Zahn seine letzten, schon ziemlich gelallten Sätze im Anschluß an den Besuch im New Yorker gemeint haben könnte. Manfred ist verheiratet, er lebt getrennt, hat keine Kinder. Aber Manfred ist nicht Chefredakteur, sondern Ressortleiter. Lieber Manfred, ich glaube, das habe ich nach den Ereignissen der letzten Tage nicht mehr nötig.
Aus: Satzung des Landesbunds der Gartenfreunde e. V.
§ 16 II. (Abfälle) Pflanzenabfälle und dergleichen sind als Kompost zu verwerten. Nicht kompostierbare Gegenstände sind sachgemäß zu beseitigen.
«Blüh auf»-Vorsitzender Fritz Elstner guckte nicht besonders erfreut. «Muß das denn sein, Bruno? Ich bin gerade unheimlich unter Druck.» Bruno kam an den Schreibtisch im Büro des Vereinsheims.
«Ist es wegen der anonymen Briefe?» fragte er und freute sich über das belämmerte Gesicht von Elstner. «Hast du etwa auch eins von diesen Machwerken gekriegt?» Irgend etwas in Brunos Miene paßte Elstner nicht. Du Ohrfeigengesicht, was gibt es da zu grinsen? «Bruno, ich habe dich was gefragt.»
Bruno fühlte sich stark. Fünf Flaschen Bier stärkten ihm den Rücken. Da schwitzt du, Elstner, was? Gewürm. Gewürm ist gut. Bruno fiel nicht mehr ein, wo er das Wort gelesen hatte. Es mußte in einem Perry Rhodan-Heft der zweiten oder vierten Auflage gewesen sein. «Ja, Fritz, ich habe auch so einen Brief bekommen. Und natürlich stelle ich mir jetzt einige Fragen.» Elstner stand auf und trat dicht vor Bruno: «Das sage ich dir», flüsterte er, «wenn ich rauskriege, daß du hinter der Schweinerei steckst... jeder im Verein weiß, daß ich dich bei der letzten Vorstands wähl geschlagen habe.» «Vier Stimmen», sagte Bruno. Es sollte höhnisch klingen, es klang verbittert. «Vier Stimmen können in einer Demokratie ganz schön was anrichten.» «Ja, ja», winkte Bruno ab. «Adenauer 1949, wissen wir mittlerweile. Du wiederholst es ja häufig genug.» Der Vorsitzende fühlte sich etwas besser. «Wir haben gerade keine Zeugen, Bruno.» Bruno blickte sich um. «Und darum werde ich dir jetzt etwas sagen, was ich an deiner Stelle nicht weitertratschen würde. Ich müßte dann nämlich entschieden abstreiten, jemals so etwas gesagt zu haben.» «Nun sag’s schon», forderte ihn Bruno auf. Der Vorsitzende stellte sich ans Fenster, stützte beide Hände auf das Fensterbrett und atmete tief den würzigen Duft des großen Misthaufens ein. «In den letzten beiden Tagen haben alle Vereinsmitglieder diese anonymen Briefe gekriegt. Und, Bruno, ich habe dich im Verdacht, die Zettel verschickt zu haben. Du hast irgendwo was läuten hören, ich weiß nicht wo. Und jetzt betreibst du eine Schmutzkampagne. Wenn ich eines Tages rauskriege, daß du wirklich dahintersteckst, Bruno, werde ich dich zerschmettern. Ich werde dich zerquetschen zwischen Daumen und Zeigefinger.» «Wie eine Sacklaus», sagte Bruno, dem in diesem Moment eine peinliche Affäre aus seinem Leben einfiel. Elstner funkelte Bruno an. Fritz Elstner gehörte zu den wenigen Menschen, die hinter Brunos überfallartig herausgeschleuderten Assoziationen eine Absicht witterten. Dieses Mißverständnis machte Bruno zu einem gefährlicheren Konkurrenten, als es nach Lage der Dinge nötig gewesen wäre. «Starke Worte, Fritz», sagte Bruno, «starke Worte. Schätze, es fehlt dir an Beweisen, wenn du hier so rumpolterst.» Elstner ging zum Schreibtisch und fischte aus dem Plastikbehälter mit der Aufschrift «Eingänge» einen DIN-A4-Bogen. Er wedelte damit vor Brunos Gesicht herum und schnaufte: «Das hier ist der Beweis, mein Lieber, das hier ist er.» «Gib her», sagte Bruno und grapschte Elstner das Papier aus der Hand. «Mal sehen, ob wir zwei auch wirklich dieselbe Post bekommen haben.»
«Schrebergärtner! Naturliebhaber! Freunde von Grün, Ruhe, Blumen, Pflanzen, Obst und Gemüse! Gefahr droht! Uns! Allen! Uns allen also! Unsere schöne Kolonie soll dem Boden gleichgemacht werden. Beton, Zement und all so was soll dort hin, wo jetzt noch lauschige Grillecken, kraftvolle Nutzgärten und auch ein paar Kinderspielplätze stehen. Uns, dem Gras, den Bäumen, den Vögeln und auch dem Ungeziefer soll die Existenzgrundlage entzogen werden!
Hinter unserem Rücken verhandelt unser sauberer Vereinsvorstand mit einer bekannten Versicherung, der Passau-Paderborner von 1870/71 über den Verkauf unseres Geländes an eben diese Versicherung, damit sie auf unserem Gelände ein Hochhaus errichtet, weil ihr das alte Verwaltungs-Hauptgebäude hinter dem Hauptbahnhof nicht mehr reicht.
Einer, der es gut mit uns allen meint, warnt mit diesem Schreiben alle Kleingärtner vor der tödlichen Gefahr für unsere Gärten und unser aller Freizeit. Wehret den Anfängen!!!
Anlage: Die Fotokopie eines Schreibens unseres sauberen Vereinsvorsitzenden Fritz Elstner (der diebische Elstner) an einen leitenden Herrn der Passau-Paderborner-Versicherung. Kleingärtner, wehrt euch! Fritz Elstner muß weg. Unsere Gärten müssen bleiben. Unterschrift: Einer, der es gut meint mit uns.»
«Genau das habe ich auch gekriegt», sagt Bruno und ließ den Brief auf den Schreibtisch segeln. «Jetzt ist die Kacke am Dampfen, was, Fritz», sagte er spöttisch. «Das kriegen wir wieder in den Griff», knurrte Elstner. «Sind doch alles bloß haltlose Mißverständnisse. Die kläre ich in weniger als einer Minute auf.» «Aber du kommst mir ein bißchen verkniffen vor», erwiderte Bruno und fühlte sich sehr gut. Elstner funkelte den Gegner an. «Der Brief ist schon allein für sich eine große Sauerei. Anonym und so, kennt man ja, feige Kerle eben. Aber die Fotokopien, die sind die eigentliche Schweinerei. Wo hat der die her, frage ich mich.» «Ja, auf diese Frage kann man aber auch wirklich kommen», bestätigte Bruno und fühlte sich kannibalisch wohl. «Natürlich gehst du zur Polizei.» Gespannt wartete er auf Elstners Reaktion. «Wieso denn zur Polizei?» fragte der Vereinsvorsitzende unruhig. «Na, aber Fritz», sagte Bruno, «erstens: ein anonymer Brief, zweitens: Fotokopien aus dem Privatordner, das riecht doch nach Diebstahl oder Einbruch. Und drittens: der Inhalt, also was da drinsteht. Das muß doch alles erstunken und erlogen sein. Denn wenn es wahr sein sollte, mein lieber Fritz, mach unserem Verein bloß keine Schande.» Bruno trat auf Elstner zu und legte ihm eine schwere Rechte auf die Schulter. Elstner war kurz vor dem Platzen. Er hatte Bruno neunundneunzigprozentig in Verdacht. Aber ihm fehlte der Beweis. «Einmal, Bruno, nur einmal habe ich das Fenster vom Büro offenstehen lassen», murmelte Elstner verkniffen, «und den Rest, den reime ich mir zusammen.» Bruno spürte, wie ihm eine leichte Gänsehaut die Wirbelsäule entlangkroch. «Wieso?» fragte er scheinheilig, «verstehe kein Wort.» «Ach laß, Bruno», winkte Elstner ab, «das bringt nichts mit uns beiden.» «Also gehst du nun zur Polizei oder was?» «Ja doch, muß ich ja wohl», sagte Elstner mehr zu sich als zu Bruno.
Auf der Heimfahrt geriet Borbet im Kreuzungsbereich Dammtor mit dem Fahrer eines BMW aneinander. Borbet, von der Alster kommend, sah schon von weitem, daß die Ampel am Dammtorbahnhof Rot zeigte. Dementsprechend ließ er den Wagen auf das Ende des Staus zurollen. Im Radio — Borbet hörte grundsätzlich nur noch NDR I, seitdem der NDR im zweiten Programm Hausfrauensendungen brachte — spielte Herr Herbolzheimer eine Big-Band-Melodie, die Borbet gut leiden konnte. Die Sonne brannte vom Firmament. Auf dem Rücksitz des Audi stand ein Sechserkarton Sekt Marke Mum, mittelmäßig trocken. Borbet war schon fast an die Schlange vor der roten Ampel herangerollt, als ihn rechts ein BMW überholte und sich mit einem flotten Schlenker nach links vor Borbet setzte. Borbet mußte bremsen. BMW-Fahrer waren ihm seit langem ein Dorn im Auge. BMW waren genauso schnell, daß sie unverschämt sein konnten, aber langsam genug, um während des Wegzischens dem Überholten per Blick auf das Fleck Gelegenheit zu geben, Unmut und Unterlegenheitsgefühle anzusammeln.
Borbet hatte so etwas viele Male erlebt. Er hatte sich seit Jahren hilflos gefühlt. Heute war das anders. Seit Samstag letzter Woche waren die Karten neu gemischt. Borbet schaltete den Motor aus. Er klappte die Sonnenblende des Beifahrersitzes herunter, beugte sich hinüber und betrachtete sich intensiv in dem kleinen Spiegel. Er klappte die Blende hoch, öffnete die Tür bis zum Anschlag und stieg aus. Als er neben dem Wagen stand, erkannte Borbet, daß er im Begriff war, sich außergewöhnlich zu verhalten. Der Gedanke gefiel ihm. Satt schlug die Tür ins Schloß, und Borbet trat an die Fahrertür des BMW. Er riß sie auf, packte zu und zog den Fahrer an den Aufschlägen seines gestreiften Sommerjacketts aus dem Wagen. Er stellte den völlig überrascht scheinenden Mann mit dem Rücken an die hintere linke Seite des BMW. Dann ließ Borbet von ihm ab, um mit dem gesamten Oberkörper auszuholen. Am Rande registrierte er, daß der Mann sich nicht wehrte. Zwar war Borbet entschlossen, jeden Widerstand im Keim zu ersticken, aber er hatte fest mit Gegenwehr gerechnet. Nun geschah nichts, doch Borbet ließ sich nicht irritieren. Er holte aus und ohrfeigte den Mann sechsmal: dreimal von rechts und dreimal von links, jeweils sehr kraftvoll. Dann ließ Borbet von dem Mann ab. Während er zu seinem Wagen ging, nahm er aus den Augenwinkeln wahr, daß der BMW-Fahrer mit dem Rücken an seinem Wagen herunterrutschte.
Borbet saß gerade wieder im Audi, als der BMW-Fahrer, dessen Wangen leuchtend rot waren, sich mühsam aufrappelte, mit beiden Händen die Wangen betastete, Borbet anblickte, mit einer Hand auf den Audi wies und kläglich hervorstieß: «Der ist bescheuert, total bescheuert.»
Borbet kam eine knappe halbe Stunde später zu Hause an. Der junge Beamte hatte ihm gesagt, daß er mit einer Anzeige wegen Körperverletzung rechnen müsse. Das war es Borbet wert. So wird es euch allen ergehen, ohne Ausnahme. Ich werde euch vom ersten bis zum letzten an Ort und Stelle fertigmachen, ihr Twens und Raser. Zeigt mich doch an. Fiffies. Ab heute regieren andere Sitten. Heinz Borbet kommt. Von wegen 100 PS gelten mehr als 75. Ab heute hat der Charakter das Sagen. AAAaarrhh. Borbet fand es amüsant, wie ihn die Besatzung des Streifenwagens angeguckt hatte. Das sind die jungen Spunde eben nicht gewohnt, daß einer im Besitz von Selbstbewußtsein ist. Auf der Fahrt nach Hause war ihm endgültig aufgefallen, daß der Wagen hinten absackte. Müssen die Stoßdämpfer sein. Du mußt zu Andreas. Sollen sie mal zeigen, was sie können, diese albernen Alternativen.
Auszug Polizei-Protokoll, Dammtorstraße-Mittelweg, 16 Uhr 58. Protokollant Polizeimeister Überbein.
…der beschuldigte Heinz Borbet sei daraufhin auf den Anzeigenführer Ulf-Volker Haase zugetreten und habe Ihn mit voller Kraft gegen das rechte Schienbein getreten. Der Beschwerdeführer Haase ist über diese Tat besonders empört, weil er das Gefühl gehabt hat, daß Herr Borbet ihm vorher lange quasi genüßlich ins Gesicht geblickt habe. Beschwerdeführer Haase gibt an, daß der beschuldigte Borbet auch nach dem Tritt dem Haase lange ins Gesicht geblickt habe. Als Haase nicht sofort zusammengeknickt sei, habe Borbet mit demselben Bein wie beim erstenmal, dem rechten, ausgeholt. Erst als daraufhin Haase mit einem leisen Wimmern zusammenbrach, habe Borbet von ihm abgelassen und sei in seinen Pkw vom Typ Audi 100, Baujahr 1982, gestiegen. Beschwerdeführer Haase führt aus, daß es besonders die Kaltschnäuzigkeit des Borbet gewesen sei, die ihn zu einer Anzeige veranlaßt habe, obwohl er sonst gewiß nicht der Typ dafür sei.