satzbereit machen, umso geringere Auswirkungen hat dieser dumme Anschlag.«
Einer der Wächter kam mit einem schwitzenden Fabrikangestellten. Willis kannte ihn: Drew Vardian, Verwalter der Anlage. »Das Schlimmste kommt erst noch. Die Leute wussten, worauf es ankam. Sie haben zwei Rückführungssensoren mitgenommen.« Er hob die Hände. »Zwei Rückführungssenso ren!«
»Das sagt mir nichts, Mr. Vardian. Was hat es mit diesen Sensoren auf sich?«
»Es sind wichtige Komponenten der Anlage, sehr wichtige Komponenten.
Die Sensoren kontrollieren die Extraktions‐ und Filterungssysteme. Sie sortieren die Metalle und Chemikalien aus, die vom Rest getrennt werden.
Ohne die Sensoren funktioniert die Anlage nicht.«
»Das sind ja prächtige Nachrichten. Woher wussten die Unruhestifter davon?«
»Die Fabrik bietet den hiesigen Leuten Teilzeitjobs an und stellt jeden ein, ich
der s
ein bisschen Geld dazuverdienen möchte, vor allem Medusen‐
Hirten.«
309
»Die Kerle haben sich also diese Sensore
d
n geschnappt und sind ann
einfach weggeschwommen? Ohne eine Spur zu hinterlassen?«
»Sie hatten ein kleines Motorboot, Admiral. Schnell genug, um wegzukommen, aber mit vergleichweise kurzer Reichweite.«
»Setzen Sie sich mit Lieutenant Commander Brindle in Verbindung. Er soll die Scanner auf diesen Bereich des Planeten richten. Und besorgen Sie mir zwei Remoras mit Suchscheinwerfern. Wir gehen angeln.« Willis schob ihr Mitgefühl für die Bewohner von Rhejak beiseite. Sie hatten ihr Vert n
raue
missbraucht.
Die Schuldigen waren drei junge Männer, der älteste von ihnen gerade siebzehn. Mit einem unbeleuchteten Motorboot rasten sie durch die Riffkanäle, davon überzeugt, unauffindbar zu sein. Aus der Umlaufbahn orteten die TVF‐Scanner ihre Körperwärme, die infraroten Emissionen des Motors und die Metallkomponenten der gestohlenen
Rückführungssensoren.
Zwei Remoras näherten sich schnell, folgten dem Boot in einer Höhe von mehreren Dutzend Metern und richteten das Licht ihrer Suchscheinwerfer nach unten. Die jungen Männer in dem schaukelnden Boot machten obszöne Gesten.
Willis empfing die Koordinaten von den beiden Remoras, programmierte damit das Navigationssystem ihres schnellen Bootes und folgte den Attentätern. Als sie sich dem Scheinwerferlicht näherte, beobachtete sie die drei jungen Männer durch ein Fernglas. »Lieber Himmel, sie sind noch dümmer, als ich dachte ‐ haltet sie an!«
Doch die Männer in den Remoras konnten nichts unternehmen, und Willis'
Boot kam rasch näher. Die jungen Männer begriffen, dass ein Entkommen unmöglich war, und wandten sich zwei Maschinenteilen zu, beide so groß wie ein Treibstofffass. Sie rollten sie über den Rand ihres Bootes und ließen s t
sie in iefe Wasser eines Riffkanals fallen. Mit einem lauten Platschen verschwand der zweite Rückführungssensor, als Willis herankam.
309
»Was zum Teufel macht ihr da?«, rief sie voller Zorn. »Habt ihr eine Ahnung, was die beiden Komponenten kosten?«
»Was sie kosten? Vielleicht haben wir uns damit einige Tage Freiheit erkauft!«
»Warum sollten wir arbeiten, damit Sie alles der verdammten Hanse schicken?«, rief ein zweiter junger Mann.
Willis schaltete ihren Kommunikator ein und setzte sich mit den Technik rn e
in Verbindung. »Holen Sie Taucher. Wir müssen die Teile bergen.«
Der jüngste Bursche schien den Tränen nahe zu sein. Das Boot schaukelte auf den Wellen. »Wir wollten die Rückführungssensoren nur eine Zeit lang verstecken, um Ihnen eine Lektion zu erteilen. Jetzt haben Sie uns dazu gebracht, sie über Bord zu werfen!«
»Ich habe euch nicht gezwungen, dämlich zu sein, und eure Eltern sicher auch nicht. Für das, was ihr getan habt, sind mehr als nur einige Tage Hausarrest angebracht. Eine Militärgerichtsverhandlung und dann einige Wochen in der Zelle werden euch Respekt beibringen.« Willis winkte den Wächtern zu. »Nehmt sie in Gewahrsam und überstellt sie Lieutenant Commander Brindle an Bord des Flaggschiffs. In der dortigen Arrestzelle können sie darüber nachdenken, wie freundlich und tolerant ich bisher gewesen bin.« Willis richtete einen finsteren Blick auf die drei jungen Männer in ihrem Boot. »Eure Aktion zwingt mich, meine bisherige Vorgehensweise zu ändern.«
Am nächsten Tag beorderte die Admiralin nicht nur Hakim Allahu zu sich, sondern auch die Direktoren der Fabrik und der Riffbruch‐Anlagen sowie die Oberhäupter der größten rhe‐
e
jakanischen Gemeinden. Sie ließ sie wi
Schulkinder vor ihrer Kommandobaracke Aufstellung beziehen.
»Kommen wir gleich zur Sache. Die Politik des Vorsitzenden mag Ihnen t gefallen, aber Sie habe
nich
n ihn provoziert, ihm praktisch ins Gesicht
gespuckt. Dachten Sie vielleicht, das
310
ließe er einfach so mit sich geschehen? Sie können von Glück sagen, dass er mich geschickt hat und nicht jemand anders.« Willis hatte alles so vorbereitet, dass die Männer ihr gegenüber in die Sonne sehen mussten.
»Als meine Schiffe eintrafen, habe ich nicht damit gerechnet, dass Sie uns mit Blumen empfangen würden, aber ich hatte Vernunft von Ihnen erwartet.
Haben Sie eine Ahnung, wie viel Freiraum Sie unter mir hatten? Ein anderer Gitter‐Admiral hätte Rhejak inzwischen vielleicht in ein großes Gefangenenlager verwandelt. Ich dachte, wir wären uns einig gewesen.
Würde mir jetzt bitte jemand den Unsinn der vergangenen Nacht e
«
rklären?
»Unsinn?«, wiederholte Drew Vardian, dessen Gesicht noch immer glühte.
»Wie können Sie die Aktion der jungen Leute nicht verstehen? Für mich ergibt sie durchaus einen Sinn, und ich bin der Geschädigte,«
»Viele Bewohner von Rhejak denken genauso wie sie«, fügte Allahu hinzu.
»Sie können nicht erwarten, dass es uns gefällt, einfach so von der TVF
übernommen zu werden. Sie haben unserer Wirtschaft massiv geschadet.
Wir wissen von mindestens neun Handelsschiffen, die von Ihren Mantas verjagt wurden.«
»Sie sind nicht besser als Piraten«, sagte ein Gemeindeoberhaupt. »
r
Wi
stellen wertvolle Waren her, und Sie kommen und stehlen sie uns.«
In Willis wuchs der Zorn. »Sie reißen da ziemlich weit die Klappe auf, Mister. Wir haben noch keine einzige Schiffsladung zur Erde geschickt.
Bisher hat niemand von Ihnen versucht, mit mir über eine Handelsvereinbarung zu sprechen. Trotzdem klagen Sie bereits darüber und sind sogar bereit, eine Ihrer eigenen Fabriken zu sabotiere t das
n. Ergib
irgendeinen Sinn?«
Allahu blinzelte ungläubig. »Soll das heißen, Sie sind bereit, für unsere en zu
War
bezahlen!«
»Und einen fairen Preis?«, fügte der Mann von der Fabrik hinzu.
311
»Es soll heißen, dass wir hier an einem Scheideweg stehen, meine Herren.
Sie zwingen mich, eine Entscheidung zu treffen. Entweder kommen wir zu einer Übereinkunft, oder ich verwalte diesen Ort nach militärischen Regeln.
Die Wahl liegt bei Ihnen. Können Sie Ihre eigenen Leute unter Kontrolle hal‐
ten?« Willis musterte die vor ihr stehenden Männer nacheinander. »Ehrlich gesagt, mir gefällt diese Welt, und ich möchte sie lieber so lassen, wie sie ist.
Es sei denn, Sie zwingen mich, drastische Maßnahmen zu ergreifen.«
Allahu und die anderen wussten nicht, wie sie auf dieses Angebot re n
agiere
sollten.
Willis seufzte. »Offenbar hat es Ihnen die Sprache verschlagen. Lassen Sie mich Ihnen einige Diskussionspunkte nennen, über die Sie nachdenken können. Ich bin bereit, mir Ihre Klagen anzuhören und alles so zu regeln, dass es nicht zu irgendwelchen Reibereien kommt. Dazu gehört die Erlaubnis, wieder mit den Roamern und anderen Leuten von außerhalb des Planeten Handel zu treiben ‐ das gilt allerdings nur für jene Waren, die für die Hanse keine wichtige Rolle spielen. Sie können Ihre Riffperlen und Meeresfrüchte verkaufen, auch einen gewissen Prozentsatz des Tangextrakts und der gewöhnlichen Metalle. TVF und Hanse haben Priorität bei all den Dingen, die wir für wesentlich halten. Und die Hanse wird für alles bezahlen ‐ natürlich Großhandelspreise«, fügte Willis rasch hinzu.
»Sind solche Bedingungen für Sie akzeptabel?«
»Ja, das sind sie.« Allahu sah seine Kollegen an. »Wir sind nicht unbedingt begeistert davon, aber dies ist immer noch besser als ein Militärregime.«
Willis wandte sich an den Mann von der Fabrik. »Unsere Taucher haben die beiden Rückführungssensoren geborgen, Mr. Vardian. Sorgen Sie dafür, dass sie gereinigt, getestet und wieder installiert werden.«
»Kein Problem. Wir haben nicht erwarte
ponent
t, dass Sie die Kom
en im
tief n Wa
e
sser so schnell finden würden.«
ha
»Ich be nicht erwartet, solche Maßnahmen ergreifen zu 311
müssen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns damit abzufinden.«
»Admiral«, sagte Allahu, »wie wollen Sie die Hanse dazu bringen, für das zu bezahlen, was sie sich einfach nehmen könnte?«
»Ich bin beauftragt, Rhejak zu sichern und Ihre Kooperation zu garantieren.
Es ist meine Entscheidung. Welche Wahl bleibt der Hanse?«
110 # GENERAL KURT LANYAN
Usk war so idyllisch, friedlich und verwundbar, wie der Vorsitzende gesagt hatte. Und General Lanyan fühlte sich verpflichtet, so erbarmungslos wie möglich zu sein. Keine Warnungen, keine Gnade, nur Resultate. Das vorgesehene Pogrom sollte ein Zeichen setzen und kleinere Kolonien veranlassen, sich zu fügen. Lanyan musste dafür sorgen da
, ss alles möglichst
schlimm aussah, und deshalb musste alles möglichst schlimm sein.
Er ahnte, dass er nachher an Albträumen leiden würde.
Zwar hatte Lanyan keine Einwände erhoben, aber die Mission gefiel ihm ganz und gar nicht. Der Vorsitzende Wenzeslas übertrieb, doch dies war das geringere von zwei Übeln, und es gab Lanyan Gelegenheit, Ehre und verlorenen Einfluss wiederzugewinnen. Außerdem war ihm dies lieber als eine neuerliche Konfrontation mit den Klikiss.
Als die Jupiter über dem wehrlosen Kolonialplaneten in die Umlaufbahn schwenkte, stand der Erzvater auf der Brücke und sah sich die Bilder auf den Schirmen an. Er war ein Mann weniger Worte und sprach normalerweise nur dann, wenn man eine Rede für ihn vorbereitet hatte.
Bewohner von U
»Die
sk haben über die Grenzen der Buße hinaus gesündigt und
312
können nur noch als abschreckendes Beispiel dienen.« Er lächelte hinter seinem langen weißen Bart. »Diesem Zweck werden sie gut gerecht.«
Hunderte von Transportern voller Soldaten machten sich auf den Weg zur Oberfläche des Planeten. Remora‐Staffeln flogen zu den weit auseinander liegenden Siedlungen, mit Thermobomben und Sprengköpfen in den Frachträumen. Sie rasten so schnell über den Himmel, dass es immer wieder zu Überschallknallen kam. Soldaten landeten in den Dörfern, i n
Obstgärten und auf Kartoffelfeldern.
Lanyan und der Erzvater trafen mit einem diplomatischen Shuttle ein, während Soldaten die Siedler auf einem Platz zusammentrieben. Stumm beobachtete der General das Geschehen und übermittelte seinen Truppen dann Befehle. »Was auch immer geschieht: Der hiesige grüne Priester darf nicht zu Schaden kommen. Diese Kolonie hat sicher einen. Der Vorsitzende möchte, dass die Nachricht von den hiesigen Ereignissen a a lle btrünnigen
Kolonien erreicht.«
Remoras griffen die Felder, Kornspeicher und Scheunen mit Thermobomben an. Auf den trockenen Wiesen breiteten sich schnell Feuer aus. Vieh geriet in Panik und floh; die Soldaten mussten die Tiere erschießen, um nicht von ihnen zertrampelt zu werden. Menschen versteckten sich in Kellern und auf Heuböden. Die Angreifer setzten Schockstäbe bei allen ein, die auch nur den Anschein erweckten, als könnten sie Widerstand leisten. Da es sich als zu zeitaufwändig erwies, die Kolonisten einen nach dem anderen gefangen zu nehmen, betäubten die Soldaten sie einfach, trugen sie zu ihren Schiffen und luden sie anschließend in der Hauptsiedlung ab.
Zerstörungstrupps setzten Bauernhäuser in Brand und ließen sich auch von weinenden Menschen nicht daran hindern, ihr Hab und gut zu konfiszieren.
Sie setzten Granaten ein und sprengten Einfriedigungen. Scharfschützen en si
nahm
ch die Obstgärten vor und fällten mit Schneidstrahlen einen Baum nach dem anderen. Dichte Rauchschwaden trieben umher.
313
Eine halbnackte grüne Priesterin wurde auf den Platz gezerrt. Sie schluchzte, als sie all die Zerstörungen sah. »Warum?«, brachte sie immer wieder hervor. »Warum?«
»Sie soll ihren Schössling behalten«, sagte Lanyan. Er stand in der Siedlung, beobachtete alles und achtete nicht auf die Schreie und flehentlichen Bitten.
Alle Einzelheiten des Chaos wurden aufgezeichnet ‐ die Bilder s er
ollten spät
in den Medien der Hanse veröffentlicht werden.
Die laute Stimme des Erzvaters ertönte mitten im Ort, und jeder Satz war wie ein Axthieb. »Das Unisono verurteilt die Bewohner von Usk! Ihr seid eine Fäulnis in unserer Gesellschaft. Ihr habt euch gegen die Erde gewendet und beschlossen, dem Weg des Stolzes zu folgen. Dieses Verhalten hat die ganze Menschheit mit einem Fluch belegt, der die Dämonen herbeigerufen hat.« Er richtete einen dicken Finger, an dem mehrere Ringe glänzten, auf die furchterfüllte Menge. TVF‐Soldaten schritten umher und hielten ihre Waffen bereit.
Die Kolonisten starrten ungläubig und konnten nicht fassen, was geschah.
Ihre Häuser lagen in Trümmern, die Obstgärten waren zerstört, Schafe und Vieh getötet. Die grüne Priesterin hockte fast apathisch neben ihrem Schössling.
»Während wir hier sind«, fuhr der Erzvater fort, »greifen Klikiss abgelegene Kolonien in anderen Bereichen des Spiralarms an. Zuerst schickten sie uns ihre schrecklichen schwarzen Roboter, und jetzt kommen sie selbst. Und sie wollen die ganze Menschheit ausrotten!«
Lanyan schauderte fast, als er sich an die grässlichen Klikiss erinnerte. Er glaubte nicht eine Sekunde lang daran, dass die Insektenwesen Dämonen waren, aber die entsetzten Siedler von Usk schienen die Worte des Erzvaters regelrecht aufzusaugen.
Ein Soldat lief auf Lanyan zu. »General, wir haben die Verwaltungsbüros durchsucht und dabei das hier gefunden. Es dürfte von esse
Inter
für Sie
sein.«
Lanyan schob die Datenscheibe in ein Lesegerät, blickte auf 314
den Schirm und sah, wie die fünf Ältesten der Siedlung am Tisch saßen und voller Freude ihre Unabhängigkeit von der Terranischen Hanse erklärten, wobei sie der Erde vorwarfen, sie in einer Zeit der Not im Stich gelassen zu haben. Dann kündigten sie an, sich der Konföderation anschließen zu wol‐
len. Lanyan beobachtete, wie sie eine Kopie der Hanse‐Charta vor den Imager hoben und demonstrativ zerrissen. Die Ältesten applaudierten, gratulierten sich selbst und tranken auf »die Zukunft von Usk«.
Als der Erzvater seine giftige Ansprache beendete, trat Lanyan vor. Die Soldaten stellten einen großen Projektionsschirm auf, und der General ließ die Bilder der Aufzeichnung darauf erscheinen. »Ich möchte, dass diese fünf Männer zu mir gebracht werden.«
Soldaten stapften durch die Menge, packten jene, die Ähnlichkeit mit den Ratsmitgliedern aufwiesen, und zerrten sie mit sich. Es dauerte nicht lange, bis die fünf Ältesten gefunden waren. Sie traten zusammen und riefen: »Was Sie hier machen, ist ganz und gar illegal! Wir sind eine souveräne Welt eine
,
unabhängige Kolonie!«
Lanyan musterte sie finster. »Ihr seid Rebellen und Kriminelle. Und als solche werdet ihr behandelt.« Er wandte sich an die grüne Priesterin.
»Sorgen Sie dafür, dass alle anderen in der Konföderation davon n.
erfahre
König Peter kann euch nicht beschützen. Niemanden von euch.«
»Ihr seid verdammt!«, rief der Erzvater. Seine Wangen färbten sich rot.
»Und ihr müsst für eure Sünden leiden. Euer Leid, die Säuberung dieser Kolonie, zeigt anderen vielleicht den Weg zurück zur Rechtschaffenheit.«
Man zog die fünf Ratsmitglieder ‐ die keine Helden waren, sondern Bauern und Händler ‐, von ihren Freunden fort. In der Nähe stellten Soldaten fünf Unheil verkündende Gebilde auf. Der Erzvater befahl die exemplarische Strafe, die der Vorsitzende beschlossen hatte.
Während Siedlung und Gehöfte weiterhin brannten, kreu 314
zigten Lanyans Männer die Ältesten und ließen sie blutbesudelt hängen.
Erst jetzt begriffen die Bewohner von Usk, in welch schreckliche Situation sie geraten waren. Die grüne Priesterin glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können.
Niemand protestierte, als die TVF‐Soldaten die anderen Siedler zwangen, sich in einer Reihe aufzustellen und die Charta der Hanse zu unterschreiben. Niemand von ihnen gab einen Mucks von sich. Die gan e z
Zeit über waren Kameras und Imager auf sie gerichtet.
»Unsere Aufgabe hier ist erfüllt«, sagte Lanyan und unterdrückte seine Gefühle. Als Letztes befahl er, den Schössling zu verbrennen, wodurch die grüne Priesterin den Kontakt zum Weltwald und den anderen grüne n
Priestern verlor.
Die Bewohner von Usk waren gebrochen und hatten alle ihre naiven Vorstellungen von Widerstand verloren. Sie stellten bestimmt kein Problem mehr dar, und das war gut, denn Lanyan wollte kein Personal vergeuden, indem er eine Wachmannschaft zurückließ.
Der Erzvater, Lanyan und die triumphierenden Soldaten verließen den Planeten.
111 # ORLI COVITZ
Im Unterschlupf, der nur eine relative Sicherheit bot, und in Gesellschaft der anderen Flüchtlinge spielte Orli ihre Musik und improvisierte Melodien. Die Synthesizerstreifen gehörten zu den wenigen persönlichen Dingen, die ihr geblieben waren. Orli hatte viel hinter sich und gelernt, nicht zu sehr an irgendetwas zu hängen und keine Wurzeln zu schlagen. Die Musik konnte sie immer mitnehmen, ganz gleich, was um sie herum geschah. Selbst wenn ie Synt
sie d
hesizerstreifen verlor ‐ sie konnte summen oder singen.
Margaret Co
315
licos hatte sie den Text des alten Lieds »Greensleeves« gelehrt.
Die ältere Frau hatte gesagt, dass Orlis Musik die Brüterin so beeindruckt hatte, dass ihr keine Gefahr drohte. Doch die Flucht zusammen mit n
de
anderen war von Panik, Gewalt und Verwirrung geprägt gewesen.
Davlin schilderte das Entkommen seiner Gruppe, und Tasia Tamblyn erzählte, was sie beim Flug der Osquivel über die Siedlung gesehen hatte ‐ es schien kaum mehr Hoffnung zu geben, dass dort noch jemand am Leben war. Die Klikiss hatten den Ort in Schutt und Asche gelegt und vermutlich alle nicht geflohenen Kolonisten getötet. Orli wusste nicht einmal, ob Margaret noch lebte. »Sind wir die letzte
Menschen a
n lebenden
uf diesem
Planeten, DD? Sechsundneunzig Personen?«
»Und ich.« DD klang ebenfalls besorgt. »Ja, und du.«
»Und UR. Er ist beschädigt und muss repariert werden.« »Und Ur.«
Roamer‐Techniker hatten die Schulter des Kompi abgedichtet, damit er keine hydraulische Flüssigkeit mehr verlor, doch die Installation eines neuen Arms erforderte Komponenten, die nicht zur Verfügung standen. DD
half UR dabei, die Kinder zu hüten und den übrigen Flüchtlingen zu Diensten zu sein. Orli fragte sich, ob die Brüterin nach ihnen suchen würde.
Bisher war es Davlin gelungen, sie alle am Leben zu erhalten.
Orli saß ein wenig abseits, den Rücken an die raue Sandsteinwand gelehnt, und improvisierte neue, traurige Melodien, die ihre Gefühle widerspiegelten. Zwar spielte sie leise, aber die Töne fanden e eg
inen W in
die Höhle und weckten ähnliche Empfindungen bei den Überlebenden.
»Dieser Unterschlupf ist zu klein für so viele Flüchtlinge«, brummte Bürgermeister Ruis. »Wir brauchen mehr Lebensmitte k
l, Dec en und andere
Dinge ‐ wir brauchen praktisch alles.«
brauche
»Wir
n vor allem eine Möglichkeit, diesen Planeten
315
zu verlassen«, sagte Crim Tylar. »Die meisten von uns wollten überhaupt nicht nach Llaro kommen. Verdammte Tiwis!« Nikko saß bei ihm, hin und her gerissen zw schen der
i
Freude darüber, dass sein Vater noch
e, und
lebt
Trauer um seine Mutter, die beim Kampf gegen die Klikiss gestor wa
ben
r.
»Wir haben die Osquivel«, erwiderte Davlin entschlossen. »Sie kann repariert werden und bietet uns allen Platz.«
»Wir haben einige Werkzeuge und Waffen, eine Handvoll Kämpfer und jede Menge Erfahrung, stimmt's?«, warf Tasia ein. »Nachdem wir Llaro verlassen haben, kehren wir mit einer großen Streitmacht zurück und zeigen es den Klikiss.«
Davlin sah auf die einfachen Karten, die er angefertigt hatte. »Wenn Sie in der Lage sind, das Standardtriebwerk des Schiffes zu reparieren, besorge ich Ihnen den benötigten Treibstoff. Ich habe zwei Fässer versteckt; wir müssen sie nur holen.«
Robbs Miene erhellte sich. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so leicht wird.«
»Leicht?« Steinman schnaubte. »Davlin hat verg
ä
essen zu erw hnen, dass
sich die Fässer mitten im Territorium der Klikiss befinden.«
»Daraus ergeben sich gewisse Schwierigkeiten«, meinte DD.
Orli hörte nur halb hin und konzentrierte sich auf ihr Spiel. Sie schloss die Augen. Die leise Musik erinnerte sie an die düstere Welt Dremen, an den Optimismus ihres Vaters beim Umzug nach Corribus, eine neue Hoffnung, gefolgt von einer Katastrophe ... dann die Chance hier auf Llaro, und wieder eine Katastrophe. Die Musik wurde immer ernster, und langsam wuchs dabei die Lautstärke.
Orli öffnete die Augen, als Nikko kam, sich neben sie setzte und zuhörte.
Sein trauriger Blick ging in die Ferne, als er sagte: »Meine Mutter liebte Musik. Sie s
unsere
pielte sie in
n Treibhäusern und behauptete, dadurch
sen die Pf
wüch
la
esser.«
nzen b
»Wuchsen sie besser?«
316
Er zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Wenn sie doch nur hier wäre.«
»Ich habe sie gekannt, wissen Sie. Ihre Eltern nahmen mich bei sich auf, als die Klikiss uns in der Siedlung gefangen hielten. Ihre Mutter war se r ne h
tt
und konnte gut mit einem Gewehr umgehen.«
Nikko lächelte schwermütig. »Ich habe sie so lange nicht gesehen.«
Orli spielte weiter. Ihre Finger wanderten von ganz allein über die Tasten der Synthesizerstreifen, als sie Nikko von Maria Chan erzählte. Der junge Mann berichtete von den Treibhaus‐Asteroiden seiner Familie und schilderte, wie seine Eltern dafür gesorgt hatten, dass er entkam, als e di
Tiwis alle anderen Roamer gefangen nahmen.
»Mir gefällt deine Musik«, sagte er. »Aber es wäre mir lieber, wenn du Grund hä st, fröhliche
tte
re Lieder zu spielen.«
»Mir auch.«
112 * ERSTDESIGNIERTER DARO'H
Als sein Vater mit einem Zeremonienschiff nach Theroc aufgebrochen war, bemühte sich Daro'h, den Pflichten des Weisen Imperators gerecht zu werden. Während Jora'h und Nira versuchten, Problemen bei den Beziehungen mit der Regierung der Menschen vorzubeugen, ruhte die Verantwortung für das Ildiranische Reich auf Daro'hs Schultern. Er war der amtierende Weise Imperator.
Er wusste natürlich um die symbolische Bedeutung dieses Titels. Doch eines Tages würde er tatsächlich der Weise Imperator sein und das ganze Thism auf sich ziehen, wie es sein Vater getan hatte. Derzeit stand Daro'h auf dem Podium im Audienzsaal der Himmelssphäre und fühlte sich wie verloren, 317
als sein Blick durch die prismatischen Kuppeln wanderte. Er konnte sich nicht dazu überwinden, im großen Chrysalisses‐sel Platz zu hm
ne
en ‐ dort
gehörte er nicht hin.
Daro'h hatte gerade damit begonnen, seine anderen Pflichten wahrzunehmen und zahlreiche ausgewählte Frauen zu schwängern.
Eigentlich hätte er Gefallen daran finden sollen, aber er spürte eine große, unbestimmbare Gefahr für das Reich, und dieses Empfinden nahm ihm jede Freude. Für seinen Vater musste das Gefühl noch viel stärker sein. Etwas stimmte nicht im Thism.
Adar Zan'nh war nach Dobro aufgebrochen und brachte die Menschen von Cjeldre zu den Nachkommen der Burton‐Siedler. Eine neue Kolonie sollte entstehen. Daro'h vermisste jene Welt trotz ihrer dunklen Geschichte und der Bedrohung durch Faeros und den Designierten Rusa'h.
Osira'h leistete dem Erstdesignierten in dem großen Saal Gesellschaft und stärkte sein Selbstvertrauen allein durch ihre Präsenz. Auf Dobro hatte ihn seine kleine Schwester schockiert, als sie einen Aufstand der menschlichen Zuchtobjekte anführte und ihn zwang, das, was die Ildiraner dort über Ge‐
nerationen hinweg getan hatten, als falsch zu erkennen. Sie saß jetzt auf den glänzenden Stufen des Podiums und spürte seine Sorgen. »Fühlst du dich überfordert, Daro'h? Ich habe die Tiefen eines Gasriesen aufgesucht, um dort mit den Hydrogern zu kommunizieren, und damit habe ich geholfen, sie zu besiegen.« Sie lachte leise. »Wenn ich so etwas kann, solltest du in der Lage sein, einige Tage die Pflichten des Weisen Imperators wahrzunehmen.«
Daro'h setzte sich neben seine Schwester auf den harten, kalten Stein und legte ihr den Arm um die Schultern. »Wenn du es so ausdrückst .
ann
.. Wie k
ich da widersprechen?«
Osira'h schien nicht mehr sagen zu wollen und stand auf. »Ich muss zu en Brüdern und S
mein
chwestern zurück. Wir haben eine sehr interessante Fä g
hi keit entdeckt und lernen sie
317
mit jedem verstreichenden Tag besser kennen. Selbst Kolker versteht sie nicht vollständig.«
»Ich verst
e g
ehe si
ewiss nicht«, sagte Daro'h. »Es überrascht m
u
ich, dass d
deine Mutter nicht nach Theroc begleiten wolltest.«
»Meine Mutter und meinen Vater. Und ja, ich hätte sie gern begleitet. Wir alle. Aber es ist wichtiger, dass ich hierbleibe. Bedeutungsvolle Dinge geschehen.« Osira'h hüpfte fast, als sie den Audienzsaal durch eine kleine Tür hinter dem Chrysalis‐sessel verließ. Daro'h sah ihr nach und dachte daran, dass er seine sonderbare Schwester wahrscheinlich nie verstehen würde.
Draußen, vor dem Haupteingang, sah Daro'h Pilger, Höflinge und Beamte, die lange Schlangen bildeten und auf eine Gelegenheit warteten, mit dem Weisen Imperator zu sprechen oder ihn einfach nur zu sehen. Er spürte Unruhe bei ihnen und konnte sie nicht davon befreien. Wenn er das Zentrum des Thism gewesen wäre, hätte er jene Emotionen wie Rufe gehört.
Normalerweise waren Ildiraner ausgeglichen und unerschütterlich, aber die jüngsten Veränderungen hatten zu Verwirrung und Furcht geführt. Durch den von Jora'h bewirkten Wandel kam es zu sozialen Umwälzungen, die bei den Angehörigen aller Geschlechter Sorge weckten. Das Thism verstärkte dieses Unbehagen, und dadurch kam es zu einer Art Rückkopplung. Daro'h war nicht in der Lage, das zu verhindern. Er konnte nur versuchen, dem Reich durch eigene Ruhe ein Beispiel zu geben.
Bevor Yazra'h die Pilger in Daro'hs Nähe ließ, machte sie mit ihren Isix‐
Katzen eine Runde durch den Audienzsaal und achtete darauf, dass man sie deutlich sah. Ihre Aufgabe bestand darin, den Erstdesignierten ebenso zu schützen wie zuvor den Weisen Imperator. Sie warf ihr langes Haar zurück beendete
und
den Rundgang. »Das Prismapalast scheint sicher zu sein, Erstdesignierter.«
318
Daro'h nickte mit steifer Förmlichkeit. »Danke.« Er stand auf und sah den wartenden Besuchern entgegen. »Na schön. Die erste Gruppe soll eintreten.«
Yazra'h winkte, und eine Flut von Besuchern strömte in den Saal. Daro'h begrüßte sie, doch seine Gedanken blieben ihnen fern. Er erkannte den Obersten Schreiber Ko'sh, als sich der Erinnerer mit ernster Miene dem Podium näherte. Ein förmlich gekleideter Angehöriger des Linsen‐
Geschlechts mit aufgemalten Symbolen an Schläfen und Stirn und einem glitzernden Medaillon in der Hand begleitete ihn. Ko'sh sprach, ohne vorgestellt zu werden. »Erstdesignierter, wir wenden uns an Sie, obwohl wir gehofft hatten, mit dem Weisen Imperator sprechen zu können.«
Daro'h hob die Hände. »All diese Leute wollen zum Weisen Imperator. Aber ich muss ihn vertreten.«
»Vielleicht ist das eine gute Sache«, entfuhr es dem Angehörigen des Linsen‐
Geschlechts. »Sie können unser Anliegen bei Ihrem Vater vortragen.«
Yazra'h bleckte empört die Zähne, als sie in den Worten Kritik an ihrem Vater zu erkennen glaubte. »Der Weise Imperator trifft seine eigenen Entscheidungen«, sagte Daro'h kühl. »Ich beeinflusse ihn nicht, sondern befolge seine Anweisungen.«
»Natürlich.« Ko'sh verbeugte sich. »Aber viele seiner jüngsten Entscheidungen sind seltsam und beunruhigend.«
Der Linsen‐Mann legte die Hände aneinander und hob sie mit dem prismatischen Medaillon zwischen ihnen vors Herz. »Viele Ildiraner fürchten sich und bitten uns um Rat. Wir wissen nicht, welche Antworten wir ihnen geben sollen.«
»Er hat Wände im Saal der Erinnerer einreißen lassen«, brachte der Oberste Schreiber bestürzt hervor. »Er b
i M
at zwe
änner ‐ einer von ihnen ein
Mensch! ‐, die Saga der Sieben Sonnen umzuschreiben.«
»Ich weiß. Alle Ildiraner wissen das.«
Angehöri
Der
ge des Linsen‐Geschlechts schien die Gereiztheit des Erstdesignierten nicht zu bemerken. »Und jetzt hat er 319
Ildira verlassen. Kein Weiser Imperator hat jemals eine Welt de n
r Mensche
besucht. Die grüne Priesterin verändert ihn.«
»Sie ist die Mutter von Osira'h, die eine wichtige Rolle dabei gespielt hat, uns vor den Hydrogern zu retten.«
»Ein Weiser Imperator sollte nicht um Verzeihung bitten!«, stieß Ko h
's
zornig hervor.
»Steht es Ihnen zu, darüber zu urteilen, was der Weise Imperator tun sollte?«, warf Yazra'h ein.
Daro'h fühlte einen Knoten in der Brust, als er über den Wortwechsel nachdachte. Er hörte ein Murmeln von den Pilgern und erinnerte sich daran, dass er stark sein musste. Ihm waren die gleichen Gedanken durch den Kopf gegangen, aber das durfte er als Erstdesignierter nicht zugeben. Es besorgte ihn vor allem, dass diese beiden Ildiraner ihre Bedenken so offen geäußert hatten, und deshalb unterbrach er sie. »Stellen Sie sich selbst eine wichtige Frage, bevor Sie noch mehr sagen: Vertrauen Sie dem Weisen Imperator, dem Oberhaupt unseres Volkes?«
Ko'sh und der Angehörige des Linsen‐Geschlechts sahen den Erstdesignierten verblüfft an. »
n wir
Natürlich vertraue
ihm. Er ist d
ise
er We
Imperator.«
Daro'h musterte sie einige Sekunden lang. »Dann vertrauen Sie ihm. Ihre Zweifel vibrieren durchs Thism und schwächen alle Ildiraner. Sie richten Schaden an und machen uns verwundbar. Gehen Sie jetzt und reden Sie nie wieder darüber«, sagt Daro'h scharf. Als Yazra'h vortrat und ihre Isix‐
Katzen die Stufen hinuntertapsten, zogen sich die beiden Männer schnell zurück.
Der Erstdesignierte blickte ins Sonnenlicht, wartete auf die Bittsteller und wünschte sich dabei Nachrichten von Tal O'nh, dem jungen Designieren Ridek'h oder den Scoutschiffen, die Jora'h mit dem Auftrag losgeschickt hatte, der kalten, dunklen Stille im Horizont‐Cluster auf den Grund zu n. Eine Mel
gehe
dung von ihnen war längst überfällig, und das beunruhigte Daro'h.
320
Er rieb sich die Schläfen und bemerkte den anerkennenden Blick seiner Schwester. Bevor der nächste Besucher auf Hörweite herankam, sagte Yazra'h leise: »Du hast die richtigen Worte gewählt, Erstdesignierter, obwohl ich nicht sicher bin, ob du wirklich an sie glaubst. Denk daran: Unser Vater leitet notwendige Veränderungen in die Wege. Er brach mit der Tradition, als er mich zu seiner persönlichen Leibwächterin machte ‐ a w s
ich für eine kluge Entscheidung halte.«
»Du hast recht. Aber ich werde den Gedanken nicht los, dass es die so plötzlich von unserem Vater veranlassten Veränderungen waren, die zur Rebellion des Designierten Rusa'h führten.«
113 # HYRILLKA-DESIGNIERTER RIDEK'H
Nach der Begegnung mit den Faeros bei Hyrillka kehrten die sechs Kriegsschiffe der Solaren Marine nach Hause zurück. Ridek'h beobachtete die Sterne vor den Schiffen, helle Punkte auf schwarzem Grund. Der Septa fehlte eine Einheit, so wie Ildira eine Sonne fehlte.
Im Thism hörten die Soldaten an Bord noch immer das Echo von Septar Jen'nhs Opfer, das den anderen Schiffen die Flucht ermöglicht hatte. Jen'nh hatte es für Ridek'h getan. Und der junge Designierte wusst r
e noch imme
nicht, womit er das verdient hatte.
Tal O'nh spürte den Aufruhr im Jungen. »Unsere Prioritäten haben sich verändert, aber Sie bleiben der
uns
Designierte. Sie sind
ere Verbindung
zum Weisen Imperator. Hyrillka gehört Ihnen, wie auch diese Schiffe.«
illk
»Hyr
a bedeutet nichts mehr. Dort sind alle tot.«
»Deshalb ist es so wichtig, dass wir nach Ildira zurückkeh 320
ren, um dem Weisen Imperator und Adar Zan'nh Bericht zu erstatten. Si e
müssen sich auf den Kampf gegen die Faeros vorbereiten.«
Nach der Flucht von Hyrillka waren die sechs Kriegsschiffe mit geringer Fahrt im interstellaren All gedriftet, während an Bord Notreparaturen durchgeführt worden waren, und jetzt kehrten sie endlich heim zum Prismapalast. Ildiras sechs Sonnen waren die hellsten Sterne auf dem Hauptschirm. Ridek'h konnte es gar nicht abwarten, nach Hause zu kommen. Dort erwartete ihn Sicherheit.
Als sich die Schiffe dem Ziel näherten, gewannen einige der Sterne an Leuchtkraft. Die helle
kte bewegten sich
n Pun
, tanzten wie die Funken eines
hwollen an...
Feuers. Sie kamen näher, sc
Es waren gar keine Sterne.
Tal O'nh gab sofort Alarm und wies die Besatzungen der sechs Kriegsschiffe an, die Gefechtsstationen zu besetzen. »Die Faeros! Die Faeros sind wieder da!«
Ridek'h schnappte nach Luft. »Aber wir sind ihnen mit dem Sternenantr ieb
entkommen. Wie konnten sie uns finden und hierherkommen?«
Das künstliche Auge des alten Tals funkelte im Licht der Bildschirme. »Sie brauchten gar nicht nach uns zu suchen. Rusa'h wusste, dass wir hierherwollten. Nach Ildira.«
»Wie können wir gegen sie kämpfen? Mit unseren Waf en ließ sich f
nichts
gegen sie ausrichten.«
»Wir fliehen. Volle Beschleunigung. An alle Schiffe: mit Höchstgeschwindigkeit nach Hause.«
Die Beschleunigung drückte Ridek'h gegen die Kommandobrüstung. Doch die riesigen Feuerkugeln näherten sich verblüffend schnell von allen Seiten
‐ es sah wie nach einer zuschnappenden Falle aus. Der junge Designierte hatte plötzlich das Gefühl, in einen Abgrund zu fallen, als ihn die feurigen ent
Elem
arwesen vom beruhigenden Netz des Thism trennten. Rusa'h und den Faeros gelang es irgendwie, alle Ildiraner an 321
Bord der sechs Schiffe zu isolieren. Die Soldaten im Kommando‐Nukleus stöhnten, und selbst Tal O'nh wankte. Alle fühlten sich verloren und desorientiert. Sie waren jetzt nicht mehr Teil des Netzes, das alle Ildiraner miteinander verband.
Ohne einen Befehl erhalten zu haben, änderte eins der Schiffe den Kurs und flog der Faero‐Barriere entgegen. Doch das große, verzierte Kriegsschiff konnte der enormen Hitze nicht standhalten. Einige Segmente schmolzen, und das Schiff brach auseinander. Schließlich explodierten die Ekti‐Ta ks n .
Durch den Tod des Kriegsschiffs schienen die Faeros noch größer zu werden, wie ein Feuer, in das man Holz geworfen hatte. Ridek'h wurde schwindlig bei der Vorstellung, wie viele Leben verloren gegangen waren, aber der erwartete Schmerz im Thism blieb aus. Eine ganze Raumschiffcrew tot, und er fühlte nichts! Die Faeros hatten die Seelenfäden de ldiran r I
er
durchtrennt und sich jene Leben genommen.
»Außenhüllentemperatur steigt«, meldete der Sensortechniker.
Die Flammen kamen näher und zwangen die umzingelten Schiffe, ihre Geschwindigkeit zu verringern. Ein feuriges Ellip‐soid näherte sich dem Flaggschiff, als wüsste es, dass sich der junge Designierte an Bord
.
befand
O'nh nahm seinen ganzen Mut zusammen, als er vor den abgedunkelten Hauptschirm trat. Alle Filter waren aktiviert, und sie absorbie t r en den
größten Teil des Lichts. Ridek'h zwang sich, keine Furcht zu zeigen.
Die gasartigen Außenbereiche der Faero‐Schiffe waberten wie Sonnenplasma. Entsetzt erkannte Ridek'h, dass die vielen Flecken und Konvektionszellen mehr bedeuteten als Temperaturunterschiede. Jede superheiße Blase an der Oberfläche war ein Gesicht, das gequälte Gesicht einer von den Faeros aufgenommenen verlorenen Seele. Ridek'h hätte fast aufgeschrien.
Dies hier waren die hellen Lebensfunken der auf Hyrillka getöteten enschaf
Wiss
tler, unter ihnen vermutlich auch der frühere Designierte Udru'h, von den Faeros auf Dobro umge
322
bracht. Hatten die flammenden Entitäten auch die Seelenfeuer de aten
r Sold
an Bord des Schiffes aufgenommen, das gerade zerstört worden war?
Ridek'h beobachtete, wie sich die fratzenhaften Gesichter im feurigen Wabern manifestierten, und begriff, dass die Faeros viel mehr Ildiraner verschlungen hatten, als bisher bekannt geworden war. Wie viele Planeten im Horizont‐Cluster hatten sie verbrannt? Wenn die Faeros ihre Opfer jedes Mal vom Thism trennten, konnte der Weise Im vom
perator nichts
wahren
Ausmaß der sich ausbreitenden Katastrophe wissen.
Rusa'hs donnernde Stimme kam aus den Lautsprechern des Kommunikationssystems. »Die Faeros brauchen eure Seelenfeuer. Ich habe ihren Hunger gedämpft und ihnen dabei geholfen, mehr zu werden, indem ich ihnen viele Leben meines früheren Thism‐Netzes gab. Jetzt bin ich stark genug, ildiranische Seelenfeuer dort aus dem Netz zu reißen, wo es mir gefällt. Ich könnte auch eure nehmen.«
Die Soldaten im Kommando‐Nukleus heulten vor Schmerz. Ihre Haut glühte, und die Knochen darunter brannten ‐ Flammenzungen leckten aus den Körpern.
Ridek'h und der alte Tal blieben unbetroffen. »Aufhören! Hör damit auf!«, rief der Junge, doch das Feuer griff weiter um sich. Mehr Besatzungsmitglieder verschwanden in den Flammen, aber der junge Designierte blieb unverletzt ‐ Rusa'h schien ihm nichts antun zu wollen. Er drehte sich um, sah brennende Soldaten an allen Stationen. Verm tlich u
geschah dies auch an Bord der anderen Schiffe. »Warum tust du das?«
»Weil ich es tun muss«, donnerte Rusa'hs Stimme. Draußen im All pulsierten die Feuerkugeln und nahmen die Seelenfeuer der Ildiraner auf.
Tal O'nh stand in hilflosem Zorn an der Kommandobrüstung und musste beobachten, wie seine Soldaten verbrannten. Die Konsolen schmolzen.
Schreiend verschwanden die letzten Besatzungsmitgl r im st
iede
inkenden
Rauch.
Schließlich erklang erneut Rusa'hs Stimme. Die Worte er 322
tönten im Kopf des Jungen und zischten aus dem noch funktionierenden Kommunikationssystem. »Was dich betrifft, Ridek'h... Dich lasse ich unversehrt. Du sollst meinem verdorbenen Bruder Jora'h Bericht erstatten.
Ich möchte, dass er genau weiß, was ihm bevorsteht. Nicht einmal das Ildiranische Reich kann mich aufhalten. Ich kehre zu dir zurück, wenn du bereit bist.«
In ohnmächtigem Zorn starrte Tal O'nh auf den Hauptschirm und konnte das Gesicht des verrückten Designierten in all dem Lodern und Wabern kaum erkennen. »Die Solare Marine wird Sie vernichten! Wir haben die Hydroger besiegt, und wir werden auch den Sieg über die Faeros erring
«
en.
Davon ließ sich Rusa'h nicht beeindrucken. »Soll unser Anblick e
Ihre letzt
und hellste Erinnerung sein.«
Direkt vor O'nhs Gesicht züngelte eine Flamme und verbrannte das eine Auge, das ihm geblieben war; ihr flackernder Schein spiegelte sich in dem anderen, künstlichen wider. O'nh wankte zurück, das Gesicht voller Brandblasen. Ein leises Stöhnen entrang sich seiner Kehle.
Ridek'h schrie. Alle Kriegsschiffe waren ausgebrannt, ihre Besatzungen tot.
Nur sein Mentor lebte noch, blind.
Die Faeros zogen sich zurück und schienen zu schrumpfen, als sie sich rasch entfernten. Ridek'h und O'nh blieben allein in der Leere des Alls zurück.
114 # NIRA
Ihre Heimat Theroc war so wundervoll, wie Nira sie in Erinnerung hatte, die Weltbäume ebenso prächtig, der Wald so groß und geheimnisvoll. Die neun Verdani‐Schlachtschiffe im Orbit waren atemberaubend und schufen eine Lücke in ihrer Formation, damit das Zeremonienschiff des Weisen Imperators passieren konnte. Jora'h brachte sie endlich nach Hause!
323
Das Kriegsschiff nahm die ganze Wiese ein, die Roamer‐Techniker als Landeplatz für besonderes große Schiffe vorgesehen hatten. Als Nira wieder vertrauten Boden betrat, fühlte sie sich wie neugeboren. In dem Moment, als theronischer Sonnenschein ihre grüne Haut berührte, verschwanden alle Sorgen um die Geschehnisse im Spiralarm aus ihrem Bewusstsein. Die Bäume! Die herrlichen Gerüche! Sie weinte.
Nira sah zu den Zweigen und Ästen hoch, beobachtete die bunt schimmernden Kondorfliegen. »Oh, ich hätte Osira'h mitbringen sollen«, sagte sie sehnsüchtig und wischte sich Tränen von den Wangen. »
eine
Alle m
Kinder.«
Jora'h nahm ihre Hand. »Du wirst sie hierherbringen. Dies ist auch ihre Welt. Sie verdienen es, Theroc selbst zu sehen.«
Nira hatte angeboten, seine Sprecherin zu sein, eine Art Botschafterin, doch der Weise Imperator hatte beschlossen, selbst Frieden mit dem König zu schließen. Sie hoffte, dass es den beiden Staatsoberhäuptern gelang, wieder Brücken zwischen ihren Völkern zu bauen, ungeachtet d reigni
er E
sse auf
Dobro.
Ildiranische Bedienstete verließen das Kriegsschiff, als Kon‐
föderationsdelegierte ‐ bunt gekleidete Roamer, halbnackte grüne Priester und in Prunkgewänder gehüllte theronische Repräsentanten ‐ zur Begrüßung eintrafen. Die ildiranischen Protokollbeamten in Begleitung des Weisen Imperators reagierten unsicher auf die ungewohnte Umgebung, waren aber ganz offensichtlich von den riesigen Weltbäumen beeindruckt.
Ohne viel Aufhebens lösten sich König Peter und Königin Estarra aus einer Gruppe von Würdenträgern und traten vor das Oberhaupt des Ildiranischen Reichs. »Estarra und ich werden unseren Besuch in Ihrem Prismapalast nie vergessen. Danke dafür, dass Sie uns die Ehre erweisen, hierherzukommen ‐
obwohl es unsere Baumstadt nicht mit Mijistra aufnehmen kann.«
Jora'h ahmte die Gestik der Menschen nach und streckte die Hand aus.
»Vergleiche sind nicht nötig. Ihre Welt hat ihre eigene Pracht.«
324
Anton Colicos und Erinnerer Vao'sh hatten sich den anderen Ildiranern hinzugesellt und staunten wie sie. Nira beneidete die beiden Männer und stellte sich vor, wie aufregend es sein musste, die gewaltigen Weltbäume zum ersten Mal zu sehen.
Es gab so viel zu sehen, so viele Erinnerungen aufzufrischen, so viele lokale Spezialitäten zu kosten ... Nach den beiden Angriffen der Hydroger und dem explosiven Wental‐Wachstum hatte sich praktisch alles verändert. Während jener Zeit war aus der verträumten Nira, die gern gelernt und Geschichten erzählt hatte, eine gequälte Frau geworden, die man gefangen gehalten und brutal missbraucht hatte. Jetzt schien ihre Jugend plötzlich zurückzukehren.
Mehrere grüne Priester bereiteten ihr einen herzlichen Empfang, umringten und berührten sie. Sie alle wussten, was sie auf Dobro durchgemacht hatte, und durch den Telkontakt hatte Nira sie darum gebeten, die Ildiraner nicht dafür zu hassen. Sie sah Jora'h an, ihr Gesicht voller Fragen, und er lächelte mit einer Anteilnahme, für die sie ihn noch mehr liebte. »Geh. Du solltes i
t be
den grünen Priestern sein. Mach dir keine Sorgen um mich.«
Nira schlang die Arme um den Stamm eines riesigen Weltbaums, berührte die goldene Borke und vereinte ihre Gedanken mit dem Verdani‐
Bewusstsein. In praktischer Hinsicht unterschied sich dies nicht von der Verbindung mit dem Schössling im Prismapalast, doch der physische Kontakt mit dem Weltbaum und die Präsenz von so vielen anderen Bäumen um sie herum gab der Erfahrung eine Intensität, an die sie sich in dieser Form nicht erinnerte.
Eine hagere junge Frau von etwa zwanzig Jahren trat Nira entgegen, auf der Stirn eine Akolythen‐Tätowierung. Sie hatte ein elfenhaft zartes Gesicht und trug das geflochtene Haar im Nacken zusammengebunden. Nira fühlte sich ie junge
an d
Königin Estarra erinnert und begriff, mit wem sie es zu tun hatte. »Sie sind die kleine Celli?«
324
»So klein bin ich nicht mehr! Möchten Sie mit mir zum Blätterdach hochklettern? Die meisten grünen Priester haben sich dort oben versammelt, und die Akolythen würden sich freuen, Sie zu sehen. Wir alle haben so viel von Ihnen gehört. Alle wissen, was Sie hinter sich haben.«
»Ich fürchte, ich habe euch nur einen Teil der Geschichte erzählt. Ich wollte vermeiden, dass es zu viel für euch wird.«
»Die Weltbäume möchten alles wissen. Und wir auch! Bald gehöre ich zu den grünen Priestern.«
Nira erinnerte sich daran, wie begeistert sie selbst als Ako‐lythin gewesen war. »Ich würde gern weitere grüne Priester und Schösslinge nach Ildira bringen. Dann wäre ich dort nicht mehr allein.«
Nira sah zu den Blattwedeln und dem einladend offenen Himmel hoch. Kraft strömte durch ihre Muskeln, und die Bäume boten ihren Händen und Füßen dort Halt, wo die Borke eben noch völlig glatt gewesen zu sein schien. Mit der Agilität eines jungen Mädchens kletterte sie empor, und Celli folgte ihr lachend.
Schließlich streckte Nira ihren Kopf über die höchsten Blattwedel hinaus und holte tief Luft. Jahre des Schmerzes und der Trauer fielen
.
von ihr ab
»Ich hatte ganz vergessen, wie wundervoll dies ist.«
Nach der Rückkehr zu Jora'h ‐ zu dem Mann, den sie liebte ‐, hatte Nira geglaubt, sie würde Ildira nie wieder verlassen. Sie war entschlossen gewesen, bis zu ihrem Tod an der Seite des Weisen Imperators zu bleiben.
Doch sie hatte das verlockende Lied des Weltwalds vergessen. Durch den Telkontakt berührte sie einen Ozean aus Gedanken, Wissen und Per‐
sönlichkeiten, und das alles erfüllte sie mit prickelnder, vitali‐sierender Energie.
Eine Gruppe von grünen Priestern, zu der Yarrod gehörte, saß abseits der anderen auf dem Blätterdach. Sie wirkten nicht in dem Sinne distanziert reserviert
oder
, schienen aber mit eigenen Dingen beschäftigt zu sein. Nira fragte sich, ob sie
325
durch den Telkontakt kommunizierten ‐ und dann fiel ihr ein, dass dies e
Priester vermutlich Kolkers Konvertiten hier auf Theroc waren.
Celli führte sie zu einigen Akolythen, die Nira voller Ehrfurcht ansahen.
Einige der grünen Priester kamen herbei und begrüßten sie. »Wir hatten große Angst um Sie und waren zornig auf das, was man Ihnen angetan hat, Nira. Anschließend waren wir erleichtert über Ihre Rettung. Wir möchten alle Einzelheiten erfahren. Der Weltwald muss alles wissen. Die ht
Geschic e
sollte gut erzählt und nie vergessen werden.«
Niras Kehle war trocken. »Ja. Ich muss sie vollständig erzählen. Und Sie sollen zuhören und alles weitergeben.« Sie blickte übers Blätterdach hinweg und lächelte. »Ich kenne einen guten Geschichtenerzähler, der mir helfen kann.«
Später am Abend, nach dem ersten Bankett in der Pilzriff‐Stadt, saß Anton Colicos nach einem aufregenden Tag wie benommen neben Vao'sh.
Während Jora'h ernste Gespräche mit König und Königin führte, gesellte sich Nira den beiden Historikern hinzu.
»Ich brauche ein Jahr, um dies alles zu verarbeiten«, sagte Anton. »Es ist einfach zu viel für mich.«
Vao'sh und er hatten den Tag damit verbracht, zusammen mit Jora'h und seinem Gefolge eine Besichtigungstour auf Theroc zu machen. Dabei hatten sie an extravaganten Willkommensfeiern teilgenommen, veranstaltet nicht nur vom königlichen Paar, sondern auch von Roamer‐Händlern und Repräsentanten früherer Hanse‐Kolonien, die inzwischen zur Konföderation gehörten.
»Was auch immer Sie nicht verstehen, ich bin in der Lage, es Ihnen zu erklären«, sagte Nira. »Ich kann Ihnen Dinge zeigen, von denen Sie nicht einmal zu träumen wagten. Doch vorher möchte ich Sie um einen Gefallen bitten. Es geht dabei um etwas, das für den
ltwal
We
d und die Geschichte
wichtig ist.«
Anton sah sie überrascht an. »Und das wäre?«
326
»Ich brauche jemanden, der sowohl Menschen als auch Ildiraner kennt und versteht. Sie beide können zusammenarbeiten. Und ich verspreche Ihnen, dass dies nicht so schwierig ist wie die Korrektur der Saga der Sieben Sonnen.« Anton und Erinnerer Vao'sh wechselten einen Blick. »Anton Colicos ... sind Sie bereit, meine Geschichte zu erzählen?«
Die Frage überraschte den Historiker von der Erde, das sah Nira ganz deutlich. Er schwieg eine Zeit lang und dachte über die Bedeutung ihres Anliegens nach. Die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt würde, bestimmte das Bild, das zukünftige Generationen von den Zuchtlagern auf Dobro gewinnen würden. Daraus ergaben sich auf Jahre hinaus Konsequenzen für die Beziehungen zwischen Menschen und Ildiranern.
»Es wäre mir eine Ehre«, antwortete Anton Colicos schließlich. »Eine große Ehre.«
115 # TASIA TAMBLYN
Das Timing musste sehr genau sein, denn sonst würde niemand von ihnen von Llaro entkommen. Es kam auf fehlerfreie Koordination an. Alles musste genau aufeinander abgestimmt sein; es durfte nicht der geringste Fehler passieren.
Im Sonnenschein des späten Nachmittags sah Tasia auf ihr Chronometer, überprüfte die Position und ging schneller. Nikko und sie mussten am vereinbarten Ort sein, bevor das Zwielicht zu düster wurde, und dann galt es zu graben ‐ wenn sie die versteckten Treibstofffässer tatsächlich fanden.
Zur gleichen Zeit musste Davlin eine andere Aufgabe erledigen. Robb würde sie abholen. Wenn das Timing klappte.
Inzwischen waren mehrere Roamer‐Techniker von den Llaro‐Überlebenden b
zur a gestürzten Osquivel zurückgekehrt und hatten begonnen, die wichtigsten Reparaturen durchzuführen
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und das Schiff wieder flugfähig zu machen. An Handbücher und dergleichen dachte dabei niemand; bei den Reparaturarbeiten musste improvisiert werden. Und Davlin Lotze hatte behauptet, den Rest erledigen zu können.
Seine Worte waren keine Angeberei; Tasia glaubte ihm.
Davlin, Nikko und sie hatten die weite Ebene am helllichten Tag durchquert, im Schutz großer Felsen und des hohen Grases, und sich der immer weiter wachsenden Klikiss‐Stadt genähert.
»Ich bezweifle, dass die Insektenwesen noch nach uns suchen«, sagte Davlin mit gedämpfter Stimme. »Die Domate haben die DNS der Gefangenen aufgenommen, und dadurch hat die Brüterin vermutlich bekommen, was sie wollte. Bisher haben die Klikiss den für sie unwichtigen Dingen keine Auf‐
merksamkeit geschenkt.«
»Es sei denn, wir rammen ihnen einen spitzen Stock in die Augen«, erwiderte Tasia.
»Das sollten wir besser nicht tun«, sagte Nikko leise.
Tasia spähte über einen kleinen, mit Distelkraut bewachsenen Hügel, um sich zu orientieren. In der nahen Insektenstadt waren ganze Heerscharen vielbeiniger Arbeiter damit beschäftigt, für die gewachsene Zahl der Klikiss neue Türme zu errichten und Tunnel zu graben. Tasia sah mehr Insektenwesen, als sie für möglich gehalten hätte. »Wenn das so weit rg e eht,
wächst ihre Stadt, bis sie den ganzen verdammten Planeten bedeckt.«
»Die Brüterin könnte Llaro auch aufgeben und mit der Absicht ins All ziehen, andere Subschwärme zu erobern«, meinte Davlin. »Wir kön n ne
immer hoffen.«
»In dem Fall wäre es mir ganz recht, wenn sich die Käfer beeilen und endlich verschwinden würden.«
Sie setzten den Weg fort, kletterten durch Senken, duckten sich hinter Felsen und schlichen durchs hohe Gras, verharrten schließlich dicht vor Außenbereich der Sta
dem
dt, wo die Klikiss patrouillierten. Davlin sendete ein kurzes Signal für Robb,
327
der sich weit hinter ihnen befand. »Von jetzt an
n
gehe wir getrennte Wege.
Viel Glück.«
»Folgen Sie Ihrem Leitstern«, sagte Tasia zu Davlin.
Davlin winkte kurz und huschte fort. Tasia verlor ihn schnell aus den Augen, als er sich den Ruinen der früheren Siedlung und dem Gerüst mit dem neuen Transportal unweit der Haupttürme näherte. Zwar bewegte er sich recht geschickt, aber Tasia fragte sich, wie er mit dem schweren Rucksack in die Stadt gelangen wollte, ohne dass ihn die Klikiss bemerkten. Doch das war sein Problem. Nikko und sie hatten sich die von DD projizierten topographischen Details eingeprägt.
»Wenn sich der Treibstoff an der von Davlin beschriebenen Stelle befindet, brauche ich zehn Minuten, um ihn zu entdecken«, sagte Tasia. »Von jetzt an.«
»Und anschließend sind noch einmal fünfzehn Minuten fürs Ausgraben nötig.«
Sie fanden den Steinhaufen mit der getarnten Markierung. Tasia und Nikko nickten sich zu und begannen damit, die Steine beiseitezuräumen und zu graben. Tasias Fingernägel brachen, und sie riss sich die Hände auf, aber sie achtete nicht auf den Schmerz. Zusammen mit Nikko grub sie weiter, hielt gleichzeitig nach Klikiss‐Scouts Ausschau und sah immer wieder aufs Chronometer. Schließlich hatten sie die oberen Teile der versiegelten Polymerfässer freigelegt. »Da haben wir doch einen vergrabenen Schatz gefunden.« Genug Standardtreibstoff, um Llaro zu verlassen ‐ wenn die Roamer die Osquivel wieder raumtüchtig machen konnten.
Nur dreißig Sekunden hinter dem Zeitplan. Davlin sollte seine Aufgaben jetzt fast erfüllt haben. Vermutlich bereitete er die letzten Sprengladun n ge
vor und stellte die Zünder ein.
»Ich löse die Fässer aus dem Boden. Du bringst die Anti‐gravmodule an.«
Nikko machte sich sofort an die Arbeit und zerrte die Fässer hin und er, it sie nicht mehr so fest im
dam
Boden saßen. Mit der schmutzigen Hand
wischte er sich
328
Schweiß von der Stirn. »Zum Glück brauchen wir diese Dinger nicht zu tragen.«
»Shizz, ich würde sie kilometerweit rollen, wenn es die einzige Möglichkeit wäre, sie zum Schiff zu bringen.« Tasia brachte die Module an und zog das erste Fass zusammen mit Nikko aus dem Boden. Dann deutete sie auf das zweite. »Weiter. Vergeuden wir keine Zeit.«
Es wurde immer dunkler. Robbs Stimme kam aus dem Kommunikator. »Bin unterwegs und in zwölf Minuten bei euch ‐ganz nach Plan, meine Damen und Herren.« Tasia glaubte, in ihrem ganzen Leben nicht under
s W
volleres
gehört zu haben.
Nikko sah zum Himmel hoch. »Das sind gute Nachrichten.«
»Nur wenn Davlin seinen Teil erledigt. Sonst sitzen wir in der Klemme.«
In der Ferne sah Tasia die kleinen schwarzen Silhouetten von Klikiss, die ihre Arbeit fortsetzten. Erneut prüfte sie die Anzeige des Chronometers.
»Warum braucht Davlin so verdammt lange?« In wenigen Sekunden sollten sie das Brummen des Remora‐Triebwerks hö
tenwe
ren, und die Insek
sen
würden das kleine Schiff sicher bemerken.
Plötzlich donnerten mehrere Explosionen in der Klikiss‐Stadt.
Orangefarbene Blitze zuckten, und weißer Rauch stieg hoch. »Da ist das Feuerwerk«, sagte Nikko.
»Wo bleibt Davlin?« Tasia trat unruhig vom einen Bein aufs andere und fragte sich, wie schnell der Mann laufen konnte. Wenn er nicht rechtzeitig kam ‐ rechnete er damit, dass sie auf ihn warteten? Tasia lehnte sich an die beiden Fässer und suchte einen guten Landeplatz für Robb. »Die Wirkung des Ablenkungsmanövers lässt schnell nach. Na los, Davlin! Und Brindle!«
Robb schien sie gehört zu haben: Begleitet von einem dumpfen Grollen raste der Remora heran, so dicht über dem Boden, dass er fast die Felsen das hohe Gras berührte
und
. Tasia sendete ein Peilsignal und warf zwei
helle Signalstäbe in
329
den Bereich, den sie als Landeplatz ausgewählt hatte. Sie hoffte inständig, dass die Klikiss das kleine Schiff nicht bemerkten und zu sehr mit Davlins Ablenkungsmanöver beschäftigt waren.
In der Stadt detonierten weitere Sprengsätze und töteten Klikiss‐Krieger, die gekommen waren, um Nachforschungen in Bezug auf die ersten Explosionen anzustellen.
Mit dem Schub der Manövrierdüsen schwebte der Remora über dem Boden und wirbelte bei der Landung Staub und kleine Steine auf. Robb sprang aus dem Cockpit und öffnete die Ladeluke. »Da bin ich, ob ihr bereit seid oder nicht. Habt ihr den Treibstoff?«
Mit den Antigravmodulen brachten Tasia und Nikko die Fässer nac v h orn.
»Schnell, schnell!«, rief Tasia.
Robb half ihnen, die Fässer im Frachtraum unterzubringen. »Wo ist Davlin?«
Kaum waren die Treibstofffässer verstaut, kletterte Nikko in den Remora, der nur noch das Nötigste enthielt. Tasia sah über die Schulter und versuchte abzuschätzen, wie viele Sekunden sie noch warten konnte n. Viele
waren es nicht. Mit wachsender Unruhe starrten sie alle in die Düsternis.
Davlin kam im Dauerlauf heran, war nicht einmal außer Atem und lächelte schief. »Die Klikiss sind beschäftigt. Wir können in aller Seel ruhe von hier en
wegfliegen.«
»Ich schlage vor, wir beeilen uns trotzdem«, erwiderte Tasia.
Als sie sich alle an Bord des Remoras befanden, zündete Robb das Triebwerk, ließ das kleine Schiff aufsteigen, nahm Kurs auf die Sandsteinklippen und beschleunigte. Soweit Tasia das feststelle nte,
n kon
hatten die Klikiss nichts bemerkt.
In der Stadt krabbelten die Insektenwesen wie Ameisen nach einem ngu
Rege
ss über die eingestürzten Türme und begannen mit dem Wiederaufbau.
329
116 # DENN PERONI
Tagelang saßen sie zusammengedrängt im Cockpit und steuerten einen Tanker voller Nebel‐Wentals, und nicht einmal wurde Denn Peroni brummig. Der grauhaarige Caleb Tamblyn hatte noch nie erlebt, d ass Denn
gleichzeitig so zufrieden und aufgeregt sein konnte.
»Ich habe Sie immer für einen knallharten Geschäftsmann gehalten, Denn.
Sie kalkulieren den Gewinn und bestimmen die profitabelsten Handelsrouten. Beim Leitstern, deshalb hat Del Kellum Sie doch gebeten, seine Werften zu verwalten, oder?«
»Das alles hat sich nicht geändert. Aber ich verstehe jetzt viel mehr und sehe Dinge, die mir vorher verborgen geblieben sind.« Denn lächelte vor sich hin. »Wenn ich alles richtig mache, kann ich noch höhere Gewinne erzielen und die Werften sowie meine Schiffe und Anlagen besser verwalten als jemals zuvor. Sie hätten sehen sollen, wie Tabitha Huck die Ildiraner in eine gut geölte Maschine verwandelt hat. Meine Güte, es kam einer Offenbarung gleich. Im Vergleich hiermit ist der Leitstern eine Kerzenflamme.«
»Wie Sie meinen. Aber fangen Sie bloß nicht damit an, Gedichte zu rezitieren oder dergleichen.«
»Wahrscheinlich könnte ich Sie nicht einmal bekehren, wenn ich das wirklich wollte, Caleb Tamblyn. Ihr Schädel ist zu dick für das Thism. Aber wenn Sie interessiert
. Ic
sind ..
h könnte jemanden finden, der es bei Ihnen
versucht.« Denn richtete einen hoffnungsvollen Blick auf Caleb.
»Nein, danke. Nicht nötig.«
Im Wasser des Tankers bildeten die aus ihrem langen Nebelexil zurückgeholten Wentals eine gemeinsame Lebenskraft. Die Wasserwesen waren als Teil einer Entität miteinander verbunden, aber es gab bei ihnen auch familienartige Untergruppen. Die wieder zum Leben erweckten Wentals wollten sich
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ausbreiten, ihr Wissen und ihre Kraft mit anderen teilen. Es war richtig gewesen, dass Jess und Cesca Denn mit dieser Aufgabe betraut hatten. Er fühlte sich dadurch geehrt.
Die Roamer hatten dem Vorschlag seiner Tochter zugestimmt, die neuen Wentals nach Jonah 12 zu bringen, damit sie sich mit den anderen Wentals vereinen konnten, die sich bereits dort befanden. Denn hatte sich unter dem Hinweis, die Wentals jetzt viel besser zu verstehen, bereit erklärt, mit Caleb aufzubrechen. Zu jenem Zeitpunkt war Caleb noch nicht klar gewesen, wie sehr sich der andere Roamer verändert hatte, und nun hatte Denn einen aufmerksamen Zuhörer.
»Wissen Sie, die Wentals sind Teil der Struktur des Universums«, fuhr er so fort, als wäre das Gespräch darüber gar nicht beendet worden, und eigentlich war es das auch nicht; es hatte nur eine Unterbrechung gegeben.
Denn nutzte jede Gelegenheit, auf sein Lieblingsthema zurückzukommen.
»Die Wentals d die Verdani sind wie zwei Seiten der gleichen Münze. Der Telkontakt der grünen Priester ähnelt Cescas Fähigkeit, mit den Wentals zu kommunizieren. Mit der Vereinigung von Telkontakt und Thism werden selbst unsere menschlichen Fähigkeiten, wie auch immer sie beschaffen sind, auf eine neue Stufe gehoben und ... Ach, Caleb, Sie können es nicht verstehen.«
Der alte Mann runzelte die Stirn. »Ich bin nicht überzeugt, dass mit Ihnen alles in Ordnung ist, Denn. Sie faseln.«
Denn vermutete, mit einem pragmatischen Argument mehr Wirkung auf Caleb erzielen zu können. »Denken Sie nur an die geschäftlichen Möglichkeiten. Wenn sich die Roamer wie grüne Priester miteinander verbinden könnten ... Stellen Sie sich das einmal vor. Wir könn neue
ten ganz
Märkte erschließen und viel besser als vorher zusammenarbeiten.«
»Ach? Und wie verhandelt man, wenn man nicht mehr bluffen kann?«
t
»So e was wäre nicht mehr nötig. Wir könnten Fluktuationen, Angebot und Nachfrage viel besser verstehen. Wir wären
331
imstande, bei unserer Kooperation eine enorme Wirtschaftlichkeit zu erreichen und eine große, mächtige Handelsgesellschaft zu bilden.«
»Groß und mächtig«, sagte Caleb. »Das sind zwei Worte, die garantiert mein Interesse wecken. Fügen Sie auch noch >lukrativ< hinzu, und Sie haben mich überzeugt.« Trotzdem blieb er skeptisch, als sie das Jonah‐System erreichten. »Als Nächstes versuchen Sie, mir eine Eismine auf einem Lavaplaneten zu verkaufen. Unsere Clans k men a
a
ll die Jahre gut zurecht,
weil sie dem Leitstern g
gt sin
efol
d.«
Denn lächelte. »Der Leitstern gehört dazu.«
Caleb verdrehte die Augen.
Wenige Momente später setzte ein Angriff der Faeros ihrem Gespräch ein Ende.
Fünfzehn lodernde Feuerkugeln näherten sich mit hoher Geschwindigkeit.
Jähe Panik erfasste Denn, der übe
e periphere Verbindung mi
r ein
t den
Wentals in den Frachttanks verfügte.
»Zum Teufel auch!«, entfuhr es Caleb.
Bildschirmfilter hielten den größten Teil des Lichts fern, als die feurigen Schiffe vor dem schwerfälligen Tanker schwebten. Schweiß perlte auf Denns Stirn ‐ die Temperatur stieg rasch, obwohl die Lebenserhaltungssysteme versuchten, sie konstant zu halten. Denn spürte nicht nur Furcht; er staunte auch. Wenn die Wentals und Weltbäume mit dem Thism verbunden waren, so mussten auch die Faeros dazugehören.
Er fühlte Gefahr und Chaos. Etwas Schreckliches bahnte sich an. »Caleb ...
Ich glaube, wir sind in Schwierigkeiten.«
In den Frachttanks wogten und pulsierten die Wentals. Denn spürte sie, wie ein beharrliches geistiges Pochen, aber er verstand sie nicht, wohl ob
die
neuen mentalen Fäden ihn mit allem verbanden.
»Was wollen die Faeros?« Caleb beugte sich vor und rief in den Kommunikator: »Hallo, Faeros ‐ wer auch immer Sie sind. Wir haben keine feindlichen Absichten. Bitte lassen Sie uns in
331
Ruhe.« Er sah Denn an und wusste nicht, was er sonst sagen sollte.
Die Wentals wurden immer unruhiger und wussten, dass sie zu wenige waren, um gegen die feurigen Entitäten bestehen zu können. Um sie ging es den Faeros, und aufgrund seiner besonde en Verbindung wus r
ste Denn:
Auch ihm drohte von den Feuerwesen Gefahr.
»In die Rettungskapsel mit Ihnen, Caleb.«
»Shizz, welchen Sinn hätte das? Die Faeros könnten sie e
schmelz n wie Eis in
einem Hochofen!«
»Sie haben es nicht auf Sie abgesehen. Sie wollen die Wentals.«
»Was haben die Wentals ihnen getan? Sie kümmern sich hier nur um i re h
eigenen Angelegenheiten.«
Denn stand auf, packte den anderen Mann mit unerwarteter Kraft und zerrte ihn vom Sitz. Mit einem Stoß schickte er Caleb in Richtung der kleinen Rettungskapsel; an der Luke fand de
te
r al Mann das Gleichgewicht
wieder. »Na schön, na schön! Kommen Sie mit!«
»Geht nicht. Die Faeros würden mir folgen.«
»Ich habe kleine Lust, dort draußen mitten im Nicht ein zu
s all
kämpfen!«
»Fliegen Sie nach Jonah 12. Es ist Ihre einzige Chance.«
»Jonah 12? Dort gibt es doch überhaupt nichts mehr ...«
»Wenn ich überlebe, kehre ich zurück und rette Sie. Wenn ich nicht überlebe ... Dann wären Sie ohnehin getötet worden.«
»Eine wundervolle Wahl.« Caleb blieb verwirrt und bestürzt, verzichtete aber auf weitere Einwände. Er schloss die Luke und kletterte in die Rettungskapsel.
Die Faeros kreisten den Tanker ein und konzentrierten sich auf die Wentals.
Denn fühlte es. Die Rettungskapsel startete, aber er nahm e ka s um zur
tnis. Am Ran
Kenn
d des Sonnensystems begann Caleb mit inem F
se
lug.
Allein im Tanker versuchte Denn, mit den brodelnden Wen 332
tals Kontakt aufzunehmen. Seine Kehle brannte. Die mentalen Fäden, die er als Thism erkannt hatte, als Echos des Telkon‐takts, wurden plötzlich heiß.
Die Faeros kamen noch näher und strahlten so hell, dass die Filter nicht mehr mit dem Gleißen fertig wurden. Wenigstens war Caleb entkommen.
Denn fühlte, wie etwas stärker wurde, etwas Unheilvolles, wie eine Flamme, die sich an einer Zündschnur entlangfraß. Seine neuen Verbindungen hatten für die Faeros eine Art Hintertür geöffnet. Auch sein Körper wurde heiß ‐
Blasen bildeten sich auf der Haut, die Augen tränten, und Dampf drang aus den Ohren. Er hob die Hände und sah, dass sie mit einem inneren Feuer glühten. Das Blut in den Adern schien zu kochen. Plötzlich ging r in e
Flammen auf und verbrannte von innen heraus.
Feuer verschlang den Tanker. Die Rumpfplatten schmolzen und verdampften. Als die Wentals zu kochen begannen, brach das Schiff auseinander, und das Wasser spritzte wie ein Geysir aus den Tanks.
Die Reste des Tankers explodierten, und übrig blieben nur Gas und glühende Trümmer. Der Wental‐Dampf breitete sich im Vakuum aus, doch Flammen wuchsen aus den Feuerkugeln der Faeros, fingen die Wasserwesen ein und zogen sie mit sich in die nächste Sonne.
117 # WEISER IMPERATOR JORA'H
Vor langer Zeit hatte Jora'h den wundervollen Weltwald besucht und Nira und Botschafterin Otema auf Ildira zurückgelassen, dummerweise davon zeug
über
t, dass sie dort sicher waren. Damals war er unschuldig und naiv gewesen, hatte nichts von den schrecklichen Dingen geahnt, die der Weise 333
Imperator Cyroc'h direkt vor seiner Nase anstellte. Bei der Rückkehr nach Ildira hatte sein Vater behauptet, Nira wäre tot. Eine Lüge.
Bei privaten Begegnungen sprachen das königliche Paar und der Weise Imperator über viele wichtige Dinge. König Peter und Königin Estarra waren ebenfalls Opfer politischer Intrigen geworden und erzählten von den Machenschaften des Vorsitzenden
il Wenzeslas. Einige Aktione
Bas
n des
Vorsitzenden erinnerten Jora'h an das, was sein Vater getan hatte.
Es gab noch schlimmere Nachrichten.
Voller Entsetzen gaben die grünen Priester einen Bericht weiter, den sie von Usk empfangen hatten, einer kleinen Kolonie, die es gewagt hatte, ihre Unabhängigkeit zu erklären. Tränen strömten Nira über die Wangen, als sie Jora'h schilderte, was ihr die Bäume gezeigt hatten: das schreckliche Blutvergießen, die Grausamkeit der TVF‐Soldaten, die Kreuzigung der fünf Ratsmitglieder. Jora'h war froh, nicht zur Erde geflogen zu sein, in der Erwartung, dass der Vorsitzende für die ganze Menschheit sprach
, so wie er
für das ildiranische Volk.
Der König und die Königin hatten mit inneren Schwierigkeiten zu kämpfen, so wie er gezwungen gewesen war, mit der Rebellion des verrückten Designierten im Horizont‐Cluster fertig zu werden. Und der Weise Imperator konnte ihnen helfen. Sie konnten sich gegenseitig helfen.
Am Tag nach den Förmlichkeiten, Empfängen und Banketten stand Jora'h mit seiner geliebten grünen Priesterin unter dem hohen Blätterdach.
Theronen, Roamer‐Händler, Besucher von Kolonien der Konföderation und weitere grüne Priester hatten sich versammelt, als der Weise Imperator seine Erklärung der Reue abgab. Es galt, die Wunden zu heilen und neue Brücken zu bauen, anstatt sie zu verbrennen.
König Peter trug einen förmlichen, aber bequemen Anzug, ein Kompromiss zwischen Uniform und königlicher Pracht. Estarra sah wundervoll aus in ihrem traditionellen theroni
333
sehen Gewand aus Kokonfasern. Ihr deutlich gewölbter Bauch erinnerte Jora'h daran, dass er nicht bei Nira gewesen war, als sie Osira'h zur Welt gebracht hatte ...
Erwartungsvolle Stille herrschte beim Publikum. Dies war der richtige Augenblick, alles ins Reine zu bringen. Nira beugte sich näher und hauchte:
»Ich liebe dich.« Damit gab sie ihm die Kraft, die er brauchte.
Jora'h erzählte ohne irgendwelche Ausflüchte von dem Zuchtprogramm auf Dobro, und dann machte er etwas, das kein Weiser Imperator vor ihm getan hatte: Er bat um Vergebung, für sich selbst und seine fehlgeleiteten Vorgänger. Grüne Priester wiederholten seine Worte im Telkontakt, damit überall bekannt wurde, was das Oberhaupt des Ildiranischen Reiches auf Theroc sagte.
Jora'h hielt Niras Hand und hob sie in einer Geste der Stärke und Solidarität.
»Das Ildiranische Reich hat keine Geheimnisse mehr, weder vor Ihnen noch vor unserem eigenen Volk. Ich kann nur hoffen, die schmerzliche tten
n Scha
der Vergangenheit durch das Licht der Wahrheit vertreiben zu können.
«
König Peter überraschte den Weisen Imperator, indem er seine andere Hand ergriff. »Wir alle sind von dem vergangenen Krieg und früheren Fehlern geschwächt. Durch das unkluge Verhalten unserer Vorgänger waren wir in schlimmen Situationen gefangen.«
»Ich möchte, dass unser Kind in einem Spiralarm der gegenseitigen Hilfe aufwächst«, fügte die Königin hinzu. »Unsere Völker stehen noch immer vielen Feinden gegenüber... schrecklichen Feinden.«
Jora'h wusste, dass die Königin vor allem den Vorsitzenden Wenzeslas und die Reste der Terranischen Hanse meinte, während er selbst vor allem an die Faeros dachte. Wie sollte es seine geschwächte Solare Marine mit solchen Widersachern aufnehmen? Hinzu kamen die Klikiss, die eine Gefahr sowohl für Menschen als auch für Ildiraner darstellten.
334
»Lassen Sie uns ein Bündnis schließen«, sagte Jora'h. »Men‐chen und Ildiraner, Ihre Konföderation und mein Reich.« »Ja«, sagte König Peter. »Wir brauchen uns gegenseitig.«
118 # STELLVERTRETENDER
VORSITZENDER ELDRED CAIN
Das Massaker auf Usk war so schrecklich gewesen, wie es der Vorsitzende versprochen hatte, und er schien damit sehr zufrieden zu sein. Cain und Sarein saßen im Verwaltungszen‐' um der Hanse und sahen sich den Bericht an, den General Lanyan mitgebracht hatte. Lanyan selbst war nicht zugegen, was auf den ausdrücklichen Wunsch des Vorsitzenden zurückging. Draußen flogen bunte Zeppeline über den Palastdistrikt, und nichts schien ihre Ruhe stören zu können.
Cain fühlte Übelkeit. Sarein und er konnten den Blick nicht von den Bildern abwenden, die ihnen die gekreuzigten Ratsmitglieder und niedergebrannte Häuser zeigten, totes Vieh und zerstört Obstgärten. Sarein war den Tränen nahe.
Der Vorsitzende wartete auf das Ende des Vidfilms und sah durch das Panzerglas des Bürofensters über die Stadt hinweg und runzelte die Stirn.
Wenn er Zustimmung und gar Applaus erwartet hatte, so wurde er enttäuscht. Schließlich wandte er sich wieder dem Tisch zu und schenkte dem Entsetzen in den Gesichtern von Cain und Sarein keine Beachtung.
»Eine traurige Situation hat mich gezwungen, so bedauerliche Maßnahmen zu ergreifen, aber wenigstens haben wir unser Ziel erreicht. Die Mission war ein Erfolg; Hanse und TVF gehen gestärkt daraus hervor.«
»Vorsitzender ...«, sagte Cain mit rauer Stimme. »Wenn Sie diese Bilder der Öffentlichkeit zeigen, kommt es zu Unruhen.«
335
»Nein, sie werden die Bürger dazu bringen, sich endlich zu‐
sammenzureißen! Wir haben alles vorbereitet und klare Erklärungen abgegeben. Jetzt werden letzte Zweifel ausgeräumt.« Der Vorsitzende streckte die Hand aus und deaktivierte die Projektion. Sarein starrte auf den plötzlich leeren Tischschirm. »Außerdem habe ich das Bildmaterial bereits an die Medien weitergegeben.«
Cain setzte sich so abrupt auf, dass sein Stuhl fast kippte. »Das ist unklug, Sir! Sie wollten mich das Material doch bearbeiten lassen. Es sollte Teil einer neuen Verlautbarung werden.«
Basil hob und senkte die Schultern. »In seiner gegenwärtigen Form bin ich damit zufrieden. Die Bilder sprechen für sich selbst und bieten einen klaren Hinweis darauf, dass sich die Lage für uns zum Besseren wendet. Usk gehört wieder zur Hanse.«
»Und wie viele Menschen mussten dafür sterben?« Sarein konnte es kaum fassen. »Glaubst du wirklich, deine Ziele zu erreichen, indem du unschuldig
a
e, wehrlose B uern umbringen lässt? So etwas bringt d e
ir kein
Loyalität ein.«
»Die Bilder werden uns Respekt einbringen«, erwiderte der Vorsitzende unbeeindruckt. »Es tut mir leid, dass du das nicht verstehst. Wir haben die übrigen Kolonien daran erinnert, welche Macht die Hanse hat. Wir haben ihnen gezeigt, dass es Konsequenzen nach sich zieht, wenn sie sich über Vereinbarungen hinwegsetzen. Dies ist kein Spiel. Wenn ich dafür sorge, dass auf den abtrünnigen Kolonien alle Einzelheiten bekannt werden, überlegen sie es sich bestimmt genau, ob sie die Han verlassen
se wirklich
wollen. Wer soll sie beschützen? Peter und seine Bäume?«
Draußen im Palastdistrikt sprach der Erzvater zu einer großen Versammlung. Cain hörte zornige Stimmen, als die Menge auf die t
über riebenen Worte und absurden Behauptungen reagierte. Er hatte einen Entwurf der Rede gelesen und dabei immer wieder den Kopf geschü t
ttel .
335
Basil zog die Anzugjacke glatt und überprüfte sein Erscheinungsbild in einem kleinen Spiegel an der Wand. Er war nicht eitel; er verlangte nur bei allem Perfektion, auch bei sich selbst. »Als Vorsitzender bedauere ich viele Entscheidungen. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe, und der größte davon bestand darin, dass ich zu nachsichtig gewesen bin. Ich habe zu lange mit der Entscheidung gewartet, unsere Macht zu zeigen. Wenn ich nicht gezögert hätte, wenn ich bereit gewesen wäre, sofort zuzuschlagen, als sich die ersten Kolonien von uns lossagten ... Dann wäre die Hanse stark geblieben.« Er nickte wie ein kleiner Junge, der ernste Schelte hinter sich hatte. »Ja, das bedauere ich wirklich.«
Sarein gab sich alle Mühe, einen neutralen Gesichtsausdruck zu wahren und ihr Entsetzen nicht zu deutlich zu zeigen. Cain sah die Bilder des Massakers noch immer vor dem inneren Auge: Tod und Zerstörung dort, wo zuvor blühende Obstgärten und friedliche Gehöfte gewesen waren.
Basil Wenzeslas blickte auf den leeren Tischschirm und schien dort etwas zu sehen, das den anderen verborgen blieb. »Meine eigenen Leute überraschen mich immer wieder. Erfolg und dann Fehlschlag. Erst das eine und dann das andere, immer wieder, wie bei Dingen, die ein Zauberkünstler erscheinen und wieder verschwinden lässt. Manchmal ist es so absurd, dass ich lachen könnte.« Er berührte die Schaltflächen, und neue Bilder erschienen. Wenzeslas betrachtete sie, nickte grimmig und schien ganz auf sie konzentriert zu sein.
»Ich habe Admiral Willis mit zehn Manta‐Kreuzern losgeschickt, damit sie die Kontrolle über Rhejak übernimmt. Und was macht sie? Sie schickt mir eine Rechnung! Sie erwartet allen Ernstes, dass die Hanse für Warenlieferungen von unserer eigenen Kolonie bezahlt. Willis hat den Siedlern Zugeständnisse gemacht und glaubt, wir sollten Geld für etwas aus‐
geben, das der Hanse bereits gehört.« Er verdrehte g
die Au en und
unterstrich damit die Absurdität einer solchen Annahme.
»Möchten Sie, dass ich Ihnen bei der Darstellung der Rhe 336
jak‐Situation helfe?« Cain räusperte sich nervös. »Soll ich mich mit einer sorgfältig formulierten Erklärung an die Medien wenden?« Vielleicht konnte er die Sache noch irgendwie retten und verhindern, dass eine Katastro phe
wie Usk daraus wurde.
»Es ist ein klarer Fall: eine weitere rebellische Hanse‐Kolonie. Uns gehört alles, was sie produziert. Ich hätte Willis ihr Kommando nehmen sollen, habe aber beschlossen, ihr eine zweite Chance zu geben. Das war ein Fehler, wie sich jetzt herausgestellt hat.«
»Und was wollen Sie unternehmen, Vorsitzender?« Cain musterte den eleganten Mann, ohne auf den Schirm zu sehen, der ihnen die Bilder des Usk‐Massakers gezeigt hatte.
»Keine Sorge. Ich habe bereits General Lanyan beauftragt, sich um alles zu kümmern. Auf Usk haben wir einen neuen Ton für all die Mistkerle angeschlagen, die die Hanse in den Untergang treiben wollen. Der General wird Admiral Willis zur Rede stellen und alles tun, was erforderlich ist, um Rhejak ‐und die Admiralin ‐ zur Räson zu bringen.« Basil Wenzeslas faltete die Hände. »Anschließend haben wir noch bessere Bilder für die Medien.«
Er sah erst Sarein an, richtete dann einen durchdringenden Blick auf Cain.
»Noch irgendwelche Fragen?«
Cain antwortete, bevor Sarein etwas sagen konnte, das sie später bereute.
»Nein, Sir.«
In seine Wohnung zurückgekehrt saß Cain in herrlicher Stille und betrachtete ein perfekt beleuchtetes Gemälde. Das Meisterwerk spendet e
ihm Trost in einem Universum, das völlig verrückt zu sein schien.
Er atmete tief durch und versuchte sich vorzustellen, in dem Gemälde zu verschwinden. Veläzquez war ein Genie, zweifellos Spaniens größter Maler.
Cain konnte sich gar nicht satt sehen an seinen Darstellungen, an den Farben und nuancierten Pinselstrichen.
h seine Gedan
Doc
ken kehrten immer wieder zum Vorsitzenden Wenzeslas zurück. Die Bilder von Usk wühlten ihn
337
mehr auf als die beunruhigendsten Gemälde Goyas. Der Titan Saturn, der seine Kinder verschlang. Cain befürchtete, dass weitere Katastrophen er
dies
Art bevorstanden.
Er verlor das Gefühl für die Zeit und stellte schließlich fest, dass mehr als eine Stunde vergangen war. Langsam stand er von der Sitzbank auf und streckte den schmerzenden Rücken. Er hatte die Wohnung bereits überprüft und sich vergewissert, dass es keine Abhörvorrichtungen gab, woraus er schloss: Basil Wenzeslas hielt seinen Stellvertreter nicht für einen Verräter ‐ noch nicht.
Er stellte eine sichere Verbindung zu Captain McCammon her, von dem er wusste, dass er derzeit nicht im Dienst war. »Haben Sie die Relaisstationen vorbereitet, Captain?«
»Ja, Mr. C
örig
ain. Mehrere Angeh
e der königlichen Wache haben mir dabei
geholfen.«
»Und Sie vertrauen ihnen?«
»Soweit man anderen Leuten trauen kann. Ihnen sind gewisse Details in Hinsicht auf die Flucht von König Peter und Königin Estarra bekannt. Das würde genügen, mich um Kopf und Kragen zu bringen«, sagte McCammon mit einem Hauch von schwarzem Humor. »Wenn es ein schwaches Gli ed
gäbe, hätte ich es inzwischen bemerkt.«
»Gut. Es wird Zeit, die Nachricht so weit wie möglich zu verbreiten. Der Vorsitzende versucht, das zu verhindern, und wir halten dagegen. König Peter wird Gelegenheit bekommen, zu den Bürgern der Erde zu spr hen, ec
und sie werden ihm glauben.«
»Daran zweifle ich nicht, Sir. Aber mit welcher Reaktion echne r
n Sie?
Gla ben Sie, da
u
ss es zu einem spontanen Aufstand
t?«
komm
n. Vermutlich mü
»Nei
ssen wir ein bisschen nachhelfen.«
337
119 # ADMIRAL SHEILA WILLIS
Willis hielt ihr Wort und sorgte dafür, dass sich die TVF‐Soldaten nicht groß in die Angelegenheiten der Rhejakaner einmischten. Sie gestattete Hakim Allahu, mit den Roamern Handelsvereinbarungen in Hinsicht auf weniger wichtige Waren zu treffen, während die TVF eine Schiffsladung Prioritätsgüter vorbereitete ‐ die Produkte sollten zur Erde gebracht werden, sobald eine vom Vorsitzenden autorisierte Zahlungsanweisung von der Hanse eintraf.
Die Admiralin stand am Rand der künstlichen Insel und beobachtete, wie die bunten Fische im Wasser schwammen und die Algen fraßen, die an den Pontons wuchsen. Willis hatte beobachtet, wie ihre Soldaten heimlich Nahrungsbrocken ins Wasser warfen, um die Fische zu füttern.
Es war zu keinen weiteren Sabotageakten gekommen ‐ Rhe‐jaks Obrigkeit wachte mit scharfen Augen über die Bürger. Willis hatte deutlich zu verstehen gegeben, dass Kooperation für alle am besten war. Die drei jungen Männer hatten eine Woche in der Arrestzelle eines Manta‐Kreuzers verbracht, und Conrad Brindle schien sie dort so eingeschüchtert zu haben, dass sie gar nicht mehr daran dachten, irgendwelchen Unsinn anzustellen.
»Ich verabscheue es, wenn normalerweise gute Jungs auf die falsche Seite geraten«, hatte Brindle geknurrt. Willis fragte sich, auf welche konkrete Erfahrung sich seine Worte bezogen. Sie kannte seinen Sohn Robb
, der
immer ordentliche Arbeit geleistet hatte.
Als ein hagerer junger Roamer namens Jym Dooley mit unerwarteten Nachrichten kam, brachte Allahu ihn zu Willis auf die Pontoninsel. »Admiral, der Konflikt ist fast vorbei! Wenn der Vorsitzende weiß, was für die Erde gut ist, muss er sich irgendwie mit uns arrangieren.«
»Das ist eine recht kühne Bemerkung, Mr. Allahu. Unser junger Roamer hier sollte mich erst mal informieren.«
338
Dooley hatte zerzaustes Haar und schien immer der Panik nahe zu sein. Er war knochig, blass und vierundzwanzig Jahre alt, und ein brauner Bartflaum ließ seine Wangen schmutzig erscheinen. »Ma'am, der Weise Imperator hat die Konföderation anerkannt und ist nach Theroc geflogen, um dort mit dem König zu sprechen. Er und Peter haben ein Bündnis vereinbart.«
Willis atmete tief durch. Die meisten von der Hanse im Stich gelassenen Kolonien hatten sich bereits der Konföderation angeschlossen, ebenso die Roamer und natürlich die Theronen. Jetzt kam auch noch das Bündnis mit den Ildiranern hinzu. Die Admiralin sah Allahu an und nickte. »Sie haben recht. Es klingt so, als sollte der Vorsitzende Schadensbegrenzung be‐
treiben.«
»Glauben Sie, er wird entsprechende Entscheidungen treffen?«, fragte Allahu. »Das bezweifle ich sehr.«
»Wissen Sie, was die Tiwis auf Usk angerichtet haben? Ich schätze, damit verspielt die Hanse ihre letzten Sympathien bei den Kolonien.«
Willis runzelte die Stirn. »Wir haben schon seit einer ganzen Weile keine offiziellen Berichte mehr empfangen. Was ist auf Usk passiert?«
»Tiwi‐Schiffe haben die Siedlung zerstört, weil die Leute dort die Charta der Hanse zerrissen«, stieß Dooley atemlos hervor. »Fünf Ratsmitglieder wurden gekreuzigt. Und das alles nur, um die Macht der Hanse zu demonstrieren. Verdammte Mistkerle!«
»Sie übertreiben bestimmt. General Lanyan würde so etwas nicht en.«
zulass
»Nicht zulassen? Er war dabei. Er hat die ganze Aktion geleitet.«
Wi s hat
lli
te genug von Gerüchten und Übertreibungen. »Ich glaube kein Wort davon.« »Glauben Sie, was Sie wollen. Ist mir völlig egal.«
339
Dooley kehrte zu seinem Schiff zurück, das wie ein großer Treibstofftank mit Leitwerken und mehreren angeschweißten Frachtkapseln aussah. Der Roamer belud sie rasch mit Handelsware ‐ Meeres fruchte und konzentrierter Tangextrakt ‐und startete.
Eine knappe Woche zuvor, als das erste neu eingetroffene Handelsschiff Startvorbereitungen traf, hatte Willis alles überprüft, um ganz sicher zu sein, dass keine Waffen nach oder von Rhejak geschmuggelt wurden. Dem Roamer‐Piloten war das gar nicht recht gewesen, und die Soldaten hatten einen kleine Vorrat an Riffperlen gefunden, von denen nichts auf der Frachtliste stand. Willis hatte den Piloten mit einer strengen Verwarnung starten lassen. Soweit es sie betraf, kam Riffperlen nicht mehr strategische Bedeutung zu als einigen Fischsteaks, und ihre Nachsicht brachte ihr Pluspunkte bei den Rhejakanern ein. Seitdem wagen sich auch einige andere Roa‐mer‐Händler nach Rhejak zurück, trotz der Manta‐Kreu zer im
Orbit.
Willis lehnte sich im Liegestuhl zurück und beobachtete, wie Dooleys voll beladenes Schiff aufstieg, als sich Commander Brindle über den Kommandokanal mit ihr in Verbindung setzte und ihre Ruhe störte.
ira
»Adm
l, ich habe gute Nachrichten. General Lanyan ist gerade eingetroffen
‐ mit Ihrem Moloch.«
»Die Jupiter? Hier?« Willis setzte sich auf, und der Liegestuhl protestierte mit einem Knarren. »Was führt den General hi
wurde
erher? Warum
mir
sein Kommen nicht angekündigt?«
»Er möchte mit Ihnen reden und klang nicht sehr erfreut.«
»Er kann mir sagen, was ihm gegen den Strich geht, wenn er hier eintrifft.«
Willis stand auf und betrat die Kommunikationsstation der künstlichen Insel. Einige Monitore zeigten dort von Satelliten in der Umlaufbahn enom
aufg
mene Bilder. Die zehn Mantas setzten ihre Patrouille über Rhejak fort, nur der Form halber. Ein Bildschirm zeigte den Moloch, der mit 339
Höchstgeschwindigkeit heranraste wie ein von Harpunieren verfolgter Wal.
»Etwas scheint ihm ganz gehörig gegen den Strich zu gehen«, murmelte die Admiralin.
Dooleys Frachter änderte den Kurs, als er die Atmosphäre des Planeten verließ. »Was macht der Moloch hier?«, fragte der besorgte Pilo r Funk
t pe
.
»Habt ihr Tiwi‐Halunken mich in eine Falle gelockt?«
»Das Schiff ist gerade eingetroffen«, erwiderte Willis. »Mit meinem Vorgesetzten an Bord.«
»Roamer‐Frachter, bleiben Sie dort und bereiten Sie sich darauf vor, Soldaten an Bord zu nehmen«, sendete Lanyan. »Ich stel ie hi
le S
ermit unter
Arrest. Ihre Fracht ist beschlagnahmt.«
»Zum Teufel auch.« Willis wandte sich an den jungen Kom‐
munikationsoffizier. »Verbinden Sie mich auf der Stelle mit Lanyan.«
Der hagere Dooley schien diesmal wirklich in Panik zu geraten, änderte mehrmals den Kurs, beschleunigte und entfernte sich von den zehn Mantas.
Die bereits mit voller Geschwindigkeit fliegende Jupiter jagte an den Kreuzern vorbei und folgte dem kleinen Roamer‐Schiff. »Lassen Sie mich in Ruhe!«, kam Dooleys brüchige Stimme aus dem Kom‐Lautsprecher. »Beim Leitstern, ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Ich ...«
Ohne Warnung eröffnete die Jupiter das Feuer. Willis beobachtete, wie der Ortungsreflex des Frachters vom Bildschirm verschwand, als mehrere Jazer‐Strahlen das kleine Schiff trafen. Ganze fünf Sekunden lang fehlten ihr die Worte. Schließlich drückte sie die Sendetaste und rief: »Verdammt, General, was fällt Ihnen ein? Das war ein ziviles Schiff, und es hatte meine ausdrückliche Starterlaubnis.«
Lanyans selbstgefälliges Gesicht erschien auf dem Schirm. »Zum Glück bin echt
ich r
zeitig eingetroffen, um es abzufangen. Jener Mann war zweifellos ein Agent der Roamer, ein gegnerischer Kombattant.«
340
»Ein gegnerischer Kombattant? Er war ein Händler mit gefüllten Frachträumen! Ich war selbst anwesend, als er die Waren einlud.« Will s i
fühlte sich elend.
»Haben Sie vergessen, dass wir Krieg gegen die Roamer führen? Meine Befehle kommen direkt vom Vorsitzenden Wenzeslas ‐ wie die Ihren. Ich sende einen Vidfilm‐Bericht meines jüngstens Einsatzes auf einer Rebellenwelt namens Usk. Die Position der Hanse hat sich geändert. Aus Nachsicht und Milde ist Strenge geworden. Von jetzt an hat die Einheit der Hanse Vorrang.«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Vorsitzende jemals eine Politik der Nachsicht und Milde verfolgt hat«, sagte Willis.
Aber Lanyan hatte bereits damit begonnen, Bilder vom Usk‐Pogrom zu senden. Willis sah TVF‐Soldaten, angreifende Remoras, brennende Getreidefelder und Obstgärten, abgeschlachtetes Vieh und Kolonisten, die getötet wurden, als sie zu ihren in Flammen stehenden Häusern und Gehöften liefen. Der junge Kommu
en ihr erb
nikationsoffizier neb
leichte und
übergab sich.
»Amen«, sagte Willis. »Aber wischen Sie es bitte weg.«
Lanyans lächelndes Gesicht kehrte auf den Bildschirm zurück. »Wir haben das auf einem offenen Kanal gesendet, Admiral. Sorgen Sie dafür, dass alle Gelegenheit bekommen, die Bilder zu sehen. Der Vorsitzende glaubt, dass wir vielleicht auch auf Rhejak ein solches Exempel statuieren müssen. Ihre Rechnung für das Material, das Sie für die Hanse beschaffen sollten, hat ihn nicht amüsiert. Sie haben mehrmals gegen die Vorschriften verst en, oß
was
ich zum Anlass nehmen könnte, Sie Ihres Kommandos zu enth
«
eben.
»Von wegen«, murmelte Willis, wahrte aber eine steinerne Miene.
»Ich bin auf dem Weg zu Ihnen«, fuhr Lanyan fort. »Treiben Sie die häupter von Rhejak zu
Ober
sammen. Ich möchte den Verwalter der
sogenannten Fabrik sprechen, auch den Regie
341
rungschef des Planeten, wenn es einen gibt, und alle anderen Le ute, die
wichtig genug sind, Verantwortung zu tragen.«
Willis konnte ihre Einwände nicht länger zurückhalten. »Dies ist nicht richtig, General Lanyan. Diese Leute haben ganz legitim eine neue Regierung gebildet. Sie haben hier keine Befugnisse.«
»Zehn Mantas und ein Moloch geben mir alle Befugnisse, die ich brauche.
Nehmen Sie Kontakt mit den genannten Personen auf, Admiral. Wen ich n
bei Ihnen eintreffe, veranstalten wir eine Gemeindeversammlung.«
Willis unterbrach den Funkkontakt und rief: »Verdammter Mist!« Sie wandte sich an den immer noch sehr bleichen Kommunikationsoffizier.
»Stellen Sie eine gesicherte Verbindung zu meinen Mantas her. Fordern Sie Lieutenant Commander Brindle auf, die Crew zu drillen und die Gefechtsstationen besetzen zu a
l ssen. Lassen Sie ihn in dem Glauben, dass
alle für den General auf Zack bleiben sollen.«
»Was haben Sie vor, Admiral?«
»Ich weiß es noch nicht, möchte aber für alles bereit sein. Bringen Sie Hakim Allahu und Drew Vardian wie vom General verlangt hierher. Holen Sie anschließend alle Soldaten, damit wir ein Begrüßungskomitee zusammenstellen können.« Der junge Mann wankte sofort los, doch Willis rief ihn zurück. »Zuerst machen Sie das hier sauber.«
120 # TASIA TA MB LYN
Sie hatten genug Standardtreibstoff aus Davlins Versteck geholt, und den Roamer‐Technikern war es gelungen, die Osquivel für den Start ubereit
vorz
en. Es gab keinen Grund zu warten. Keine Abschiedsszenen, nur weg. Während der vergangenen beiden Tage hatte Tasia zusam 341
men mit Robb, Nikko und Davlin den geplatzten Tank des Schiffes repariert.
Mit roher Gewalt hatten sie alles zurecht‐gehämmert und in einen raumtüchtigen Zustand versetzt. Sie mussten Llaro verlassen, bevor Klikiss von dem vor kurzer Zeit erweiterten Subschwarm kamen und sich die Absturzstelle ansahen.
Die Flüchtlinge bei den Sandsteinklippen wollten so schnell wie möglich aufbrechen. Sie wussten, dass ihre Vorräte nicht lange reichten. Tasia war außerdem sicher, dass bald jemand einen Fehler machte, und dann würden die Klikiss‐Patrouillen sie entdecken.
Draußen im abgelegenen Trockental pumpte Davlin Lotze mit einer improvisierten Handpumpe den Treibstoff aus den Fässern in den reparierten Tank des Schiffes, und er fügte ihm die letzten Tropfen aus dem Remora hinzu. Zusammen re chte di
i
e Menge, um die Flüchtlinge von Llaro
fortzubringen.
Nikko ging mehrmals um die Osquivel und vergewisserte sich, dass alle Risse und Lücken in der Außenhülle geschlossen waren. Robb kletterte ins Cockpit und nahm dort die letzten Überprüfungen vor. DD und Orli, die nur selten von der Seite des Freundlich‐Kompi wich, folgten ihm ins Schiff. Tasia nahm neben Robb Platz, als er das Triebwerk testete ‐ es reagierte mit einem sehr lauten und befriedigenden Donnern.
Der schmutzige Nikko strahlte. »Es funktioniert! Es funktioniert!«
»Schließen Sie die verdammt Luke, damit wir die Drucksiegel überprüfen können«, sagte Tasia. »Wenn wir im Orbit sind, möchte ich kein Klebeband benutzen müssen, um kleine Löcher abzudichten.«
»Ich bin gern bereit, bei den Kontrollen zu helfen«, sagte DD. »Bitte sagen Sie mir, wie ich mich nützlich machen kann.« Der Freundlich‐Kompi hatte bei der Neuprogrammierung der Steuerungssyst
werk
eme des Trieb
s gute
Die ste
n
geleistet.
»Ich bleibe hier und störe niemanden.« Orli beobachtete alles.
342
Die Anzeigen blieben im grünen Bereich. Die Rumpfsensoren stellten fest, dass keine Luft entwich. Tasia klopfte Nikko auf die Schulter und umarmte Robb. »Alles bestens!«
»Sind wir so weit?«, fragte Orli und setzte sich auf. »Davlin hat t
den Leu en
gesagt, dass es noch ein oder zwei Tage dauern würde.«
Lotze wandte sich mit einem ruhigen Lächeln an si . »
e Ich wollte keine
falschen Hoffnungen wecken und ihnen eine neue Enttäuschung erspa
.«
ren
»Wir könnten zur Höhle fliegen«, schlug Nikko vor.
Tasia sah ihn an und runzelte die Stirn. »Es dürfte recht schwer sein, mit einem so großen Schiff bei den Sandsteinklippen zu landen. Sicher, es wäre möglich, aber die Osquivel hält gerade so zusammen. Starts und Landungen belasten ein Schiff.«
»Im Dauerlauf dauert es eine halbe Stunde, um das Lager zu erreichen«, sagte Orli.
»Und es geht etwas schneller, wenn wir richtig laufen«, fügte D
zu.
avlin hin
»Also los.«
Sie eilten durch die Nacht und hielten im Licht der Sterne aufmerksam Ausschau. DD marschierte voraus, gefolgt von den anderen. Orli bildete den Abschluss mit dem Rucksack, der ihre wenige Habe enthielt.
»Ich möchte Margaret Colicos nicht zurücklassen«, sagte DD. »Sie ist bei den Klikiss.«
»Wir wissen nicht einmal, ob sie noch lebt, DD.«
»Vielleicht können wir eines Tages zurückkehren und nachsehen.«
»Klar«, sagte Tasia hinter ihnen. »Eines Tage . Und dann bringe s
n wir eine
Kampfflotte mit.«
»Je größer, desto besser«, fügte Nikko hinzu.
Sie hatten die Sandsteinklippen noch nicht erreicht, als Tasia glaubte, ein Summen in der Dunkelheit voraus zu hören, gefolgt von inem Kli e
cken. Es
gefi l
e ihr ganz und gar nicht.
DD blieb sehen. »Entschuldigt bitte, aber ich bemerke Be 343
wegungen vor uns. Große Geschöpfe nähern sich. Viele Lebensformen.
Vielleicht handelt es sich um einheimische Tiere.«
»Das halte ich für unwahrscheinlich.« Tasia trat instinktiv näh bb.
er zu Ro
Davlins Gesicht wirkte wie erstarrt. Sie alle hörten das Summen und Brummen ‐ es war inzwischen so laut geworden, dass es man es nicht ignorieren konnte. Lotze hielt plötzlich eine Lichtgranate in der Hand; Tasia fragte nicht, woher sie stammte. »Mal sehen, womit wir es zu tun haben.
Haltet euch bereit.« Er sah sich um und begegnete den besorgten Blic en k
der anderen.
»Wofür sollen wir uns bereit halten?«, fragte Tasia. Nikko nahm zwei scharfkantige Steine, und Orli folgte seinem Beispiel. Robb ballte die Fäuste.
Davlin warf die Granate und zählte laut bis fünf. Tasia zuckte zusammen, als jähes Licht erstrahlte. Sie blinzelte in dem Gleißen und sah ein Dutzend Scouts und Krieger der Klikiss, außerdem auch noch einige seltsam blasse, menschenartige Hybriden. Neue Hybriden.
Das plötzliche grelle Licht schien den Klikiss überhaupt nichts auszumachen
‐ sie näherten sich schnell. Davlin hatte eine der wenigen TVF‐Waffen und schoss, bis die Ladung erschöpft war. Insektenwesen platzten auseinander; schleimige Körperflüssigkeit spritzte. Das Geheul der Klikiss war oh‐
renbetäubend. Die angegriffenen Geschöpfe schenkten ihren toten und verletzten Artgenossen keine Beachtung und stürmten vor, angetrieben vom Bewusstsein der Brüterin dieser neuen Generation.
Robb stand Rücken an Rücken mit Tasia. »Ich bin bereit, mit blo d
ßen Hän en
und Fingernägeln zu kämpfen, wenn es sein muss.«
»Mein tapferer Held. Mir wäre das Und‐wenn‐sie‐nicht‐ge‐storben‐sind‐
Szenario lieber.«
lieb an O
DD b
rlis Seite und schien entschlossen zu sein, sie zu verteidigen.
Sie erinnerte sich daran, wie sie den Klikiss‐
343
Scout aufgehalten hatte, mit dem ihre kleine Flüchtlingsgruppe plötzlich konfrontiert worden war. Rasch nahm sie den Rucksack ab und wollte die Synthesizerstreifen hervorholen.
Ein Klikiss‐Krieger zielte mit einer röhrenförmigen Waffe. Grauweiße Flüssigkeit kam daraus hervor und traf Orli, bevor sie Gelegenheit bekam, die Streifen aus dem Rucksack zu ziehen. Es war sicher kein Zufall, dass der Krieger zuerst sie angegriffen hatte ‐ die Brüterin schien sie zu erkennen.
Schnell härtendes Harz traf Hände und Arme, dann auch Mund und Hals.
Die Klikiss machten von ihren besonderen Waffen Gebrauch, weil sie die Menschen nicht töten, sondern gefangen nehmen wollten. Innerhalb kurzer Zeit gelang es ihnen, Orli und die anderen bewegungsunfähig zu machen.
Tasia konnte unter den Fesseln aus Harz kaum mehr atmen. Gepanzerte Gliedmaßen packten sie und zogen sie fort von Robb. Sie verabscheute es, keine Gelegenheit zu haben, im Kampf zu sterben ‐ oder den anderen Flüchtlingen mitzuteilen, dass sie Llaro mit dem startbereiten Schiff verlassen konnten.
121 # VORSITZENDER BASIL WENZESLAS
Ganz gleich, wie sorgfältig er plante: Es gelang Basil Wenzeslas nie, alle Hindernisse vorauszusehen, die ihm dumme, törichte Leute in den Weg legten. Bei der Fahndung nach den Personen, die Peters dumme, die Hanse verdammende Rede verbreiteten, waren inzwischen siebzehn Rädelsführer verhaftet worden. Er gab Verlautbarungen mit manipulierten »Beweisen«
heraus, die die kindischen Lügen und Vorwürfe widerlegten. Aber kurz darauf begann eine andere Gruppe damit, die Erklärung des Königs und Patrick Fitzpatricks Geständnis zu
344
senden. Die Unruhestifter fügten Bilder von Usk hinzu und stellten unverschämterweise alles so dar, als wären Basils Maßnahmen etwas Schlechtes gewesen. Das fand er ganz und gar nicht amüsant.
Von einem unabhängigen Händler, der beim Anflug auf die Erde stolz die neuesten Nachrichten sendete, hatte der Vorsitzende gerade vom Bündnis zwischen dem Weisen Imperator Jora'h und König Peter erfahren ‐ dadurch musste die Konföderation legitimer als jemals zuvor erscheinen. Fünf Minuten lang sah Basil rot und wusste anschließend nicht, was er während dieser Zeit getan hatte. Er wusste nur: Als er wieder zu sich kam, pulsierte es in seinen Schläfen, und der Kopf fühlte sich an, als könnte er jeden Augenblick platzen.
Er blinzelte und sah den schweigenden Cain auf der anderen Seite des Schreibtischs. Basil wartete darauf, dass sein Stellvertreter den Wutausbruch kommentierte. Er wünschte sich fast, dass der blasse Mann Kritik übte, damit er erneut explodieren konnte. Doch Cain schwieg auch weiterhin und blieb so ruhig, als hätte Basil nur genießt.
Der Vorsitzende atmete tief durch und merkte dabei, wie wund sich seine Kehle anfühlte. Er fragte sich, was er geschrien hatte. Seine Stimme klang rau, als er sagte: »Schicken Sie Admiral ...«Er zögerte und runzelte die Stirn
»Auf welche Admirale kann ich mich noch verlassen?«
»Die Admirale Pike und San Luis sind zu zwei anderen abtrünnigen Kolonien unterwegs. Admiral Willis befindet sich auf Rhejak. Aber Admiral Diente kann von den Werften im Asteroidengürtel zurückgerufen w d er en.«
»Holen Sie ihn hierher, aber ohne großes Aufsehen.«
Cain hatte ganz offensichtlich Mühe, sich nach dem Wutausbruch des Vorsitzenden normal zu verhalten. »Was haben Sie vor, Sir?«
Basil suchte in der Stimme seines Stellvertreters nach Hinweisen auf ve orge
rb
ne Kritik. Er traute Eldred Cain immer weniger. Es gab nur noch so wenige Personen, auf die er sich
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verlassen konnte! Sarein gehörte nicht zu ihnen, obwohl er versucht hatte, wieder eine gute Beziehung zu ihr herzustellen. Inzwischen wunderte er sich, dass er die hagere Theronin jemals für attraktiv gehalten hatte. Sie erschien ihm verängstigt, sogar hysterisch. Als sie zum letzten Mal miteinander ins Bett gegangen waren, hatte er stundenlang wach gelegen und sich gefragt, ob sie ihm in der Nacht einen Dolch in den Rücken stoßen würde. »Vorsitzender?«
Basil schnaufte leise und konzentrierte sich wieder auf die aktuelle Angelegenheit. »Es geht um den Weisen Imperator, Mr. Cain. Anstatt zu mir zu kommen, zum Vorsitzenden der Terranischen Hanse, besucht er Peter als Repräsentanten der Menschheit. Er wählte Theroc, nicht die Erde. Das ist eine Beleidigung, die wir nicht hinnehmen können. Wir müssen dem Ildiranischen Reich zeigen, dass wir die wahre Regierung sind. Mit der Hilfe des Weisen Imperators können wir die Hanse konsolidieren und wi r
ede
stark machen.«
»Die Ildiraner verstehen die Politik der Menschen nicht, Vorsitzender.
Vermutlich weiß der Weise Imperator nicht, dass sich die Machtverhältnisse verschoben haben. Ich nehme an, er war einfac u
h n r
falsch informiert. Er wollte bestimmt niemanden beleidigen.«
»Dann sollten wir dafür sorgen, dass er die richtigen Informationen bekommt. Wir werden ihm Gelegenheit geben, sich für seinen Mangel an Weitblick zu entschuldigen. Ich beabsichtige, ihn als Gast auf der Erde zu begrüßen. Wir werden ihm ein ganz besonderes Quartier zur Verfügung stellen.«
Cain wollte aufstehen, überlegte es sich dann aber anders und sank auf den Stuhl zurück. »Was soll das heißen? Wie wollen Sie den Weisen Imperator dazu bringen, hierherzukommen?«
»Wir laden ihn ein ‐ mit militärischem Nachdruck, wenn das nötig sein e. Nach den Berichten ist er
sollt
nur mit einem einzelnen Kriegsschiff
unterwegs. Wenn er Theroc verlässt,
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eskortieren wir sein Schiff zur Erde. Dafür setze ich einen der Molochs ein, die wir noch haben. Und deshalb brauchen wir Admiral Diente.«
Cain sah den Vorsitzenden entgeistert an. »Haben Sie vor, den Weisen Imperator
e einen Krieg mit de
zu entführen? Wollen Si
m Ildiranischen
Reich beginnen?«
»Seien Sie nicht melodramatisch.«
»Das bin ich nicht, Vorsitzender. Ich bin absolut sicher, dass ...«
Basil unterbrach ihn ‐ er hatte Cains missbilligende Blicke und skeptischen Kommentare satt. »Ich habe die Konsequenzen in Erwägung gezogen und meine Entscheidung getroffen. Die Solare Marine ist sehr geschwächt; wahrscheinlich wurde sie noch mehr in Mitleidenschaft gezogen als unsere Terranische Verteidigungsflotte. Und Sie wissen ja, wie die Ildiraner sind.
Wenn sich der Weise Imperator in unserer Gewalt befindet, können sie nichts mehr tun. Dann sind sie wie eine Schafherde ohne Schäfer. Wir haben die militärische Stärke, und bald haben wir auch das Druckmittel, das wir brauchen.«
Cain starrte aus dem Fenster und schien sich den ganzen Palastdistrikt in Flammen vorzustellen. »Ich würde Sie gern bitten, es sich noch einmal zu überlegen, Sir, aber das hätte kaum einen Sinn, oder?«
Basil warf ihm einen eisigen Blick zu. »Ich habe vor allem etwas gegen Peter, nicht gegen Jora'h. Der König provoziert mich immer wieder und lässt mich wie einen Narren dastehen. Aber ich bin auch bereit, es mit dem Weisen Imperator aufzunehmen, wenn er mich dazu zwingt.«
Cain stand auf. »Dies ist ein Schritt über den Ra d der Klippe, n
Vorsitzender.
Ich hoffe, das ist Ihnen klar.«
»Wir werden sehen, wer recht behält, Mr. Cain.«
»Ja, das werden wir, leider.« Der stellvertretende Vorsitzende wandte sich zum Gehen. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden ... Ich muss ereit
Vorb
ungen treffen.« Cain schwitzte. Basil wusste nicht, welche Vorbereitungen er mein
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te, und es war ihm auch gleich. Er begann mit der Formulierung der Befehle, die er Admiral Diente erteilen würde, und überlegte, wie er sicherstellen konnte, dass ihn der Mann nicht wie so viele andere vor ihm enttäuschte.
Er berührte den Tischschirm, öffnete Dientes Datei und stellte fest, wo seine Familienmitglieder wohnten. Zwei Töchter, ein Sohn, fünf Enkel. Das sollte genügen. Diente würde alle Anweisungen befolgen.
122 # CESCA PERONI
Im Innern des Wasserschiffs kommunizierten Cesca und Jess mit weiteren Wentals, die sie aus einem anderen Nebel geholt hatten. Es überraschte Cesca noch immer, wie viele der elementaren Wasserwesen in dem alten Krieg auseinandergerissen und im All verstreut worden waren.
Plötzlich spürte sie Unruhe bei den Wentals ‐ sie schienen erschrocken. Ein schmerzerfüllter Schrei ging durch das Gefüge des Universums.
Jess griff nach Cescas Schulter. »Ich weiß nicht, was es ist. Die anderen Nebel‐Wentals ... etwas Schreckliches, Flammen ...« Sie hörten beide einen grässlichen mentalen Schrei. Wentals waren ermordet worden! Und sie wussten, dass die Faeros dahintersteckten.
Cesca sah und fühlte es im Geiste. »Sie wurden in eine Sonne gezogen.«
Mehrere feurige Wesen hatten im Jonah‐System einen Plumas‐Tanker angegriffen ‐ mit ihrem Vater und Caleb Tamblyn an Bord!
Wieder kam es zu einer Erschütterung im mentalen Äther. Eine viel größere Gruppe von Faeros griff woanders an: eine Streitmacht aus Tausenden und Abertausenden von Feuerkugeln.
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»Charybdis!«, rief Jess mit wie gequält klingender Stimme. Cesca versuchte, nicht zu stöhnen, doch der stechende Schmerz schien überall zu r
sein. Ih
Vater, Charybdis, so viele Wentals...
Als hätten sich ihre Augen an einem fernen Ort geöffnet, sah Cesca ein brodelndes Meer, aus dem hier und dort leblose schwarze Felsen ragten. Sie erkannte die primordiale Welt, auf der Jess die ersten Wentals ausgesetzt hatte ‐ Cesca war dort geheilt und verändert worden. Jene Welt, auf der sie und Jess geheiratet hatten.
Alle Meere auf Charybdis lebten und steckten voller Wental‐Kraft. Als jetzt die vielen Faeros angriffen, türmten sich Wellen zu Verteidigungsformationen auf. Selbst die Wolken schienen sich z f
um Kamp
zusammenzuballen.
Zornige Faeros erschienen, Dutzende erst, dann Hunderte und Tausende ‐
sie alle waren wie kleine, gleißende Sonnen. Sie durchstießen d n
ie dichte
Wolken, und Dampf schoss in alle Richtungen.
Als sich die Feuerkugeln dem Ozean näherten, wichen die Wentals erst zurück und brandeten den Angreifern dann entgegen, um sie aufzuhalten.
Die feurigen Wesen warfen sich in den Kampf. Wental‐Wasser brachte zahllosen Flammengeschöpfen ein schnelles Ende, aber es kamen immer mehr vom Himmel herab, stürzten sich ins Meer und verdampften die lebenden Fluten. Gegen eine so überwältigende Streitmacht konnten die Wentals von Charybdis nicht bestehen. Alle Faeros im Universum schi enen
an diesem einen Angriff teilzunehmen.
Agonie griff nach Cescas Herz. Dies durfte nicht geschehen! Das Feuer der Faeros ließ immer mehr von dem lebenden Wasser auf Charybdis verschwinden. Die Wentals erstickten die Glut vieler Angreifer, doch so viele Feinde sie auch bezwangen ‐ es fielen immer mehr Faeros vom Himmel.
einem Reflex hera
Aus
us ergriff Cesca Jess' Hand. Er drückte fest zu, und sie hieß diesen kleinen körperlichen Schmerz
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willkommen ‐ er war nichts im Vergleich mit dem Schrecken auf Charybdis.
Sie schrie.
Ihr Wasserschiff raste dem fernen Planeten entgegen, aber sie waren viel zu weit entfernt, um helfen zu können. Es würde Tage dauern, Charybdis zu erreichen. Während das flammende Chaos andauerte, versuchten Cesca und Jess zu verstehen, warum die Faeros mit solcher Entschlossenheit über die Wentals herfielen. Selbst die Wasserentitäten verstanden ihren Zorn nicht.
Cesca weinte, und ihre Tränen verloren sich im lebenden Wasser. Als sie die letzten Momente des Angriffs auf Charybdis beobachteten, wurde das Nebelwasser in ihrem Schiff wärmer ‐ und begann zu kochen.
123 # ADAR ZAN'NH
Auf dem Rückflug von Dobro, wo die menschlichen Kolonisten abgesetzt worden waren, stieß Adar Zan'nhs Septa auf fünf verbrannte Kriegsschiffe, die antriebslos im All drifteten. Tausende von ildiranischen Soldaten waren verbrannt, an ihren Stationen oder in den Quartieren. Nur dunkle Flecken auf den Decks waren von ihnen übrig geblieben. Überall herrscht St
e die ille
der Einsamkeit.
An Bord des Flaggschiffs fand Zan'nh zwei Überlebende: den Hyrillka‐
Designierten Ridek'h und Tal O'nh, blind und von Dunkelheit und Isolation fast in den Wahnsinn getrieben.
Das Entsetzen darüber, an Bord eines nach verbranntem Fleisch riechenden Geisterschiffes isoliert zu sein, hatte den Jungen veranlasst, sich in sich selbst zurückzuziehen. Ridek'h lag zusammengerollt auf dem Deck und r
zitte te, als eine Suchgruppe den Kommando‐Nukleus erreichte. »Faeros!
Die Faeros kamen. Rusa'h ...« Ridek'hs Stimme war nur ein Hauch.
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Auf Dobro hatte Zan'nh keine weiteren Spuren von den feurigen Wesen gefunden, und er wusste nichts von Angriffen auf andere Splitter‐Kolonien.
Doch der Weise Imperator hatte gespürt, dass im Thism etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Er hatte Scouts losgeschickt, aber keiner von ihnen war zurückgekehrt.
Und jetzt dies! Ein solches Inferno, das Tausende von ildiranischen Soldaten das Leben kostete ‐ es hätte wie ein Schrei durchs Thism gehen müssen.
Doch Zan'nh hatte nichts gespürt. War es möglich, dass selbst der Weise Imperator nichts wusste?
Tal O'nh, das Gesicht verbrannt, starrte mit zwei leeren Augenhöhlen ins Nichts. »Sie haben uns vom Thism isoliert. Sie verbrannten die Seelenfäden und auch die Besatzungsmitglieder. All die vielen Soldaten ... Rusa'h int
me
e,
sie würden den Faeros mehr Kraft geben.«
»Wann geschah das?« Zan'nh hatte die fünf Schiffe beim Rückflug nach Ildira nur durch Zufall entdeckt.
»Zwei Tage sind vergangen ... vielleicht mehr«, sagte Ridek'h. »So lange.
Allein. Es ist schwer zu sagen.«
Wenn sie noch länger allein geblieben wären, hätten sie vollkommen den Verstand verloren, begriff Zan'nh.
Mit brüchiger Stimme fügte O'nh hinzu: »Die Faeros wollten nach Ildira.«
124 # KOLKER
Kolker sah und wusste jetzt mehr als jemals zuvor, und deshalb spielte es keine Rolle mehr, wo sich sein Körper befand. Er stand ruhig im Park unweit des Prismapalastes und hatte das Gefühl, überall sein zu können. Er brauchte nicht einmal mehr den Schössling.
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Mit halb geschlossenen Augen spürte er die Nähe einiger Konvertiten, Menschen, die in Mijistra geblieben waren, um hier zu arbeiten: Himmelsminenarbeiter, zwei Hanse‐Techniker, ein neuer Roamer‐Händler.
Er wusste, dass sie alle die Botschaft von der Veränderung verbreiten würden. Inzwischen hörten sogar einige Ildiraner zu, und Kolker hatte endlich die Aufmerksamkeit des Linsen‐Geschlechts bekommen. Er war sehr zufrieden, und seine Zuversicht wuchs.
Zahlreiche ildiranische Arbeiter hatten diesen Park wiederhergestellt, aber für Kolker verbanden sich unangenehme Erinnerungen damit. Hier waren Kugelschiffe der Hydroger in die Stadt gestürzt und hatten Tausende von Ildiranern getötet und verstümmelt, unter ihnen den alten Tery'l. Kolker blickte in das vom prismatischen Medaillon reflektierte Licht und fühlte, dass sein Philosophenfreund noch irgendwo existierte, auf der Ebene der Lichtquelle, mit den Seelenfäden verbunden. Tery'l wäre sicher sehr stolz auf ihn gewesen.
Der grüne Priester lenkte seine Gedanken in eine andere Richtung, bis er den Eindruck gewann, neben Tabitha Huck an Bord eines der neuen Kriegsschiffe zu stehen. Sie und ihre geistig miteinander verbundenen Techniker und Arbeiter hatten inzwischen einundzwanzig der riesigen Schiffe fertiggestellt, eine beispiellose Leistung in so kurzer Zeit.
Im Park schloss Kolker ganz die Augen und fühlte die Wärme der Sonnen auf der Haut. Er konzentrierte sich darauf, Tabitha zu beobachten, und gesellte sich indirekt ihrer Crew hinzu, als sie einen Testflug mit euen
dem n
Schiff unternahm.
Tabitha überprüfte das interplanetare Triebwerk und die Bordwaffen.
Anschließend aktivierte sie den Sternenantrieb und begann mit einem Flug, der zu einigen benachbarten Sonnensystemen führte. Dabei ging sie auf der Brücke umher und erteilte Anweis
er unve
ungen, denen die Ildiran
rzüglich
kamen, al
nach
s stammten sie vom Adar.
»Wir nähern uns Durris‐B, Captain Huck«, sagte einer der 349
Ildiraner an den Konsolen. Tabitha hatte sich den Rang des Captains selbst verliehen; er gefiel ihr.
»Berechnen Sie einen niederen Orbit und bringen Sie uns in die Umlaufbahn.« Tabitha wollte den toten Stern, der eine Narbe in der ildiranischen Psyche hinterlassen hatte, aus der Nähe sehen. Ildiranische Astronomen hatten die Reste der erloschenen Sonne beobachtet, in der Hoffnung, Anzeichen für ein Wiedererwachen des nuklearen Feuers in seinem Innern zu finden. Tabitha hielt den Stern für ein perfektes Mahnmal.
»Überprüfen wir unsere Systeme. Vollständige Tests mit den Analyseprogrammen. Kalibrierung entsprechend den früheren Basisdaten.«
Zwar strahlte Durris‐B kein Licht mehr ab, aber der abkühlende Stern hatte seine Masse und Gravitation behalten. Tabitha brachte das Schiff vorsichtig näher und kontrollierte immer wieder die Triebwerke, um sicher zu sein,
dass sie dem Zerren der Schwerkraft entkommen konnten.
»Fehler bei der Kalibrierung, Captain Huck. Die thermischen Emissionen von Durris‐B sind weitaus stärker als erwartet.«
»Deaktivieren Sie einige der Filter. Ich möchte es mit eigenen Augen sehen.«
Tabitha blickte auf die Schirme und beobachtete, wie der ausgebrannte Klumpen im All funkelte. Immer mehr Licht kam von dem Stern, als hätten sich die Hoffnungen der ildiranischen Astronomen plötzlich erfüllt, als wäre die nukleare Kettenreaktion tatsächlich wieder in Gang gekommen. Durris‐
B wurde heller.
»Die energetischen Emissionen nehmen immer mehr zu.«
Tabitha wollte jedes Risiko für das neue Kriegsschiff vermeiden. »Auf größere Entfernung gehen.« Sie wandte sich an die Hanse‐Techniker ‐ den Ildiranern traute sie nicht genug Vorstellungskraft zu. »Wie entfacht man das atomare Feuer in einem bereits erloschenen Stern?«
ht
»Nic mit gewöhnlichen Mitteln.« Einer der Techniker sah auf die Anzeigen und runzelte die Stirn. »Andererseits ... Ich
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habe früher Himmelsminenpumpen entworfen. Was verstehe ich schon von Sonnenmechanik.«
Auf dem offenen Platz im Park von Mijistra hob Kolker das Gesicht zum Himmel und hielt die Augen noch immer geschlossen. Um ihn herum unterbrachen die anderen Konvertiten ihre Aktivitäten ‐ sie spürten ebenfalls, dass etwas Ungewöhnliches geschah. Die Ildiraner in der Stadt
hatten noch nichts gemerkt.
»Das gefällt mir nicht«, sagte T ith
ab a im Kommando‐Nuk‐leus des
Kriegsschiffs. »Ganz und gar nicht.«
Durch ihre neue Verbindung im Thism spürte sie, wie sich Unruhe an Bord ausbreitete und schließlich auch die Bewohner von Mijistra erreichte.
Plötzlich fühlten alle Ildiraner die Veränderungen in der Sonne. Doch der Weise Imperator war nicht imstande, ihnen Kraft und Führung zu geben. Er weilte noch immer auf Theroc, und von jenem fernen Planeten aus war er nicht imstande, allen seinen Untertanen Trost zu spenden. Der Erstdesignierte hielt sich zwar im Prismapalast auf, aber ihm fehlte die Erfahrung seines Vaters.
Im Kommando‐Nukleus des Kriegsschiffs hob Tabitha die Hand vor die Augen und schrie auf. Durris‐B gleißte plötzlich, und die Lichtflut kam so schnell, dass die automatischen Filter nicht rechtzeitig reagierten. Blitze zuckten über die Oberfläche der Sonne, die bis vor kurzer Zeit ein stellarer Leichnam gewesen war. Kleine helle Punkte erschienen und schwollen schnell an, wurden zu großen Feuerkuge
ren eines
ln. Wie die Spo
reifen
Pilzes kamen sie aus der Sonne.
»Faeros!«, rief ein Ildiraner. »Die Faeros sind zurück!«
»Das Schiff drehen und Kurs auf Ildira nehmen!«, ordnete Tabitha an.
Ihre Crew stellte die Triebwerke auf eine harte Probe und verlangte ihnen maximale Beschleunigung ab. Eine der Konsolen versagte plötzlich den Dienst, und bei einer anderen funktionierten nicht alle Kontrollen, aber das f
Schif wurde schneller und entfernte sich von dem plötzlich gleißenden Stern. Tausende von Faeros kamen aus den Tiefen der Sonne, stiege n
351
wie die Funken eines gewaltigen Feuers auf und verließen das Ildira‐
System.
Zehn Ellipsoide näherten sich Tabithas Kriegsschiff und umschwirrten es wie Vögel ein langsamer fliegendes Insekt.
Auf dem Platz im Park von Mijistra stöhnte Kolker leise. Tabithas Furcht vibrierte in ihm, in ihnen allen. Zehn gewaltige Kometen wurden immer größer, und in ihren Flammen zeigten sich geisterhafte, schreiende Gesichter.
Eine donnernde Stimme hallte durch Tabithas Bewusstsein und aus den Kom‐Lautsprechern an Bord des Kriegsschiffs. »Was ist das für ein Thism?
Ich habe eure Seelenfäden gefunden, aber wer seid ihr?«
»Verschwinde!«
Die Faero‐Stimme klang fasziniert. »Sie sind ein Mensch, und doch haben Sie eine Verbindung im Thism wie der Mensch, den wir bei den Wentals aufnahmen ... Und eine andere Verbindung führt ... ah, zum Weltwald! Zum Bewusstsein der Verdani.«
Als mehr und mehr Faeros aus der wiedererwachten Sonne kamen, schwebten die zehn Feuerkugeln näher an das Kriegsschiff heran, bis die Hüllenplatten zu schmelzen begannen. Die Anzeigen aller Hauptsysteme befanden sich plötzlich im roten Bereich, und Alarmsirenen heulten. Im Kommando‐Nukleus sackten die Konsolen in sich zusammen. Das vordere Brückensegment explodierte, doch selbst das Vakuum des Alls konnte nichts gegen diese Art von Feuer ausrichten.
Kolker verlor den Kontakt zu Tabitha an Bord des Schiffes und fühlte den Schmerz wie einen Schwertstoß mitten in die Brust.
Doch es war noch nicht vorbei. Die Stimme der dominierenden Präsenz, des früheren Hyrillka‐Designierten, dröhnte durch die von Kolker so sorgfältig ausgelegten Seelenfäden und erreicht
h ve
e sein Bewusstsein. »Ic
rlange von
m Seelen
eure
feuer, die Faeros zu stärken. Ihr habt mir den Weg gezeigt.«
Ta ende von F
us
euerkugeln rasten durchs All, und zehn, von
351
Rusa'h angeführt, näherten sich Ildira. Kolker konnte die Präsenz des früheren Delegierten weder aus seinem Selbst verbannen noch aus dem Telkontakt und dem Thism. Seine Augen blieben geschlossen, und doch sah er, wie die anderen Konvertiten taumelten. Zwei von ihnen sanken auf die Knie und fingen plötzlich Feuer.
Kolker bemühte sich, die versengenden Seelenfäden zu blockieren und seine Konvertiten von den Enthüllungen ‐ und der Verwundbarkeit zu trennen, die er mit ihnen geteilt hatte. Aber er konnte sie nicht retten und ebenso wenig sich selbst. Das Feuer der Faeros strömte wie Säure durch seinen Geist und auch den Körper. Es blitzte, und Kolker wurde zu einer von vielen kleinen Rauchwolken.
125 # ORLI COVITZ
Die Klikiss hielten Orli und ihre Begleiter in der alten Stadt fest. Die Insektenkrieger hatten ihr den Rucksack abgenommen, obwohl das Mädchen sich trotz der Harzfesseln dagegen zu wehren versucht hatte. Die Brüterin schien die Bedeutung der Synthesizer‐Streifen zu erkennen, und ganz offensichtlich wollte sie Orli davon trennen.
Sie wurde von Tasia, Robb, Davlin und Nikko isoliert ‐ wegen ihrer Musik wie Margaret Colicos? ‐ und fühlte sich sehr allein. Die Klikiss hatten auch DD weggebracht, und Orli wusste nicht, was aus dem kleinen Kompi geworden war. Die Insektenwesen hatten erst ihre Harzfesseln entfernt, sie dann in eine staubige Zelle mit harten Wänden geworfen und am offenen Zugang gitterartige Streifen aus ihren harzartigen Ex‐kreten angebracht. Die übrigen Gefangenen befanden sich in einem größeren Raum weiter hinten im Tunnel; niemand von ihnen bekam etwas zu essen oder zu trinken.
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Wenigstens war Orli Tasia und den anderen nahe genug, um sich rufend mit ihnen zu verständigen und zu hören, was sie machten. Sie konnte sie sogar sehen, wenn sie sich mit aller Kraft gegen die wie Gummi nachgebenden
»Gitterstäbe« drückte. Das Harz fühlte sich ölig an und roch wi verbra e
nntes
Plastik.
»Wir könnten gemeinsam versuchen, einige dieser Harzstränge loszureißen«, sagte Nikko. Er warf sich mit der Schulter gegen die Sperre, doch es nützte nichts. Nikko zog und zerrte an den Strängen, ebenfalls ohne Erfolg. Aber selbst wenn es gelungen wäre, die Zellen zu verlassen ‐ wohin hätten sie sich dann wenden wollen, fragte sich Orli. Sie befanden h sic
mitten in der Klikiss‐Stadt und waren von Feinden umgeben.
Tasia rief in den Tunnel und schien anzunehmen, dass die Klikiss sie verstanden. »He! Hilft es, darauf hinzuweisen, dass wir die schwarzen Roboter ebenfalls hassen? Ich könnte euch Geschichten erzählen, bei denen es euch kalt übers Ektoske‐lett laufen würde. Wir sollten Verbündete bei einer gemeinsamen Sache sein!« Die patrouillierenden Klikiss verharrten nicht und schenkten Tasias Worten keine Beachtung.
»Ich bin schon in schlimmeren Situationen gewesen«, sagte Robb. »Und ich habe sie überstanden.«
Orli blickte in den Nebentunnel. An den gewölbten Steinwänden zeigten sich nur noch einige wenige Reste der alten TVF‐Basis: Rohrleitungen, Kabelbündel, Interkom‐Anschlüsse und von den ersten Kolonisten angebrachte Lampen.
Zwei seltsame neue Klikiss stapften vorbei. Bevor die beiden blassen Geschöpfe außer Sicht gerieten, sah Orli fleischige Gesichter und veränderliche Züge, in denen es etwas Menschliches gab. Die anderen Klikiss hatten nicht einmal so etwas wie ein Gesicht. Die Insektenwesen der neuen Generation schienen den Gefangenen mit Neugier zu begegnen und wirkten auch ein wenig traurig. Hinter ihnen marschierte ein Klikiss‐
ger und v
Krie
erscheuchte diese Geschöpfe mit zischenden und klickenden Lauten.
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Als wollte sie einen Verwandten im Krankenhaus besuchen, erschien Margaret mit dem Kompi an ihrer Seite. »DD! Margaret!« Orli str t
eck e die
Hand durch eine Lücke zwischen den Harzsträngen.
Der Freundlich‐Kompi blieb vor der kleinen Zelle stehen, und seine optischen Sensoren glänzten. »Es freut mich, dich lebend und wohlauf zu sehen, Orli Covitz.«
»Lebend und wohlauf? Die Klikiss werde uns
n
alle umbringen. Weißt du, wo
sich meine Synthesizerstreifen befinden?«
»Ja, das weiß ich«, erwiderte DD munter.
Margaret verharrte im Tunnel. »Seit der letzten Teilung gibt es eine neue Brüterin. Sie weiß noch immer, wer du bist, Orli, aber nach der Aufnahme vieler Attribute der Kolonisten versteht sie auch mehr über Menschen.«
In der anderen Zelle hörte Tasia zu. »Das ist eine gute Sache, oder? Wenn die Klikiss uns verstehen ...«
»Nein, es ist keine gute Sache.« Margarets Blick blieb auf Orli gerichtet. »Es bedeutet, dass sich die neue Brüterin weniger leicht ablenken lässt als die alte. Ich fürchte, deine Musik mit den Synthesizerstreifen genügt nicht, um ...
die Gefahr von dir abzuwenden. Die Klänge haben große Macht, aber die Brüterin hat sie schon einmal gehört, und Menschen sind inzwischen nichts Besonderes mehr für sie. Wir alle sind in Gefahr.«
Davlin drückte sich an die Stränge der anderen Zelle. »Margaret, Sie können uns dabei helfen, hier herauszukommen. Bringen Sie uns Werkzeuge, Klikiss‐Waffen ‐ irgendetwas, das uns eine Chance gibt.«
»Was wollen die Käfer von uns?«, fragte Nik o. »Sie haben berei k
ts meine
Mutter und all die Kolonisten getötet! Reicht das nicht?«
»Wie lange werden sie uns hier festhalten?«
»Können Sie uns Lebensmittel und Wasser beschaffen?«
Als alle gleichzeitig riefen, hob Davlin die Stimme, um den Lärm zu tönen. »Wenn sich der Schw
über
ärm bereits geteilt hat... Sind wir dann
nicht sicher?«
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»Die Expansionsphase hat sich beschleunigt«, sagte Margaret. »Die Brüterin der neuen Generation wird sich erneut teilen, so bald wie möglich. Der Subschwarm muss weiter wachsen. Diese Klikiss beabsichtigen, beim kommenden Schwarmkrieg alle rivalisierenden Brüterinnen zu töten.
Deshalb muss sie sich fortpflanzen, und dabei sollen Sie aufgenommen werden, Ihre Erinnerungen und Ihr Wissen. Davon verspricht sich die Brüterin einen Vorteil gegenüber den anderen Subschwär‐men ‐ eine Waffe, mit der sie nicht rechnen. Die Domate werden bald kommen, um uns für die nächste Teilung zu holen.«
Orli streckte dem Kompi die Hand entgegen. »Hilf mir, DD. Überzeuge Margaret, dass sie uns helfen muss.«
»Es hätte keinen Sinn«, sagte Margaret. »Selbst wenn ich euch aus diesen Zellen holen könnte ... Unter so vielen Klikiss würden wir nicht weit kommen. Wir könnten die Schwarm‐stadt gar nicht verlassen.«
»Hören Sie«, sagte Davlin. »Wenn wir entkommen, bringen wir Sie und DD
fort von hier. Wir können Sie nach Hause bringen. Das Fluchtschiff ist vorbereitet und aufgetankt. Wir können diesen Planeten verlassen ‐ wenn wir hier herauskommen.«
DD wandte sich aufgeregt an die Xeno‐Archäologin. »Ja, das Schiff wartet auf uns, und ich würde Llaro gern verlassen, Margaret.« Die ältere Fr u a schien
nicht daran gedacht zu haben, dass es eine echte Flutmöglichkeit gab.
Orli streckte auch die andere Hand durch die Lücke zwischen den Harzsträngen. »Bitte, Margaret.«
Plötzlich liefen Klikiss wie alarmiert durch die Tunnel. Margaret neigte den Kopf ein wenig zur Seite und schien etwas zu hören, das die a d n eren nicht
wahrnehmen konnten.
»Ich empfange Ultraschallsignale von der Brüterin«, sagte DD.
»Etwas geschieht.« Selbst tief in den Tunneln der alten Stadt hörten sie die pfeifenden und klickenden Stimmen der Klikiss. Etwas krachte, und Explosionen donnerten.
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»Ist die TVF eingetroffen?«, rief Nikko aus seiner Zelle. »Bedeutet das, wir sind gerettet?«
»Ich bezweifle, dass die Tiwis einen Finger für uns rühren würden«, sagte Tasia. »Aber vielleicht sind Roamer gekommen. Möglicherweise wollten sie nicht länger auf eine Nachricht von uns warten und haben beschlossen, nach dem Rechten zu sehen.«
In Margarets Gesicht zeigte sich jetzt echte Sorge. »Nein, es ist nicht das terranische Militär. Ich glaube, wir werden von einem anderen Subschwarm angegriffen.«
»Sie meinen, dort draußen kämpfen Klikiss gegen Klikiss?«, fragte Robb.
»Die Angreifer haben es auf die Brüterin abgesehen. Die anderen Subschwärme haben bereits damit begonnen, gegeneinander Krieg zu führen. Jetzt wird sich herausstellen, ob der Subschwarm von Llaro genug einzigartiges Wissen aufgenommen hat, um seine Rivalen zu besiegen.«
»Erwarten Sie nicht von mir, dass ich >unserer< Brüterin zujubele«, sagte Tasia.
Klikiss eilten durch die Tunnel und schenkten den Gefangenen überhaupt keine Beachtung. Margaret und DD wichen beiseite. Über Orlis Zelle explodierte etwas, und ein Vorhang aus Staub senkte sich herab. Mehrere helle menschenartige Hybriden stapften schwerfällig vorbei, gefolgt von einem großen Domaten, einem neuen Domaten. Auch er hatte ein Gesicht mit Zügen, die an einen Menschen erinnerten.
Als die Geschöpfe fort waren, nutzte Davlin das Durcheinander und warf sich immer wieder gegen die Harzstränge. »Dies ist unsere Chance ‐ und auch Ihre, Margaret! Während die Käfer gegeneinander kämpfen, scheren sie sich nicht um ein paar Menschen. Wir können entwischen.« Er nahm Anlauf und warf sich erneut gegen die Stränge. Einer löste sich von der steinernen Wand.
»Er hat recht«, sagte Margaret. Sie lief zu der anderen Zelle und zerrte an den Strängen. »Ja, wir können fort.«
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DD trat zu Orlis Zelle, griff mit seiner Kompi‐Hand nach einem Strang, zog und riss ihn los. Das Mädchen zwängte sich durch die Lücke, als DD zur anderen Zelle eilte und dort weitere Stränge löste. Es dauerte nicht lange, bis die vier Gefangenen ihren Raum verlassen konnten.
Während Klikiss gegen Klikiss kämpften, ließ die kleine Gruppe ihre Zellen hinter sich und floh.
126 $ ADMIRAL SHEILA WILLIS
Die Landedüsen von General Lanyans Truppentransporter flammten noch einmal auf, bevor er in einem abgesperrten Bereich auf der Pontoninsel niederging. Wie befohlen hatte Willis Gleiter losgeschickt, um Drew Vardian zu holen und Allahu von seinem aus großen Medusenschalen errichteten Haus zur künstlichen Insel zu bringen. Außerdem holten ihre Soldaten fünf angesehene Rhejakaner und zwei Repräsentanten der Medusen‐Hirten von fernen Inseln. Obendrein ließ sie die drei jungen Leute herbeischaffen, die die Rückführungssensoren aus den Extraktionstürmen gestohlen hatten.
Willis wies alle ihre Soldaten an, trotz der tropischen Hitze ihre schwarzen Paradeuniformen zu tragen und auf der Insel anzutreten: die Uniformen frisch gebügelt, das Haar gekämmt, die Stiefel geputzt. Sie schürzte die Lippen. Es wäre kaum vorteilhaft gewesen, einen schlechten Eindruck auf den General zu machen. Bei diesem Gedanken fiel kurz ein Schatten auf ihr Gesicht.
Während der letzten Stunden hatte die Jupiter Bilder vom Massaker auf Usk gesendet. Willis fragte sich, was der General damit erreichen wollte ‐ auf diese Weise weckte er bestimmt keine freundschaftlichen Gefühle in den nis
Kolo
ten von Rhejak. Vielleicht war ihm Furcht wichtiger als Kooperationsbe
356
reitschaft. Willis erhob keine Einwände ‐ sollte er sich sein eigenes Grab schaufeln.