Als Akolythin lernte Celli viel über Geschichte und Volkskunde, als sie den Weltbäumen vorlas. Sie saß auf den hohen Blattwedeln, rezitierte eine Geschichte nach der anderen, einen Bericht nach dem anderen, und jeder Text war neu für sie. Früher war sie an schulischen Dingen nicht sehr interessiert gewesen und hatte lieber mit Freunden im Wald gespielt. Jetzt fand sie die Informationen sehr interessant und vermutete, dass das Verdani‐Bewusstsein ihr Interesse teilte.

Celli sah zum leeren blauen Himmel hoch. Irgendwo dort oben befand sich das dornige Baumschiff mit Beneto, begleitet von acht weiteren Verdani‐

Schiffen. Als grüne Priesterin würde sie in der Lage sein, jederzeit per Telkontakt mit ihm zu sprechen, wo auch immer er sich aufhielt.

nte

Sie kon

es gar nicht abwarten.

Nicht weit entfernt flog Solimar mit seinem brummenden Flügler. Celli winkte ihm zu, und daraufhin machte er einen Looping, um ein wenig anzugeben. Manchmal nahm er sie mit, und sie liebte es, dicht hinter ihm zu sitzen, die Arme um ihn geschlungen und die Wange an seinem Rücken. Bei solchen Gelegenheiten machte er ab und zu einen Sturzflug, weil li

sich Cel

dann noch enger an ihn schmiegte.

Mehrere junge Akolythen saßen in der Nähe auf Ästen, und ältere grüne ter bildeten kleine Gruppen

Pries

und diskutierten. Celli versuchte, sich auf

ihre Geschichten zu konzentrie

260

ren, aber ein ganz bestimmtes Gespräch faszinierte sie. Yarrod sprach mit großem Enthusiasmus, während seine Augen funkelten und ein ehrliches Lächeln auf seinen Lippen lag. In letzter Zeit wirkte er lebhafter als sonst ‐

er hatte sich auf eine Weise verändert, die Celli nicht definieren konnte.

Yarrod und viele andere grüne Priester hatten sich der seltsamen Synthese von Thism und Telkontakt geöffnet, die Kolker vom fernen Planeten Ildira aus lehrte. Manche der grünen Priester zeigten gesundes, aber vorsichtiges Interesse, und auch der Weltwald wollte mehr über das Phänomen erfahren. Celli wusste, dass sie in dieser Hinsicht eine Entscheidung treffen musste, wenn sie zur grünen Priesterin geworden war. Doch bis d in ah

dauerte es noch eine Weile ...

Plötzlich breitete sich Unruhe aus, und die Weltbäume schienen zu schaudern. Furcht erfasste die jüngeren Akoly‐then. Ihr Lehrer blickte zum Himmel und dann übers Blätterdach. »Akolythen, nach unten!«

Die Kinder ließen ihre Lesetafeln fallen und krochen hastig unter die Blattwedel, während die grünen Priester an Ästen hinabkletterten. Celli blieb an Ort und Stelle und hielt nach der Gefahr Ausschau ‐ ihre Neugier war stärker als die Furcht.

Ein Wyver griff an.

Das größte Raubtier von Theroc stürzte vom Himmel, die Schwingen ausgebreitet, den Blick der Facettenaugen auf die Beute gerichtet und das Maul halb geöffnet. Tarnflecken bedeckten den großen, wespenartigen Körper. Die Flügel waren scharlachrot und orangefarben. Alle acht Beine endeten in messerscharfen Klauen, die Fleisch packen und zerreißen konnten.

Der Wyver kam direkt auf Celli zu. Sie schrie nicht und erstarrte auch nicht vor Schrecken. Stattdessen sprang sie von dem Blattwedel, auf dem sie bisher gesessen hatte, ließ sich fallen, ergriff einen Zweig und schwang sich daran zur Seite. Der Wyver sauste an ihr vorbei, und seine Klauen streiften die Blätter. Celli hatte schon wieder losgelassen; mit ihren Füßen 261

landete sie auf einem weiteren Zweig, stieß sich sofort ab und flog in eine andere Richtung. Dies war wie Baumtanz; auf diese Weise hätte sie den ganzen Tag tanzen können.

Der Wyver näherte sich erneut mit summenden Flügeln und krackenden Kiefern. Etwas Langes und Scharfes jagte ganz dicht an Cellis Schulter vorbei. Ein Stachel! Der Wyver verfügte über ein Gift, mit dem er seine Opfer lähmen konnte. Celli wandte sich zur Seite, ergriff einen weiteren Zweig und schwang sich fort. Der Wyver verfolgte sie, zerriss dabei große Blattwedel. Cellis Herz schlug schneller, und sie begann zu keuchen.

Plötzlich hörte sie ein anderes Summen in der Nähe und sah, wie Solimars Flügler vor dem Wyver vorbeiflog. Celli begriff, dass er das Raubtier ablenken wollte. Bei ihrer ersten Begegnung hatte Solimar sie aus den brennenden Weltbäumen in Sicherheit gebracht, und jetzt schickte er sich an, sie erneut zu retten.

Celli duckte sich zwischen dichte Blattwedel, und der Wyver verfolgte Solimar. Sein Flügler, der im Vergleich mit dem wespenartigen Wesen fast winzig wirkte, änderte immer wieder den Kurs. Solimar duckte sich auf seinem Fluggerät, um ein kleineres Ziel zu bieten.

Celli schrie nicht, um zu vermeiden, Solimar in einem kritischen Moment abzulenken. Stattdessen hob sie den Kopf übers Blätterdach und beobachtete, wie der junge grüne Priester enge Schleifen flog, den Flügler fallen und dann wieder aufsteigen ließ. Aber so agil sein selbst gebauter Flieger auch sein mochte, der Wyver war in seinem Element. In Celli krampfte sich etwas zusammen, als sie begriff, dass Solimar dem Raubtier nicht auf Dauer entkommen konnte.

Ihm schien das ebenfalls klar zu werden. Als ihn der Wyver fast mit einer Greifklaue erreichte, drehte Solimar den Flügler, flog k

dire t auf das

Geschöpf zu und benutzte sein Fluggerät wie ein Projektil.

Die Schwingen des Wyver summten lauter, als er zurück 262

wich, aber Solimar wurde noch schneller und kam näher. Celli hielt unwillkürlich den Atem an. Im letzten Moment vor der Kollision sprang Solimar von seinem Flügler herunter und fiel dem Blätterdach entgegen.

Sein geliebter Flügler prallte mit hoher Geschwindigkeit gegen den Wyver, zerfetzte einen Flügel und riss den Leib auf. Celli machte sich keine Sorgen um den fallenden Solimar, denn er war ein ebenso geschickter Baumtänzer wie sie selbst. Er griff nach mehreren Blattwedeln, ließ sich elegant von ihnen auffangen, griff dann nach einem Ast, schwang herum und err te

eich

einen anderen dicken Zweig.

Der zerbrochene Flügler fiel vom Himmel, und der verletzte Wyver flog unsicher davon.

Celli sprang bereits über die Äste und Zweige. Als sie Solimar erreichte, atmete er schwer, und es zeigten sich viele Kratzer in seiner grünen Haut, doch ernsthaft verletzt war er nicht. Sie warf sich ihm in die Arme. »Danke, Solimar!« Dann wich sie zurück, sah in sein Gesicht und hob die Stimme.

»Was hast du dir nur dabei gedacht? Du hättest getötet werden können.«

»Du auch! Und ich wollte, dass wir beide am Leben bleiben.«

In enger Umarmung standen sie unter den Blattwedeln, und dann küssten sie sich.

94 # JESS TAMBLYN

Die Spuren der Zerstörung auf Jonah 12 erinnerten Jess an verlorene Träume und ruinierte Möglichkeiten. Kotto Okiah hatte hart gearbeitet, um eine Station voller Leben auf diesem düsteren, abgelegenen Planetoiden zu schaffen, Jhy Okiah war hier gestorben, und Cesca hatte sich mit einer St

t

rei macht wiedererwachter schwarzer Roboter konfrontiert gesehen.

Fünf inaktive Satelliten umkreisten den toten Brocken aus 262

Felsgestein und Eis. Während Kottos bester Zeit an diesem Ort waren Schiffsladungen von superkaltem komprimiertem Gas in den Orbit geschossen worden, und diese Satelliten hatten den Produktionsprozess vervollständigt und einfachen Wasserstoff in Treibstoff für den Sternenantrieb verwandelt. Fast zweihundert Clan‐Arbeiter hatten hier gelebt. Jetzt waren sie alle tot.

Cesca lehnte sich an die flexible Hüllenmembran des Wen‐tal‐Schiffes und beobachtete die Trümmer in dem Krater, der bei der Explosion des Reaktors entstanden war. Seine Wärme genügte, um Eis in eine breiige Masse zu verwandeln. An anderen Stellen war es ganz geschmolzen und anschließend zu silberweißen Streifen erstarrt.

Das Wasserschiff ging am Rand des Kraters nieder, und Jess und Cesca traten nach draußen unter den kalten, schwarzen Himmel. Sterne leuchteten über ihnen, doch selbst der nächste, Jonahs Sonne, war zu weit entfernt, um Wärme zu spenden.

»Möchtest du hier Ordnung schaffen?«, fragte Cesca. »So wie auf Plumas?«

Jess wusste, dass er in der Lage gewesen wäre, die aufgerissene Oberfläche zu glätten und alle Spuren der Zerstörungen zu beseitigen, damit Kotto Okiah eine neue Station errichten konnte. Aber das war nicht seine Absicht.

»Es hätte keinen Sinn. Kotto baute hier seine Anlagen, als Ekti knapp war.

Jetzt sind wieder zahlreiche Wolkenminen in Betrieb, und es gibt genug Treibstoff. Jonah 12 sollte eine Art Gedenkstätte bleiben.«

Cesca lächelte bittersüß. »Glaubst du, Roamer kommen hierher, um sich dies anzusehen und sich daran zu erinnern, wer hier starb?«

»Ich erhoffe mir etwas anderes: eine lebendige Gedenkstätte. Jetzt da die Wentals so weit verbreitet sind ... Ich möchte, dass sie das Eis hier mit ihrer enz erfüllen, so wie bei de

Exist

m Kometen, den ich nach Theroc geschickt

habe.«

263

Jess ging in die Hocke, legte die Hände flach aufs Wasserstoffeis und fühlte, wie Wental‐Kraft aus ihm in die Kruste des Planetoiden strömte. Ein Schimmern durchdrang das Eis ‐ er spürte es mehr, als dass er es sah. Es wurde stärker, als Einschlüsse aus gefrorenem Wasser im Wasserstoffeis zu Wental‐Leben erwachten. Schließlich richtete sich Jess wieder auf und war

zufrieden mit dem, was er getan hatte.

Er hob die Hände und sprach zu den Wasser‐Entitäten. »Eignet sich dieser Ort für euch?«

Wir sind weit verbreitet. Jetzt müssen wir stärker werden. Weitere Verdünnungen sind nicht ratsam.

»Es gibt jetzt so viele Wentals, dass nie wieder die Gefahr einer Ausrottung bestehen kann«, sagte Cesca. »Macht euch das nicht stärker?«

Wir sind zahlreich, aber wir stammen alle aus der gleichen Quelle. Wenn wir uns von jenem einen Tropfen ausgehend weiter verbreiten, verlieren wir uns.

Wir brauchen eine neue Quelle und bitten euch, andere Wentals zu suchen, e di

wie wir im großen Krieg verloren gingen.

Vor Jahren hatte Jess mit einem Nebelsegler eine kleine Menge lebendiges Wasser aus einer diffusen Gaswolke gewonnen. Alle bis rigen We he

ntals

gingen auf dieses bisschen Feuchtigkeit zurück.

»Aber wo sollen wir andere Wentals finden?«, fragte Jess.

Sucht die alten Schlachtfelder im Spiralarm, Orte, an denen Wentals starben.

Wenn ihr sie erreicht, zeigen wir euch, wo es zu suchen gilt.

263

95 4 DAVLIN LOTZE

Nachdem die schwarzen Roboter großen Schaden beim Sub‐schwarm angerichtet und sich zurückgezogen hatten, blieb Davlin nicht so viel Zeit wie erhofft. Das galt für alle Llaro‐Kolonisten. Die übrig gebliebene kiss

n Kli

gaben ihnen keine Chance.

Margaret sah wie eine Vogelscheuche aus, als sie von der beschädigten Schwarmstadt zur Siedlung lief, so schnell, als wären die Insektenwesen hinter ihr her. Überall lagen tote Klikiss und zerstörte Roboter verstreut. Sie schenkte den kleinen Zugangslücken keine Beachtung, eilte durch das von einer Explosion geschaffene Loch und blieb im Licht von Llaros Sonne stehen. Als sie wieder zu Atem gekommen war, rief sie Davlin und den Kolonisten in seiner Nähe zu: »Die Domate kommen, um euch zu holen! Sie sind hierher unterwegs!« Ihre Worte schnitten wi

rc

e ein Messer du h die

Morgenluft.

Es lief Davlin plötzlich kalt über den Rücken. »Der Kampf hat sie geschwächt.«

Roberto Clarin wandte sich von der Mauer ab und kam näher. »Shizz, wie zum Teufel können sie auf die Idee kommen, erneut zu kämpfen? Die Roboter haben die Hälfte von ihnen getötet.«

»Genau das ist der Grund«, sagte Margaret. »Umso dringender muss die Brüterin neue Klikiss hervorbringen; es gilt, die Verluste zu ersetzen. Und dafür braucht sie euch alle.«

Davlin erlebte einen jähen Adrenalinschub, klatschte in die Hände, rief alle zu ihren Posten und wies darauf hin, dass dies keine Übung war. Die Siedler seufzten erschöpft, aber ihre Gesichter zeigten auch Entschlossenheit, a ls

sie sich erneut zur Verteidigung bereit machten.

Maria Chan Tylar und die von ihr ausgebildeten Kolonisten nahmen ihre Wa en ‐ h

ff

andliche Projektilschleudern, Schockstäbe und zwei Jazer‐

Gewehre ‐, kletterten hastig Leitern hoch

264

und brachten sich auf der Mauer in Schussposition. Davlin war ein guter Schütze und nahm deshalb selbst einen Jazer. Munition war knapp: Sie mussten die wenigen Energiepakete und Projektile so einsetzen, dass sie eine möglichst große Wirkung erzielten.

»Glauben Sie, dass der Tod so vieler Käfer eine Rolle spielt?«, wandte sich Clarin leise an Davlin. »Haben wir jetzt eine Chance?«

»Wir hatten immer eine. Es war nur keine besonders große.« Lotze sah das Oberhaupt der Roamer an. »Sie ist noch immer nicht besonders groß. Aber jeder Käfer, den die Roboter getötet haben, ist einer weniger für uns.«

Klikiss‐Arbeiter hatten Stunden damit verbracht, die Leichen von Kriegern sowie zerstörte Roboter und Soldaten‐Kompis fortzuschaffen. Davlin kletterte eine Leiter hoch und trat neben Margaret auf die Mauer.

»Ich habe beobachtet, wie die Roboter einen Domat töteten. Nützt uns das etwas?«

»Nicht viel. Die Brüterin hat noch sieben von ihnen.«

Überrascht sah Davlin, wie Tränen über Margarets Wangen rollten. »Sie sollten sich besser irgendwo verstecken. Oder wollen Sie mit uns sterben?«

»Die Klikiss werden mir nichts tun. Die Brüterin hat mich im Schwarmbewusstsein gekennzeichnet.« Margaret ballte die Fäuste. »Ich stecke mitten in diesem blutigen Durcheinander fest. Wenn doch nur DD

hier wäre. Aber ich bin froh, dass er mit den anderen fort ist.«

»Ich bedauere, dass nicht noch mehr von uns fliehen konnten«, sagte Davlin.

Er fügte hinzu: »Ich habe so viele gerettet, wie ich konnte.« Aber er wusste nicht, wie viele der Flüchtlinge ohne Lebensmittel, Waffen und Werkzeuge bei den Sandsteinklippen überleben konnten. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als zu versuchen, irgendwie zurechtzukommen.

in stellte fest, da

Davl

ss die Klikiss‐Arbeiter einen Weg über das Schlachtfeld freigeräumt hatten. Krieger und einige große

265

Domate kamen aus den dunklen Öffnungen der Türme, bildeten eine Art Prozession und marschierten in Richtung Siedlung.

Die Warnungen von Beobachtern erklangen. Maria verteilte ihre Schützen auf der Mauer, und andere Kolonisten kletterten im Innern der Siedlung auf Dächer. Sie alle hatten Waffen und waren entschlossen, davon Gebrauch zu machen. »Noch nicht«, sagte Maria. »Unser größter Vorteil ist die Überraschung.«

Schnaufend und mit rotem Gesicht kletterte Clarin zu Davlin hoch. »Wir halten sie so lange auf, wie wir können. Wenn wir genug von ihn n ...

en töte

Vielleicht ziehen sich die anderen dann zurück.«

»Sie werden weiter angreifen«, sagte Mar

t, und

gare

ihr Tonfall machte

deutlich, dass nicht der geringste Zweifel daran bestehen konnte.

Clarin seufzte. »Das habe ich befürchtet.«

Maria Chan kniff die Augen zusammen und hob ihre Waffe. »Wenn es hart auf hart kommt, habe ich vor, so viele Käfer wie möglich zu erschießen.«

Die Domate mit ihren hohen Kopfkämmen und großen Kiefern, die alles zermalmen konnten, stapften übers Schlachtfeld auf die Mauer zu. Davlins Anspannung wuchs. In Gedanken zog er eine Linie, und es dauerte nur noch wenige Sekunden, bis die Klikiss sie erreichten. Nur noch ein paar Schritte.

»Denkt daran: Die Gestreiften sind die wichtigsten Ziele und kommen gleich nach der Brüterin!«, rief er. »Wenn es uns gelänge, alle sieben zu erled gen, i

wäre das ein schwerer Schlag für den Schwärm.«

Der erste Domat erreichte den Weg vor der Mauer, und sein Chitinfuß berührte eine der von Davlin ausgelegten Minen. Es kam zu einer heftigen Explosion, die wie ein orangefarbener Geysir Erde und Gestein weit nach schleude

oben

rte. Der Domat wurde halb zerfetzt und sank tot zu Boden.

brig

Die ü

en Klikiss pfiffen und zwitscherten fast ohrenbetäubend laut.

265

Noch sechs Domate übrig.

Die Krieger in der Nähe der Domate hoben ihre glockenförmigen Waffen.

Viele von ihnen stürmten einfach los, um die Siedlung anzugreifen, und damit reagierten sie genauso, wie Davlin es gehofft hatte. Sie erreichten den verminten Weg, und es kam zu dre

it

i we eren Explosionen, die zahlreiche

Krieger töteten.

»Eröffnet das Feuer!«, rief Maria Chan.

Davlin hob sein Gewehr an die Schulter, zielte und drückte ab. Eine energetische Entladung blitzte und brannte ein Loch durch einen weiteren Domaten. Das gestreifte Insektenwesen sackte in sich zusammen u d blieb n

reglos liegen. Noch fünf.

Alle Männer und Frauen auf der Mauer schössen. Krieger, Arbeiter, Konstrukteure und andere Klikiss gingen zu Boden. »Zielt auf di t

e Doma e!«

Drei der acht Domate des Subschwarms waren bereits getötet, was die anderen Klikiss zum Anlass nahmen, mit den eigenen Körpern eine schützende Barriere vor ihnen zu bilden und sie zurückzudrängen, in relative Sicherheit. Davlin schoss erneut mit seinem Jazer‐Gewehr, ließ den Strahl über mehrere Klikiss‐Krieger wandern und tötete sie. Ein Domat verlor zwei Gliedmaßen, doch das große Geschöpf wich rasch weiter zurück.

Vom niedrigen Schwarmgebäude aus lenkte die Brüterin den Angriff ‐

Hunderte von Kriegern setzten sich in Bewegung und drängten der Siedlung entgegen. So oft die Männer und Frauen auf der Mauer auch schössen, sie konnten die Angreifer nicht zurücktreiben. Eine weitere versteckte Mine explodierte, doch viele Insektenkrieger weiter hinten entfalteten einfach ihre Flügel und flogen über die Gefahrenzone hinweg. Andere marschierten stur weiter zur Mauer. Überall lagen tote Klikiss, und lebende kletterten über sie hinweg.

Davlin wusste, dass die Mauer keinen Schutz vor den fliegenden Klikiss hr

gewä te. Die Insektenwesen schwirrten in großer Höhe heran, kamen dann im Sturzflug herab und grif

266

fen an. Er schoss nach oben und tötete einige Klikiss, doch immer mehr Krieger näherten sich der Siedlung.

96 # ROBERTO CLARIN

Clarin feuerte mehrmals mit seiner Waffe, und der flache Kopf eines fliegenden Klikiss‐Kriegers platzte auseinander. Das grässliche Geschöpf prallte gegen ein aus Fertigteilen errichtetes Gebäude, rutschte an der Wand herab und hinterließ eine Spur aus Schleim. Ein schlecht gezieltes Explosivgeschoss zerstörte einen anderen Teil des Gebäudes.

Viele unbewaffnete Kolonisten liefen durch die Öffnungen in der Mauer und flohen, obwohl sie kaum die Chance hatten, sich weit vom Subschwarm zu entfernen. Andere eilten zu ihren vorbereiteten Verstecken innerhalb der Siedlung, verkrochen sich in verborgenen Kammern und unter getarnten Falltüren.

Clarin beobachtete, wie fünf Fliehende draußen auf mehrere Klikiss stießen.

Von den Insektenwesen angegriffen, versuchten sie, in den Schutz der Mauer zurückzukehren, doch sie kamen nur einige wenige Schritte weit, bevor sie starben.

Auf der Mauer rief Maria Chan Tylar ihren Schützen Anweisungen zu. Sie schien überhaupt nicht an Flucht zu denken, nur daran, auf die Klikiss zu schießen, bis die gesamte Munition verbraucht war. Clarin bedauerte, dass sie die Siedlung nicht zusammen mit ihrem Mann verlassen hatte.

Zusammen mit Davlin lief er durch die schmalen Straßen der Siedlung und versuchte, die geschwächte Verteidigung zu organisieren. Er erinnerte sich daran, wie damals die verdammten Tiwis gekommen waren und sein ge bt

lie es Hurri‐cane‐Depot zerstört hatten. Hier sah es ebenso schlimm aus.

Während des Angriffs der schwarzen Roboter war die Mauer 267

an mehreren Stellen beschädigt worden, und Klikiss kamen durch die Löcher. Rauch stieg auf, und der Geruch von Feuer und Tod hing so schwer in der Luft, dass einem das Atmen schwer fiel.

Clarin wandte sich der nächsten Öffnung in der dicken Mauer zu. »Ich weiß, s wird,

wann die Lage hoffnungslo

aber ich habe noch einen kleinen Trick

auf Lager.«

»Wovon weiß ich nichts?«

»Der andere Remora. Er ist flugtüchtig und startbereit. Ich schnappe ihn mir.«

Davlin sah einen Hoffnungsschimmer. »Gut. Sie können sechs Personen an Bord nehmen. Nur sechs ... Aber wenigstens dieses halbe Dutzend können wir retten.«

Clarin gab keine Antwort. Mehr als hundert Klikiss befanden sich bereits im Innern der Siedlung und fielen über die Menschen her. Er hätte sechs Personen retten können ‐ aber welche sechs? Wie sollte er sie auswählen, und welchen Sinn hätte es gehabt? Die Klikiss wären ihnen vermutlic h

gefolgt.

Nein, Clarin hatte etwas anderes im Sinn. Er verließ den ummauerten Bereich und lief zum Geröllfeld, wo der getarnte Remora wartete. Es hielten sich keine Klikiss‐Krieger in der Nähe auf ‐ sie konzentrierten ganz

sich

darauf, die Domate zu schützen und die Siedlung anzugreifen.

Maria stand noch auf der Mauer und schoss immer wieder auf die zurückweichenden Domaten, die inzwischen aber zu weit entfernt waren.

Ein Klikiss‐Krieger kletterte hinter ihr an der Innenseite der Mauer hoch.

Sie drehte sich um und feuerte, doch ein zweites Insektenwesen streckte seine Gliedmaßen nach ihr aus und zog sie von der Mauer. Sie schoss den ganzen Weg bis nach unten.

Clarin erreichte schließlich den reparierten Remora und zwängte sich durch die halb offene Luke. Das Triebwerk startete sofort ‐ wenigstens etwas funktionierte richtig.

Er hatte keinen Testflug unternehmen können, wusste aber, wie man einen Remora flog. Praktisch alle Roamer konnten

268

Raumschiffe fliegen, von welcher Größer auch immer. Die Kontrollen der Tiwis erschienen Clarin unhandlich, als er sich vorbeugte und nach den richtigen Tasten suchte. Mit den Düsen für die Höhenkontrolle brachte er den Remora unter der Tarnung hervor und gab dann Schub mit dem Haupttriebwerk. Der Remora drehte sich in der Luft und flog den

Klikiss

Türmen entgegen.

Alles schien wie in Zeitlupe stattzufinden. Clarin hatte das Dröhnen von Explosionen in den Ohren, das Brummen des Triebwerks, Schüsse und Schreie. Das Pfeifen und Zirpen der Klikiss wurde so laut, dass er befürchtete, die Cockpitfenster würden zerspringen. Clarin schenkte all dem keine Beachtung und konzentrierte sich ganz auf sein Ziel. Er gab noch mehr Schub, näherte sich der Klikiss‐Stadt mit hoher Geschwindigkeit und sah das niedri

ebäude, v

ge G

on dem aus das Schwarmbewusstsein alle

Klikiss kontrollierte.

Das primäre Ziel.

Die TVF‐Waffen des Remoras reichten vermutlich aus, um jenes Gebäude zu zerstören. Wenn es ihm gelang, die Brüterin zu neutralisieren, stellte der Rest des Schwarms vielleicht keine Gefahr mehr dar.

Doch plötzlich stiegen Dutzende von Klikiss‐Kriegern auf und schwirrten ihm wie Hornissen entgegen. Mit den TVF‐Jazern tötete er viele von ihnen, doch die anderen kamen schnell heran. Einige prallten benommen vom Rumpf des Remoras ab. Andere erreichten das Triebwerk und flogen absichtlich in die Lufteinlässe. Auf der Instrumententafel blinkten rote Warnanzeigen.

»Aus dem Weg mit euch, verdammt!«

Neue Hoffnung entstand in ihm, als er sah, wie Davlin mit einigen Überlebenden die Siedlung verließ. Er hatte ein Fahrzeug der Klikiss unter Kontrolle gebracht und nahm so viele Kolonisten wie möglich mit. Der nwag

Bode

en raste über die Ebene und war schneller als die ihn verfolgenden Krieger. Ihm und den anderen schien die Flucht zu gelinge .

n

268

Ein Klikiss‐Krieger warf sich gegen das Cockpit, und ein Spinnennetz aus Rissen durchzog die Scheibe, beeinträchtigte Clarins Sicht. Weitere Krieger näherten sich dem Remora, dazu entschlossen, ihn vom Himmel zu holen, und er feuerte immer wieder mit den Jazern. Explosionen blitzte n neben

den klobigen Türmen auf.

Ein Triebwerksmodul, halb von den Klikiss zerfetzt, fiel aus. Noch mehr Insektenwesen erreichten den Remora und krochen über die Außenhülle ‐

Clarin hörte, wie sie versuchten, mit ihren Klauen die Platten von der Hülle zu lösen. Ein Absturz drohte. Er bewegte den Steuerknüppel von einer Seite zur anderen und ließ den Remora rollen, wodurch zwei Klikiss den Halt am Cockpit verloren und in die Tiefe stürzten. Doch das genügte nicht.

Die Insektenstadt befand sich direkt voraus, aber Clarin verlor schnell an Höhe. Die Klikiss beschädigten die Systeme und rissen die Waffen aus ihren Verankerungen. Drei der Jazer waren bereits ausgefallen.

Er konnte es nicht bis zum Schwarmgebäude schaffen, verdammt!

Unten brachten die Klikiss ihre Domate in die Türme. Nur eins der großen gestreiften Geschöpfe blieb draußen, umgeben von dreißig Kriegern. Als es den stachelbesetzt Kopf

en

hob, glaubte Clarin, direkt in seine Facettenaugen zu sehen.

Es musste genügen.

Mit dem Rest an Manövrierfähigkeit veränderte Clarin den Kurs und machte gleichzeitig von allen noch einsatzfähigen Waffen Gebrauch. Er konzentrierte sich auf den gestreiften Klikiss, die Zukunft des Schwarms.

Sekundäres Ziel. Clarin stellte sich eine Zielscheibe am Körper des g en

roß

Insektenwesens vor.

Er steuerte den Remora nach unten und beschleunigte mit den letzten breserven. Beim Auf

Schu

prall explodierte der Remora, aber das Feuer

t

erleb e Clarin nicht mehr.

269

97 # RLINDA KETT

Rlinda und BeBob flogen mit der Unersättliche Neugier zur Erde zurück, an Bord ein Passagier namens Sullivan Gold. Rlinda summte vor sich hin, um sich von ihrem Unbehagen abzulenken. »Da sind wir, ein unabhängiges Schiff, das der Erde Handelsware bringt. Es ist überhaupt nicht nötig, uns besondere Aufmerksamkeit zu schenken.«

Während der vergangenen Wochen hatten alle Handelsschiffe der Konföderation die Nachricht von der Verurteilung des Vorsitzenden durch König Peter und Patrick Fitzpatricks Geständnis weitergegeben.

Relaisstationen hatten sie empfangen und verbreitet. Rlinda wusste, dass sie in dieser Hinsicht sehr vorsichtig sein musste. Sie konnte in große Schwierigkeiten geraten, wenn man sie dabei ertappte, entsprech e Sig

end

nale zu senden.

Auf dem Weg zur Erde hatten sie bei drei Kolonien Zwischenstation gemacht, die noch nicht offiziell zu Mitgliedern der Konföderation geworden waren. Ihre Regierungen zeigten keine Skepsis, als sie erfuhren, was der Vorsitzende Wenzeslas und General Lanyan getan hatten ‐ sie nahmen es mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Und die Mitteilung, dass die TVF die Kolonie Rhejak übernommen hatte, bestärkte nur ihre Abneigung, die Hanse zu verlassen.

BeBob war verblüfft gewesen, aber Sullivan hatte traurig den Kopf geschüttelt und geseufzt. »Sie können diese Leute nicht überzeugen. Sie haben eine Art Gehirnwäsche hinter sich.«

»Oder sie haben Angst«, sagte BeBob.

Rlinda hob und senkte die Schultern. »Vielleicht, aber der König hat uns gebeten, die Nachricht weiterzugeben, und das machen wir. Immerhin bin ich die Handelsministerin der Konföderation. Vielleicht s e

ollt ich mir ein

ichen zulegen.«

Abze

BeBob hatte darauf bestanden mitzukommen, trotz Rlindas 270

Sorge. »Ich verspreche dir, dass ich das Schiff nicht verlasse. Ich werde noch unauffälliger sein als ein Staubkorn auf feuch r Rumpffarbe. D

te

u brauchst

dir keine Sorgen zu machen, Rlinda, im Ernst.«

»Wer hat gesagt, dass ich mir Sorgen mache?«

BeBob warf ih

e‐d

r einen Ich‐bitt

ich‐Blick zu. »In deinem Gesicht lese ich wie

in einem Buch.«

»Seit wann liest du Bücher?«

Rlinda hörte die einzelnen Frequenzen ab und stellte fest, dass mindestens zwei Amateurgruppen die heimlich von ihr gesendete Botschaft des Königs empfangen und ihrerseits gesendet hatten, bevor die Behörden der Hanse sie daran hindern konnten. Ein unabhängiger Repeater wurde fast sofort stillgelegt, doch andere wiederholten die Sendung immer wieder. Die Bewohner der Erde würden die Worte des Königs hören, kein Zweifel. Ob sie daraufhin beschlossen, gegen den Vorsitzenden aktiv zu werden, war eine ganz andere Frage...

Nach einem langen und seltsam unangenehmen Schweigen meldete BeBob sich wieder zu Wort, und Rlinda hörte ihm an, dass er lange mit den Worten gerungen hatte. »Wenn wir Partne ein sollen ... Hältst du es r s

dann nicht für

besser, wieder zu heiraten?«

»Das haben wir bereits hinter uns.«

»Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Sollten wir es uns nicht noch einmal durch den Kopf gehen lassen?«

Rlinda drückte ihn so fest an sich, dass ihm die Luft wegblieb. »Fühlst du dich unsicher? Du bist mein Partner, beim Geschäft und auch bei ...

körperlichen Dingen. Vermassele kein gutes Arrangement. Papierk n

ram kan

ihm nur schaden.«

Sullivan kam aus seinem Schlafquartier weiter hinten, rieb sich die Aug en,

streckte sich und gähnte. »Sind wir bald da?«

Rlinda deutete aus dem Cockpit. »Die kleine blaue Kugel dort ist die Erde.

Erkennen Sie sie? Können Sie von hier aus Ihr Haus sehen?«

270

Sullivan war sowohl beunruhigt als auch voller Hoffnung. »Ich dacht ie

e, S

würden mich wecken. Ich brauche Zeit, um mich vorzubereiten...«

»Immer mit der Ruhe, Mr. Gold. Wir sind noch nicht in die Umlaufbahn geschwenkt. Anschließend müssen wir eine Million Formulare ausfüllen, die Sicherheitskontrollen der Hanse hinter uns bringen und darauf warten, dass man un

en Lan

s ein

deplatz zuweist. Ihnen bleibt Zeit genug für ein weiteres Nickerchen, bevor wir auf der Erde sind.«

Die Neugier steuerte in eine Umlaufbahn und wich dabei noch nicht beseitigten Trümmern aus. In der derzeitigen Situation gab es nicht viele Handelsschiffe, die die Erde ansteuerten, und Rlinda erwartete großen Profit, trotz der vom Vorsitzenden verhängten absurd hohen Steuern.

Sullivan rieb sich die Hände und versuchte vergeblich, seine Anspannung zu verbergen. »Könnte ich Lydia eine Mitteilung schicken? Ist es möglich, meine Fa

zu l

milie wissen

assen, dass ich unterwegs bin?«

»Sollte kein Problem sein. Sie sind noch i

g

mmer Bür er der Hanse, oder?«

»Soweit ich weiß, ja.«

Rlinda aktivierte das Kommunikationssystem der Neugier. Sullivan gab ihr seine privaten Kom‐Codes; damit ließ sich eine Verbindung durch lokale Kommunikationsknoten herstellen. »Ihre Frau wird überhaupt keine Ahnung haben, wer sich am anderen Ende der >Leitung< befindet.«

Sullivan lächelte. Rlinda erkannte, dass er nervös wa n

r u d es gar nicht

abwarten konnte. »Es dürfte eine ziemliche Überraschu sie

ng für

sein.«

»Wie lange sind Sie schon verheiratet?«, fragte BeBob.

»Seit so vielen Jahren, dass ich die Übersicht verloren habe.«

a r

Rlind ollte mit den Augen. »Das glaube ich Ihnen nicht.« Der ältere Mann lächelte verlegen. »Zweiundvierzig Jahre. Und sechs Monate.«

271

BeBob stellte die Verbindung her, und Rlinda drehte ihren Sessel. »Sind Sie sicher, dass wir Sie nicht ankündigen sollen? Wie wär's, wenn die Hanse Sie mit einer Marschkapelle empfängt? Ihre Rückkehr nach Hause ist er

sich

eine große Sache.«

»Rlinda!«, entfuhr es BeBob. »Wir wollten doch unauffällig bleiben!«

»Ich habe nicht gesagt, dass wir allen Leuten von dir an Bord erzählen sollen. Wenn's nach mir ginge, so test

ll

du dich im Frachtabteil mit der

Aufschrift >Giftmüll< verstecken.«

»Dort würde man zuerst suchen.«

»Bitte kein großes Empfangskomitee«, sagte Sullivan. »Davon halte ich nichts. Ich möchte einfach nur meine Familie wiedersehen und etwas Zeit Früher oder

mit ihr verbringen.

später kommen die Medien dahinter, aber

bis dahin möchte ich ungestört sein.«

»Wie Sie meinen.«

Schließlich erschien Lydia auf dem Bildschirm, und als sie sah, wer sie sprechen wollte, war sie zuerst sprachlos vor Verblüffung und schnitt dann eine finstere Miene. »Ich habe mich schon gefragt, wann du dich melden würdest. Du bist also nicht tot, wie? Die Hanse berichtete von der Zerstörung deiner Wolkenmine ‐ angeblich gab es keine Überleben

den

Lydias Strenge war ganz offensichtlich gespielt.

Sullivan beugte sich so weit vor, dass Rlinda schon glaubte, seine Nase würde an den Bildschirm stoßen. »Hast du meinen Brief nicht bekommen?

Ich habe ihn dir von einem grünen Priester schicken lassen. Hast du nie erfahren, dass ich gerettet wurde, nachdem die Hydroger meine Wolkenmine vernichteten?«

»Briefe habe ich keine bekommen. Aber ich habe die Nachricht gehört, ja, und seitdem gewartet.« Jetzt läc elte Ly

h

dia. »Du siehst aus, als hättest du

eine Rasur nötig.«

»Und du siehst wundervoll aus.«

he Kompliment

»Solc

e bringen mich auf den Gedanken, dass du vielleicht etwas zu verbergen hast.«

272

»Es bedeutet, dass du mir gefehlt hast. Das Schiff, mit dem ich unterwegs bin, landet gleich auf dem Raumhafen des Palastdistrikts. Freust du dich über meine Rückkehr?«

»0 ja. Und nicht nur weg n deiner

e

glänzenden Konversation. Ich könnte hier

Hilfe gebrauchen.«

»Du holst mich also ab?«

»Ich bringe die Familie mit.« Lydia sah ihn an, als widerstrebte es ihr sehr, die Verbindung zu unterbrechen. »Aber ich muss mich beeilen, wenn ich pünktlich zur Stelle sein soll.«

Der Schirm wurde dunkel. Sullivan starrte noch eine Zeit lang darauf, blinzelte dann und wandte sich an Rlinda und BeBob. »Ich habe eine ziemlich große Familie, wissen Sie.«

Zwei Stunden später landete die Neugier an der ihr zugewiesenen Stelle. Die Luken öffneten sich und ließen die frische, vertraute Luft der Erde herein.

BeBob hielt das Gesicht in den Wind. »Ein wundervoller Geruch!«

»Versteck dich im Frachtraum. Ich kümmere mich um den bürokratischen Kram.« Rlinda befürchtete, dass die Sicherheitskontrollen sie viel Zeit kosten würden.

Sullivan packte seine Sachen zusammen, unter ihnen auch die Belohnung, die er vom Weisen Imperator erhalten hatte, als sich die Handelsbeamten der Hanse mit der Neugier in Verbindung setzten und einige neue nahmen ankündigten. Rlinda hörte sich alles an un Sicherheitsmaß

d fluchte.

»Verdammt! BeBob, komm ins Cockpit.«

»Was ist los?«

»Die Gänse kommen mit Scannern, um alle Frachträume und auch versiegelte Behälter zu nte

u

rsuchen. Sie würden dich finden, wo auch

immer du dich versteckst.«

»Was soll ich machen?«

»Du gehst mit Sullivan ‐ und zwar sofort. Drüben in Zone B haben sich die Beamten gerade ein Schiff mit Schmuggelware vorgenommen, aber sie en bald h

werd

ier sein. Macht euch auf den Weg, ohne Aufsehen zu erregen.

Und wartet ab, bis ich Entwarnung gebe.«

272

BeBob ging zur Rampe, gefolgt von Sullivan, drehte sich um, kehrte mit einigen raschen Schritten zur Rlinda zurück und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann lief er die Rampe hinunter in den Landebereich.

Rlinda blieb an Bord, kümmerte sich um die Einzelheiten, füllte Formulare aus und wartete auf die Handelsinspektoren, die eine Stunde später eintrafen. Es war eine wirklich nervige Angelegenheit. »Der Vorsitzende braucht zwar jede Menge Material, aber er macht die Sache ehrlichen Händlern nicht gerade leicht.«

Zwei Beamte sahen sich die Frachtliste an, während Techniker mit Helmen und Scannern das Schiff durchsuchten. Rlinda ließ sie gerade genug Konterbande finden, um zu verhindern, dass sie nach mehr Ausschau hielten. Sie wollte vor allem vermeiden, dass sie einen Blick i u

ns Logb ch

warfen, wo sie Hinweise auf BeBob entdeckt hätten.

Schließlich boten die Beamten den Erwerb der Waren an, die Rlinda verkaufen wollte. Sie nannte einen höheren Preis und war sehr überrascht, als die Inspektoren nicht mit sich handeln ließen. »Es ist ein fester Preis.

Der Vorsitzende hat unsere Handelspolitik wegen des Krieges geändert. Wir dachten, dass Ihnen die neuen Bedingungen bekannt waren, als Sie sich zur Landung entschlossen.«

Der zweite Beamte fügte kühl hinzu: »Wir sind befugt, Ihre Fracht zu beschlagnahmen, wenn Sie die Bedingungen ablehnen.«

»Ich schätze, Ihre Kunden bleiben Ihnen nicht lange treu, oder?« Rlinda musterte die beiden Beamten, und für einige Sekunden herrschte Stille. Ihr blieb nichts anderes übrig, als nachzugeben. »Na schön. Aber erwarten Sie bei einem so niedrigen Preis nicht von mir, dass ich beim Entladen helfe.«

»Das wird von unseren Leuten erledigt.« Arbeiter kamen, brachten die Frachtbehälter aus dem Schiff und suchten dabei erneut mit Scannern nach Schmuggelware oder Sprengsätzen.

273

»Wenn alles entladen ist, haben Sie eine Stunde, um den Landebe eich zu r

verlassen, Captain Kett.«

»Verstanden.« Rlinda schnaufte ungläubig. Als ob sie nach diesem herzlichen Empfang den Wunsch verspürt hätte, noch länger zu bleiben. Als der Frachtraum leer und ein unerwartet kleiner Betrag (Hanse‐Kredite, mit denen sie auf den meisten Welten nichts anfangen konnte) ihrem Konto gutgeschrieben waren, gab sie BeBob Bescheid und wies darauf hin, dass er zurückkehren konnte. Während Rlinda auf ihn wartete, wuchs ihr Unbehagen, denn sie bekam keine Antwort.

Mit jeder verstreichenden Minute nahm ihre Unruhe zu. Eigentlich hätte BeBob längst zurück sein müssen. Sie hoffte, dass er sich dazu hatte überreden lassen, bei Sullivans Familien zu essen.

Plötzlich kam BeBobs atemlose Stimme aus Rlindas privatem Kommunikationskanal. »Rlinda ‐ bereite das Triebwerk vor und öffne die Luke! Ich bin unterwegs.«

»Warum die Eile? Hast du die Tochter des Bauern verführt oder was in der Art?«

»Mir ist nicht nach Scherzen zumute, Rlinda! Jemand hat die Neugier überprüft. Es gibt einen Haftbefehl auf deinen Namen. Für uns beide!«

Rlinda hörte den schrillen Unterton in BeBobs Stimme und wusste, dass er es ernst meinte. Rasch nahm sie im großen Sessel vor den Hauptkontrollen Platz und leitete Bereitschaftsenergie ins Triebwerk. Kurz darauf sprang BeBob an Bord, die Rampe fuhr hoch, und die Luke schloss sich. »Starte!«, rief BeBob. »Die Wächter sind unterwegs, um das Schiff zu beschlagnahmen.«

»Mein Schiff? Von wegen.« Rlinda aktivierte das Triebwerk, und die Unersättliche Neugier sprang gen Himmel. Mit den Manövrierdüsen zwang sie das Schiff zur Seite und wich einem großen Tanker aus, der gerade zur Landung ansetzte.

Ei stre

ne

nge Stimme kam aus den Kom‐Lautsprechern. »Unersättliche Neugier, kehren Sie unverzüglich auf Ihren Landeplatz zurück.«

274

»Bitte entscheiden Sie sich, meine Herren«, erwiderte Rlinda voller Sarkasmus. »Ihre letzte Anweisungen forderte mich auf, den Land reich

ebe

so bald wie möglich zu verlassen.«

»Captain Kett, hier spricht die Raumhafensicherheit. Sie haben keine Starterlaubnis. Kehren Sie zu Ihrem Landeplatz zurück und bereiten Sie sich darauf vor, Beamte an Bord zu empfangen.«

»Ich habe allmählich die Nase voll von euch.« Der Bildschirm vor Rlinda zeigte Wächter, die aus den Hangars des Landebereichs kamen, während die Neugier weiter aufstieg. Sie beugte sich zur Seite und klopfte BeBob auf die Hand. »Keine Sorge. Ich lasse nicht zu, ss

da sie dich erneut erwischen.«

»Oh, warum sollte ich mir Sorgen machen?«

Die Roamer hatten Rlinda geholfen, die Neugier zu modifizieren, und das machte den Frachter schneller als die TVF‐Schiffe. Sie drehte ihn und brachte ihn auf einen Kurs, auf dem er die Flugbahnen anderer Schiffe kreuzte ‐ Flüche und Verwünschungen ertönten aus dem Kom‐

Lautsprecher. Rlinda lächelte und beobachtete auf den Schirmen, wie die Entfernung zu den Verfolgern immer mehr wuchs.

98 # SULLIVAN GOLD

»Du hast dir ziemlich viel Zeit gelassen, hierher zurückzukehren«, sagte Lydia.

»Ich liebe dich auch.« Sullivan grinste vom einen Ohr zum anderen und gab seiner Frau einen Kuss auf die Wange. »Du hast mir sehr gefehlt.«

»Ka n ich mir denk

n

en. Hast du eine Ahnung, wie oft ich daran gedacht habe, a

dich ufzugeben und jemand anders zu heiraten?«

274

Sullivan schlang die Arme um Lydia und drückte sie an sich. »Das glaube ich dir nicht eine Sekunde.«

»Wie nett von dir.« Sie standen am Rand des Landebereichs und beobachteten Inspektoren und Händler, die kamen und gingen. Captain Roberts hatte Sullivan zu seiner Familie gebracht und war dann schnell wieder gegangen, aus Sorge, dass die Medien von der Rückkehr erfuhren und Reporter schickten, um das Wiedersehen zu filmen. Er schien sehr kamerascheu zu sein.

Raumschiffe landeten in den einzelnen Sicherheitszonen, und Bodenwagen nahmen ihre Fracht auf und brachten sie zu den Distributionszentren. Es roch nach Abgasen und Treibstoff, ganz anders als auf Ildira, aber das war Sullivan gleichgültig. Die vertrauten Gerüche weckten ein intensives Nos‐

talgiegefühl in ihm, so stark, dass ihm Tränen in die Augen quollen. Er wischte sie schnell fort.

Ein fast ohrenbetäubender Lärm herrschte beim Raumhafen: Flugverkehr, Be‐ und Entlademaschinen, Ansagen aus Lautsprechern, zahlreiche laute Stimmen. Die Mitglieder seiner Familie drängten sich um Sullivan. Söhne, Töchter und aufgeregte Enkel bestürmten ihn mit Fragen und wollten seine Geschichte hören, aber er bekam kein Wort heraus.

Nach dem Kom‐Gespräch mit ihm hatte Lydia den Kindern und Enkeln Bescheid gegeben und eine Art Karawane zusammengestellt. Sullivan wurde fast zu Boden gestoßen von den vielen lachenden Personen, die ihm entgegeneilten, um ihn zu begrüßen. Er bekam massenweise Küsse und Klapse auf den Rücken, und Kinder hingen an seinen Armen. Sullivan lachte ebenfalls, blickte über das Meer aus Gesichtern und war verlegen, weil er einige von ihnen gar nicht erkannte. »Wie gr

unsere F

amilie geworden

ist.«

»Sie hat genau die richtige Größe«, sagte Lydia.

Es verblüffte Sullivan, wie sehr sich alle verändert hatten. War nur ein Jahr vergangen? In diesen zwölf Monaten war viel geschehen, nicht nur auf der Erde. Konnte das dort Victor

275

sein? Und daneben Patrice? Warum hatten sich ihre Frisuren so sehr verändert? Neue Freunde und Freundinnen, zwei geschiedene Ehen, drei Schwangerschaften und ein trauriger Todesfall, der nicht auf die Hydroger zurückging, sondern auf einen dummen Verkehrsunfall. Drei Enkel waren

»dem Ruf der Pflicht« gefolgt und Soldaten in der TVF geworden, angelockt von einer neuen Rekrutierungskampagne. Sullivan wusste nicht, was er davon halten sollte. Eigentlich hielt er die betreffenden Enkel für nicht al t genug, um eine solche Entscheidung zu treffen.

»Es ist so schön, wieder zu Hause zu sein.« Er küsste seine Frau aufs Ohr und genoss es, einfach nur dazustehen, umgeben von seiner Familie. »Du hast dich überhaupt nicht verändert. Siehst keinen Tag älter aus.«

»Was daran liegt, dass ich bereits ein Fossil war, bevor du aufgebrochen bist.«

»Ich habe dir fünfundzwanzig Briefe geschrieben, aber der Weise Imperator hat uns nich

ie ab

t erlaubt, s

zuschicken. Und du hast auch den nicht

bekommen, den der grüne Priester übermittelt hat.«

»Alles nur Ausreden.«

Sullivan nahm den Spott mit einem Schniefen entgegen. »Ein bisschen mehr Anteilnahme, wenn ich bitten darf! Du ahnst nicht, was ich durchgemacht habe. Die Hydroger zerstörten meine Wolkenmine, und die Ildiran ielt

er h

en

uns gefangen, weil wir etwas sahen, das wir nicht sehen sollten.«

»Was hast du gesehen? Bestimmt zu viele nackte Ildirane‐rinnen.« Sie waren so lange verheiratet, dass Lydias Sticheleien Koseworten gleichkamen.

»Ich hatte mich nur auf den Weg gemacht, weil wir das bei dem Familientreffen beschlossen haben. Die von der Hanse versprochene Bezahlung...«

Lydia unterbrach ihn mit einem zornigen Schnaufen. »Bezahlung? Wir n nicht einmal S

habe

terbege

k

ld be ommen!«

»Du hast Sterbegeld beantragt?«

276

»Es hieß, deine Wolkenmine sei zerstört. Wir haben nicht einen einzigen Kredit bekommen, was bedeutet: Unser Leben hier war nicht unbeding tein Zuckerschlecken.«

Sullivan sah seine Frau an, blinzelte und spürte, wie ihm die Knie weich wurden. »Du hast tatsächlich Sterbegeld beantragt?«

»Die Wolkenmine war zerstört, und von dir fehlte jede Spur. Was s lte ich ol

glauben ‐ dass du plötzlich fliegen gelernt hast?«

»Da hast du recht, schätze ich.« Sullivan hatte es plötzlich eilig, der Landezone mit ihrem Lärm zu entkommen. Er versuchte, seine Fami ie in l

Richtung der für Fußgänger bestimmten Bereiche zu steuern.

Eins der Enkelkinder, Jessica, zupfte an seinem Ärmel. »Bist du reich zurückgekehrt? Oma hat gesagt, dass du eine Schatztruhe mitbringst.«

»Nun, ich habe einige ildiranische Kostbarkeiten mitgebracht.«

Sullivan lächelte, aber Lydias Gesicht verfinsterte sich. »Die solltest du besser verstecken, damit die Hanse sie nicht beschlagnahmt. Man würde eine Importsteuer von fünfzig Prozent oder mehr erheben.«

Sullivan gab sich zuversichtlich und erwiderte: »Wenigstens hab ie

e ich d

ewige Dankbarkeit des Weisen Imperators.«

In den Augen seiner Frau lag eine sonderbare Schärfe. »Gut. Vielleicht müssen wir nach Ildira umziehen, wenn es hier so weitergeht wie bis her. Du

ahnst nicht, was der Vorsitzende ...«

»Sei still, Mutter«, warf der älteste Sohn namens Jerome ein. Er sah sich um und schien zu befürchten, dass jemand mithörte.

Sullivan wich ein wenig zurück. »Was ist los?«

»Nichts, nichts!«, sagte Jerome schnell und klopfte seiner Mutter auf den Arm. »Du kennst sie. Sie ist unzufrieden, wenn sie sich nicht über detw

irgen

as beklagen kann. Vielleicht machen wir alle mal Urlaub auf Ildira, irgendwann.«

277

Sullivan fing Lydias Blick ein. »Was ist hier geschehen? Ich bin von allem abgeschnitten gewesen und habe nur mit Roamern und Händlern geredet ‐

kaum jemand von ihnen war gut auf den Vorsitzenden Wenzeslas zu sprechen. Stimmt es, dass er eine TVF‐Kampfgruppe mit dem Auftrag losgeschickt hat, Theroc zu erobern und den König und die Königin gefangen zu nehmen? Hat er wirklich Rhejak übernommen?«

»Lass mich dies sagen, Sullivan: Es war klug von dir, auf ein großes Remmidemmi bei deiner Heimkehr zu verzichten. Keine Interviews, keine Bekanntmachungen. Es dürfte am besten sein, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen, um den Vorsitzenden nicht zu verärgern. Und es ist gut, dass uns gewisse Möglichkeiten offenstehen, für den Fall, dass die Erde kein angenehmer Ort mehr ist, Kinder aufzuziehen. Vielleicht wäre es besser für dich gewesen, auf Ildira zu bleiben.«

99 # VORSITZENDER BASIL WENZESLAS

Basil konnte die Klikiss zum Vorteil der Hanse nutzen ‐ auf diese Weise ließ sich am besten mit der Situation umgehen. Und der Erzvater des no

Uniso

würde sein Sprecher sein.

Jedes Haar musste sich an der richtigen Stelle befinden, und nicht eine einzige Falte durfte sich zeigen ‐ alles musste perfekt sein. Basil beobachtete, wie Friseure, Make‐up‐Spezialisten und Rhetoriker den Erzvater auf sein großes Debüt vorbereiteten.

Basil sah dem dicklichen alten Mann in die saphirblauen Augen. Diese Augen waren es, die sein Interesse für ihn geweckt hatten. Das klare Blau war natürlich, was Implantate überflüssig machte. Der Erzvater hatte eine

, volltönende Sti

tiefe

mme und einen dichten weißen Bart. Weite Umhänge

fielen

277

von seinen schlaffen Schultern herab, gaben ihm ein imposantes Erscheinungsbild und täuschten gleichzeitig über seine Leibesfülle hinweg.

Sein Zeremonienstab war beeindruckend: golden und mit geschliffenen Edelsteinen besetzt, die alle poliert worden waren, damit sich lbst b se

ei

höchster Auflösung nicht der kleinste Fleck auf ihnen zeigte.

Der Erzvater wirkte beruhigend, und seine Ähnlichkeit mit dem Weihnachtsmann war kein Zufall. Sein väterliches Gebaren passte gut dazu.

Das Unisono war seit langer Zeit ein bequemer Bestandteil des Hanse‐

Lebens, wie ein gutmütiger alter Hund ohne Zähne. Aber das würde sich bald ändern. Mit der Rede, die der Erzvater heute halten sollte, begann eine neue Epoche.

Vor einem Jahrhundert, als frühere Hanse‐Vorsitzende das Unisono geschaffen und ihm mit dem Erzvater ein Gesicht gegeben hatten, waren die symbolischen Verbindungen mit großer Sorgfalt gewählt worden. Der Erzvater erinnerte Basil in vielerlei Hinsicht an den Alten Kön derick,

ig Fre

eine gehorsame Marionett

cht

e, die ni

zu klug gewesen war.

»Sie sind bereit

a

.« B sil formulierte es ganz bewusst nicht als Frage.

»Ich glaube schon, Vorsitzender.«

»Sie müssen ganz sicher sein. Sie bekommen keine zweite Gelegenheit.«

Der Erzvater straffte die Schultern. Er war immer ein guter Schauspieler gewesen. »Ich bin gut vorbereitet worden und kenne sowohl den Text als auch die Konsequenzen für den Fall eines Versagens.« Seine Lippen bewegten sich, als wollten sie mit dem weißen Bart eins werden.

»Kein Lächeln! Weder jetzt noch in nächster Zukunft. Es darf nicht die geringste Gutmütigkeit in Ihren Augen geben, während Sie von der sich anbahnenden Katastrophe sprechen. Wenn wir General Lanyans Bilder vom Angriff auf Pym zeigen, müssen Sie empört und zornig sein angesichts der neuen Gefahr, der wir uns gegenübersehen. Sie dürfen dabei auf kei 278

nen Fall wie ein Idiot grinsen.« Der Erzvater nickte verlegen, und Basil fuhr fort: »Von heute an wird Ihre Verantwortung wesentlich größer sein. Sie sind nicht länger lebendes Inventar, sondern eine Waffe im Dien r

st de

Menschheit.«

Eine vorbereitete Menge hatte sich auf dem Platz des Palastdistrikts eingefunden. Normalerweise sprach der Erzvater vom Tempel des Unisono aus, doch diesmal hielt Basil den Flüsterpalast für besser. »Also los. Die Menschen warten auf Sie. Mein Stellvertreter und ich sehen von us

hier a

zu.«

Angetrieben von den Worten des Vorsitzenden ging der Erzvater los, begleitet von Bediensteten, die seine Umhänge glatt strichen und immer wieder imaginäre Fussel entfernten. Er wurde seiner neuen Rolle gerecht und ging mit schweren Schritten, stützte sich dabei auf den Zeremonienstab.

Der stellvertretende Vorsitzende Cain traf ein, und Basil nickte ihm zu. »Da sind Sie endlich. Gut. Ich möchte, dass Sie die Worte des Erzvaters hören.«

Er nahm auf dem Balkon Platz, von dem aus er das Geschehen beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Unruhe kam in m,

s Publiku als die

Ehrenwache zur Plattform marschierte und den Erzvater ankündigte.

»Die bisherigen Ansprachen des Erzva rs waren immer voller te

Gemeinplätze«, sagte Cain und blickte auf die Zuschauermenge hinab.

»Heute nicht. Von jetzt an nicht mehr.«

Der bärtige Mann stieg die Treppe hoch, und als er auf der hohen Plattform stand, breitete sich Stille aus. Der Erzvater begann mit dem traditionellen Gebet und fügte ihm einige militaristische Phrasen hinzu, die über das übliche »Kümmert euch umeinander und liebt Gott« hinausgingen. »Es gibt nichts Heiligeres als einen Soldaten, der für eine heilige Sache kämpft. Ich sage euch, was wir tun müssen.« Er hob d

elt ihn w

en Stab und hi

ie einen

r ‐ er hat

Spee

te jetzt die volle Aufmerksamkeit des Publikums.

Seit General Lanyans Rückkehr hatte Basil geplant, den 279

Fehlschlag in eine Art Stemmeisen zu verwandeln. Er verzichtete auf eine Zensur der schrecklichen Bilder von Pym und sorgte dafür, dass die Medien den Tod der TVF‐Soldaten in allen blutigen Details zeigten. Noch bevor die überlebenden Kolonisten Gelegenheit bekommen hatten, sich Blut und Dreck von der Haut zu waschen und die zerrissene Kleidung zu wechseln, waren ihre Beschreibungen der schrecklichen Klikiss‐Invasion in Wort und Bild festgehalten worden.

In den Nachrichtensendungen erschienen immer wieder die grässlichen Klikiss, aufgenommen von den Kameras in den Kampfanzügen der Soldaten.

Millionen von Zuschauern erschauerten, als sie beobachteten, wi e die

Insektenwesen wehrlose Kolonisten töteten oder verschleppten.

»Diese Ungeheuer sind das Wunder, das wir gebraucht haben.« Basil lächelte zufrieden. »Dadurch fällt ein ganz neues Licht auf König Peters Rebellion und seine die Menschheit spaltenden Aktivitäten. Die Leute werden seine Politik als dumm und schädlich erkennen und sich nicht von ihr beeinflussen lassen. Die Bedrohung durch die Klikiss wird alle loyalen Bürger der Hanse veranlassen, sich enger zusammenzuschließen.«

»Vielleicht würden sie Peter ganz vergessen, wenn Sie ihnen einen neuen König gäben«, schlug Cain vor. »Wann wollen Sie Ihren neuen Kandidaten der Öffentlichkeit vorstellen? Wann zeigen Sie ihn mir?«

»Wenn es so weit ist. Im Moment brauchen wir etwas anderes. Religion ist der Schlüssel, und deshalb kommt dem Erzvater von jetzt an eine t

wich ige

Rolle zu.« Basil deutete zum Podium. »Hören Sie ihm zu.«

Der Erzvater hielt seine Rede mit großem rhetorischem Geschick und sprach voller Leidenschaft. Die Worte bewegten das Publikum. »Sie haben die Bilder gesehen. Jene Geschöpfe greifen uns an und stehlen Welten, die nt

wir u er großen Mühen besiedelt haben. Man nennt sie Klikiss.« Er hob eine Faust. »Aber ich nenne sie Dämonenl Keine wahrhaft gläubige 279

Person braucht wissenschaftliche Erklärungen für eine so offensichtliche Antwort.« Die Leute riefen und jubelten.

»Ich spreche heute, um Ihnen Hoffnung zu geben, aber zuerst müssen wir uns einer unangenehmen Realität stellen. Zuerst müssen wir verstehen, warum die Dämonen gekommen sind. Wir haben diese Strafe selbst herbeigerufen, indem wir die Religion zugunsten weltlicher Dinge beiseiteschoben, indem wir Geschäft und Politik mehr Beachtung nkten

sche

als Gott.«

Basil lächelte, als er die Überraschung in Cains Gesicht sah. »Ein guter Einfall, nicht wahr?«

»Zuerst brachten uns die Hydroger Zerstörung und Tod, aber wir haben sie besiegt. Dann wandten sich sogar der König und die Königin gegen uns, verließen Erde und Hanse ‐ und kaum hatten sie sich von uns abgewandt, kamen die Klikiss.« Der Erzvater nickte weise. »An jener Stelle haben wir den rechten Weg verlassen. Peter verbreitet auch weiterhin seine vergif‐

teten Lügen über den Vorsitzenden und die Hanse ‐ gegen uns alle. Dafür gibt es keine Vergebung, und Sie werden es bitter bereuen, wenn Sie auf ihn hören.

Die Klikiss‐Dämonen sind als Strafe für unsere Abirrungen über uns gekommen. Wenn wir uns Rettung wünschen, so müssen wir unsere Denkweise ändern. In den nächsten Tagen werde ich einen großen Plan für unser aller Überleben verkünden. Gott straft uns nur als Erinnerung daran, dass wir ihn enttäuscht haben. Aber wie immer ist Gott gütig un d wird uns

den Weg zur Erlösung zeigen.«

Die Zuhörer jubelten. Basil war sehr zufrieden, doch Cain wirkte verwundert. »Das Unisono ist immer eine unstrittige Religion gewesen, die alle Glaubensrichtungen in sich vereint, ihnen damit Macht und Einfluss nimmt. Ich dachte, der Zweck des Unisono besteht vor allem darin, Fanatiker unschädlich zu machen und uns die Möglichkeit zu geben, ungestört unseren Geschäften nachzugehen.«

280

Basil schürzte die Lippen. »Bisher stimmte das, aber jetzt kann das Unisono keine harmlose Religion mehr sein. Nicht in Zeiten wie diesen. Der Erzvater wird, unter meiner Anleitung, weitere Ansprachen dieser Art halten.«

100 # MARGARET COLICOS

Die blecherne Melodie erklang vor dem Hintergrund von menschlichen Schreien. Margaret befand sich in der Klikiss‐Stadt und blickte aus der Öffnung eines Turms. Sie hatte die Beine angezogen und sich an die raue Wand gelehnt. So sehr sie sich auch bemüht hatte: Die Chancenlosigkeit der Kolonisten war ihr von Anfang an klar gewesen. DD fehlte ihr ‐ sie war völlig allein bei den Klikiss, wie all die Jahre zuvor.

Margaret hatte alles versucht, um mit der Brüterin zu kommunizieren. Sie hatte in ihrer klickenden, kratzenden Sprache gerufen, die Kolonisten als Angehörige ihres Schwarms bezeichnet und von der Brüterin verlangt, sie in Ruhe zu lassen. Sie hatte Gleichungen in den Boden geritzt und ihre Musik gespielt.

Aber die Brüterin hörte nicht mehr auf sie. Selbst ihre Spieldose blieb ohne Einfluss auf die Klikiss. Das Schwarmbe‐wusstsein wollte alle Menschen aufnehmen, die es »gelagert« hatte, um die genetische Vielfalt bei der unmittelbar bevorstehenden neuen Teilung zu erhöhen. Der Schwärm musste wachsen und die bei den jüngsten Kämpfen erlittenen Verluste ersetzen. Vier der acht Domate waren getötet worden, und Margaret fragte sich, welche Auswirkungen sich dadurch für die Teilung ergeben würden.

Die neuen Klikiss würden noch stärker von den menschlichen Genen abhängen, mit der sich der Schwärm erweitern wollte. Sie erinnerte sich an enig

die w

en Hybriden, die aus der Assimilation des armen Howard Palawu hervorgegangen waren.

281

Den Kolonisten stand ein schreckliches Ende bevor.

Fernab der Schlacht und vom Chaos unberührt hatte Margaret beobachtet, wie Klikiss‐Krieger einige der fliehenden Roamer eingefangen und in den ummauerten Bereich zurückgebracht hatten. Vielbeinige Arbeiter waren im Kampfgebiet unterwegs, sammelten die Leichen von Menschen ein und trugen sie zur Siedlung. Die Domate konnten genetisches Materia totem l

Fleisch ebenso entnehmen wie lebendem.

Träger brachten Dutzende von larvenartigen Ausscheidern, deren Harzzement die Lücken in der Mauer wieder schloss ‐dadurch verwandelte sich die Siedlung wieder in einen Kerker. Und die Situation darin war schlimmer als vorher. Es gab keine Lebensmittel mehr, und die Wasserversorgung war unterbrochen. Die hohe, glatte Mauer wies keine Durchlässe mehr auf, was für die Gefangenen bedeutete, dass niemand von ihnen entkommen konnte.

Die Überlebenden hatten, um die Domate herauszufordern oder ihren Kummer zum Ausdruck zu bringen, die Leichen in großen Feuern verbrannt und damit verhindert, dass die Brüterin ihre DNS bekam. Selbst von den Klikiss‐Türmen aus hörte Margaret ihre Rufe und Schreie. Sie fühlte sich einsamer und elender als jemals zuvor.

Erneut zog sie die Spieldose auf und ließ noch einmal die Melodie erklingen.

Den Text des alten Lieds hatte sie von Anton gelernt und an Orli weitergegeben:

0 weh, mein Lieb', tust Unrecht mir Grob fortzustoßen mich im Streit. So lange hielt ich treu zu Dir Voll Glück an Deiner Seit'.

Arbeiter und Krieger der Klikiss verließen die Türme und bildeten, vom armbewusstsein ges

Schw

teuert, lange Marschkolonnen. Andere sprangen

aus hohen Öffnungen und flogen. In

281

Margaret krampfte sich etwas zusammen. Die Brüterin hatte also ihre Entscheidung getroffen.

Gebrochen dein Schwur, in meinem Herzen Leere, Oh, warum hast du mich nur so betört? Wünscht' ich, meine Welt nicht so zerrissen wäre Und meines Herzens Ruf nicht ungehört.

Margaret ließ die Melodie verklingen. Wie sehr sie Anton vermisste. Und wie sehr sie sich wünschte, dass Louis bei ihr gewesen wäre. Ihr Mann und sie hatten großartige Arbeit bei der Rekonstruktion der Klikiss‐Fackel geleistet, mit der Absicht, jene Waffe für das Wohl der Hanse einzusetzen.

Ein großer Fehler, wie sich herausgestellt hatte.

Die vier übrig gebliebenen Domate stapften aus der Klikiss‐Stadt. Eins der gestreiften Geschöpfe hinkte, und Margaret stellte fest, dass es beim Kampf Teile von zwei Gliedmaßen verloren hatte. Die Domate setzten ihren Weg fort, die Rückenschilde und Stacheln gereinigt und poliert. Die Arbeiter hatten sie für die große Prozession herausgeputzt.

Flankiert von Kriegern näherten sich die Domate zielstrebig der Mauer. In der Siedlung standen die überlebenden Menschen auf den höchsten Dächern, sahen sie kommen und schlugen Alarm. Sie warfen Plastbetonbrocken, Stahlträger und sogar schwere Möbel auf die Klikiss hinab und verletzten einige Scouts. Die Domate blieben nicht stehen und dachten nur an den großen genetischen Festschmaus, der sie erwartete.

Als Spezies hassten die Klikiss nur andere Subschwärme und die schwarzen Roboter. Menschen waren zunächst nur ein Hindernis gewesen, eine Ablenkung ... Doch jetzt stellten sie Rohmaterial dar. Margaret schauderte und versuchte, an etwas anderes zu denken.

Als Xeno‐Archäologin war sie an Einsamkeit gewöhnt. Louis und sie hatten eit damit verbrach

viel Z

t, auf leeren Planeten alte Städte auszugraben und nach Hinterlassenschaften unter

282

gegangener Zivilisationen zu suchen. Insbesondere ihre erste Solo‐

Expedition zu den Pyramiden des Mars hatte Margaret gefallen. Sie hatten Jahre damit verbracht, genug Geld dafür zu sammeln ‐ sie hatten es sich praktisch vom Mund abgespart und den Rest von Freunden geliehen. Ganz deutlich erinnerte sie sich an das Habitatmodul, das sie damals in einer Schlucht des roten Planeten aufgestellt hatten, an die Notwendigkeit, Luft und Wasser aus dem Marsboden zu gewinnen.

Die geheimnisvollen Pyramiden waren von Kartographie‐rungssatelliten im Orbit des Mars entdeckt und anschließend von bodengebundenen Erkundungswagen aus der Nähe fotografiert worden. Es handelte sich um perfekte Tetraeder, die den Rand der Schlucht um mehr als zweihundert Meter überragten. Die Seiten mussten einmal spiegelglatt gewesen sein, waren inzwischen aber verwittert.

Die ersten Aufnahmen hatten auf der Erde für ziemlichen Wirbel gesorgt.

Die Menschheit schickte sich gerade erst an, über die Grenzen des heimischen Sonnensystems hinaus vorzustoßen, und sie war noch nicht auf Spuren fremder Zivilisationen gestoßen. Das Rätsel der marsianischen Pyramiden faszinierte alle. Bevor die Pyramiden im großen Stil wissen‐

schaftlich erforscht werden konnten, war ein Raumschiff der Ildiraner zur Erde gekommen und hatte dem Mars die Schau gestohlen, denn plötzlich sah sich die Menschheit einem ganzen fremden Sternenreich gegenüber.

Von jenem Zeitpunkt an hatte sich kaum mehr jemand für die marsianischen Pyramiden interessiert.

Margaret sehnte sich nach der Unschuld jener Zeit zurück ...

Die vier Domate richteten sich vor der Mauer auf. Dahinter riefen die Menschen Verwünschungen oder kreischten. Klikiss‐Arbeiter brachten eine graue Substanz an der Mauer an, und alle Insektenwesen wichen zurück, als ubstanz oxi

die S

dierte und dann plötzlich explodierte ‐ mehrere Öffnungen entstanden in der Mauer, und damit war der Weg für die Domate frei.

283

Die überraschten Gefangenen wichen zurück. Als sich der Rauch verzog, eilten die Klikiss‐Arbeiter nach vorn und räumten Trümmer für die Domate beiseite. Die gestreiften Geschöpfe hoben ihre Gliedmaßen, bereit dazu, die Menschen zu packen und zu fressen.

Erneut suchte Margaret Zuflucht bei Erinnerungen. Sie dachte an die Zeit zurück, die sie mit Louis bei den marsiani‐schen Pyramiden verbracht hatte.

In Schutzanzüge gekleidet hatten sie die fremden Bauwerke nach Hinweisen auf Schriftzeichen oder extraterrestrische Technik abgesucht. Mit den besten Sensoren und Analysegeräten der damaligen Zeit wollten sie das Geheimnis der Pyramiden ergründen, und oft hatten sie sich dabei von ihrer Intuition leiten lassen. Sie hatten Proben genommen und Echolote durch Bohrlöcher geschickt, um mehr über das Innere der Bauwerke zu erfahren.

Wochenlang hatten sie gearbeitet und doch nichts entdeckt.

Schließlich waren sie gezwungen gewesen, den einzigen möglichen Schluss aus ihren Bemühungen zu ziehen, nämlich den, dass es sich bei den Pyramiden nicht um außerirdische Artefakte handelte, sondern um ein sehr seltenes natürliches Phänomen: Mineralienablagerungen in perfekter Pyramidenform. Louis und Margaret hatten ihre Daten zusammengefasst und einen Bericht veröffentlicht. Insbesondere Louis war sehr traurig gewesen, dass die marsianischen Pyramiden kein exotisches Gehei is

mn

bargen.

Jener Bericht hatte Margaret und Louis Colicos berühmt gemacht und gleichzeitig viele Leute erzürnt, die weiterhin an das Werk von Außerirdischen glauben wollten. Die marsianischen Pyramiden stellten weiterhin ein Wunder dar: im Lauf von Jahrhunderten und Jahrtausenden von Bakterien und ihren Ablagerungen errichtete Monumente. Doch es war trotzdem zu Geschrei und Gezeter gekommen. Louis und Margaret hatten sogar einige Todesdrohungen erhalten. Doch sie verteidigten ihre Erk nnt

e

nisse und wiesen auf die Daten hin. Was hätten sie sonst tun sollen?

Die Wahrheit blieb die Wahrheit,

283

auch wenn sie vielen Leuten nicht in den Kram passte. Margaret hatte sich an Louis' Standfestigkeit ein Beispiel genommen ...

Im ummauerten Bereich begannen die Domate mit dem Gemetzel. Sie fielen über die gefangenen Menschen her und töteten einen nach dem anderen.

Zwar setzten sich die Kolonisten zur Wehr, doch sie hatten überhaupt keine Chance. Klikiss‐Krieger stapften durch die Öffnungen in der Mauer, überlie‐

ßen das Töten aber größtenteils den Domaten. So verlangte es die Tradition ihres Volkes.

Obwohl Margaret weit von der Siedlung entfernt war, glaubte sie, den Geruch von Blut wahrzunehmen. Aus den Schreien der sterbenden Menschen wurde ein Geheul des Todes, das an ihren Nerven kratzte. Sie schloss die Augen.

Zur Zeit ihrer marsianischen Expedition waren Margaret und Louis erst ein Jahr verheiratet gewesen. Für sie hätte es keine besseren Flitterwochen geben können als die Arbeit auf dem Mars. Als die beiden Archäologen damals ihre Forschungen beendet hatten, waren kaum mehr finanzielle Mittel und Vorräte übrig gewesen, aber Margaret hatte den roten Planeten trotzdem nicht verlassen wollen. Es war nicht geplant, doch wahrsch einlich

unvermeidlich gewesen, dass sie Anton in jener Schlucht empfang

..

en hatte.

Im Klikiss‐Turm zog sie erneut die Spieldose auf, und noch einmal ertönte die Melodie von »Greensleeves«.

Schließlich kamen keine Schreie mehr von der Siedlung. Margaret hörte ein letztes Heulen von einem Kolonisten, dessen Versteck gefunden wurde, und dann herrschte plötzlich Stille. Klikiss‐Arbeiter sammelten die Leichen ein und legten sie vor die Domate, die mit dem Fressen begannen und mensch‐

li

che DNS aufnahmen.

284

101 # TASIA TAMBLYN

Als die Osquivel schließlich Llaro erreichte, freute sich Tasia darauf, diesmal als Retterin zu kommen. Nikko Chan Tylar brannte darauf, jene zu teeren und zu federn, die für die Gefangenschaft seiner Eltern verantwortlich waren. Robb plante, bis zu hundert Roamer und alle anderen an Bord zu nehmen, die den Planeten verlassen wollten.

Als sie mit dem Anflug begannen, teilte Tasia Robb mit, wo sich die Hauptsiedlung befand. Daraufhin korrigierte er den Kurs. »Ich sende ein ID‐

Signal und erkläre, dass wir keine feindlichen Absichten haben. Nur für den Fall.«

»Shizz, wenn du das machst, sind die Tiwis dort unten gewarnt.«

»Ich bitte dich ‐ wir tragen keine Tarnkappe. Bestimmt gibt es Orbitalsensoren, die uns bereits geortet haben. Warum versuchen cht,

wir ni

diese Sache friedlich zu lösen?«

»Bei deinem Optimismus stehen mir die Haare zu Berge, Brindle«, sagte Tasia, aber sie wusste auch: Mit den Tiwi‐Ba‐bysittern auf Llaro konnte nicht viel los sein, wenn General Lanyan sie nicht einmal als Kanonenfutter im Kampf gegen die Hydroger gebraucht hatte. Sie rechnete mit keinem nennenswerten Widerstand von ihnen.

Nikko beugte sich voller Unruhe über die beiden Pilotensitze. »Haben Sie meinen Eltern mitgeteilt, dass ich an Bord bin? Ist bereits eine Antwort eingetroffen? Hat irgendjemand geantwortet?«

Nur statisches Rauschen kam aus dem Kom‐Lautsprecher. »Keine Fragen, keine Antworten, kein >Schön, dass ihr kommt<. Offenbar haben alle Wichtigeres zu tun.« Tasia sah auf die Anzeigen und überprüfte die Koordinaten. »Sehr seltsam. Siedlung und Tiwi‐Basis sollten direkt dort unten sein.«

kommen

»Wir

gerade über den Horizont. Gleich sind wir bis auf Sichtweite heran.«

285

Als sie über das betreffende Gebiet hinwegflogen, nahm Tasia alle Details auf. Die Siedlung und das Lager der Soldaten waren zerstört, und überall waren Trümmer verstreut, als hätte ein Tornado gewütet. Die Getreidefelder waren über Kilometer hinweg verbrannt oder verwüstet.

»Shizz, was zum Teufel ist dort unten geschehen?«

An vielen Stellen sah Tasia Türme und buckelartige Gebilde. Außerdem fiel ihr ein großes Gerüst auf, das ein neues Transportal enthielt. Die Klikiss‐

Ruinen waren keine Ruinen mehr, sondern eine auf das Fünffache ihrer ursprünglichen Größe angewachsene Metropole. Zwischen den Gebäuden und in der Ebene bewegten sich insektoide Wesen, die wie riesige Käfer aussahen. Einige kletterten an den Türmen herunter; andere breiteten Schwingen aus und flogen.

Tasia erinnerte sich plötzlich an eine sonderbare Mitteilung, die der Weise Imperator mithilfe eines grünen Priesters König Peter geschickt hatte.

»Beim Leitstern, dass sind Klikissl Sie sind nach Llaro zurückgekehrt.

..«

Sie .

»Sie haben die ganze Kolonie vernichtet!«, rief Robb. »Deshalb antwortet niemand.«

»Ich hätte es lieber mit den Tiwi‐Wachhunden zu tun bekommen.«

Nikko hielt sich an der Rückenlehne des Pilotensessels fest, um das Gleichgewicht zu wahren. »Wir dürfen nicht annehmen, dass alle tot sind.

Wir wissen nicht genau, was passiert ist. Vielleicht gibt es Überlebend ir

e. W

müssen nachsehen!«

»Sehen Sie sich das dort unten an und ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse.«

»Nein! Wir wissen nicht genug! Einigen Leuten könnte die Flucht gelung n e

sein. Vielleicht sogar vielen. Wir dürfen nicht einfach aufgeben.«

»Ich gebe nicht auf«, sagte Tasia. »Noch nicht. Aber ich halte es nicht für eine gute Idee, die Käfer zu fragen, was passiert ist. Sie sehen zu sehr wie erdammten schwarzen Robot

die v

er aus, und die Dinger kann ich nicht

ausstehen.«

285

Robb beugte sich vor. »Was ist das? Da steigt etwas auf.«

Dutzende von kleinen, kastenförmigen Schiffen starteten von den verbrannten Getreidefeldern und hielten auf die Osquivel zu wie ein zorniger Insektenschwarm. »Oh, sie haben es auf uns abgesehen.«

Robb flog bereits eine enge Schleife mit hohen Andruckkräf‐ten. Tasia sprang zur Waffenkonsole.

»Wir können nicht einfach weglaufen.« Nikko war sehr blass geworden.

»Vielleicht gibt es Überlebende ...«, wiederholte er.

Jene Geschöpfe hatten ganz offensichtlich die Siedlung zerstört, und deshalb sah Tasia keinen Sinn in dem Versuch, mit ihnen zu verhandeln. Sie eröffnete das Feuer und vernichtete einige der kastenförmigen Schiffe, doch unten auf dem Planeten starteten weitere ‐ die Schar der Verfol er w g

urde

immer größer.

Die einzelnen Klikiss‐Einheiten setzten ihre Waffen ein, und ein hochenergetischer Plasmastrahl gleißte. Robb änderte so plötzlich den Kurs, dass Nikko an die Wand geworfen wurde, und die Osquivel entging dem Strahl. Er beschleunigte, wich aus und suchte die Oberfläche des Planeten ab, entdeckte aber kein geeignetes Versteck bei den Trockentäl ern

und in den Felslandschaften.

»Du kannst dich nicht über einen Mangel an Zielen beklagen, Tam ör

blyn. H

auf zu gaffen und schieß.«

Das ließ sich Tasia nicht zweimal sagen. Sie feuerte erneut und zerstörte drei weitere kleine Klikiss‐Schiffe. »He, unsere neuen Waffen funktionieren bestens.« Die fremden Schiffe näherten sich, und vier von ihnen feuerten gleichzeitig. Ein Strahl kochte über den Rumpf der Osquivel; ein anderer streifte das Triebwerk, und auf Robbs Instrumententafel leuchtete plötzlich warnendes Rot.

Nikko beugte sich trotz der starken Beschleunigung nach vorn, schaltete das Kommunikationssystem ein und aktivierte das Notsignal. »Mayday, Mayday!

ss g

Kliki

reifen uns an.«

»Wer könnte uns schon hören, Nikko?«, fragte Tasia.

286

»Eventuelle Überlebende auf dem Planeten. Bestimmt sind nicht a

«

lle tot.

»Es gibt einen Unterschied zwischen Optimismus und Dummheit. Wenn hypothetische Überlebende die Möglichkeit hätten, gegen die Klikiss zu kämpfen ‐ hätten sie sich dann nicht schon mit uns in Verbindung gesetzt?«

nicht s

»Geh

o hart mit dem Jungen ins Gericht«, sagte Robb. »Was hast du gegen positives Denken?«

Die Osquivel gewann an Höhe, und Tasia bemerkte zwei kleine Schiffe, die sich aus dem Orbit näherten. Wie viele weitere befanden sich im All? »Sie wollen uns den Weg abschneiden.«

Sie schoss auf die beiden Schiffe und zerstörte eins von ihnen, konzentrierte sich dann auf vier andere, die von der Seite kamen. Robb änderte erneut den Kurs, lenkte die Osquivel in Richtung Planetenoberfläche zurück und dann nach Osten. Die Sonne war bereits untergegangen, und es wurde schnell dunkel. Zum Glück waren sie inzwischen so weit von der Klikiss‐

Stadt entfernt, dass die Verfolger von dort keine Verstärkung erhielten. Jene Stadt hatte einen chaotischen Eindruck auf Tasia gemacht, und sie fragte sich, ob es bei den Klikiss in jüngster Zeit zu irgendeiner Art von Aufruhr gekommen war.

Die fremden Schiffe setzten ihre Angriffe fort und feuerten immer wieder.

Ein Strahl traf das bereits beschädigt

ri

e T ebwerk, und die Osquivel verlor an

Höhe.

»Das gefällt mir gar nicht«, sagte Robb.

Tasia konzentrierte ihr Feuer auf die restlichen Angreifer. »Es sind nur noch fünf übrig. Ich kann sie wahrscheinlich erledigen.« Wie um ihre Worte zu widerlegen, blitzte wieder ein Strahl auf und verursachte zusätzliche Schäden beim Triebwerk.

»Wir schaffen es nicht viel weiter«, sagte Robb. Der Himmel wurde dunkler, die

und

Osquivel floh in die Nacht. Tasia versuchte, in der ganzen Sache so etwas wie ein

287

Übungsschießen zu sehen. Sie zerstörte noch zwei Klikiss‐Schiffe ‐ nur noch drei waren übrig. Doch Robb konnte nicht mehr manövrieren. Es gelang ihm

mit Mühe und Not, den Sinkflug zu kontrollieren. »Es geht runter!«

Die Entfernung zu den Klikiss verringerte sich, doch Tasia wartete, ließ sie noch näher herankommen. Sie wollte ganz sic

g

her sein, den Ge ner zu

treffen.

»Kommt schon, ihr Mistkerle, kommt noch etwas näher.« Die kastenförmigen Schiffe schienen sie zu hören und näherten sich tatsächlich.

Mit einem triumphierenden Heulen schoss Tasia so schnell hintereinander, wie es die Waffensysteme der Osquivel erlaubten. Alle drei feindlichen Einheiten explodierten. »Hab euch erwischt!«

»Beeil dich, wenn du einen Freudentanz aufführen willst«, sagte Robb.

»Noch zehn Sekunden bis zum Bodenkontakt. Uns erwartet keine weiche Landung.« Sie fielen der dunklen Oberfläche des Planeten entgegen, und Robb bemerkte eine breite Schlucht. »Aber keine Sorge. Ich habe dies im Simulator geüb

t.«

»Vor fünf Jahren.« Tasia spannte die Muskeln. »Shizz, haltet euch fest!«

Der Rumpf der Osquivel berührte den Boden der Schlucht, rammte Felsen und hinterließ eine tiefe Furche. Ein Donnern hallte durchs Schiff.

Brandschutzschaum spritzte aus Düsen aufs Triebwerk. Ein Sicherheitsnetz umhüllte Tasia und bewahrte sie davor, gegen die nächste Wand geschleudert zu werden.

Als das Schiff schließlich mit einem letzten Knirschen liegenblieb, schüttelte Tasia den Kopf und versuchte, sich zu orientieren. Robb deaktivierte die Bordsysteme und stellte das Ausmaß der Beschädigungen fest: ein Triebwerksmodul abgeschaltet, das andere zerstört, der größte Teil des Trei sto

b

ffs hinter dem Schiff ausgelaufen. Tasia stieg rasch aus und ging um die Osquivel herum, um einen direkten Eindruck zu gewinnen.

287

Das Schiff lag in einer langgestreckten Schlucht, weit von der zerstörten Siedlung entfernt. »Sieht verdammt übel aus.«

Nikko holte die Medo‐Tasche hervor, kletterte ebenfalls nach draußen und wirkte recht verloren. »Für jemanden in me

Alter bin ich zu

inem

oft

abgestürzt.«

»Die meisten Leute erleben nur einen Absturz.«

Klickende und knisternde Geräusche kamen von der abkühlenden Osquivel.

Der Brandschutzschaum zischte leise, als er im trockenen Boden versickerte. Abgesehen davon blieb die Llaro‐Nacht still.

»Tolle Rettung.« Tasia sah sich im Dunkeln um.

»Wir haben alle Schiffe zerstört, die uns verfolgten«, sagte Ni

. »

kko Vielleicht

wissen die Käfer nicht, wo wir sind.«

Robb wirkte recht mitgenommen. »Wir müssen Wache halten.«

»Ich bereite Waffen für die Verteidigung vor. Vielleicht lassen sich einige Schiffsgeschütze weiterhin verwenden. Hoffen wir, dass es uns gelungen ist, unbemerkt abzustürzen.« Tasia kehrte eilig ins Schiff zurück, als ihr einfiel, dass die Osquivel noch immer ein Notsignal sendete. Sie deaktivierte das Kom‐System, kehrte nach draußen zurück und trat neben Robb. Sie umarmten sich wortlos und blickten in die Nacht.

102 # JESS TAMBLYN

Das Wental‐Schiff flog fort von Jonah 12, ließ auf dem Planetoiden eine zerstörte Station, tragische Erinnerungen und eine schimmernde Präsenz zurück. Die Wasser‐Entitäten brachten Jess und Cesca zu einer bunten Wolke aus ionisierten Gasen, einem Nebel, der im Licht naher neugeborener St

e g

ern

lühte. Jess wusste, dass hier vor Jahrtausenden eine Schlacht statt‐

gefunden hatte, bei der die Wentals von den Hydrogern und 288

Faeros besiegt worden waren. Ihre Moleküle hatten sich in der weiten Leere verteilt.

»Was war das damals für ein Krieg?«, fragte Cesca die Wasserwesen.

»Warum habt ihr sowohl gegen die Faeros als auch gegen die Hydroger gekämpft?«

»Ich dachte, die Faeros hätten sich gegen die Droger gewandt«, fügte Jess hinzu.

Die Faeros sind mit niemandem verbündet. Sie helfen, wenn ihnen danach ist, aber eigentlich wollen sie nur zerstören. Uns. Die Hydroger. Alles.

Das Wasserschiff glitt durch die dichtesten Bereiche des Nebels, und Moleküle sammelten sich an der Außenhülle. Jess und Cesca halfen den Wentals dabei, das weit verstreute Wasser einzusammeln, das einst Teil der Elementargeschöpfe gewesen war. Die Kugel begann zu wachsen.

Individuelle Entitä‐ten formten kollektive Kraft. Wie viele Wasserwesen warteten in der kalten Leere darauf, geborgen zu werden? Das silberne Schiff trank winzige Tropfen und führte sie zusammen, auf dass neue Wentals aus ihnen wurden. Wasser‐Entitäten heulten, wuchsen, wurden stärker, lebten. Weder den Hydrogern noch den Faeros war es damals gelungen, sie völlig zu vernichten.

Jess fühlte immer mehr Zufriedenheit. Cesca drückte die Finger an die flexible Membran, beobachtete und berührte die zum Leben erwachenden Wentals. Der Besuch auf Jonah 12 hatte sie in aller Deutlichkeit an den Angriff der Roboter und den Tod all der Roamer erinnert, auch daran, dass sie dort fast gestorben wäre. Jetzt fühlten sie sich beide lebendiger als je‐

mals zuvor.

Ihr Schiff setzte den Flug durch den Nebel fort, wurde dabei immer größer und nahm eine Vielzahl von Stimmen auf. Wir sind wieder zusammen. Jetzt müssen wir uns erneut verteilen, so weit wie möglich.

Jess wusste nicht, ob er Nikko Chan Tylar oder die anderen Wasserträger finden konnte, die ihm zuvor geholfen hatten.

289

Aber ihm kam eine andere Idee. »Warum fliegen wir nicht nach Plumas?

Meine Onkel könnten die Wassertanker des Tamblyn‐Clans für di e

Verbreitung dieser neuen Nebel‐Wen‐tals benutzen.«

»Während wir noch mehr von ihnen sammeln«, fügte Cesca hinzu.

Als sie den Eismond erreichten, stellte Cesca überrascht und erfreut fest, dass ihr Vater auf Plumas weilte. Denn Peroni war gekommen, um hen,

zu se

ob die Wasserminen wieder im Geschäft waren.

In den vollkommen restrukturierten Eishöhlen erklärte ein lächelnder Caleb: »Es gibt wieder jede Menge Ekti, und viele Welten der Konföderation warten auf Nachschub. Zahlreiche Handelsschiffe brauchen Wasser, Sauerstoff und andere Produkte, die wir liefern können.« Beim Sprechen kondensierte sein Atem in der kalten Luft. »Mit jedem Tag landen mehr Schiffe auf der Oberfläche von Plumas, um ihre Tanks aus unseren Reservoirs zu füllen.«

Von seinem Besuch im Ildiranischen Reich war Denn irgendwie verändert zurückgekehrt. Selbst Jess merkte den Unterschied ‐ die Wentals einem

in s

Blut spürten eine unerwartete Resonanz.

Als Cesca ihren Vater danach fragte, schob Denn die meisten Fragen beiseite, doch seine Augen funkelten. »Jetzt ist alles anders! Der grüne Priester auf Ildira, die Techniker der Hanse ... Sie alle haben sich verändert.

Sie haben eine neue Art des Denkens entdeckt und sie mir beigebracht.« Es war kalt in der Eishöhle, und er trug nur ein Hemd mit einer dünnen Weste darüber, aber er schien nicht zu frieren. Obwohl Denn keine Wental‐Energie in sich hatte, schien er die Elementarwesen spüren und sogar ihre Gedanken empfangen zu können.

»Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist.« Caleb schüttelte den Kopf. »Aber tlich hab

eigen

e ich ihn nie verstanden. Sollte ich mir deshalb Sorgen en?«

mach

289

»Nein, das dürfte nicht nötig sein«, erwiderte Cesca. »Er ... ist nicht gefährlich.«

Denn sah seine Tochter an und lächelte. »Vielleicht finde ich bald eine Möglichkeit, dich wieder zu berühren. Alles war rätselhaft, aber jetzt ergibt vieles einen Sinn.« Er klopfte Caleb auf die knochige Schulter. »Wir verteilen eure neuen Wentals, während ihr eure Suche fortsetzt. Wir nehmen die Tamblyn‐Tanker und kümmern uns darum.«

Caleb schnitt eine Grimasse. »Wer gibt Ihnen das Recht, über un r

sere Tanke

zu verfügen?«

»Ich habe Ihnen Arbeiter und Ausrüstung von Osquivel ausgeliehen, d amit

Sie Ihre Wasserminen wieder in Ordnung bringen können.«

»Ja, das stimmt, aber wir haben sie kaum gebraucht. Jess und Cesca ha n be

den größten Teil erledigt.«

»Gut. Ich denke, in dem Fall schulden Sie ihnen einen kleinen Gefallen.«

Denn lächelte die ganze Zeit über und schien ganz und gar mit sich im ie Ze

Reinen zu sein. »Es ist n

itverschwendung, eine Schuld

zurückzuzahlen.«

»Nein, natürlich nicht.«

Später, auf der Oberfläche des Eismonds, zeigte Jess den eingesammelten Wentals den Weg aus dem Wasserschiff und zu einem gelandeten Tanker.

Das von neuem Leben erfüllte Wasser strömte in den Frachtraum des Tankers und füllte ihn ganz aus, ohne unterwegs ohne nur einen einzigen Tropfen zu verlieren. Als der Tanker vollständig mit den neuen Wentals gefüllt war, verabschiedeten sich Jess und Cesca.

Cesca sah tiefer in die Augen ihres Vaters und versuchte herauszufinden, was sich in ihm verändert hatte. Die Wentals nahmen etwas wahr, das dem mentalen Band zwischen Cesca und Jess ähnelte, aber in diesem Fall war es breiter und umfassender als die Wental‐Verbindung. Denn schien glücklicher und stärker zu sein

als zuvor. »Es i

als jem

st wundervoll, Cesca.

dir

Mach

keine Sorgen um mich.«

»Erklär mir, was mit dir passiert ist.«

290

Er schenkte ihr ein sonderbares Lächeln. »Eines Tages. Ich bin sicher, die Wentals werden es verstehen. Die Weltbäume beginnen zu verstehen.

Derzeit muss ich das Neue noch besser ergründen. Wenn ich bereit bin, teile ich es mit dir beziehungsweise mit der Sprecherin, der früheren echerin

Spr

der Roamer.«

»Im letzten Jahr bin ich weder Sprecherin noch Tochter gewesen.«

»Du bist alles für mich gewesen, Cesca. Beim Leitstern, vergiss das nie.«

103 # SIRIX

Sirix hatte zwar eine schwere Niederlage einstecken müssen, aber er war nicht zerstört und bemühte sich, seine geschrumpfte Streitmacht zusammenzuhalten. Der Kampf auf Llaro hatte ihn geschwächt. Er hatte viele Schiffe, Soldaten‐Kompis und schwarze Roboter verloren. Die großen TVF‐Schiffe verfügten nur noch über wenig Treibstoff und fast keine Munition mehr.

Zum ersten Mal dachte Sirix an die Möglichkeit, sich mit den restlichen schwarzen Robotern auf irgendeinen abgelegenen Asteroiden oder Mond zurückzuziehen, dort zu hiber‐nieren und einfach einige Jahrtausende abzuwarten. Doch das hätte den Klikiss Zeit genug gegeben, sich im ganzen Spiralarm auszubreiten. Das durfte e

i

r n cht zulassen, und so hielt er an

seiner Entschlossenheit fest. Es musste noch eine andere Möglichkeit geben.

Über die er dann unerwartet stolperte.

In der weiten Leere des Alls stießen die Schiffe auf einen mit Ekti beladenen ht

Frac er der Roamer. Sirix richtete alle Ortungssensoren darauf und gab Alarm für seine Flotte.

291

»Wir sollten angreifen«, sagte Ilkot. »Unsere Schiffe brauchen dringend Treibstoff für den Sternenantrieb.«

»Unsere Schiffe brauchen alles.« Sirix sah auf die Ortungsanzeigen und analysierte die Gesamtsituation. Es ging um ihre Existenz. »Die Ladung des Frachters kann uns nur für kurze Zeit mit Ekti versorgen. Wir gestatten ihm, die Entfernung zu vergrößern, bl

i aber in Ortungsreic

eiben dabe

hweite.

Vielleicht führt uns der Frac te

h

rößeren Trei

r zu einem g

bstoffdepot.«

»Wir dürfen ihn nicht entkommen lassen.«

»Er wird nicht entkommen.«

Als der Frachter die Flotte entdeckte, änderte er sofort den Kurs und beschleunigte. Ortungssignale deuteten darauf hin, dass der Pilot wachsam Ausschau hielt ‐ er musste annehmen, dass die georteten Schiffe zur Terranischen Verteidigungsflotte gehörten.

Sirix blieb mit seiner Flotte auf dem bisherigen Kurs und ließ den Roamer glauben, er wäre ihren Sensoren entgangen. Er startete eine kleine Sonde, die dem Frachtschiff folgte und per Richtfunk ein Peilsignal sendete. Der Roamer setzte den Flug fort, davon überzeugt, dass keine Gefahr mehr bestand. Das offenbar modifizierte Triebwerk seines Schiffes entwickelte erstaunlich viel Schub, und deshalb glaubte er vermutlich, eine sichere Distanz zwischen sich und der Flotte schaffen zu können. Doch die schwarzen Roboter waren keine empfindsamen Menschen und dazu imstande, weitaus größere Beschleunigungen zu ertragen.

Sirix wartete eine Zeit lang und nahm dann die Verfolgung auf. Die von schwarzen Robotern kontrollierten Schiffe bildeten eine lange Kette und achteten auf eine ausreichend große Entfernung, damit der Roamer‐Pilot sie nicht ortete. Von der Sonde kam ein klares Signal, dem man leicht folgen konnte.

Sirix rief PD und QT auf die Brücke, damit sie das Geschehen beobachteten.

Bestimmt stand eine interessante Entdeckung bevor.

291

Schließlich näherte sich der Roamer‐Frachter einem Sonnensystem, dessen Zentralgestirn ein Brauner Zwerg war. »Die Sensoren zeigen keine für biologisches Leben geeigneten Planeten in diesem System«, meldete Ilkot.

»Die thermischen Emissionen des Braunen Zwergs genügen nicht.«

»Genauere Ortung. Sucht nach industrieller Aktivität, nach Stützpunkten, Satelliten oder anderen Raumschiffen.« Sirix fragte sich, warum Menschen in ein Sonnensystem kommen sollten, in dem biologisches Leben unmöglich war. Nur ein Grund fiel ihm dafür ein: Sie wollten im Verborgenen bleiben.

Er glaubte seine frühere Vermutung bestätigt, dass der Frachter sie vielleicht zu einem größeren Treibstoffvorrat führte.

Sirix wies die anderen Schiffe an, wieder zusammenzurücken und außerhalb des Sonnensystems zu warten, während der Roamer langsamer wurde und sich in Sicherheit wähnte.

»Wir haben eine kleine Anlage gefunden«, sagte Ilkot nach einer Weile. »Sie ist hauptsächlich künstlicher Natur, besteht aus verarbeitetem Metall und hat eine deutliche thermische Signatur. Der Asteroid, auf dem sie sich befindet, durchmisst weniger als einen halben Kilometer.«

»Es handelt sich um eine Art Treibstofflager«, erwiderte Sirix. »Die Roamer legen Wert darauf, solche Basen geheim zu halten. Vorsichtiger Anflug und Kommunikationsstille wahren. Den energetischen Output auf ein Minimum beschränken.«

Das Frachtschiff legte beim Asteroidendepot an und deaktivierte das heiße interplanetare Triebwerk. Sirix gab seinen Robotern die Anweisung, eine ganze Stunde zu warten ‐ die Menschen im Depot sollten glauben, dass nicht die geringste Gefahr drohte. Die übernommenen TVF‐Schiffe trieben im All und warteten auf den Angriffsbefehl.

Schließlich sagte Sirix: »Normalerweise verfügen Roamer nur über wenige Waffen. Ihre Verteidigung besteht hauptsächlich darin, sich zu verstecken.

Wir müssen verhindern, dass jemand entkommt. Es geht darum, unser Geheimnis zu wah

292

ren, und es sollen weder Raumschiffe noch Material vergeudet werden.

Unsere Waffen müssen mit großer Präzision eingesetzt werden. Wir wollen die Basis nicht zerstören, dürfen keinen wertvollen Treibstoff verg

euden

»Und keine Munition«, sagte OD.

Die TVF‐Schiffe aktivierten wieder ihre Triebwerke und rasten dem Ziel entgegen. Bevor die überraschten Roamer mehr tun konnten, als eine empörte Anfrage zu senden, hatten die schwarzen Roboter sie schon überwältigt. Die Menschen versuchten nicht einmal zu fliehen.

Sirix beobachtete den Außenposten, der nicht mehr war als ein durchs All driftender Felsbrocken, ausgestattet mit einigen Kuppeln und Tanks. Die Ekti‐Reservoirs waren fast voll ‐ der Treibstoff hatte zu den Roamer‐

Siedlungen und menschlichen Kolonien gebracht werden sollen, vielleicht sogar ins Ildira‐nische Reich. Die Sensoren orteten auch vier Schiffe bei der Basis.

»Elf Lebensformen an Bord«, meldete Ilkot. »Kein nennenswertes Verteidigungspotenzial.«

PD und QT boten pflichtbewusst Hilfe an, aber Sirix übernahm selbst die Waffenkontrollen des Moloch. Ohne jede Vorwarnung zerstörte er die Lebenserhaltungsgeneratoren des Depots ‐ ein Jazer‐Strahl mit mittlerer Energie genügte.

Die Explosion schuf ein schönes Muster aus Feuer und Licht. Heiße Trümmer flogen ins All ‐ die Gravitation des Asteroiden reichte nicht aus, sie festzuhalten. Sirix überlegte, ob er auch die vier Schiffe zerstören sollte, um die Menschen weiter zu schwächen, entschied sich aber dagegen.

Wichtige Ressourcen durften nicht einfach so vergeudet werden.

Zorniges Roamer‐Geheul kam aus den Kom‐Lautsprechern. »Na schön, ihr Tiwi‐Mistkerle, wir ergeben uns! Verdammte Piraten! Barrymores Felsen mag nur ein kleiner Stützpunkt sein, aber wir sind Mitglied der öde

Konf

ration. Beim Leitstern, wir verlangen, dass Sie uns zu König Peter bringen. Die Terranische Verteidigungsflotte hat kein Recht...«

293

Drei andere Roamer drängten näher zum Bildschirm. »Sie haben unser Lebenserhaltungssystem zerstört. Wir können nicht lange überleben...«

Sirix öffnete einen Kommunikationskanal und erlaubte den Menschen, sein insektenhaftes Erscheinungsbild zu sehen. »Nein, ihr werdet nicht lang e

überleben. Und wir sind nicht an eurer Kapitulation interessiert.«

Er schloss den Kanal wieder und schickte seine Roboter zum Depot. Sie brauchten weder Atmosphäre noch Andockstellen, sprangen einfach aus den offenen Luken der TVF‐Schiffe und flogen zum Depot.

Die Menschen hatten sich im Innern ihrer Basis verbarrikadiert, aber die Roboter schnitten sich einfach einen Weg durch die Außenwände, wodurch es mehrmals zu explosiver Dekompression kam ‐ einige Innenwände platzten, als sie plötzlich nicht mehr von beiden Seiten Luftdruck ausgesetzt waren. Die Energiegeneratoren fielen aus, und auf Barrymores Felsen wurde es dunkel; nur von der Notbeleuchtung kam noch ein wenig Licht.

Die Roboter drangen in die finstere Station ein, schalteten ihre optischen Sensoren auf infrarote Erfassung um und jagten die Menschen, die den explosiven Dekompressionen nicht zum Opfer gefallen waren. Sie gingen methodisch vor und nahmen sich Zeit.

Sirix nahm selbst an der Suche nach den Überlebenden teil und ließ seinen Zorn an den hilflosen Menschen aus. Sie zu töten, entschädigte ihn ein wenig für die beim Kampf gegen die Klikiss erlittenen Verluste. Die Schreie der Überlebenden waren für ihn das Äquivalent zu der Musik, die d en

Brüterinnen gefiel. Sirix konnte nicht genug davon bekommen.

Zwei Stunden später gab es auf Barrymores Felsen kein Leben mehr.

Sirix stapfte durch die Habitatkuppeln und Lagerräume und genoss seinen mph. Überall lagen die Leiche

Triu

n von Menschen, und Boden und Wände

waren voller Blut. Bei dem an

294

gedockten Frachter fand er einen hageren jungen Mann mit rotem Schal.

Nicht weit entfernt lagen die Leichen von vier Männern, drei Frauen und drei Kindern. Ihr privates Quartier steckte voller unnützer Dinge wie Andenken und Tagebüchern mit Aufzeichnungen über ihr tägliches Leben.

An solchen Informationen war Sirix nicht interessiert.

Die schwarzen Roboter leerten die Ekti‐Tanks des Stützpunkts und bekamen so erheblich mehr Treibstoff, als der Frachter transportiert hatte.

Mehrere Tage blieben sie in der Nähe der Roamer‐Basis und verteilten das Ekti auf die TVF‐Schiffe. Sirix dachte daran, wie viele Schiffe er bereits verloren hatte, und er wies Soldaten‐Kompis an, die vier kleinen Pas‐

sagierschiffe und den Frachter zu übernehmen. Vielleicht ließen ch si

jene

Raumschiffe für eine List oder dergleichen einsetzen.

Schließlich kehrten die Roboter zu ihren TVF‐Schiffen zurück und entfernten sich von dem leeren Außenposten der Roamer. Sirix war zu neuen Angriffen entschlossen, fürchtete aber, die weitere Ausbreitung der Klikiss‐Subschwärme nicht verhindern zu können.

Sie hatten zuvor all das Material aus dem Stützpunkt geholt und an Bord der TVF‐Schiffe verstaut, das irgendwie verwendet werden konnte; die Roamer‐

Basis enthielt also nichts mehr, das irgendeinen Wert für die schwarzen Roboter gehabt hätte. Deshalb brachte Sirix seinen Moloch in Schussposition und veranstaltete Schießübungen für PD und QT. Die beiden Kompis feuerten mehrmals auf die Kuppeln, leeren Treibstofftanks und den Asteroiden. Sirix wies sie an, den Beschuss fortzusetzen, bis von der ta S tion

namens Barrymores Felsen nichts mehr übrig war.

Dann steuerte er seine wieder stärker gewordene Kampfgruppe ins interstellare All. »Jetzt können wir unsere Mission fortsetzen«, sagte er eden. »Bis zum

zufri

Ende.«

294

104 # WEISER IMPERATOR JORA'H

Adar Zan'nhs Schiffe hatten ihre Rettungsmission im Auftrag des Weisen Imperators beendet und kehrten mit den menschlichen Flüchtlingen von Cjeldre zurück. Gefolgt von Nira, ihren Kindern und dem Erstdesignierten Daro'h machte sich Jora'h auf den Weg, um sie zu empfangen und zu erfahren, wie weit sich die Klikiss ausgebreitet und welchen Schaden sie angerichtet hatten. Er fürchtete einen neuen Krieg. Waren die Klikiss Feinde des Ildiranischen Reichs?

Mit raschen Schritten brachte der Weise Imperator die Stufen des Prismapalastes hinter sich und stolperte dabei fast über die Angehörigen des Bediensteten‐Geschlechts. Er erreichte den Platz und wartete dort auf die Landung von Zan'nhs Flaggschiffs. Beamte, Höflinge, Erinnerer und andere Ildiraner folgten ihm in einer Prozession, um die Solare Marine zu Hause willkommen zu heißen.

In der Orbitalwerft feierten Tabitha Huck und ihre Arbeiter die Gelegenheit, indem sie neun neue Kriegsschiffe in Dienst stellten ‐ sie begleiteten das landende Flaggschiff. Schnelle Angriffsjäger flankierten die großen Kriegsschiffe und vollführten komplexe Manöver am Himmel ‐ für die Ildiraner ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Adar seine Mission zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht hatte.

Das Flaggschiff ging mit ausgefahrenen Sonnensegeln und bunten Wimpeln auf dem Mosaikpflaster nieder. Nira stand neben Jora'h, und ihre Nähe gab ihm Kraft. Osira'h hielt die Hand des Erstdesignierten Daro'h, als erinnerte sie sich plötzlich daran, dass sie eigentlich ein kleines Mädchen war. Niras Kinder hatten sich mit Kolkers »Offenbarungen« beschäftigt. Sie hatten, vom grünen Priester ermutigt, Nira angeboten, ihr zu zeigen, was es damit auf sich hatte, doch ihre Mutter blieb zu sehr auf ihre Verbindung mit Jora'h konzentriert.

Rampen fuhren aus, und erwartungsvolle Stille herrschte.

295

Adar Zan'nh kam mit einigen Offizieren aus dem großen Kriegsschiff, und die menschlichen Flüchtlinge von Cjeldre folgten. Es waren nur et a w

hundert. Nira wartete auf mehr und fragte schließlich: »Das sin d alle?«

Zan'nh presste die Faust an die Brustmitte. »Wir sind zu mehreren bekannten Kolonien geflogen, Herr. Einige waren unbewohnt, andere zerstört. Auf Cjeldre fanden wir diese überlebenden Menschen.«

»Seid ihr den Klikiss begegnet?«, erwiderte Jora'h. »Und wenn ja, wie vielen?«

»Sie sind tatsächlich zurückgekehrt, in voller Stärke. Auf Cjeldre hatten sie die Menschen bereits gefangen genommen. Wenn wir nicht rechtzeitig eingetroffen wären, hätten die Klikiss sie umgebracht.« Zan'nh klang bestürzt.

»Er hat uns gerettet!«, rief einer der Menschen weiter hinten.

Zan'nh sah zu den ausgemergelten Flüchtlingen und richtete den Blick dann wieder auf seinen Vater. »Ja, Herr, wir haben sie gerettet.« Er zeigte so etwas wie verlegene Zufriedenheit. »Was die Klikiss auf all den Planeten gemacht haben, war nicht... ehrenhaft.«

Nira breitete die Arme aus und wandte sich an die Flüchtlinge. »Wir sind froh, dass Sie noch leben. Und wir freuen uns, dass Sie hier sind.«

Männer, Frauen und Kinder wankten die Rampen herunter. Jora'h wandte sich an die Bediensteten, die es offenbar gar nicht abwarten konnten, sich nützlich zu machen. »Sorgen Sie dafür, dass diese Menschen gut untergebracht werden. Sie sollen frische Kleidung, medizinische Hilfe und gutes Essen bekommen.«

Die Kolonisten von Cjeldre bedankten sich lauthals. Einige von ihnen waren dem Zusammenbruch nahe; andere hätten den Weisen Imperator am liebsten umarmt. Doch Yazra'h hielt Wache und ließ niemanden in Jora'hs Nähe.

dar

Der A

sah die Erleichterung der Menschen und sagte leise: »Es war richtig von dir, mich mit dieser Mission zu be

296

auftragen, Herr. Wenn ich früher aufgebrochen wäre, hätte ich v icht

ielle

noch mehr Kolonisten retten können.«

Zan'nh verstand seine Worte nicht als Kritik, aber Jora'h fühlte sich trotzdem schuldig. Er war unschlüssig gewesen, als Nira ihn um die Hilfe der Solaren Marine gebeten hatte. Er hatte einem Problem, von dem er glaubte, dass die Menschen ganz allein dafür verantwortlich waren, weder Zeit noch Ressourcen widmen wollen. Jetzt bedauerte er, nicht sofort auf Nira gehört zu haben. Eigentlich hatte sie um wenig gebeten, und er schuldete ihr viel. Nach all dem, was die Ildiraner den menschlichen Versuchsobjekten auf Dobro angetan hatten, nach all den Verbrechen und Heimlichkeiten über Generationen hinweg hätte er nicht zögern dürfen. Der Weise Imperator stand tief in ihrer Schuld.

»Sag mir, wie ich ihnen jetzt am besten helfen kann«, sagte er leise zu Nira.

»Sollten sie auf Ildira bleiben? Oder wäre es besser, wenn ich sie zur Erde zurückschicke? Du weißt, dass ich deinen Rat beherzigen werde.«

Niras Züge verhärteten sich. »Weder die Erde noch Ildira. Diese Menschen ließen sich auf Cjeldre nieder, weil sie dort ein neues Leben beginnen wollten. Sie wünschten sich eine neue Heimat und riskierten all s, um a e

n

der Kolonisierungsinitiative der Hanse teilzunehmen.«

Die junge Osira'h nickte nachdrücklich und ergriff die Hand des Erstdesignierten fester, als sieben schnelle Angriffsjäger über den Himmel jagten. »Schick sie nach Dobro, Vater. Zu den anderen Menschen dort. Sollen sie dort ihre eigene Kolonie gründen, wie es den Kolonisten der Burton versprochen worden war.«

Jora'h spürte, wie ein kurzes Zittern durch Niras Schultern ging, doch sie nickte. »Mach ihnen dieses Angebot. Es wird helfen, die Wunden zu heilen und jenen Menschen eine neue Perspektive in Hinsicht auf dich und alle Ildiraner zu geben.«

'

Jora h atmete tief durch. »Ja, die Wunden müssen heilen. Vielleicht kann Dobro ein neuer Anfang sein, ein Ort, wo Men

296

sehen und Ildiraner in Harmonie zusammenleben. Diese Kolonisten können sich dort niederlassen, und sie bekommen jede Unterstützung von s. So

un

hätte es immer sein sollen.«

Ein aufrichtiges Lächeln erschien auf Niras Lippen. »Das ist ein guter Anfang, Jora'h.«

»Es sei denn, die Faeros kommen und zerstören alles«, sagte Daro'h. Im hellen Sonnenschein wirkten die Narben in seinem Gesicht sehr rot.

Jora'h blieb in Gedanken versunken, als Bedienstete und Beamte die Flüchtlinge von Cjeldre wegführten. Er hatte lange mit dieser Entscheidung gerungen und wusste, dass er sie nicht länger aufschieben konnte. Er musste die schlimme Situation unter Kontrolle bringen, bevor die Menschen alles selbst in die Hand nahmen. Es genügte nicht, einigen Flüchtlingen etwas Land auf Dobro anzubieten, um ihr Vertrauen zu gewinnen.

Jahrhunderte der ildiranischen Täuschung erforderten jetzt großes Engagement, wenn es zwischen Menschen und Ildiranern nicht zu Feindschaft kommen sollte. Er musste Wiedergutmachung leisten und Brücken bauen.

»Dobro allein genügt nicht; es ist nur der erste Schritt. Angesichts all der Gräuel reicht eine einzelne Geste des guten Willens nicht aus.« Jora'h sah Nira in die Augen, richtete den Blick dann auf Osira'h. »Du hast den grünen Priestern bereits vom Zuchtprogramm erzählt, Nira. Du hast deine Geschichte und einen Teil deines Schmerzes mit ihnen geteilt, doch Erklä‐

rung ist keine Buße. Und Buße ist nötig. Wir können diese Sache nicht einfach ignorieren und hoffen, dass die Menschen alles vergessen. Das werden sie nicht.«

Jora'h wusste, dass er dies in erster Linie für Nira tat. Es überraschte ihn, wie gut es sich anfühlte. »Ich muss der Führung der Menschen gegenübertreten und zugeben, was die Ildiraner über Generationen hinweg em Vol

dein

k angetan haben. Ich werde mich entschuldigen und hoffen, dass es eine Art von Wiedergutmachung gibt. Ich werde König Peter besuch

«

en.

297

Die Händler Rlinda Kett und Denn Peroni hatten bereits das verwirrende Schisma in der menschlichen Regierung erläutert: auf der einen Seite die neue Konföderation, auf der anderen die alte Terranische Hanse. Die Hanse schien isoliert zu sein, während die Konföderation wuchs und die verschiedenen »Geschlechter« der Menschheit aufnahm, von Kolonisten über Roamer bis hin zu Niras geliebten Theronen. Jora'h hatte den Vorsitzenden Wenzeslas kennen gelernt und auch Zeit mit König P

eter und

Königin Estarra verbracht.

Niras Gesicht erhellte sich, noch bevor Jora'h alles gesagt hatte. Der Weise Imperator verkündete: »Wir fliegen nach Theroc. Dort wohnen Herz und Seele der Menschheit.« Er umarmte Nira und teilte ihre Freude durch den körperlichen Kontakt mit ihr. »Wir brechen so bald wie möglich auf.«

105 # KÖNIG PETER

Jeden Tag führte König Peter Gespräche mit Repräsentanten von Hanse‐

Kolonien und Roamer‐Clans. Doch zu später Stunde fanden Estarra und er Gelegenheit, ein wenig Zeit allein miteinander zu verbringen. Nach all den Banketten, Partys und Feiern fühlte es sich gut an, bei einer leichten Mahl‐

zeit auf dem offenen Balkon zu sitzen und auf den Wald zu blicken.

Auch wenn sich Peter Zeit für seine Frau und sich selbst nahm, immer begleiteten ihn Sorgen um die Konföderation. Die

Regierungsverantwortung lastete schwer auf ihm. Die Bildung eines ganz neuen Systems erforderte viele Diskussionen, Vereinbarungen und Entscheidungen. OX stand aufmerksam neben ihnen. Der Kompi machte gute Fortschritte und war inzwischen wieder als polit r Ber

ische

ater tätig.

Peter dachte an die völlig veränderte Situation in Hinsicht 298

auf Hanse und Konföderation, auf Theronen, Roamer und sogar die Ildiraner. Sie hatten gerade erfahren, dass der Weise Imperator Jora'h in

einer diplomatischen Mission auf dem Weg nach Theroc war.

Die von den grünen Priestern übermittelten Nachrichten bezüglich des schrecklichen Zuchtprogramms auf Dobro hatten Peter erschüttert. Bei ihrem Besuch auf Ildira hatten Estarra und er mit dem Weisen Imperator Jora'h Freundschaft geschlossen und ihm einen Schössling für seinen Flüsterpalast geschenkt. Jetzt kannte Peter Niras Geschichte und wusste nicht mehr, was er von Jora'h halten sollte. Eine persönliche Begegnung konnte bestimmt vieles klären. Peter hoffte, die Ildiraner als Verbünd te e

der Konföderation zu gewinnen.

Der Weise Imperator hatte beschlossen, nicht etwa zum Vorsitzenden Wenzeslas zu fliegen, sondern nach Theroc. Das war ein klares Signal an die Hanse. Doch wenn das Oberhaupt des ildiranischen Volkes nicht mehr Vertrauen verdiente als Basil? Peter weigerte sich, das zu glauben.

»Wir wussten nicht, worauf wir uns einließen, als wir mit dieser Sache begannen, Estarra.« Er schob sich eine grüne Samenkapsel in den Mund, und sie platzte, als er auf sie biss. »Oh, ich hatte meine Ausbildung und jahrelange Erfahrung als König ‐ so viel Erfahrung, wie Basil mir gestattete ‐, aber die Gründung der Konföderation war wie ein Sprung ins kalte Wa r.

sse

Und all die Menschen sind uns blind gefolgt.«

»Ohne im kalten Wasser zu ertrinken«, sagte Estarra. »Uns war klar, dass wir die Hanse verlassen mussten, um uns aus den Fängen des Vorsit nden ze

zu befreien. Und dir stehen die besten Fachleute zur Seite.«

»Ja, König Peter«, fügte OX hinzu. »Das stimmt. Doch Sie müssen viele Fragen beantworten. Wie straff sollte die Konföderation geführt werden? Ist sie eine solidarische Gesellschaft, die darauf basiert, dass sich ihre Mitglieder gegenseitig helfen? Oder steht das gemeinsame Handeln im d

Vor ergrund? Sollten die früheren Hanse‐Kolonien als Einheit oder besser einzeln

298

gesehen werden? Es erscheint logisch, dass jede von ihnen ihren eigenen Repräsentanten entsendet, denn immerhin hat jede eigene Bedürfnisse.«

Estarra nickte. »Die Gründung eines neuen Staatengebildes ist wie die Gründung einer Familie. Man stellt sich neuen Herausforderungen und versucht, ihnen gerecht zu werden. Die Menschheit zählt auf uns.«

Peter strich ihr über den Arm. »Derzeit haben alle das gleiche Ideal, und wir sind uns weitgehend einig.« Peter beobachtete, wie das Licht der Nachmittagssonne durch Lücken im hohen Blätterdach fiel.

»Behalte im Auge, was wichtig ist.« Estarra verzog das Gesicht und hielt sich den Bauch.

»Stimmt was nicht?«

»Nein, alles ist genauso, wie es sein sollte. Das behaupten jedenfalls meine Mutter, die grünen Priester und alle anderen, mit denen ich gesprochen habe.« Estarra atmete schnell und beruhigte sich. »Ich werde un Ki

ser nd in

etwa zwei Wochen zur Welt bringen, Peter.«

Er umarmte sie. »Wenn ich dir doch nur irgendwie helfen könnte.«

»Du hast mir bereits g

onzent

eholfen. Ich k

riere mich auf die Geburt. Du

konzentrierst dich darauf, die Regierungsprobleme zu lösen.«

»So einfach ist das nicht, Estarra.«

»Auch die Niederkunft ist nicht einfach, aber wir schaffen es irgendwie.

Denk dran, wenn das Regierungsoberhaupt gute Arbeit leistet, lassen sich alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen.«

»Sag das Basil.«

»Er muss mit seinen eigenen Entscheidungen leben. Du und ich und die Repräsentanten der Konföderation, wir müssen jetzt entscheiden, s es zu

wa

tun gilt.«

Wahl zu haben ... Das i

»Die

st weitaus besser, als die Entscheidungen

anderer ausführen zu müssen.«

299

Der Lehrer‐Kompi griff nach der Karaffe und schenkte Epi‐phytensaft nach dem Rezept von Estarras Großmutter ein. Peter hob sein Glas. »Was auch immer wir ents

den, wir

chei

sind besser dran als unter der Knute des Hanse‐

Vorsitzenden.«

Darauf tranken sie.

106 # STELLVERTRETENDER

VORSITZENDER ELDRED CAIN

Furcht sorgte dafür, dass die Bevölkerung der Erde leicht zu manipulieren war, und das nutzte der Vorsitzende Wenzeslas aus. Der in den Mittelpunkt gerückte Erzvater fachte das Feuer des religiösen Eifers an. Es war nicht weiter schwer, die Klikiss als Dämonen darzustellen, und als die Reaktion darauf einsetzte, akzeptierte die Öffentlichkeit auch die nächsten Schritte.

Besonders leichtgläubige Leute behaupteten sogar, dass König Peter für die Rückkehr der Klikiss verantwortlich und vielleicht sogar mit ihnen verbündet war.

Die patriotische Leidenschaft eines Teils der Bevölkerung bestätigte Basil in seiner festen Überzeugung, recht zu haben. Er hörte nur jenen zu, die seine Entscheidungen begrüßten; für abweichende Meinungen, rationale Argumente und alternative Ideen ließ er keinen Platz mehr. Die jüngsten Entwicklungen besorgten Cain immer mehr, und er fühlte sich ins Abseits gedrängt. Basil erlaubte ihm nur noch, sich mit Verlautbarungen an die Medien zu wenden und gegen all die falschen Interpretationen vorzugehen, die keine genehmigten falschen Interpretationen waren.

Wenzeslas rief Cain zu sich, und mit einem Shuttle flogen sie zu Lanyans neu ausgerüstetem Moloch. Er ragte wie ein militärisches Ungeheuer auf, das die Erde schützte. »Es wird

300

Zeit, jeden Bürger mit aufrichtiger Gottesfurcht zu erfüllen. Nicht nur die Bewohner der Erde, sondern auch die der Kolonien, die sich in d Zeit

ieser

der Not von der Hanse abgewendet haben.«

»Gottesfurcht? Darum geht es bei den Ansprachen und Predigten des Erzvaters?«

»Die Situation verlangt mehr als nur Worte. Ich habe Gelehrte beauftragt, geeignete Bibelstellen zu finden, die er zitieren kann. Wir verwenden die heiligen Worte für unsere eigenen Zwecke. Bald werden die Bürger mit erhobenem Schwert marschieren.«

Cain spürte einen Knoten in der Magengrube, und es lag nicht an den Veränderungen in der künstlichen Gravitation, als sie den Moloch erreichten. Er beschloss, es noch ein letztes Mal zu versuchen.

»Vorsitzender, Sie sind immer sehr rational gewesen, aber jetzt zwingen Sie die Menschheit, mit großen Schritten in die Vergangenheit zurückzukehren.

Warum fördern Sie Verfolgungswah

erglauben? Mit wahrer R

n und Ab

eli‐

gion hat dies nichts zu tun.«

»Der Erzvater steht voll und ganz dahinter.«

»Seit wann scheren Sie sich darum, was der Erzvater denkt, Sir? Er ist nur ein Schauspieler.«

»Sie haben recht, es ist mir gleichgültig, as e

w

r denkt. Es kommt darauf an,

was er sagt, und er sagt das, was ich ihm vorgebe.«

Sie landeten in einem großen Hangar der Jupiter und wurden dort von einer sehr steif und stolz wirkenden Lieutenant Commander Shelia Andez begrüßt. Cain erinnerte sich daran, dass sie zu den Leuten gehörte, die bei Osquivel Gefangene der Roamer gewesen waren. Sie hatte olivfarbene Haut, Haar in der Farbe von Zimt ‐ gerade so lang, wie es die Vorschriften erlaubten ‐ und dunkle, geschwungene Augenbrauen. Andez hatte immer wieder ganz offen gegen die Roamer Stellung bezogen; manche ihrer age

Auss

n in der Öffentlichkeit hätte der Vorsitzende gar nicht besser ulieren können.

form

300

»Der General wartet auf Sie, Vorsitzender. Wir sind sehr neugierig darauf, was Sie uns zu sagen haben.« Sie ging los, und Cain bemerkte, dass ihre Uniform fast völlig falt los wa

en

r. Eine Ehrenwache eskortierte Wenzeslas

und ihn.

Auf dem Weg durch die Jupiter sah sich Cain bedrückt um. Dies war Admiral Willis' Schiff gewesen, und Lanyan schien ein strengeres Regiment an Bord zu führen. Vielleicht lag es an der Konfrontation mit den Klikiss auf Pym.

Der General salutierte zackig, als sie die Brücke erreichten. Er war offenbar bestrebt, nach dem Rückzug jede Erinnerung an die Niederlage abzustreifen, doch er schien auch den neuen Auftrag zu fürchten, den der Vorsitzende vielleicht für ihn hatte. »Der Erzvater hat nicht erklärt, was S e i

mit gerechter Strafaktion< meinen.«

Gerechte Strafaktion? Der Erzvater stand wie ein Gebieter auf der Brücke des Moloch, und mit seinen weiten Umhängen nahm er doppelt so viel Platz ein wie ein normaler Mensch.

»Lieutenant Commander Andez«, sagte der Vorsitzende, »bitte öffnen Sie die Datenbibliothek und rufen Sie Bilder der Hanse‐Kolonie Usk en

ab. Zeig

Sie sie auf dem Hauptschirm, damit ich die Mission erklären kann.«

»Wir fliegen nach Usk«, sagte der Erzvater mit lauter, wichtigtuerischer Stimme. Cain fragte sich, ob er angewiesen war, seine Rolle selbst hier zu

spielen, auf der Brücke des Moloch.

Andez trat zur Konsole und hämmerte dort auf die Tasten, als wären sie kleine Geschöpfe, die es zu zerquetschen galt. Mehrere Bilder e iner Kolonie

der Hanse erschienen auf dem großen Schirm.

Cain erinnerte sich vage an Usk ‐ er hatte gelegentlich Berichte über jenen Planeten gelesen. Eine angenehme, unschuldige Welt. Die Bilder zeigten grüne Felder, Obstgärten mit rosaroten und weißen Blüten, Schafherden, Hügellandschaften und Gehöfte mit vielen Hektar Land.

e landwirtschaftliche

»Ein

Gemeinschaft, die etwas mehr produziert, als sie

selbst braucht«, sagte der Vorsitzende in

301

einem herablassenden Ton. »Die dortigen Kolonisten führen ein angenehmes, sorgenfreies Leben und hatten keinen Grund, sich von der Hanse abzuwenden.« Cain wies nicht darauf hin, dass es zuerst die Hanse gewesen war, die ihre Kolonien im Stich gelassen hatte. »Sie haben die Charta der Hanse zerrissen, ihre Unabhängigkeit erklärt und sich der Konföderation angeschlossen. Und nach all dem erwart sie, ihr en

Leben so

weiterführen zu können, als sei überhaupt nichts geschehen.«

»Sie scheinen harmlos zu sein, Vorsitzender«, sagte Cain.

»Sie haben sich gegen eine rechtmäßige Autorität erhoben! Sie haben einfach so die Terranische Hanse verlassen und uns vor den anderen Kolonien lächerlich gemacht. Wenn wir das hinnehmen, ermutigen wir andere Kolonien, ein Beispiel darin zu sehen.«

Andez sprach, ohne dazu aufgefordert zu sein. »Wie der General schon sagte, als viele Piloten aus der TVF desertierten: Um weiteren Verlusten vorzubeugen, müssen wir ein Exempel statuieren, und zwar auf so dramatische und unvergessliche Art, dass andere nicht ohne Weiteres bereit sind, uns herauszufordern. Es wird höchste Zeit, dass wir etwas gegen die abtrünnigen Kolonien unternehmen. Meiner Meinung nach.«

General Lanyan war offenbar erleichtert, diesmal einen Auftrag zu bekommen, den er leicht durchführen konnte. »Ich bin bereit, auf Usk hart durchzugreifen, Vorsitzender. Wir zeigen den Kolonisten, dass sie den falschen Weg gewählt haben.«

»Es ist mehr nötig, General. Sorgen Sie für ein abschreckendes Beispiel, so unangenehm das auch sein mag. Ich verlasse mich darauf, dass Sie alles Notwendige tun. Der Erzvater wird Ihnen helfen.« Wenzeslas sah den General an, und Lanyan zögerte nur kurz, bevor er ruckartig nickte.

Cain schwieg und glaubte sich in einem Irrenhaus.

rzvat

Der E

er lächelte verträumt. Seine saphirblauen Augen schienen von n zu leuchten. »Oh, es wird

inne

ein richtiges Pogrom werden.«

302

107 # ANTON COLICOS

Anton hatte Vao'sh nie so aufgeregt gesehen. Die Hautlappen im Gesicht des Erinnerers wechselten immer wieder die Farbe, als er hervorstieß: »Der Weise Imperator fliegt nach Theroc! Angeblich will er dort um Verge g

bun

bitten für das, was das ildiranische Volk auf Dobro angerichtet hat.«

Die Reise kam einer erneuten plötzlichen Veränderung für die Ildiraner gleich. Die Tradition verlangte, dass Bittsteller zum Weisen Imperator kamen. Das Oberhaupt ihrer Zivilisation begab sich nicht auf Re mit

isen, um

jemandem zu sprechen. Oder gar um sich zu entschuldigen.

Doch die Zeiten änderten sich. »Eine kühne Entscheidung«, sagte Anton.

»Und vielleicht eine dumme. Die Zukunft wird es zeigen.«

Sie befanden sich im Saal der Erinnerer, wo die neuen Diamantfilmtafeln angebracht wurden. Schreiber waren damit beschäftigt gewesen, neue Worte zu ätzen und Strophe für Strophe zu ändern, auf der Grundlage der Informationen, die sie von Vao'sh und Anton bekommen hatten. Anton war zunächst froh gewesen, sich endlich wieder seiner »richtigen« Arbeit widmen und die Saga der Sieben Sonnen übersetzen zu können, aber nach all der Arbeit der letzten Tage brannten ihm die Augen. Er erinnerte sich an seine Studienzeit, an die lange, intensive Vorbereitung aufs Examen und die Arbeit an der Dissertation. Dies hier war noch viel intensiver. Zusamm n e

mit Vao'sh schrieben sie eine ganze Chronik neu.

Die Tafeln mit den Fälschungen mussten ausgetauscht und durch neue ersetzt werden. Die Geschichte vom Feuerfieber, das alle Angehörigen des Erinnerer‐Geschlechts tötete, wich der bitteren Wahrheit von ihrer Ermordung, die es dem Weisen Imperator ermöglicht hatte, die Geschichte neu zu schreiben. Andere Tafeln berichteten von den Zuchtlagern auf Dobro und dem vom verrückten Designierten Rusa'h entfachten Bür 303

gerkrieg, sogar davon, dass Jora'h während der Bedrohung durch die Hydroger fast Verrat geübt hätte. Die Ildiraner rangen noch mit der Erkenntnis, dass ihre Geschichte nicht immer schön und heroisch ge wesen

war.

Der Oberste Schreiber Ko'sh und einige Hardliner protestierten nach wie vor, aber eine neue Generation von Erinnerern beschäftigte sich schon mit der revidierten Saga. Einige der älteren Historiker, die sich bereit erklärt hatten, die Saga neu zu lernen, entfernten die Lügen aus ihren Geschichten.

Die Veränderungen würden schließlich in der ildiranischen Kultur Wurzeln schlagen, aber bis dahin dauerte es noch eine Weile.

Und jetzt machte sich der Weise Imperator auf den Weg. »Ich nehme an, der Erstdesignierte Daro'h bleibt hier, nicht wahr?«, fragte Anton. »Gibt es so etwas wie einen amtierendem Weisen Imperator?«

Vao'sh zuckte mit den Schultern und ahmte damit eine Geste nach, die er oft bei Anton beobachtet hatte. »Ja, Daro'h bleibt, ebenso Yazra'h ‐ sie wird Ildira und den Erstdesignierten verteidigen, wenn es notwendig werden sollte. Unterdessen bringt Adar Zan'nh die Flüchtlinge von Cjeldre nach Dobro, wie es der Weise Imperator versprochen hat.« Vao'sh sah seinen Freund und Kollegen voller Freude an. »Und das Beste habe ich Ihnen noch gar nicht gesagt, Erinnerer Anton. Wir schreiben die Geschichte dieser Reise, Sie und ich! Der Weise Imperator Jora'h hat uns gebeten, ihn zu begleiten und zu dokumentieren, was wir sehen und hören.«

Anton wich einen Schritt zurück, und unter ihm knirschte ein von einer Tafel abgebrochenes Stück Diamantfilm. Vao'sh fuhr rasch fort: »Damit es schneller geht, nimmt der Weise Imperator nur ein Zeremonienschiff, an Bord nicht mehr als hundert Wächter und Berater ‐ und wir beide a h

. Nir

at

Theroc bereits eine Nachricht geschickt; dort weiß man, dass wi m

r kom en.«

n

Anto beschloss, seine Notizen zu sammeln und mitzunehmen, in der Hoffnung, sie auf Theroc einem Händler geben zu

303

können. Vielleicht war jemand in der Lage, die Übersetzungsentwürfe zur Erde zu bringen, wo sich zahlreiche Studenten und Forschungsassistenten voller Freude auf die wertvollen Informationen stürzen würden. Anton hatte nichts dagegen, die Ergebnisse seiner Bemühungen mit anderen zu teilen, solange er die ihm gebührende Anerkennung bekam. Seine Arbeit bei den Ildiranern war noch längst nicht zu Ende, und er wollte bei ihnen bleiben.

Er sah zu den anderen Erinnerern im Saal ‐ einige von ihnen richteten skeptische Blicke auf die neuen Diamantfilmtafeln. »Wir sollten besser mit dem Packen beginnen.«

108 # TASIA TAMBLYN

Die ganze Nacht über waren sonderbare Geräusche zu hören. Vielleicht waren sie auf Llaro völlig normal und harmlos ‐ aber sie konnten auch darauf hindeuten, dass ein Angriff der Klikiss bevorstand. Inzwischen hielten es Tasia und ihre beiden Begleiter für wahrscheinlich, dass sie auf diesem Planeten die einzigen Überlebenden waren, die gerettet werden ze

mussten. Und es würde eine gan Weile dauern, bis jemand nach Llaro kam, um nach ihnen zu suchen.

Tasia hielt es für das Beste, die Osquivel zu reparieren und mit ihr zu verschwinden. Leichter gesagt als getan: Der Transporter hatte sich beim Absturz mit dem Bug in den Boden des Trockentals gebohrt. »Derzeit sitzen wir hier fest. Aber wenn wir die Köpfe zusammenstecken, fällt uns bestimmt was ein. Roamer können selbst mit Zwirn und Klebeband Wunder vollbringen.«

Robb sah zum verbeulten und zerkratzten Rumpf. An einigen Stellen hatten tr

die S ahlblitze der Klikiss deutlich sichtbare Brandspuren hinterlassen. »In diesem Fall brauchen wir

304

ziemlich viel Zwirn und Klebeband.« Er war nach den Maßstäben der TVF

ausgebildet und hatte sich immer und überall von deren Vorschriften leiten lassen. Er kannte sich mit Remoras und größeren Schiffen aus und w sste, u

wie Triebwerke und andere Teile funktionierten. Das war alles.

Im ersten Licht des neuen Tages begannen Robb und Tasia damit, am Rumpf herumzubasteln. Sie schlugen Rumpfplatten einigermaßen glatt und fügten sie wieder zusammen. Nikko kletterte aus dem Maschinenraum und wischte sich mit dem Unterarm Schmiere aus dem Gesicht. »Was wo r

llt ih

zuerst hören, die guten oder die schlechten Nachrichten?«

»Soll das heißen, es gibt nicht nur schlechte Nachrichten?«, fragte Tasia.

»Das freut mich.«

»Eigentlich habe ich sogar recht viele gute Nachrichten. Es ist überraschend viel Ekti in den Tanks geblieben, und der Sternenantrieb funktioniert noch.

Hundert Prozent Leistung können wir nicht von ihm verlangen, doch es dürfte genügen, dieses Sonnensystem zu verlassen.«

Robb lächelte erfreut. »Also können wir aufbrechen, sobald wir den Rumpf in Ordnung gebracht haben.« Er gab dem Schiff einen Tritt. »Es wird nicht leicht sein, diese Risse abzudichten, aber wir können es mit dem Material schaffen, das uns zur Verfügung steht. Ich schätze, es dauert etwa vier Stunden.«

Tasia fragte voller Unbehagen: »Und die schlechten Nachrichten?«

»Der interplanetare Antrieb ist beschä

digt. Ein Modul ist vollkommen

hinüber.«

»Können wir es reparieren?«, fragte Robb.

»Nicht die Reparatur ist das Problem, sondern der geplatzte Tank. Ekti haben wir genug, aber uns fehlt gewöhnlicher Treibstoff. Wenn wir im All sind, können wir den Sternenantrieb aktivieren und sind im Nu weg von hier. Doch ohne Standardtreibstoff bleibt unser Schiff am Boden.«

Tasi t

a s öhnte. »Wir finden wohl kaum eine freundliche Tankstelle in der Klikiss‐Stadt.«

305

»Ein Problem nach dem anderen«, sagte Robb und seufzte. »Versuchen wir zuerst, Antrieb und Rumpf zu reparieren. Anschließend nehmen wir uns die Sache mit dem Treibstoff vor. Allerdings ... Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll.«

Tasia kletterte ins große Cockpit der Osquivel. »Ich kümmere mich um die Waffensysteme. Damit kenne ich mich aus. Vielleicht müssen wir bald wieder mit zu groß geratenen Käfern fertig werden.«

Während des nächsten Tages und der Nacht schliefen sie kaum und hielten abwechselnd Wache. Nikko lenkte sich mit Arbeit von dem Gedanken ab, dass seine Eltern vermutlich zusammen mit den anderen gefangenen Roamern gestorben waren.

Als es erneut dunkel wurde, setzte sich Tasia auf einen runden braunen Felsen neben einer der Notlampen, die die Absturzstelle umgaben. Tiefer in der Schlucht wurde die Düsternis schwarz und undurchdringlich. Es knirschte und klackte dort, und Tasia glaubte zu hören, wie etwas über die Felsen kroch. Die Dunkelheit verdichtete sich und machte sie immer unruhiger. Sie hielt eine Signallichtfackel in der einen Hand und eine Schockpistole in der anderen; außerdem lehnte ein Projektilgewehr an ihren Beinen, aber sie fühlte sich alles andere als sicher. Sie hätte lieber in ihrer Kabine an Bord des Schiffes im Bett gelegen, am besten neben Robb.

Dort hätte sie es bequemer gehabt.

Tasia saß auf dem harten Felsen, starrte in die Dunkelheit und hielt Wache.

Selbst mit den teilweise reparierten Bordwaffen wäre es ihnen kaum gelungen, eine größere Gruppe von Klikiss auf Distanz zu halten.

Wieder klackte es in der Finsternis, als Steine gegeneinander stießen. Ein sonderbares Zirpen kam aus der Ferne, und als Tasia aufsah, hörte sie Schritte, die nicht von einem kleinen Nagetier oder dergleichen stammen ten. Ein größerer Stein geri

konn

et in Bewegung, und am Hang kam Geröll

ins Rutschen.

305

Tasia saß völlig reglos, hielt die Schockpistole bereit und wartete bis zum letzten Moment. Wenn die Klikiss kamen, konnte sie mit der kleinen Waffe kaum etwas ausrichten, aber sie wollte davon Gebrauch machen, sob ald sich

ihr ein Ziel bot.

Im trockenen Gebüsch knackte etwas, und Tasia vernahm eine Art Flüstern ganz in der Nähe. Sie wartete nicht länger und wusste: Robb, Nikko und sie brauchten viel Glück, wenn sie dies überleben wollten. Sie kniff die Augen zu, aktivierte die Signallichtfackel und hoffte, den Gegner damit zu blenden.

»Robb, Nikko ‐ ich könnte hier Hilfe gebrauchen!«

Das grelle Licht erlosch wieder. Zwar hatte Tasia die Augen geschlossen gehalten, aber es fiel ihr schwer, die Gestalten in der Dunkelheit zu erkennen. Sie hatte mit grässlichen Insektenwesen gerechnet, doch die Geschöpfe in der Nähe der Absturzstelle schienen kleiner als Klikiss zu sein.

Rufe erklangen, und Robb und Nikko kletterten aus dem Raumschiff.

Plötzlich ertönten überall Stimmen.

Es kamen keine monströsen Käfer aus der Dunkelheit. Stattdessen sah Tasia einen dunkelhäutigen dürren Mann und einen zotteligen alten Eremiten, begleitet von zwei anderen Menschen. Sie trugen gewöhnliche Kolonistenoveralls, die recht mitgenommen wirkten. Der dunkelhäutige Mann hob die Hand. »Nicht schießen.«

»Wir sind Freunde, verdammt!«, fluchte der ältere Mann. »Meine Güte, mit einer solchen Reaktion habe ich nicht gerechnet! Wir sind Flüchtlinge aus der Kolonie.«

Robb und Nikko eilten herbei. Der dunkelhäutige Mann kam ihnen entgegen. »Ich bin Davlin Lotze. Wir haben den Absturz Ihres Schiffe s

gesehen und das Notsignal empfangen, bevor es deaktiviert wurde.«

Nikko blieb abrupt stehen und starrt

eua

e die N

nkömmlinge groß an.

»Vater? Vater!« Er sprang auf Crim Tylar z

r

u und b achte ihn fast zu Fall.

»Nikko! Was zum Teufel machst du hier?«

306

»Wir sind gekommen, um die auf Llaro gefangenen Roamer zu retten!«

»Aber die Sache lief nicht ganz

wir es g

so, wie

eplant hatten«, fügte Tasia

hinzu.

»Danach sieht's aus«, brummte Crim.

Nikko zögerte und schien sich davor zu fürchten, gewisse Fragen n.

zu stelle

Davlin sprach mit ruhiger, aber fester Stimme. »Ich glaube, die Klikiss wissen noch nicht, wo Sie sind, aber es wäre besser, noch in dieser Nacht von hier zu verschwinden.«

109 # ADMIRAL SHEILA WILLIS

Auch wenn der Vorsitzende Wenzeslas immer wieder betonte, dass die Hanse sich im Krieg befand ‐ Admiral Willis legte keinen Wert darauf, Rhejak zu verlassen. Sie hatte alle Ziele ihrer Mission erreicht und eine starke militärische Präsenz auf dem Planeten etabliert, glücklicherweise ohne das Leben der Siedler zu sehr zu beeinträchtigen. Die Terranische Verteidigungsflotte ging oft zu drastisch vor, obwohl manche Situationen nur ein wenig Finesse erforderten.

Willis' Techniker hatten eine große schwimmende Insel konstruiert, ein wabenartiges Gebilde aus vielen einzelnen Pontons. Das gab der TVF eine Basis für Unterkünfte und ihre planetaren Einsätze. Wenn man mehr Platz brauchte, konnte die künstliche Insel leicht erweitert werden.

Die Admiralin warf einen flüchtigen Blick ins Statuslogbuch, beendete ihren Dienst, nahm am Rand des großen Pontonfloßes Platz und beobachtete, wie die großen Tentakelwesen zusammengetrieben wurden. Sie hatte genug den militärischen Rati

von

onen, hatte deshalb mit den Fischern von Rhejak

einen Handel vereinbart. Sie zahlte einen Wucherpreis 307

für die lokalen Meeresfrüchte, kein Zweifel, aber das Fleisch der Medusen schmeckte ihr sehr. Seine Konsistenz erinnerte an die von gerösteten Pilzen, der Geschmack an Hummer, vor allem dann, wenn man ein Butter‐

Äquivalent hinzugab.

Sie hatte ein schnelles Scoutschiff mit der Nachricht zur Erde geschickt, dass Rhejak für die Hanse gesichert war. Der Vorsitzende wartete sicher voller Ungeduld auf eine Mitteilung, wann der Transportverkehr wieder aufgenommen und seltene Metalle, exotische Mineralien und Tangextrakt verschifft werden konnten. Aber Willis wollte die TVF‐Präsenz auf dem Planeten erst noch konsolidieren und keine Versprechen machen, die sie später vielleicht nicht halten konnte.

Sie forderte ihre Soldaten zu Freundlichkeit den Einheimischen gegenüber auf. »Reißt euch am Riemen, schluckt eine Dosis Demut und behandelt die Rhejakaner mit Respekt.« Einige TVF‐Angehörige hatten den Einheimischen Andenken von der Erde geschenkt und damit erste Freundschaftsbande geknüpft. Hakim Allahu stattete Admiral Willis auf der künstlichen Insel regelmäßige Besuche ab und rang sich allmählich dazu durch, die Anwesenheit der Terranischen Verteidigungsflotte als unvermeidlich hinzunehmen.

Willis mochte nachsichtig sein, aber sie war nicht dumm. Conrad Brindle führte das Kommando über die zehn Manta‐Kreuzer, und sie hatte Wächter bei der »Fabrik« stationiert. Andere Soldaten patrouillierten bei den Anlagen, die Korallen verarbeiteten; manchmal bedienten sie dort sogar e di

Maschinen.

Die Mantas hatten schon mehrere Roamer‐Schiffe verjagt, die nach Rhejak kamen, weil der Planet auf ihrer Handelsroute lag. Die Roamer‐Piloten hatten Alarm gegeben, Flüche gesendet und einige Schüsse auf die Manta‐

Kreuzer abgegeben, bevor sie geflohen waren. Sie waren harmlos, im Großen und Ganzen. Man konnte es eben nicht allen recht machen ...

ts, wenn die Arbeit ruh

Nach

te und nur einige Positionslichter bei der Fabrik blinkten, war das dunkle Wasser fast unbewegt.

307

Rhejaks zwei Monde glühten silbern am Himmel. Die Medusen schliefen nie, schwammen umher, plätscherten und heulten, als wollten sie auf diese Weise für ein wenig Unterhaltung sorgen.

Eine kleine Explosion in einem Extraktionsturm der Fabrik löste in der TVF‐

Basis Alarm aus. Soldaten verließen ihre Unterkünfte, schalteten ihre Kom‐

Geräte ein und sahen sich nach der Ursache des plötzlichen Aufruhrs um.

Willis sprang von ihrer Koje, streifte die erste Uniform über, die sie fand, schlüpfte in die Stiefel und eilte nach draußen.

»In der Extraktionsanlage ist was passiert, Admiral!«

Willis lief bereits zu den Booten am Rand des Pontonfloßes und forderte einige Soldaten auf, sie zu begleiten. Sie sprang ins erste Boot; ein junger Ensign löste die Leine, und ein anderer startete den Motor. Während das Boot übers Wasser raste und dabei auf den niedrigen Wellen tanzte, knöpfte Willis ihre Uniformjacke zu.

Bei der Fabrik brannten inzwischen alle Lampen. Sirenen heulten durch den Rohrleitungswald der Extraktionsanlage. Die dort stationierten Soldaten eilten verwirrt umher, ohne zu wissen, was sie tun sollten. Aus den Kom‐

Geräten kamen mehrere Stimmen gleichzeitig, und Willis verlangte einen kurzen, klaren Bericht.

»Rebellen, Admiral. Wir haben sie nur kurz gesehen und konnten sie nicht identifizieren.«

»Sie trugen kaum Kleidung«, ließ sich eine andere Stimme verneh r

men. »Nu

Lendentücher oder Badehosen. Ich glaube, es waren Medusen‐Hirten.«

Willis presste die Lippen zusammen. »Junge Leute, die protestieren wollen und zu viel Zeit haben.« Sie nahm den Geruch von Rauch wahr, als sich ihr Boot der Fabrik näherte. Rasch stieg sie aus und wandte sich an die Soldaten. »Woher kamen sie? Wie konnten sie an Ihnen vorbeikommen?

Wa wurde be

s

schädigt? Warum haben Sie nichts bemerkt? Wer war auf Patrouille?«

308

Die Wächter wussten nicht, welche Frage sie zuerst beantworten sollten.

Die Saboteure waren vom Meer gekommen und mit bloßen Händen und Füßen am Turm emporgeklettert. Die kleine Explosion hatte eine der sechs Pumpstationen lahmgelegt, aber der Schaden war nicht besonders groß ‐

vielleicht, so die Wächter, handelte es sich dabei nur um ein Ablenkungsmanöver. Was den patrouillierenden Soldaten betraf ... Er hatte einfach in seiner Aufmerksamkeit nachgelassen, weil bisher nichts geschehen war.

»Offenbar haben wir bei unserer Sicherheitsplanung einen Fehler gemacht«, sagte Willis. »Wir geben den Rhejakanern den kleinen Finger, und sie nehmen sich einen Turm. Bringen Sie hier alles in Ordnung; der Schaden soll repariert werden. Wecken Sie die Arbeiter der Fabrik und so viele TVF‐

Techni‐ker, wie Sie brauchen. Je schneller wir die Anlage wieder ein‐