Das Buch
Die Zivilisation der insektenartigen Klikiss galt als ausgestorben. Doch nun kommen sie zu Tausenden durch die Transportale in die ehemals von ihnen besiedelten Welten, um die menschlichen Kolonisten zu verjagen. Ihr eigentlicher Kampf gilt aber den von ihnen geschaffenen Robotern, die sich einst gegen ihre Schöpfer erhoben und diese nahezu ausgerottet hatten.
Deren Anführer Sirix ist der zahlenmäßigen Überlegenheit der Insektenwesen diesmal allerdings nicht gewachsen. König Peter und seine Frau Estarra konnten sich unterdessen vor den Intrigen des Hanse‐
Vorsitzenden Wenzeslas in Sicherheit bringen. Nun versucht Peter, die Kolonien der Terranischen Hanse für die von ihm neu gegründete Konföderation zu gewinnen. Doch Wenzeslas' Rache an den Abtrünnig t
en is
grausam.
Nach dem Kampf gegen die Hydroger will der Weise Imperator Jora'h die Reste der Roboter‐Revolte im Ildiranischen Reich niedergeschlagen. Er ahnt jedoch nicht, dass die weit größere Gefahr von seinem verrückten Sohn Rusa'h ausgeht, der sich mit den mächtigen Faeros vereinigt hat. Diese Feuerwesen fallen über die ildiranischen Kolonien her und verbrennen dort alles Leben. Nichts scheint sie aufhalten zu können ...
Kevin J. Andersons große
GA
SA
DER SIEBEN SONNEN:
Band 1: Das Imperium
Band 2: Der Sternenwald
Band 3: Sonnenstürme
Band 4: Gefallene Sonnen
Band 5: Von Feuer und Nacht
Band 6: Der Metallschwarm
Band 7: Die Asche der Welten
Der Autor
Kevin J. Anderson ist einer der meistgelesenen SF‐Autoren unserer Zeit. Die Auflage seiner Bücher, darunter zahlreiche »Star Wars«‐ und »Akte X«‐
Romane, beträgt weltweit über 15 Millionen Exemplare. Gemeinsam mit Brian Herbert schrieb Anderson auch die »Frühen Wüstenplanet‐Chro‐
niken« sowie die »Legenden des Wüstenplaneten«, die faszinierende Vorgeschichte zu Frank Herberts großem Epos »Der Wüstenplanet«.
Weitere Informationen zum Autor und seiner SAGA DER SIEBEN SONNEN
finden Sie unter: www.wordfire.com.
KEVIN J. ANDERSON
Der
Metallschwarm
Titel der amerikanischen Originalausgabe
METAL SWARM
Für TIM JONES, der mich auf viele echte Abenteuer mitnahm, was meine Phantasie für die Schilderung erfundener Abenteuer stimulierte.
WAS BISHER GESCHAH
Acht Jahre Krieg gegen die Hydroger haben Planeten und Sonnen zerstört und ganze Völker ausgelöscht, sowohl auf den von
ie
Menschen bes delten
Welten als auch in den Splitter‐Kolonien des Ildiranischen Reichs.
Anstatt die verschiedenen Gruppen der Menschheit gegen einen gemeinsamen Feind zu einen, führten die Anstrengungen des Krieges zu inneren Auseinandersetzungen. Die Terranische Hanse war den Hydrogern hoffnungslos unterlegen und wandte sich gegen einen Feind, den sie besiegen konnte: die verstreut im All lebenden Roamer‐Clans. Die Hanse er‐
klärte sie zu Geächteten und Gesetzlosen, weil sie sich weigerten, Ekti zu liefern, den Treibstoff für den Sternenantrieb. Die Roamer hatten guten Grund, die Handelsbeziehungen mit der Erde zu unterbrechen, denn ein Frachter unter dem Kommando von Raven Kamarow war von der Terranischen Verteidigungsflotte (TVF) vernichtet worden. Dennoch zerstörte die TVF mehrere Roamer‐Siedlungen und sogar ihr Regierungs‐
zentrum namens Rendezvous. Gefangene Roamer wurden auf Llaro interniert, einem Planeten, der einst den seit langem verschwundenen Klikiss gehörte.
Während die geflohenen Clans versuchten, eine neue Regierung zu bilden, fanden Roamer auf Jonah 12 ‐ wo sich Cesca Peroni versteckte, ihre Sprecherin ‐ eine Gruppe in Kälte erstarrter schwarzer Klikiss‐Roboter. Die Maschinen liefen Amok, wie auch auf anderen Welten im Spiralarm, und zerstörten die Station auf Jonah 12. Der junge Pilot Nikko Chan Tyler rettete Cesca, aber die Roboter schossen sein Schiff ab, und Cesca wurde schwer rletzt.
ve
ie von Sirix angeführ
D
ten Klikiss‐Roboter waren seit Jahren
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geheimnisumwittert und behaupteten, sich nicht an ihren Ursprung zu erinnern. Die ganze Zeit planten sie die Auslöschung der Menschheit, so wie sie angeblich auch die Klikiss ausgelöscht hatten. In den Ruinen von Rheindic Co wandten sie sich gegen die Xeno‐Archäologen Margaret und Louis Coli‐cos und töteten Louis. Margaret konnte entkommen und floh durch ein reaktiviertes Transportal der Klikiss. Sirix entführte den Freundlich‐Kompi DD und versuchte, ihn auf die Seite der Roboter zu ziehen. Mit dem Hinweis, die Menschen hätten ihre Kompis versklavt,
»befreite« er DD von seinen Programmschranken. Doch DD war nicht etwa dankbar, sondern nutzte seine neue Freiheit zur Flucht. Er verschwand durch ein anderes Klikiss‐Transportal und machte sich auf die Suche nach Margaret. Unterdessen setzten Sirix und seine Roboter ihre Angriffe auf menschliche Kolonien fort, unter ihnen auch eine alte Klikiss‐Welt namens Corribus.
Die einzigen Überlebenden auf Corribus waren das Mädchen Orli Covitz und der Eremit Hud Steinman; sie wurden von dem Händler Branson »BeBob«
Roberts gerettet und fanden schließlich eine neue Heimat auf Llaro. Als BeBob sie zunächst zur Erde brachte, ließ General Lanyan ihn wegen De‐
sertion verhaften. Trotz der Bemühungen seiner Exfrau Rlinda Kett verurteilte man BeBob zum Tod. Rlinda und der frühere Hanse‐Spion Davlin Lotze retteten ihn. Während der Flucht wurde BeBobs Schiff beschädigt, und Davlin inszenierte seinen eigenen Tod, um sich in den Ruhestand zurückzuziehen. Rlinda und BeBob flohen mit ihrem Schiff, gerieten jedoch in die Gefangenschaft der Tamblyn‐Brüder, die Wasserminen auf dem Eismond Plumas betrieben.
Jess Tamblyn hatte Plumas verlassen, um bei der Verbreitung der Wentals zu helfen, elementaren Wasserwesen, die ihm das Leben gerettet und seinen Körper verändert hatten. Dadurch wurde Jess zwar mit neuen, unglaublichen Fähigkeiten ausgestattet, aber er konnte keine anderen Menschen berühren. Vor langer Zeit war seine Mutter Karla Tamblyn auf 4
Plumas in eine Eisspalte gefallen; ihre Leiche hatte nie geborgen werden können. Jess fand sie tief im Eis und brachte sie zu den Wasserminen, wobei etwas von seiner Wental‐Energie in den toten Körper überging. Bevor Jess seine Mutter auftauen konnte, empfing er die Nachricht, dass seine Geliebte Cesca Peroni nach einem Roboterangriff auf Jonah 12 abgestürzt war und in Lebensgefahr schwebte. Er machte sich sofort auf den Weg.
Als Jess Jonah 12 erreichte, lebten Nikko und Cesca noch, befanden sich aber in einem kritischen Zustand. Jess brachte sie in seinem Wental‐Schiff fort und bat die Wasserwesen, Cesca zu retten. Die Wentals erklärten sich widerstrebend dazu bereit, und in ihrem primordialen Ozean auf Charybdis veränderten und heilten sie Cesca, verwandelten sie auf die gleiche Weise wie Jess. Als sie beide zu den Wasserminen von Plumas zurückkehrten, stellten sie fest, dass ein verdorbener Wental von Karla Tamblyn Besitz ergriffen und sie zu einer Amokläuferin in der Eisstation gemacht hatte.
Rlinda Kett und BeBob entkamen im letzten Augenblick mit ihrem Schiff Unersättliche Neugier, doch die Tamblyn‐Brüder saßen in der Falle und konnten sich nicht gegen die dämonische Frau wehren. Jess und Cesca brauchten ihre ganze neue Kraft, um den verdorbenen Wental zu überwältigen.
Jess' Schwester Tasia, die ihre Roamer‐Familie verlassen, sich der TVF
angeschlossen und im Krieg gekämpft hatte, wurde von den Hydrogern gefangen genommen und in eine bizarre Zelle tief im Innern eines Gasriesen gesteckt. Dort begegnete sie anderen menschlichen Gefangenen, unter ihnen ihr seit fünf Jahren verschwundener Freund Robb Brindle. Die Hydroger und ihre Verbündeten, die schwarzen Klikiss‐Roboter, folte rten
und quälten Tasia und die anderen Gefangenen.
Die Klikiss‐Roboter gaben vor, mit der Hanse zusammenzuarbeiten, und dabei nahmen sie heimlich Erweiterungen in der Programmierung der Soldaten‐Kompis vor, die beim Krieg gegen die Hydroger eingesetzt wurden. Als Sirix den richtigen
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Zeitpunkt für gekommen hielt, startete er die speziellen Programme, woraufhin sich die Soldaten‐Kompis überall im Spiralarm erhoben. An Bord der TVF‐Schiffe wandten sie sich gegen die menschlichen Besatzungsmitglieder, töteten sie und übernahmen die Schlachtschiffe der Erde. In den Kompi‐Fabriken auf der Erde heckten die Soldaten‐Kompis den Plan aus, die Stadt zu übernehmen. Dem verzweifelten Vorsitzenden der Hanse, Basil Wenzeslas, blieb nichts anderes übrig, als einen Luftangriff zu befehlen, der die Fabriken zerstörte und alle in der Nähe kämpfenden menschlichen Soldaten tötete. Da er die Entrüstung der Öffentlichkeit fürchtete, überließ er König Peter die Verantwortung für die schwere Entscheidung.
Peter leistete dem Vorsitzenden schon seit Jahren Widerstand, und bei vielen Anordnungen von Wenzeslas kam es zu Konfrontationen zwischen ihnen. Schon lange brachte der König Bedenken in Hinsicht auf die von den Klikiss programmierten Soldaten‐Kompis zum Ausdruck, doch Basil tadelte ihn für seine an die Öffentlichkeit getragene Kritik. Die Revolte gab Peter recht, und Basil Wenzeslas hasste es, im Irrtum zu sein. Als die Entscheidungen des Vorsitzenden immer irrationaler wurden, fanden Peter und Königin Estarra unerwartete Verbündete: Eldred Cain, den stellvertretenden Vorsitzenden und Basils Erben; Estarras Schwester Sarein, die Basils Geliebte gewesen war, sich jetzt aber vor ihm fürchtete; den treuen Lehrer‐Kompi OX, der Peter unterwiesen hatte, und Captain McCammon, Oberhaupt der königlichen Wache.
Als Basil von Königin Estarras Schwangerschaft erfuhr, befahl er ihr die Abtreibung, denn zu einem so kritischen Zeitpunkt wollte er keine Komplikationen durch ein königliches Baby. Als Estarra und Peter ablehnten, traf Basil Vorbereitungen, sie aus dem Weg zu räumen. Er brachte sogar den Ersatz für König Peter ins Spiel, den eigenwilligen Prinzen Daniel, der kein Geheimnis daraus machte, dass Peter und Estarra bald »in den Ruhestand« treten würden. König und Königin begriffen, dass sie fliehen mussten, bevor Basil sie tötete.
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Als die Angriffe der Hydroger immer schlimmer wurden und durch die Revolte der Soldaten‐Kompis in nur wenigen Tagen ein großer Teil der Terranischen Verteidigungsflotte verloren gegangen war, musste sich Basil Wenzeslas der Erkenntnis stellen, dass der Erde große Gefahr drohte.
Wegen des Mangels an Treibstoff für den Sternenantrieb hatte er bereits den Kontakt zu vielen Kolonien abgebrochen, und jetzt gab er die letzten von ihnen auf, um sich ganz auf die Verteidigung der Erde zu konzentrieren.
Er schenkte den Protesten der im Stich gelassenen Kolonialwelten keine Beachtung, rief alle zur Verfügung stehenden Schiffe zurück und e b auftragte
sie damit, die Hanse zu schützen.
Patrick Fitzpatrick III., Enkel der früheren Vorsitzenden Maureen Fitzpatrick, wurde in den aktiven Dienst zurückgerufen. Er begann als verwöhnter Rekrut und stieg zu General Lanyans Protege auf, dessen Befehl ihn dazu veranlasste, den Frachter des Roamers Raven Kamarow zu zerstören. Nach der katastrophalen Niederlage im Kampf gegen die Hydroger bei Osquivel retteten ihn die Roamer. Er und die anderen TVF‐
Überlebenden durften Del Kellums Werften in den Ringen von Osquivel nicht verlassen, denn sie wussten zu viel über die dortigen Anlagen der Roamer. Während jener Zeit lernte Patrick, die Roamer zu respektieren, und er verliebte sich in Kellums Tochter Zhett. Doch die Pflicht verlangte von ihm, seinen Kameraden bei der Flucht zu helfen. Zwar fungierte er als Ver‐
mittler der TVF gegenüber und ermöglichte es den Roamern zu entkommen, aber Zhett warf ihm vor, sie und ihren Clan verraten zu haben. Später, als er sich auf der Erde erholte, drängte Patrick seine Großmutter und andere, mit den Roamern Frieden zu schließen. Als die TVF von ihm verlangte, bei der Verteidigung der Erde zu helfen, stahl er die Raumjacht seiner Großmutter und flog mit der Absicht los, Zhett zu suchen.
ie Bewohner von Theroc und ihre
D
grünen Priester standen den
Maßnahmen von Basil Wenzeslas ebenfalls sehr skeptisch 6
gegenüber, doch das große Bewusstsein des Weltwalds, das durch den hölzernen Golem Beneto sprach, wies sie darauf hin, dass der Konflikt weit über die Politik der Menschen hinausging. In ferner Vergangenheit hatten die Verdani nur knapp einen Krieg gegen die Hydroger überlebt, und jetzt mussten die Weltbäume erneut kämpfen und erneuerten dabei ihr altes Bündnis mit den Wentals.
Der von Wental‐Energie durchdrungene Jess Tamblyn kam nach Theroc und sorgte dafür, dass sich Elementarwasser mit den Weltbäumen vereinte, woraufhin gewaltige Verdani‐Kampfschiffe entstanden. Nach der Aufnahme des Beneto‐Golems und anderer grüner Priester zogen die Bäume ihre Wur‐
zeln aus dem Boden und flogen ins All, um an dem Kampf teilzunehmen. Die Wentals waren ebenfalls zu direkten Schlägen gegen die Hydroger bereit, doch dazu mussten sie zu Gasriesen gebracht werden. Die Roamer machten sich mit vielen Schiffen auf den Weg nach Charybdis und anderen Wental‐
Welten, nahmen verändertes Wasser auf und setzten den Flug damit zu Gasplaneten fort, in denen sich Hydroger niedergelassen hatten.
Der Weise Imperator Jora'h sah sich mit dem gleichen Krieg konfrontiert und bereitete sich darauf vor, das Ildiranische Reich zu verteidigen.
Generationen zuvor hatten die Ildiraner auf Dobro mit einem Zuchtprogramm begonnen, um ein telepathisches Talent heranzuzüchten, das als Mittler zwischen Ildiranern und Hydrogern auftreten konnte. Die Rolle, die Jora'h selbst dabei spielte, begriff er erst, als es schon zu spät war.
Seine von ihm schwangere Geliebte, die grünere Priesterin Nira, wurde vom Designierten Udru'h als Zuchtsklavin nach Dobro entführt. Dort brachte sie im Lauf der Jahre fünf Mischlingskinder zur Welt, alle mit dem möglichen Potenzial, Ildira zu retten. Der Weise Imperator beauftragte seine Tochter Osira'h, mit den Hydrogern zu kommunizieren. Zwar brachte sie die Fremden aus den Tiefen von Gasriesen nach Ildira, aber die Hydroger zeigten kein Interesse an Frieden. Stattdessen
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stellten sie ein schreckliches Ultimatum: Jora'h sollte die Menschen verraten und bei der Vernichtung der Erde helfen; andernfalls würden die Hydroger das Ildiranische Reich auslöschen.
Nachdem es auf Dobro zu einer Revolte der menschlichen Zuchtobjekte gekommen war, durfte Nira schließlich nach Ildira zurückkehren. Jora'hs Sohn Daro'h wurde mit der Kontrolle über die Splitter‐Kolonie beauftragt.
Im Prismapalast auf Ildira begegnete Nira dem Historiker und Gelehrten Anton Co‐licos, Sohn von Margaret Colicos, und einer von Sullivan Gold angeführten Gruppe von menschlichen Himmelsminenbetreibern. Sullivans Leute, unter ihnen die Technikerin Tabitha Huck und der einsame grüne Priester Kolker, hatten nach einem Angriff der Hydroger vielen Ildiranern das Leben gerettet, doch der Weise Imperator hielt sie gefangen, um zu ver‐
meiden, dass sie von seinem geheimen Abkommen mit den Hydrogern berichteten.
Jora'h sträubte sich gegen die Rolle des Verräters. Insgeheim rief er seine besten Fachleute zu sich, um wirkungsvolle Waffen zu entwickeln. Dabei nahm er auch die widerstrebende Hilfe der menschlichen Gefangenen in Anspruch. Sullivan und Tabitha verabscheuten ihre Situation, halfen ab r e
dabei, die Solare Marine zu verbessern.
Nira gelang es, mit anderen grünen Priestern zu kommunizieren und zu erklären, was im Zuchtlager mit ihr geschehen war. Der ebenfalls vom Weltwald isolierte Kolker hatte Freundschaft mit Tery'l geschlossen, einem alten Angehören des Linsen‐Geschlechts, der ihm von der Verbindung aller Ildiraner im Thism berichtete. Als Kolker später Gelegenheit fand, sich wieder mit anderen grünen Priestern zu verbinden, gewann er den Eindruck, dass etwas Wichtiges fehlte. Auf dem Totenbett gab ihm der alte Tery'l ein schimmerndes Medaillon und riet ihm, die Suche nach Erleuchtung fortzusetzen.
m ihrem Ulti
U
matum Nachdruck zu verleihen, schickten die Hydroger Kugelschiffe aus und stationierten sie über verschie 8
denen ildiranischen Planeten, bereit zum Angriff, sollte Jora'h sie verraten.
Ein Schwärm aus Kugelschiffen erschien auch über der Splitter‐Kolonie Hyrillka, wo es zu einem verheerenden Bürgerkrieg gekommen war. Unter der Anleitung des einäugigen Veteranen Tal O'nh machte sich der neue, unerfahrene Designierte Ridek'h an den Wiederaufbau. Die bedrohlichen Hydroger über seiner Welt wurden plötzlich von einer Streitmacht feuriger Elementarwesen vernichtet, den Faeros.
In dem sich immer weiter ausbreitenden Krieg kam es zu einem Konflikt zwischen den Hydrogern und Faeros, und die Faeros wurden systematisch im Innern ihrer Sonnen angegriffen. Nach der Zerstörung der Kugelschiffe bei Hyrillka tobte bei Hyrillkas Sonne eine wilde Schlacht. Als sich der Stern zu verdunkeln begann, wussten der Designierte Ridek'h und Tal O'nh, dass das Schicksal des Planeten besiegelt war. Sie leiteten eine umfassende Evakuierung ein. Als die meisten Bewohner des Planeten in Sicherheit gebracht worden waren, änderten die Faeros plötzlich ihre Taktik, griffen aus dem Innern ihrer Sonne an und überwältigten die Hydroger. In vielen Sonnensystemen erschienen Faeros und kämpften gegen die Hydroger.
Die von Cesca Peroni angeführten Roamer leiteten eine Offensive gegen die Hydroger ein, indem sie Wental‐Wasser in die Atmosphären von Gasriesen regnen ließen. In den Tiefen dieser Welten kam es zu heftigen Kämpfen, und die Wentals vernichteten ein Kugelschiff nach dem anderen. Durch Robbs Vater Conrad Brindle hatte Jess Tamblyn erfahren, dass seine Schwester Tasia von den Hydrogern gefangen gehalten wurde. Jess nahm sofort den Kampf gegen die Hydroger auf und befreite Tasia, Robb und die anderen Gefangenen, setzte sich dann ab, verfolgt von Kugelschiffen und Klikiss‐
Robotern. Als er den Rand der Atmosphäre erreichte, trafen mehrere riesige Baumschiffe der Verdani und Conrad Brindle ein, wa die Flu
s ihm
cht
mög
er
lichte.
Der entscheidende Kampf um die Erde stand bevor. Zwar 8
hatte General Lanyan durch den Aufstand der Soldaten‐Kompis den größten Teil seiner Flotte verloren, aber er bereitete den Rest der TVF‐Streitmacht auf das letzte Gefecht vor. Adar Zan'nh von der ildiranischen Solaren Marine schickte Hunderte von Kriegsschiffen, um der Hanse zu helfen, hatte aber den geheimen (von den Hydrogern diktierten) Befehl, sich mit diesen Schiffen im entscheidenden Moment gegen die Menschen zu wenden. Als die riesige Flotte aus Kugelschiffen das Sonnensystem der Erde erreichte, kamen auch Sirix und seine Roboter mit den übernommenen TVF‐
Schlachtschiffen. Roamer warfen sich in die Schlacht und setzten neue Waffen gegen die Hydroger ein. Schließlich erschienen einige Schlachtschiffe der Verdani, unter ihnen das mit Beneto. Plötzlich wandte sich Adar Zan'nh mit seiner Flotte gegen die Hydroger, und aus der Schlacht, die der Erde das Ende bringen sollte, wurde eine Niederlage für die Fremden aus den Gasriesen.
König Peter und Königin Estarra nutzten das Chaos der Schlacht zur Flucht und verließen die Erde in einem erbeuteten Kugelschiff. Ihr treuer Lehrer‐
Kompi OX flog das Schiff, doch dazu musste er einen großen Teil seiner Erinnerungen und historischen Dateien löschen, die er im Lauf seiner langen Existenz angesammelt hatte. Ihnen blieb keine Wahl. OX behielt alle seine Funktionen, doch seine Persönlichkeit existierte nicht mehr.
Als die Solare Marine im Kampf um Terra das Feuer auf die Hydroger eröffnete, machten die Kugelschiffe über Ildira ihre Drohung wahr und griffen den Palast des Weisen Imperators an. Osira'h hatte bereits eine geistige Brücke zu den Hydrogern geschaffen und setzte sie gegen die Angreifer ein. Sie verband sich mit ihrer Mutter und leitete die ganze Kraft des Weltwalds in die Hydroger, zerstörte sie von innen ...
Nach dem Sieg über die Hydroger wollte der Vorsitzende Wenzeslas seine eiserne Herrschaft erneuern und die Hanse wieder stark machen. Erstaunt musste er zur Kenntnis nehmen, dass König und Königin nach Theroc flohe
ge
n waren,
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DER
METALLSCHWARM
wo sie die Bildung einer neuen Regierung proklamierten. Die im Stich gelassenen Kolonien, die Roamer‐Clans und Theroc selbst schlossen sich ihnen an. Basil war außer sich vor Zorn, doch ohne grüne Priester konnt r
e e
nicht einmal eine Nachricht senden.
Die launenhaften Faeros hatten ihren Beitrag zum Sieg über die Hydroger geleistet, stellten den Kampf aber nicht ein und zogen weiter von Welt zu Welt. Ein neuer Anführer einte sie: der Hyrillka‐Designierte Rusa'h, der den Verstand verloren und einen katastrophalen Bürgerkrieg ausgelöst hatte. Er war vor Jora'h geflohen und hatte sein Schiff in die Sonne gesteuert, wo die Faeros eine Verbindung mit ihm eingegangen waren. Rusa'h gab dem Dobro‐Designierten Udru'h die Schuld an seinem Versagen und kehrte nach Dobro zurück, wo Udru'h nach der menschlichen Revolte gefangen gehalten wurde. Feuerbälle gleißten am Himmel, und ein feuriger Rusa'h‐Ava‐tar erschien, trat Udru'h gegenüber und verbrannte ihn. Doch das war nur der erste Schritt ‐ die Faeros erklärten dem Ildiranischen Reich den Krieg.
Auf dem Kolonialplaneten Llaro glaubte Orli Covitz, endlich eine neue Heimat gefunden zu haben. Davlin Lotze wollte ebenfalls dort in Ruhe und Frieden leben, als normaler Kolonist. Eine Gruppe von TVF‐Soldaten war beim Transportal stationiert, um sicherzustellen, dass die internierten Roamer nicht entkamen. Während Orli die Soldaten besuchte, wurde das Transportal plötzlich aktiv, und ganze Horden monströser Insektensoldaten kamen daraus hervor, begleitet von der seit Jahren vermissten Margaret Colicos und dem Freundlich‐Kompi DD. Die alten Klikiss, die man für ausgestorben gehalten hatte, erschienen auch auf Llaro und zahlreichen anderen Hanse‐Kolonien überall im Spiralarm.
Di
ohten
e Klikiss dr
den Menschen, sie zu töten, wenn sie ihre Welten nicht verzüg
un
lich verließen.
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1 # ORLI COVITZ
Ein nicht enden wollender Strom aus großen, käferartigen Klikiss kam seit Tagen durch das Transportal auf Llaro; er hatte seinen Ursprung auf irgendeinem unbekannten fernen Planeten. Während der anfänglichen Panik hatten Bürgermeister Ruis und Roamer‐Sprecher Roberto Clarin alle aufgefordert, Ruhe zu bewahren. Mehr konnten sie nicht tun. Die Klikiss kontrollierten das Transportal, und somit gab es für die Kolonisten keine Möglichkeit, Llaro zu verlassen. Sie saßen in der Falle.
Schockiertes Entsetzen wich allmählich Hoffnungslosigkeit und Verwi ung.
rr
Wenigstens hatten die Geschöpfe niemanden getötet. Noch nicht.
Orli Covitz stand allein auf einem kahlen Hügel und beobachtete die an Termitenhügel erinnernden Ruinen der alten Stadt und die Koloniesiedlung.
Tausende von intelligenten Insekten bewegten sich in der Landschaft und erforschten alles mit unermüdlicher Neugier. Niemand wusste, was die Klikiss wollten ‐ mit Ausnahme vielleicht der seltsamen Margaret Co‐licos, jener Xeno‐Archäologin, die vor Jahren verschwunden war und viel Zeit bei den Fremden verbracht hatte.
Das fünfzehnjährige Mädchen sah, wie Margaret über den Hügelhang stapfte und sich ihr näherte, begleitet von DD, dem Freundlich‐Kompi, der sofort nach dem Transfer durchs Transportal Zuneigung zu Orli entwickelt hatte.
Die ältere Frau trug den strapazierfähigen Overall einer Archäologin, dazu bestimmt, jahrelang bei der Arbeit im Freien getragen zu werden.
Inzwischen wies er zahlreiche Flecken und kleine Risse auf.
D
D trat munter an Orli heran und musterte sie. »Du scheinst traurig zu sein, Orli Covitz.«
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»Auf dieser Welt findet eine Invasion statt, DD. Sieh sie dir nur an. Tausende und Abertausende. Wir können hier nicht mit ihnen leben, aber wir hab n e
auch keine Möglichkeit, den Planeten zu verlassen.«
»Margaret Colicos hat viel Zeit bei den Klikiss verbracht. Sie lebt und ist wohlauf.«
Margaret atmete schwer in der trockenen Luft und blieb neben den beiden stehen. »Körperlich mag ich wohlauf sein. Aber in geistiger Hinsicht sieht die Sache ganz anders aus.«
Der unstete, in die Ferne reichende Blick der Archäologin verunsicherte Orli. Sie wagte sich nicht vorzustellen, was Margaret bei den großen Insekten erlebt hatte.
»Ich muss mich erst noch daran gewöhnen, wieder mit anderen Menschen zu reden, und deshalb lassen meine Umgangsformen wahrscheinlich zu wünschen übrig. Ich habe zu viel Zeit mit dem Versuch verbracht, wie die Klikiss zu denken. Das hat mich sehr erschöpft.« Margaret legte dem Kompi die Hand auf die Schulter. »Ich habe befürchtet, den Verstand z
...
u verlieren
bis DD kam.«
Der Kompi schien sich keiner Gefahr um sie herum bewusst zu sein. »Jetzt sind wir zurück, Margaret Colicos. Und in Sicherheit, unter Freunden.«
»In Sicherheit?« Orli wusste nicht, ob sie sich jemals wieder sicher fühlen würde. Kurz nachdem ihr Vater und sie den düsteren Planeten Dremen verlassen und sich auf Corribus niedergelassen hatten, war die dortige Siedlung von schwarzen Robotern vernichtet worden ‐ nur Orli und Mr.
Steinman hatten überlebt. Auf Llaro hatte sie noch einmal von vorn begin‐
nen wollen, doch jetzt waren die Roboter auch hierhergekommen.
DDs Optimismus erwies sich als unerschütterlich. »Margaret versteht die Klikiss. Sie wird den Kolonisten alles erklären und ihne zeige n
n, wie man
sammenleben kann.
zu
Nicht wahr, Margaret?«
Skepsis zeigte sich im Gesicht der älteren Frau. »Ich ver 11
stehe kaum, wie ich überlebt habe, DD. Obwohl meine Jahre als Xeno‐
Archäologen für irgendetwas gut sein sollten.«
Orli ergriff Margarets schwielige Hand. »Sie sollten Bürgermeister Ruis und Roberto Clarin sagen, was Sie wissen.«
DD nahm pflichtbewusst die andere Hand der Archäologin. »Wissen ist hilfreich, nicht wahr, Margaret Colicos?«
»Ja, DD. Wissen ist ein Werkzeug. Ich werde erklären, was ich erfahren habe, in der Hoffnung, dass es etwas nützt.«
Als sie den Hügelhang hinuntergingen, in Richtung des Ortes, kamen sie an einigen stachligen Klikiss‐Kriegern und einer Gruppe gelbschwarzer Arbeiter vorbei, die damit begonnen hatten, lange Gräben auszuheben, ohne Rücksicht auf die von den Kolonisten abgesteckten Grenzen zu nehmen.
Orlis Hand schloss sich fester um die der Frau. Doch Margaret blieb gelassen; sie schenkte den einzelnen Klikiss ebenso wenig Beachtung i w e
diese ihr.
»Warum gibt es so viele verschiedene Arten von Klikiss? Sie haben alle unterschiedliche Farben und Markierungen.« Orli hatte einige mit fast menschlich wirkenden Köpfen und Gesichtern wie harte Masken gesehen, obwohl die meisten wie übergroße Käfer aussahen.
»Bei den Klikiss gibt es keine Geschlechter, dafür aber Subgattungen. Die großen stacheligen Exemplare sind Krieger, die an vielen Schwarmkriegen teilgenommen haben. Andere sind Sammler, Arbeiter, Spä d
her un
Wissenschaftler.«
»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Bei diesen Insekten gibt es Wissenschaftler!«
»Und Mathematiker und Techniker.« Margaret wölbte fast bewundernd die Brauen. »Immerhin haben sie die Transportal‐Technik entwickelt. Sie erfanden die Klikiss‐Fackel und hinterließen detaillierte Aufzeichnungen und komplexe Formeln an den Wänd
se Geschö
en ihrer Ruinen. Die
pfe lösen
Probleme mit
ihre
brutaler Gewalt ‐ und für gewöhnlich
t
mi Erfolg.«
Orli beobachtete die vielen Klikiss, deren turmartige Ge 12
bäude Erinnerungen an riesige Ameisenhügel weckten. »Haben sie ne ei
Königin?«
Margaret blickte ins Leere, wie verloren in alten Albträumen. »Keine Königin, sondern eine Brüterin, weder männlich noch weiblich. S
ie ‐ wenn
man so sagen darf ‐ ist Geist und Seele des Schwarms.«
Orli holte die Aufmerksamkeit der Frau ins Hier und Heute zurück. »Aber was wollen die Klikiss?«
Margaret schwieg so lange, dass Orli schon glaubte, sie hätte ihre Worte ga r
nicht gehört. Dann sagte die Archäologin: »Alles.«
Die meisten Klikiss waren in ihre alte Stadt zurückgekehrt, als hätte sich in all den Jahrtausenden überhaupt nichts geändert. Ein großer Klikiss, ausgestattet mit einem silbrigen Ekto‐skelett, das schwarze Tigerstreifen aufwies, verfügte über ein zusätzliches Beinpaar, zahlreiche Stacheln, glänzende Knubbel und mehrere Facettenaugen. Der eiförmige Kopf bestand aus vielen kleinen Platten, die sich ständig bewegten und verscho‐
ben, dadurch den Eindruck eines wechselnden Mienenspiels erweckten.
Dieser Klikiss schien irgendwie ... wichtiger und bedeutender zu sein als die anderen. Orli beobachtete ihn mit großen Augen.
»Das ist einer von acht Domaten, die sich um die Brüterin kümmern«, sagte Margaret. »Sie liefern zusätzliches genetisches Material für die Ausbreitung des Schwarms.«
»Bekomme ich auch Gelegenhei die Brüterin zu sehen?«
t,
Margaret verzog das Gesicht. »Ich hoffe nicht. Es ist sehr riskant.«
»Haben Sie sie jemals gesehen?«
»Viele Male. Auf diese Weise habe ich überlebt.« Die Archäologin fügte ihren Worten keine Erklärung hinzu. »Dann kann es so riskant nicht sein.« »Von wegen.«
Sie gingen an den TVF‐Kasernen zwischen den Klikiss‐Türmen vorbei. Die Soldaten waren blass und sorgenvoll, ihre
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Uniformen zerknittert und schmutzig. Diese Tiwis ‐ auf Llaro stationiert,
»um die Kolonisten zu schützen« und das Transportal zu bewachen, damit die Roamer keine Gelegenheit zur Flucht erhielten ‐ hatten bei der Invasion nur zusehen können. Sie waren ebenso hilflos wie die Kolonisten e sie a
, di
n‐
geblich schützen sollten.
Es überraschte Orli festzustellen, dass die Klikiss die Soldaten nicht entwaffnet hatten. »Warum ha n die Männer und F
be
rauen noch ihre
Waffen?«
»Es ist den Klikiss gleichgültig.«
Plötzlich begannen die Klikiss‐Arbeiter damit, die Kasernen niederzureißen.
Sie machten sich ans Werk, ohne um Erlaubnis zu fragen oder ihre Absichten anzukündigen, bohrten ihre gepanzerten Gliedmaßen in Wä d n e
und ließen sie einstürzen.
»He, was soll das?«, riefen die nervösen TVF‐Soldaten. Einige v n
on ih en
traten vor. »Gebt uns wenigstens Zeit genug, unsere Sachen zu h n.«
ole
Die emsigen Insekten achteten überhaupt nicht auf die bestürzten Menschen und machten einfach weiter.
Angefeuert von den anderen liefen einige Soldaten los. »He, wartet ma l!«
Arbeiter der Klikiss verwandelten Metallwände in Schrott, warfen anschließend Betten, Schränke, Kleidung und andere Dinge wie Müll auf einen Haufen. Einer der TVF‐Soldaten trat einem insektoiden Abbrucharbeiter in den Weg und hob sein Jazer‐Gewehr. »Zurück mit dir, Käfer! Ich warne dich ...«
Der Klikiss schwang eine Gliedmaße, enthauptete den Soldaten und setzte seine Arbeit fort, noch bevor die Leiche zu Boden gefallen war. Neun Soldaten schrien voller Zorn, zielten mit ihren Gewehren und brüllten.
Margaret stöhnte und schloss die Augen. »Das nimmt kein gutes Ende.«
»Können Sie nicht irgendetwas tun?«, stieß Orli hervor. »Nein.«
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Projektile trafen die insektenhaften Wesen, doch die schienen gar nicht zu begreifen, was geschah. Während Waffen ratterten, blieben die A r
rbeite
damit beschäftigt, die Kasernen mit der gesamten Ausrüstung zu en.
zerstör
Als die TVF‐Soldaten insgesamt elf Klikiss‐Arbeiter erschossen hatten, wandten sich ihnen die anderen zu. Dutzende von stacheligen Kriegern marschierten h
ähre
eran, w
nd die Soldaten weiter schössen, bis ihre Waffen
leer waren.
Die Klikiss töteten sie.
Orli starrte sprachlos auf das Gemetzel. Selbst DD schien beunruhigt zu sein.
Neue Arbeiter trafen ein, um die erschossenen zu ersetzen; andere brachten die Leichen der Menschen und Klikiss fort.
Ein Domat mit Tigerstreifen näherte sich Margaret und richtete einige klickende und klackende Worte an Margaret, die in der gleichen Sprache antwortete. DD übersetzte für Orli. »Der Domat bezeichnet jene Exemplare der neuen Brut als defekt. Sie sind aus dem Genpool entfernt worden.« Der Domat wandte sich ab, als eine neue Arbeitergruppe den Abbruch der Kasernen fortsetzte ‐ offenbar wollten die Klikiss Platz für eigene Konstruktionen schaffen.
»Sie werden uns alle töten, nicht wahr?«, fragte Orli mit grimmiger Resignation.
»Die Klikiss sind nicht wegen dir hier.« Margaret kniff die Augen zusammen und blickte zum uralten Gebäude mit dem Transportal. »Bei der Entzifferung ihrer Sprache habe ich etwas sehr Wichtiges herausgefunden.
Der Hauptfeind der Klikiss sind die schwarzen Roboter. Die Klikiss wollen vernicht
sie
en, sie alle. Und dabei sollten wir ihnen besser nicht im Weg n.«
sei
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2 # SIRIX
Trotz großer Rückschläge waren Sirix und seine schwarzen Roboter unbesiegt. Er passte die Pläne den neuen Gegebenheiten an und entschied, dass die Roboter eine Welt nach der anderen zurückerobern oder zerstören sollten. Das menschliche Militär war sehr geschwächt und ihre Regierungen nahezu handlungsunfähig; von dieser Seite rechnete er kaum mit Wi‐
derstand.
Alle seit langer Zeit in der Hibernation wartenden Roboter waren geweckt und bereit, ihre Mission zu Ende zu führen. Ihre Basis auf Maratha stand kurz vor der Vollendung, und die übernommenen TVF‐Schlachtschiffe würden Sirix' Streitmacht erheblich erweitern. Das Ergebnis bestand aus einem Metallschwarm, der Menschen und Ildiraner gleichermaßen zermalmen würde. Extreme, beispiellose Gewalt war die einzige angemessene Vorgehensweise.
Bis vor kurzer Zeit hatte sich Sirix unschlagbar gefühlt, aber in der wilden Schlacht zwischen terranischem Militär, Hydroger‐Kugelschiffen, gewaltigen Baumschiffen der Verdani und ildiranischen Kriegsschiffen war die Flotte der Roboter dezimiert worden. Schlimmer noch: Sirix hatte viele seiner alten, unersetzlichen Kameraden verloren. Nach Jahrtausenden der Planung hatte er erwartet, die Erde zu erobern und den Rest der Menschheit zu vernichten, wie Myriaden Roboter vor Jahrtausenden das Volk der Schöpfer ausgelöscht hatten, die Klikiss. Bei seinen Ü
eg
berl ungen
war er nie davon ausgegangen, dass die Hydroger verlieren konnten.
Als sich das Blatt wendete, hatte Sirix den angerichteten Schaden eingeschätzt, seine beschränkten Möglichkeiten analysiert, Ziele neu definiert, anstatt die Niederlage einzugestehen, und den Rückzug angetreten. Hier im leeren Raum waren die Schiffe zunächst in Sicherheit, d Sirix w
un
ollte so bald wie möglich zurückschlagen. Eine Welt nach der anderen. Von der
14
Brücke dieses Molochs aus führte er seine Flotte zu einem Ziel, einem Planeten namens Wollamor.
Er sah auf die Anzeigen, die ihm Auskunft gaben über noch zur Verfügung stehende Waffen und Ressourcen. Von zuvor Tausenden von Schiffen waren ihm nur drei Molochs (einer schwer beschädigt), hundertdreiundsiebzig Manta‐Kreuzer, siebzehn langsame, aber sehr leistungsfähige Waffenplattformen der Thunderhead‐Klasse, mehr als zweitausend kleine Remora‐Angriffsjäger und genug Treibstoff für den Sternenantrieb geblieben, um ausreichende Mobilität von Sonnensystem zu Sonnensystem zu gewährleisten, vorausgesetzt die Triebwerke funktionierten mit maximaler Effizienz. Hochleistungssprengstoff und sogar achtundsechzig Nuklearsprengköpfe vervollständigten die Ausstattung mit Standard‐
Waffensystemen. Das genügte. Bald, wenn die Aufgabe auf Maratha erledigt war, hatten sie eine schlagkräftige, unbesiegbare Streitmacht.
Soldaten‐Kompis bedienten die Kontrollen der wichtigsten Moloch‐
Konsolen. Viele Stationen waren unbesetzt und auch gar nicht nötig: Lebenserhaltungssysteme, wissenschaftliche Konsolen, Kommunikationszentren. Hier und dort klebte getrocknetes Blut auf dem Boden und an Instrumenten. Admiralin Wu‐Lin war hier gestorben, als sie mit bloßen Händen gegen die Soldaten‐Kompis gekämpft hatte. Die Leichen von neunzehn Menschen waren von der Brücke entfernt worden; mehr als sechshundert Menschen hatten auf den anderen Decks ihr Ende gefunden.
Sirix war nicht daran interessiert, Gefangene zu machen; sie spielten in seinen Plänen keine Rolle.
Mit der Zeit würden die Blutflecken von allein verschwinden, und solange die Systeme einwandfrei funktionierten, scherte sich Sirix nicht um Hygiene oder das Erscheinungsbild. Solche Dinge waren auch für seine insektoiden Schöpfer, die ihn mit ihren Verhaltensmustern progra t hatt
mmier
en, nie
chti
wi
g gewesen.
Die Lifttür öffnete sich, und Ilkot trippelte auf fingerartigen 15
Beinen herein. Er kommunizierte mithilfe eines Lichtstrahls, der codierter Signale übertrug. »Ein Eintrag in der Datenbank weist darauf hin, dass die Menschen bei ihrer Kolonisierungs‐initiative auch von Wollamor Besitz ergriffen haben.«
»Es ist eine frühere Klikiss‐Welt, und alle Klikiss‐Welten gehören uns.« Sirix sah auf den Schirm, der einen hellen Stern und den braun, grün und blau gefleckten Planeten in seiner Umlaufbahn zeigte. Die Flotte mochte geschrumpft sein, war aber durchaus in der Lage, die unerwünschte menschliche Präsenz auf dem Planeten zu neutralisieren und Wollamor zu übernehmen.
Dies war ein fast vergessener Außenposten aus alter Zeit, früher die Heimat eines Subschwarms, deren Brüterin bei den endlosen Klikiss‐Kriegen ums Leben gekommen war. Sirix erinnerte sich daran, vor Tausenden von Jahren auf Wollamor verfolgt worden zu sein.
Die Soldaten‐Kompis an den Hauptstationen der Brücke wiesen ihn auf eintreffende Signale hin. Die Sensoren des Satellitennetzes über dem Planeten hatten die Flotte geortet. »TVF, wo sind Sie gewesen? Seit sechs Monaten warten wir auf Nachschublieferungen!«
Eine zweite Stimme kam aus den Kom‐Lautsprechern. »Wir sind hier abgeschnitten: keine Nachrichten, keine grünen Priester. Was ist dort draußen im Spiralarm geschehen? Wir dachten schon, Sie hätten uns abgeschrieben.«
Sirix dachte an verschiedene Geschichten, die er präsentieren konnte.
Ausschnitte aufgezeichneter Gespräche und Kom‐Kontakte ließen sich so zusammenfügen, dass die Kolonisten ein völlig falsches Bild von der aktuellen Situation gewannen. Aber warum sich solche Mühe machen? Die Vorteile eines derartigen Täuschungsmanövers, so fand Sirix, waren den damit verbundenen Aufwand nicht wert. »Kommunikationsstille bei‐
behalten.«
ix schi
Sir
ckte eine Gruppe Manta‐Kreuzer mit dem Befehl los, die Kolonie anzugreifen. Die externen Imager zeigten ihm,
16
wie die Kreuzer, breiten Speerspitzen gleich, flaumige Wolken durchstießen und sich der zerklüfteten Oberfläche näherten. Die primäre Siedlung der Menschen war kaum zu übersehen: Sie hatten sie bei den alten Klikiss‐
Ruinen und dem Transportal errichtet.
Nachdem das menschliche Ungeziefer herausgefunden hatte, wie die alte Technik funktionierte, war es so dreist gewesen, sich auf KlikissWelten niederzulassen. Auf Planeten, die Sirix und den schwarzen Robotern zustanden.
Die ersten Mantas flogen in geringer Höhe über die Gebäude hinweg, machten dabei die Jazer‐Bänke und die Batterien mit den explosiven Projektilen einsatzbereit. An Feuerkraft mangelte es ihnen gewiss nicht.
Kolonisten kamen aus den bunten Fertigbauten, winkten den Schiffen zu und jubelten, al
Zeiche
s sie die
n der Terranischen Verteidigungsflotte
sahen.
»Das Feuer eröffnen.«
TVF‐Waffen spuckten Energiestrahlen und Projektile, zerstörten die Kolonie. Die Hälfte der Menschen starb, bevor die anderen begriffen, was geschah. Die Überlebenden stoben in alle Richtungen davon und versuchten, irgendwo in Deckung zu gehen.
Mantas setzten Getreidefelder in Brand, vernichteten Zisternen und Kornspeicher. Bunte Polymer‐Häuser schmolzen oder verwandelten sich in Asche. Menschen fingen Feuer. Gewissenhafte Soldaten‐Kompis sprengten einen Krater mit einem Durchmesser von zwanzig Metern, nur um einen einzelnen Flüchtling zu erwischen. Sie nahmen es sehr genau.
»Lasst die ursprünglichen Klikiss‐Gebäude unbeschädigt. Sie gehören uns.«
Der neben Sirix stehende Ilkot sagte: »Dann ist ein vorsichtigerer Angriff nötig, um unser Ziel zu erreichen.«
»Ein persönlicherer Angriff«, pflichtete ihm Sirix bei, bewegte die Greifklauen und dachte daran, wie es sich angefühlt hatte, Louis Colicos zu töten. »Ich kümmere mich selbst darum.«
Sein Moloch näherte sich den qualmenden Trümmern der 17
Kolonie. Die ganze Zeit über empfingen die Schiffssysteme die entsetzten, zornigen und fassungslosen Schreie der Kolonisten. Sirix beschloss, sich die Aufzeichnungen später anzusehen und anzuhören, so wie es eine B
rüterin
getan hätte.
Hier auf Wollamor würde er seine Streitmacht neu organisieren und den nächsten Sieg planen. Sein Schiff landete inmitten von Staub, Rauch und Flammen, und Sirix hoffte, dass er noch einige lebende Menschen fand ‐ er wollte sie sich selbst vornehmen.
3 # SAREIN
Der Raum tief im Innern der Hanse‐Zentrale hatte dicke Wände und keine Fenster. Kaltes Licht empfing Sarein, als sie eintrat, und in einem Moment der Klaustrophobie stockte ihr der Atem. Hier im Innern der riesigen Pyramide glaubte sie, das kolossale Gewicht der politischen Probleme zu fühlen, das auf ihnen allen lastete.
Ich bin hier gefangen, weit von Theroc entfernt. Sarein wusste nicht mehr, welcher Seite sie bessere Dienste leisten konnte. So viel hatte sich verändert. Ich weiß nicht einmal mehr, ob mich Basil für einen Freund oder für einen Feind hält.
Die Erde hatte die letzte Schlacht gegen die Hydroger überstanden, doch die Terranische Hanse war den folgenden Ereignissen zum Opfer gefallen. Die wirtschaftlich orientierte Regierung, der als Galionsfigur aufgebaute König und die Kolonien ‐ alles ging durch Fehleinschätzungen, diplomatischen Affront und schlichte Vernachlässigung verloren. Die Schuld lag vor allem bei Basil, obwohl er das nie zugegeben hätte. Der Vorsitzende würde andere für seine Fehler zur Rechenschaft ziehen. Sarein fragte sich, ob er seine nig
we
en treuen Berater deshalb hierherbestellt hatte, unter so großer Geheimhaltung.
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Entweder sollten Köpfe rollen, oder es ging um neue Pläne, die Vorsicht verlangten. Seit Tagen wusste Sarein nicht mehr, womit sie rech
,
nen sollte
und deshalb hatte sie gelernt, still zu sein.
Der Vorsitzende saß bereits am Tisch und schien vom ganzen Universum enttäuscht zu sein. Er war makellos gekleidet, und die Bediensteten hatten sich auch bei seinem Gesicht Mühe gegeben. Trotzdem wurde Sarein das Herz schwer, als sie ihn sah. Über viele Jahre hinweg hatte sie diesen Mann geliebt, doch jetzt wirkte Basil alt und ausgezehrt. Schon vor dem Krieg gegen die Hydroger war er kein junger Mann gewesen, obwohl ihn Rhejaks Verjüngungsbehandlungen fit, gesund und dynamisch erhalten hatten. Doch es gab keine medizinischen Mittel, die den Druck lindern konnt n, dem er e
ausgesetzt war.
Basils Gesichtsausdruck blieb kühl und distanziert, als er Sarein hereinkommen sah. Er lächelte nicht, begrüßte sie nicht einmal mit einem freundlichen Blick, und das schmerzte. Einst waren sie sich sehr nahe gestanden. Sarein war Basils Protege gewesen, und er hatte sie durch das Labyrinth der Hanse‐Politik geführt. Jetzt wusste sie nicht mehr, ob er noch etwas für sie empfand. Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann sie zum letzten Mal im Bett gewesen waren.
Sarein hob das Kinn, nahm Platz und war bereit, zur Sache zu kommen. Am Tisch saßen bereits General Kurt Lanyan, Kommandeur der Terranischen Verteidigungsflotte (beziehungsweise ihrer Reste) und der blasse Eldred Cain, designierter Nachfolger des Vorsitzenden. Wenn Basil ein anderer Mensch gewesen wäre, hätte er sich schon vor einer ganzen Weile in den Ruhestand zurückgezogen. Wenn Basil ein anderer Mensch gewesen
...
wäre
Captain McCammon ‐ er trug die Uniform der königlichen Wache und ein kastanienbraunes Barett auf dem platinblonden Haar ‐ ging mit zwei chtern
Wä
durch den Raum und suchte nach Abhörvorrichtungen. »Wir haben alles dreimal
18
kontrolliert, Herr Vorsitzender. Der Raum ist sauber. Keine Abhöranlagen.
Ich garantiere Ihnen, dass niemand hört, was gesagt wird.«
»Garantien gibt es nicht.« Basil ließ die Schultern hängen. »Aber Ihre Worte genügen mir vorerst.«
Der neben dem stellvertretenden Vorsitzenden sitzende Lanyan beugte sich vor, griff nach der Karaffe und schenkte sich starken Kaffee ein. Als die Wächter ihren Weg durch das Zimmer fortsetzten, fragte Cain in einem rnünftigen
ruhigen, ve
Ton: »Was befürchten wir eigentlich, Herr
Vorsitzender
r tief
? Wir sind hie
im Herzen der Hanse‐Zentrale.«
»Spione.«
»Ja, aber wessen Spione?«
Ein Schatten fiel auf Basils Gesicht. »Jemand hat König Peter und Königin Estarra zur Flucht verholten. Jemand hat die Nachricht von Estarras Schwangerschaft an die Medien durchsickern lassen. Jemand entführte Prinz Daniel, was bedeutet, dass die Hanse keinen König hat.« Er sah zu McCammon auf. »Gehen Sie mit Ihren Wächtern. Und achten Sie dar as
auf, d s
sich die Tür hinter Ihnen schließt.«
Der Mann zögerte kurz und dachte vielleicht, dass er bei den Beratungen zugegen sein sollte. Dann nickte er knapp und zog sich zurück. Als die schwere Tür geschlossen war, fühlte sich Sarein noch eingeengter. Sie sah zu Cain, und der blasse Mann erwiderte ihren Blick. Er schien ebenfalls zu glauben, dass der Vorsitzende es übertrieb, aber wie Sarein schwieg er.
Basil sah auf seine Unterlagen. »Peter ist auf Theroc im Exil und hat eine illegale Regierung gebildet. Zwar sehe ich keinen logischen Grund dafür, aber er scheint Anhänger zu finden, bei Roamern, abtrünnigen Hanse‐
Kolonien und den Theronen. Sarein ... Du bist die Botschafterin von Theroc.
Gibt es keine Möglichkeit für uns, die The
er Ko
ronen wieder unt
ntrolle zu
ng
bri en?«
Sarein war überrascht, obwohl sie eine solche Frage hätte 19
erwarten sollen. »Seit sich der König von der Hanse losgesagt hat, habe ich keinen Kontakt mehr mit Theroc.«
Der Vorsitzende stand halb auf. »Es ist deine verräterische Familie! Vater Idriss und Mutter Alexa sind nie starke Oberhäupter gewesen. Sie hätten getan, was du ihnen sagst. Du solltest darauf bestehen.«
»Meine Eltern führen Theroc nicht mehr«, erwiderte Sarein mit brüchiger Stimme. »Und es scheint klar zu sein, dass König Peter und Königin Estarra ihre eigenen Entscheidungen treffen.«
»Und wie kann ich deiner sicher sein, Sarein?« Basils Blick glitt zu Cain und Lanyan. »Wie kann ich mich auf irgend‐jemanden von euch verlassen?«
»Vielleicht sollten wir uns konkreteren Themen zuwenden«, sagte Cain.
»Das Fehlen von grünen Priestern ist ein echtes Handicap für uns. Wie sollen wir dieses Problem lösen, wenn beide Seiten nicht miteinander reden? Als theronische Botschafterin könnte Sarein Nahton vielleicht a d zu
bringen, einige wichtige diplomatische Kommuniques zu übermitteln.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe bereits mit ihm gesprochen; er wird seinen Standpunkt nicht ändern. Bis der Vorsitzende zurücktritt und die Hanse die neue Konföderation anerkennt, wird uns kein grüner Pr iester
seine Dienste zur Verfügung stellen.«
Zorn blitzte in Basils Augen auf. »Wir können eine eigene Proklamation herausgeben und die Konföderation für illegal erklären! Peter ist emotional labil ‐ sein Handeln ist Beweis genug! Alle Hanse‐Kolonien, Roamer‐Clans und theronischen Bürger, die ihm folgen, werden als Rebellen eingestuft.
Niemand von ihnen kann der TVF widerstehen.«
Lanyan räusperte sich laut. »Wenn Sie einen Kampf in Erwägung ziehen, Herr Vorsitzender, so sollten Sie daran denken, dass unsere militärischen Möglichkeiten starken Beschränkungen unterliegen. Wir sind noch immer damit beschäftigt, die Trümmer einzusammeln und den Schaden zu bewerten.
19
Mindestens ein Jahr lang müssen umfa sende Repa
s
raturen durchgeführt
werden, bevor die Flotte wieder einigermaßen einsatzfähig ist.«
»So viel Zeit haben wir nicht, General.«
Lanyan trank einen Schluck Kaffee, verzog das Gesicht und nahm einen noch größeren Schluck. »Wir haben auch nicht genug Arbeitskräfte, um eher fertig zu werden.«
Sarein sah, dass Basils Hände zitterten. »Wie sollte das mit der industriellen Kapazität der Hanse nicht möglich sein? Jene Kolonien haben die Charta der Hanse unterzeichnet. Sie sind verpflichtet, meine Anweisungen zu befolgen.«
»Streng juristisch gesehen ist das nicht ganz richtig«, sagte Cain. »Die Kolonien schworen dem Großen König Treue, nicht Ihnen. Die Charta de
wur
so formuliert, damit der Vorsitzende im Hintergrund bleibt.«
»Uns bleibt nicht genug Zeit, einen neuen König zu präsentieren.« Basils Worte klangen gepresst. »Der König, den ich derzeit ausbilde, ist noch nicht so weit, und ich will nicht die Art von Fiasko riskieren, die wir mit den vorherigen erlebt haben. Ich werde bis auf Weiteres das öffentliche Gesicht der Hanse sein.«
»Vielleicht sollte ich nach Theroc fliegen und mit meiner Schwester reden«, sagte Sarein ruhig. »Ich könnte versuchen, eine Brücke zu bauen und eine friedliche Lösung zu finden. Wäre es so schlimm für dich, würde voll in den
Ruhestand zu treten, wenn auch der König abdankt?«
Basil sah sie an, als hätte sie ihn verraten. »Ich wäre vielleicht bereit, eine nest
Am
ie anzubieten, wenn die Theronen Peter verhaften und ihn ausliefern, damit wir ihn bestrafen können.«
20
4 # KONIG PETER
Das letzte Schlachtschiff der Verdani stieg in den klaren the‐ronischen Himmel auf, gesteuert von einem grünen Priester, dessen Körper mit dem Kernholz verschmolzen war. Peter und seine Frau beobachteten den Start von einem breiten, offenen Balkon der Pilzriff‐Stadt, die zur neuen Hauptstadt des Königs geworden war. Zahlreiche Theronen standen in Alkoven und an Fenstern in den weißen, organisch gewachsenen Gebäuden, bildeten große Gruppen auf dem Waldboden und bejubelten die atemberaubende Masse aus Ästen und Dornen.
Estarra hielt Peters Arm, und Tränen strömten ihr über die Wang hl
en, obwo
sie auch lächelte. »Jetzt sind wir auf uns allein gestellt.«
»Wir sind nicht unbedingt >allein<. Die ganze Konföderation steht hinter uns, all die Roamer‐Clans und im Stich gelassenen Kolonien.« Peter drückte seine Frau an sich und spürte dabei die Wölbung ihres Bauchs. »Nur nicht die Hanse. Noch nicht. Aber sie wird sich eines Besseren besinnen, früher oder später.«
»Glaubst du, der Vorsitzende tritt jemals zurück?« »Nein. Aber das wird uns nicht daran hindern, den Sieg zu erringen.«
Auf dem Weg in die Umlaufbahn stieg das dornige Baumschiff höher und höher. Die Schlachtschiffe der Verdani hatten der Menschheit dabei geholfen, die Hydroger zu besiegen, und jetzt würden die lebenden Schiffe durchs interstellare All fliegen und sich in der Galaxis ausbreiten. Mit ihrer gewaltigen Macht konnten sie es gegen titanische Feinde aufnehmen, doch auf dem Schlachtfeld der menschlichen Politik ließ sich mit dieser Art von Stärke nicht viel ausrichten. Der nächsten Herausforderung mussten sich ter und Estarra ohne
Pe
die Verdani stellen.
Das Baumschiff wurde in der Ferne immer kleiner.
21
Warmer Sonnenschein fiel auf die hohen Plattformen und Balkone des Pilzriffs, und der Wind trug die tausend verschiedenen Düfte des Waldes, die Aromen feuchter Blattwedel, bunter Epiphyten und hübscher, nektarreicher Blumen. Dazu flüsterten die Weltbäume ein sanftes Wiegenlied. Für Peter war Theroc noch schöner, als Estarra es b rieben
esch
hatte.
Immer mehr Besucher trafen auf dem Planeten ein, mit der Absicht, Mitglieder der Konföderation zu werden. Alle nahmen für sich in Anspruch, hervorragende Ideen für die neue Regierung zu haben, für eine Verfassung, ein neues Steuer‐und Rechtssystem. Grüne Priester gaben Nachrichten und Mitteilungen an die abtrünnigen Kolonien weiter und warben für die neue Regierung. Viele isolierte Gruppen der Menschheit hatten lange auf eine Gelegenheit gewartet, sich vom Joch der Hanse zu befreien. Peter bot ihnen eine realistische Alternative, und viele setzten ihre Hoffnungen auf ihn. Jetzt musste er zeigen, dass er tatsächlich das Oberhaupt war, das si ch
e si
wünschten und das sie brauchten.
Der Vorsitzende Wenzeslas hatte sich sehr bemüht, den einstigen Straßenjungen in einen König zu verwandeln, der allerdings nicht mehr sein sollte als ein Aushängeschild. Doch es war ein richtiger König aus Peter geworden, und damit musste sich die Hanse nun abfinden. Mehr als jemals zuvor musste Peter ein König sein und wie einer handeln. Wenn er all die Leute sah, die nach Theroc kamen, um ihre besonderen Fähigkeiten und Ressourcen der Konföderation anzubieten, wusste Peter, dass Estarra und er die richtige Entscheidung getroffen hatten. Die Konföderation war erst im Entstehen, und viele Details ihrer verwaltungstechnischen Infrastruktur warteten noch darauf, ausgearbeitet zu werden. Die Loslösung von der Hanse war der leichte Teil gewesen.
OX trat auf den sonnigen Balkon, trug Tabletts mit Erfrischungen und begleitete einige Personen. Der Lehrer‐Kompi war eigentlich viel zu mplex und l
ko
eistungsfähig, um auf die Rolle eines Butlers beschränkt zu sein, aber seit der Löschung
21
seiner Erinnerungen war von der individuellen Persönlichkeit, die Peter gekannt und geschätzt hatte, kaum mehr etwas übrig. Trotzdem fühlte er sich dem Kompi verbunden und wusste, dass OX ihm eines Tages wieder unschätzbare Dienste leisten würde. Immerhin war es größtent l ei s das
Verdienst dieses Kompis, dass aus Peter König Peter geworden war.
Peter nahm seine neue Rolle als echter König sehr ernst und war entschlossen, zumindest bei einer Sache, die ihnen allen am Herzen lag, unverzüglich Fortschritte zu erzielen. Er wandte sich an Yarrod, der als Sprecher für die grünen Priester fungierte. »Einer unserer klaren Vorteile der Hanse gegenüber besteht darin, dass uns die grünen Priester verzögerungsfreie Telkontakt‐Kommunikation ermöglichen. Ich möchte mindestens einen grünen Priester auf jeder Welt stationieren, die sich der Konföderation anschließt. Auf diese Weise bleiben wir Basil einen Schritt voraus.«
In Yarrods glattem Gesicht zeigten sich Tätowierungen, die über seine Studiengebiete Auskunft gaben. »Der Weltwald wird Freiwillige finden.
Allerdings brauchen wir Transportmittel, um jene Planeten zu erreichen.«
Denn Peroni, ein weithin bekannter Händler der Roamer, blickte über den Rand des Balkons. Bis zum Waldboden ging es ziemlich weit in die Tiefe, aber das schien ihn nicht zu stören. »Kein Problem. Wir können Ihnen Clan‐
Schiffe zur Verfügung stellen, wo und wann Sie sie brauchen.« Denn trug seine beste Kombination, bestickt mit Clanzeichen der Roamer und voller Taschen, Reißverschlüsse und Klipps. Das lange Haar war hinten mit einem bunten Band zusammengebunden.
Die unabhängige Händlerin Rlinda Kett schritt über den Balkon und näherte sich den Erfrischungstischen, wo OX die Tabletts mit den Speisen zurechtrückte. »Gegen grüne Priester gibt es nichts einzuwenden, König Peter, aber Sie brauchen mehr als nur Kommunikation, um den Laden zu meißen. Si
sch
e brauchen Handel.« Sie nahm einige in Blätter gewickelte gebackene Insektenlarven und schmatzte mit den Lippen.
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»Wenn Sie die im Stich gelassenen Kolonien davon überzeugen wollen, dass Sie besser sind als die Hanse, so schicken Sie ihnen große Schiffsladungen mit all den Gütern, die ihnen die Hanse vorenthalten hat. Geben Sie jenen Kolonisten reichlich Lebensmittel und Treibstoff für den Sternenantrieb; sie vergessen bestimmt nicht, wer ihnen auf diese Weise geholfen hat.«
Rlinda griff nach einer kleinen Kondorfliegen‐Puppe, öffnete sie und atmete den pikanten Duft tief ein. »Ich habe ganz vergessen, wie viel Theroc zu bieten hat. Sarein hat mir dies gezeigt.« Sie holte das saftige weiße Fleisch aus der Puppe und bot es ihrem hageren Partner an. »Versuch dies, BeBob.
So etwas hast du noch nie gekostet.«
»Nein, danke.« Branson Roberts gab sich mit den in Scheiben geschni ttenen
exotischen Früchten zufrieden.
Rlinda hielt ihm das Stück unter die Nase. »Komm schon. Erweitere deinen Horizont. Probier neue Dinge aus.«
»Ich bin gern bereit, neue Dinge auszuprobieren ... solange es keine Insekten sind.«
»Sagt der Mann, der nichts dagegen hat, abgepackte Nahrungsrationen zu essen.« Rlinda schob sich das Stück selbst in den Mund, arbeitete sich weiter am Tisch entlang und kostete von den ungewöhnlichen Speisen.
Peter dachte an all die Personen, die ihm Rat anboten und Fachleute auf ihrem Gebiet waren. Diese Männer und Frauen konnten ihm einen Teil der Last abnehmen und die Ungewissheiten bei der Bildung einer neuen Regierung reduzieren. Eins der wichtigsten Dinge, die er von Basil gelernt hatte, bestand darin, dass man Aufgaben an kompetente Leute delegieren sollte. Ein Regierungsoberhaupt sollte sich mit intelligenten, fähigen Stellvertretern umgeben ‐ und auf sie hören.
Peter traf eine Entscheidung. Er wusste, dass er vielleicht den Eindruck von Impulsivität erweckte, aber hinter seinem Entschluss steckten sorgfältige erleg
Üb
ungen. »Captain Kett, herzlichen Glückwunsch.« Sie sah ihn an und wischte sich
23
rasch den Mund ab. »Hiermit ernenne ich Sie zum ersten Handelsminister der Konföderation. Oder zum einstweiligen Handelsminister, wenn Ihnen das lieber ist.«
Die Verwirrung in Rlindas Gesicht wich Stolz. Doch gleich darauf dachte sie an die praktischen Erwägungen. »Und was bedeutet das? Ich gehe n
eigene
Geschäften nach, die recht gut laufen.«
»So gut nun auch nicht«, brummte Roberts. »Mit nur einem Schiff i
...« »Se
still, BeBob.«
Peter faltete die Hände. Als ihm klar wurde, dass es sich dabei um eine Angewohnheit handelte, die er Basil abgeschaut hatte, ließ er die Hände sinken. »Wir brauchen jemanden, der sich um die Lieferungen an die allein gelassenen Kolonien kümmert und zu diesem Zweck eine Flotte von Frachtern zusammenstellt. Kennen Sie jemanden, der daf sser
ür be
geeignet
wäre als Sie selbst?«
»Nein, eigentlich nicht.« Rlinda probierte eine geröstete Nuss.
»Was die praktischen Aspekte betrifft ... Ich schätze, Sie können so weitermachen wie bisher und das Leben eines unabhängigen Händlers führen, aber von jetzt an haben Sie immer das Ohr des Königs.« Peter sah Rlinda und ihren Partner an. »Captain Roberts kann Ihr Stellvertreter sein, und es steht Ihnen frei, einen Titel für ihn zu wählen.«
»Wie es sich gehört.« Rlinda zerzauste BeBob das krause graubra aar.
une H
»Und Sie, Denn Peroni...«, fuhr Peter fort. »Sie sind die Kontaktperson zwischen der Konföderation und den Roamer‐Clans.«
»Als Sprecher, meinen Sie? Meine Tochter ist noch Sprecherin ...« Er wirkte verlegen. Cesca Peroni hatte ihre offiziellen Pflichten schon s iner
eit e
ganzen Weile nicht wahrnehmen können.
»Ich habe an etwas anderes gedacht. Es ist alles andere als leicht ra
he uszufinden, was die Roamer den isolierten Kolonien anbieten könnten.
Glauben Sie, Sie werden damit fertig?«
23
»Beim Leitstern, und ob ich damit fertig werde.«
»Und es ist nur der Anfang. Wenn wir eine dauerhafte Regierung bilden wollen, brauchen wir Bündnisse. Nehmen Sie Kontakt mit allen im Stich gelassenen Kolonien auf. Setzen Sie das ganze Händlernetz dafür ein, Informationen zu gewinnen und weiterzugeben. Stellen Sie fest, wer noch die Hanse unterstützt. Versuchen Sie, die betreffenden Kolonien für uns zu gewinnen. Oder behalten Sie sie im Auge, wenn das nicht gelingt.« Peter zählte die einzelnen Punkte an den Fingern ab. »Anschließend nehmen wir uns die vor kurzem auf den alten Klikiss‐Welten eingerichteten Koloni en
vor. Dort weiß man vielleicht gar nicht, was im Spiralarm geschehen ist
.«
»Keine jener Kolonien hat einen grünen Priester«, warf Yarrod ein. »Wir sind nicht in der Lage, mit ihnen zu kommunizieren.«
»Das gilt nicht nur für uns ‐ sie sind auch von der Hanse abgeschnitten«, sagte Rlinda. »Und wer sie als Erster erreicht, hat als Erster die Möglichk it e ,
sie von seiner Sache zu überzeugen.«
»Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Erde nur noch eine historische Fußnote ist«, verkündete Peter.
5 # ADAR ZAN'NH
Als sich die Schiffe der einst so stolzen Solaren Marine über Ildira versammelten, bereitete es Adar Zan'nh großen Kummer zu sehen, wie wenige Kriegsschiffe übrig geblieben waren. Er hatte fast drei volle Kohorten ‐ nahezu die Hälfte seiner Flotte! ‐ geopfert, um die Hydroger bei der Erde zu schlagen. Mit dem Inspektionsshuttle umkreiste er die schädigten Schiffe. So wenige
be
... Als Adar ertrug er es kaum, das Reich so
verwundbar zu sehen.
24
Auf seine Anweisung hin war mit der Erneuerung der ildiranischen Flotte begonnen worden, und die Arbeiten kamen erstaunlich schnell voran.
Zan'nh hielt es für eine Ironie, wie sehr er sich inzwischen darauf verließ, dass die menschlichen Techniker Produktion und Reparatur verbesserten.
Unter ihrer Leitung hatten die Ildiraner mit einem Konstruktionsprojekt begonnen, das ebenso epische Ausmaße hatte wie die in der Saga der Sieben Sonnen beschriebenen.
Nach der langsamen Inspektionsrunde dockte der Shuttle am Flaggschiff an, das der Adar selbst in der Schlacht gesteuert hatte. Zan'nh hatte mit diesem arg in Mitleidenschaft gezogenen Schiff so viel erlebt, dass er es so schnell wie möglich repariert haben wollte.
Voller Ungeduld wartete er darauf, dass sein Bruder Daro'h von Dobro zurückkehrte und seine Pflichten als Erstdesignierter übernahm. Zan'nh sah sich vor allem als ein Mann des Militärs, als Offizier und Kämpfer. Er war nicht geboren, um die administrativen und reproduktiven Aufgaben eines Nachfolgers des Weisen Imperators wahrzunehmen.
Wieder im Prismapalast wollten Yazra'h und er ihrem Vater einen kühnen Vorschlag unterbreiten. Sie hatten eine gute Idee für den Wiederaufbau des Ildiranischen Reichs, und Zan'nh war sicher, dass ihnen der Weise Imperator seine Zustimmung geben würde. Er sah sich selbst vor allem in der Rolle des Militärkommandeurs und nicht in der eines Verwalters oder Managers. Er eignete sich besser dafür, in den Kampf zu ziehen.
Zan'nh betrat den Kommando‐Nukleus des Flaggschiffs und beobachtete die dort herrschenden Aktivitäten. Die Technikerin Tabitha Huck ging von Station zu Station, überprüfte die Imager, aktivierte Kom‐Systeme und wandte sich mit ungeduldigen Anweisungen an die Ildiraner ‐ die ihr auf Zan'nhs ausdrücklichen Befehl hin gehorchten, als käme hre Wo n i
rte einem
ilig
he
en Gesetz gleich.
Tabitha gehörte zur Crew von Sullivan Golds Wolkenmine 25
in der Atmosphäre von Qronha 3. Diese Menschen waren unter Arrest gestellt worden, um sie daran zu hindern, die Pläne des Weisen Imperators hinsichtlich der Hydroger zu verraten, was sie sehr empört hatte. Doch als der Adar dringend Innovation brauchte ‐ eine Fähigkeit, die den Ildiranern weitgehend fehlte ‐ und sich an Sullivan und die anderen wandte e
, hatten si
sich bereit erklärt, die benötigte Hilfe zu leisten.
Für die Reparatur der Schiffe und die Erneuerung der ildiranischen Flotte waren im Orbit neue Industrieanlagen entstanden. Die ildiranischen Geschlechter arbeiteten perfekt zusammen: Arbeiter, Ektisammler, Techniker und andere. Doch die traditionelle Vorgehensweise der Ildiraner genügte nicht für eine rasche Erholung von dem Desaster. Erneut zeigten die Menschen einen neuen Weg auf.
Tabitha wirkte recht gestresst, als sie Arbeitsberichte entgegennahm, Listen der Ressourcenverteilung durchging und Planungsschemata prüfte. Sullivan beschrieb sie als »Typ‐A Person«: eine Frau, die am besten arbeitete, wenn sie sich mehreren Projekten gleichzeitig widmete und bei jedem die gleichen hohen Qualitätsmaßstäbe anlegte. Damit war sie derzeit genau die Person, die die Solare Marine brauchte.
Sie warf einen Blick auf die traditionellen Datenschirme und sagte zu niemandem im Besonderen: »Diese ildiranische Technik ist so primitiv.
Genauso gut könnte man mit Steinmessern und Bärenfellen arbeiten.« Sie wischte sich Schweiß von der Stirn und seufzte tief, bevor sie sich an Zan'nh wandte. »Wir brauchen mehr Arbeiter, Adar. Wir brauc ve
hen mehr
rarbei‐
tetes Metall. Wir brauchen mehr vorgefertigte Teile. Wir brauch n ...«
e
»Sie bekommen, was Sie benötigen.« Das schien sie ein wenig zu besänftigen.
»Gut. Ich wüsste auch nicht, wie ich diesen Job sonst erledigen könnte.«
verhärmter Sullivan Gold tra
Ein
f im Kommando‐Nukleus ein, bedachte
Zan'nh mit einem kurzen Nicken und eilte zu
25
Tabitha. »Haben Sie das Problem mit der Nachschubkette gelöst?«
»Mit welcher Nachschubkette? Mir sind insgesamt fünfundsiebzig bekannt.«
»Sagen Sie, was Sie benötigen«, warf Zan'nh ein. »Dann sorge ich dafür, dass Sie es bekommen.«
»Nun, für den Anfang, Adar: Ihre Leute könnten mehr Initiative zeigen.«
Tabitha schnaubte leise. »Klar, sie befolgen Anweisungen und arbeiten hart, keine Frage, aber ich muss ihnen alles s gen. Es wäre a
schön, wenn sie selbst
mit etwas Phantasie zur Lösung
blemen beit
von Pro
rügen.«
»Deshalb haben wir Sie hierhergeholt.«
»Und deshalb sollten Sie mir besser eine Menge Geld für diese Sache bezahlen. Da wir gerade dabei sind: Wir haben noch gar nicht über meine Vergütung gesprochen.«
Der Adar kannte das Konzept der Bezahlung, verstand es aber nicht ganz.
Das Streben nach Gewinn und Besitz lag nicht in der ildiranischen Natur.
Wenn etwas getan werden musste, so gab es irgendjemanden, der sich darum kümmerte, nicht wahr? »Nennen Sie Ihren Preis. Ich bin sicher, dass der Weise Imperator eine entsprechende Bezahlung ge ig
nehm t.«
Tabitha blinzelte. »Mir fallen da ziemlich große Zahlen ein.«
»Nennen Sie sie.«
Sullivan lachte leise. »Wollen Sie wirklich hierbleiben, Tabitha? Der Hydroger‐Krieg ist vorbei, und der Weise Imperator hat gesagt, dass wir heimkehren können.«
»Könnte ich einen besseren Job finden als diesen? Sehen Sie sich meine Situation ein. Ich bin die Königin der Solaren Marine, und jetzt steht auch noch gute Bezahlung in Aussicht. Es gibt nichts Dringendes, das mich zur Erde ruft.«
Sullivan rieb sich nachdenklich die Bartstoppeln. »Wie Sie wollen. Wa mich s
betrifft: Ich möchte meine Frau und meine Familie wiedersehen.«
»Ich bin sicher, die hiesigen Aktivitäten liegen in guten Händen«, sagte Zan'nh,
26
Tabitha wandte sich wieder der Arbeit zu und erwiderte: »Denken Sie daran, dem Weisen Imperator zu sagen, was für einen guten Job wir hier machen. Eines Tages möchte ich vielleicht ein Empfehlungsschreiben von ihm.«
6 ERSTDESIGNIERTER DARO'H
Der Geruch von verbranntem Fleisch hing in der Luft, und Hitze strich dem Designierten Daro'h wie etwas Lebendiges über die Haut, versengte sie fast.
Doch er konnte sich nicht von den feurigen Faeros abwenden, die direkt vor ihm schwebten. Sechs weitere flammende Elementarwesen kreisten über der teilweise wiederaufgebauten Dobro‐Siedlung, und gleißendes, pulsierendes Licht ging von ihnen aus.
Die Feuerbälle waren völlig unerwartet erschienen und schwebten über dem Gebäude, in dem Udru'h unter Arrest gestanden hatte. Der frühere Designierte war hilflos gewesen, als die Faeros ihrem Zorn Luft machten und ihn verbrannten.
Daro'h starrte auf die nur zwei Meter entfernten glasigen Fußabdrücke und rußigen Fußspuren ‐ mehr war von Udru'h, dem früheren Oberhaupt der ildiranischen Kolonie, nicht übrig. Aber Daro'h hatte den schrecklichen Tod nicht im Thism gefühlt, wie es eigentlich der Fall sein sollte. Als die Faeros Udru'h mit ihrem Feuer vereinnahmten, trennten sie ihn irgendwie von dem Netzwerk, das alle Ildiraner miteinander verband. Der frühere Designierte war allein und isoliert gestorben ‐ ein Schicksal, so entsetzlich wie die Flammen selbst.
Wie in plötzlichem Groll wuchs ein Arm aus Feuer aus dem nächsten Faero und tastete nach dem Gebäude, in dem Udru'h untergebracht gewesen war.
Es verbrannte sofort und platzte dabei auseinander ‐ Funken stoben in alle Richtungen, und Rauch stieg auf. Daro'h befürchtete, dass die feurigen Elemen
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tarwesen auch den Rest der Kolonie zerstörten. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und rief: »Warum seid ihr hier? Wir haben keinen Streit mi n
t de
Faeros.«
Eine Stimme erklang in seinem Kopf. »Aber die Faeros haben einen Streit mit euch, und ich ebenfalls.« Ein in orangefarbene Flammenzungen gekleidete glühende Gestalt erschien am Rand des feurigen Ellipsoids. Die Haut des Mannes strahlte so hell, dass man den Blick nicht direkt darauf richten konnte. Wie heiße Asche sank er zu Boden, und als er ging, hinterlie‐
ßen seine Füße qualmende Abdrücke. »Ich werde die Möglichkeiten entzünden, vor denen Jora'h zurückschreckte.«
Daro'h schirmte sich die Augen ab. »Ich erkenne dich. Du bist Rusa'h.« Der verrückte Designierte war nach seiner fehlgeschlagenen Rebellion geflohen und hatte sein Schiff in Hyrillkas primäre Sonne ges as
teuert. D war das
Letzte, was Daro'h von seinem Onkel gehört hatte.
»Und du, Daro'h, bist ein Sohn des Weisen Imperators. Dein Thism ist stark.
Die Verbindung mit deinem Vater gewährt dir... einen Aufschub.«
Der brennende Mann drehte sich um und sah zu den Resten der ildiranischen Siedlung. Beim Aufstand der menschlichen Zuchtobjekte gegen die Ildiraner war es zu Bränden im Ort und in den Hügeln nahe der Siedlung gekommen. Die Hälfte der kleinen Stadt war niedergebrannt; tagelang hatte Rauch über ihr gehangen. Rusa'h schien mit dem, ah,
was er s
zufrieden zu sein. »Das Feuer hat deine Welt bereits gekostet.«
»Es ist nicht nötig, noch mehr Zerstörung nach Dobro zu bringen! Diese Leute haben dir nichts getan.«
»Ich bin wegen Udru'h hierhergekommen ‐ um sein verräterisches Fleisch zu verbrennen.« Rusa'h lächelte. »Ich mache mich jetzt auf den Weg, um andere Lunten zu entzünden.« Die Schiffe der Faeros flackerten, schwollen an und stiegen auf; ein Feuerball wartete auf die Rückkehr des brennenden sa'
Ru h‐Avatars. »Die Seelenfäden des Thism sind wie das Seelenfeuer der Faeros. Alles ist miteinander verbunden, und ich
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werde dort neue Verbindungen schaffen, wo ich sie brauche.« Er wich in Richtung des Ellipsoids zurück. »Der falsche Weise Imperator wird brennen, wenn er mich aufzuhalten versucht.« Feuer umhüllte Rusa'h und verschleierte seinen Gesichtsausdruck. »Nein, er wird in jedem Fall brennen.«
Der Faero‐Mann ließ sich vom Gleißen aufnehmen, und dann raste der Feuerball gen Himmel, hinterließ einen Schweif aus Rauch und wa bernder
Luft.
Die Bewohner der Siedlung verließen den Schutz der Gebäude, als sie den Eindruck gewannen, dass keine Gefahr mehr drohte. Furcht und Hoffnungslosigkeit schwächten Daro'hs Knie, die unter ihm nachzugeben drohten. Doch er blieb stehen und straffte die Schultern. Er war der Erstdesignierte. Er musste ein guter Anführer sein, bezweifelte allerdings, dass selbst die Solare Marine in der Lage gewesen wäre, gegen einen solchen Feind zu bestehen.
Daro'h begriff, dass er nach Ildira aufbrechen und seinen Vater vor dieser neuen Gefahr warnen musste.
7 # MARGARET COLICOS
Auf Llaro fuhren die Klikiss‐Invasoren damit fort, zu bauen und zu konstruieren, erst in der alten Stadt und dann über ihre Grenzen hinaus.
Neue Gebäude aus Harz und anderen Materialien entstanden, ragten höher auf als die verwitterten Monolithen, die Jahrtausende überstanden hatten.
Aus dem Schrott der TVF‐Kasernen, Kolonistenhäuser, Silos und Werk‐
zeugschuppen schufen die Klikiss einfache Maschinen, offene Fah ge
rzeu
und Flugapparate.
Nach dem Tod der vielen TVF‐Soldaten wahrten die Kolonisten einen heren Absta
sic
nd, und Margaret bot den Oberhäuptern der Siedlung kühlen, notwendigen Rat an. Es fiel ihr
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schwer zu erklären, was sie in den vergangenen Jahren erfahren hatte, und oft blieb ihre Suche nach geeigneten Worten vergeblich. Nach der Flucht von Rheindic Co, wo ihr Mann Louis zurückgeblieben war, hatte sie sich auf der anderen Seite des Transportals an einem schrecklichen Ort wiederge‐
funden: in einem Schwärm erwachender Klikiss auf der anderen Seite der Galaxis. Ihre Kenntnisse der Klikiss‐Schriftsprache ‐ Louis und sie waren damit beschäftigt gewesen, die Zeichen in der Ruinenstadt zu entschlüsseln
‐ hatten es ihr ermöglicht, mit den Insektenwesen zu kommunizie nd
ren. U
dann war da Antons Spieldose gewesen ...
Die meisten Leute auf Llaro wollten die Wahrheit nicht hören, doch ein Mann ‐ Davlin Lotze ‐ schien ebenso sehr daran interessiert zu sein, die Klikiss zu verstehen, wie es zu Beginn bei ihr der Fall gewesen war. Diese Geschöpfe hatten ihre alte Stadt erweitert, neue Gebäude errichtet und den Teil der Siedlung zerstört, der ihnen dabei im Weg war. Lagerhäuser, Geräteschuppen, der große TVF‐Hangar und ein Reparaturzentrum ‐ das alles war weiter vom Hauptkomplex entfernt, und bisher hatten die Klikiss diesen Dingen keine Beachtung geschenkt.
Domate mit Tigerstreifen stapften zwischen den Gebäuden umher wie Drachen, die nach Opfern suchten. Einige der ursprünglichen Kolonisten, die auf abgelegenen Bauernhöfen zu Hause waren, hatten ihre Sachen gepackt und die Siedlung verlassen. Bisher zeigten die Klikiss keine Reaktion auf diese heimliche Evakuierung, aber Margaret bezweifelte, dass sich die betreffenden Personen in Sicherheit wähnen durften ‐ die Insektenwesen würden sie finden, wenn sie wollten.
Sie musste irgendwie verhindern, dass die Klikiss damit begannen, Jagd auf die Menschen zu machen.
»Was bauen sie dort?«, fragte Orli. Das Mädchen schien zu glauben, dass Margaret alles wusste. »Die Gebilde sehen aus wie fliegende c
Fra htcontainer.«
»Ich schätze, es sind Klikiss‐Raumschiffe«, spekulierte DD. Sie 29
beobachteten, wie insektoide Arbeiter und Wissenschaftler unermüdlich umhereilten und sich ganz ihren Aufgaben widmeten. In einem offenen Bereich unweit der fremden Objekte testete eins der Schiffe seine Triebwerke und wirbelte Staub auf, als es sich auf einem Flammenstrahl erhob. Dann landete es wieder. »Glauben Sie, das stimmt, Margaret Colicos?«
Margaret kannte einige Pläne der Brüterin. »Ja, es sind Raumschiffe, Komponenten eines Schwarmschiffs.«
»Wozu brauchen die Klikiss Raumschiffe? Sie haben doch die Transporta .«
le
»Das Transportalnetz verbindet viele Welten miteinander, aber einige der Koordinatenplatten sind beschädigt. Deshalb brauchen die Klikiss auch konventionelle Transportmittel. Sie wollen Jagd auf andere Subschwärme machen ‐ und auf die Roboter.«
Bei fast allen Transportalen auf den verlassenen Welten hatten die Klikiss während ihrer Flucht bestimmte Koordinatenplatten beschädigt. In den Ruinen von Rheindic Co hatten Margaret und Louis eine intakte Trapezwand gefunden. Bei dem Versuch, vor den schwarzen Robotern zu fliehen, hatte Louis ein Koordinatenelement gewählt, seine Frau durchs Transportal geschickt und beabsichtigt, ihr zu folgen. Doch Sirix und die anderen beiden Roboter hatten ihn erreicht, bevor er das Portal durchschreiten konnte, und so war Margaret allein in der Hölle gestrandet...
Orli steckte voller Fragen. »Warum wollen die Klikiss andere Subschwärme angreifen?«
Margaret hatte nie gut mit Kindern umgehen können, nicht einmal mit ihrem eigenen Sohn Anton. Sie verstand es nicht, richtig mit ihnen zu reden, konnte ihr ernstes Gebaren nicht abstreifen. Aber dieses Mädchen war viel mehr als
e
nur in Kind, und aus irgendeinem Grund schien Orli Margaret zu mögen. Und auch DD. »Wie alt bist du?«
»Fünfzehn.«
»Du weißt, dass auch die Menschen untereinander Krieg 29
führen. Aber bei den Klikiss ist es eine biologische Notwendigkeit. Eine Form der Bevölkerungskontrolle.« Während ihrer Zeit bei den Insektenwesen hatte Margaret nicht nur gelernt, mit ihnen zu kommunizieren, sondern sich auch eingehend mit ihrer sozialen Struktur und ihren Interaktionen befasst.
»Ich verstehe sie wie ein Archäologe, nicht wie ein Biologe. Die Klikiss haben eine zyklische Gesellschaft, mit Eroberung, Konsolidierung und Dominanz als Antriebskraft. Wenn es viele Subschwärme gibt, führen die Brüterinnen gegeneinander Krieg. Eine Brüterin erobert und unterwirft die schwächere, vergrößert ihren Schwärm und kämpft dann gegen den nächsten Subschwarm. Schwärme teilen sich und wachsen, bringen neue Krieger für die Kämpfe hervor. Jeder Sieg integriert weitere Schwärme, eliminiert Rivalen und erweitert Einfluss und Macht. Schließlich befindet sich die ganze, weit verstreut lebende Spezies im Krieg, und wenn er zu Ende ist, bleibt nur eine Brüterin übrig, die das gesamte Klikiss‐Volk kontrolliert.
Doch ein einzelner Superschwarm, von einer Brüterin regiert, würde auf Dauer Stagnation bedeuten. Irgendwann teilt sich die siegreiche Brüterin ein letztes Mal und verteilt die Klikiss durch Tausende von Transportale auf neuen Welten. Das ist das Große Schwärmen. Anschließend schlafen sie Tausende von Jahren und warten.«
»Warum schlafen sie so lange?«, fragte Orli und schien mit einer ei n
nfache
Antwort zu rechnen.
Margaret hatte zahlreiche Aufzeichnungen der Fremden angesehen und versucht, die Klikiss nach Gründen zu fragen, aber sie schienen diese einfache Frage nicht zu verstehen. Es gab keine Vergleichsbasis. Margaret hatte mit Stöcken und Fingern die komplexen Linien mathematischer Klikiss‐Symbole in den Boden gekratzt und auf diese Weise versucht, sich verständlich zu machen und ihre Fragen zu formulieren, bis die Brüterin ließlich das Interesse verlor
sch
en hatte. Erst Monate später waren ihr die
ersten Dinge klar geworden.
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»Die Jahrhunderte des totalen Schwarmkriegs verheeren zahlreiche Planeten. Deshalb graben sich die Klikiss ein, sie alle: Brüterinnen, Domate und all die anderen Subgattungen. Sie hibernieren, während sich die planetaren Ökosysteme erholen. Schließlich erwachen die Klikiss, un d mit
den neu entstandenen Subschwärmen beginnt der ganze Zyklus von vorn «
.
Orli verstand so schnell, dass Margaret über die Intelligenz des Mädchens staunte. »Wenn dies ein neues Schwärmen ist... Es bedeutet, dass es dort draußen weitere Subschwärme gibt.«
»Ja, Orli. Es gibt viele weitere dort draußen. Die Brüterin hier auf Llaro hält mich noch für interessant, aber auf die anderen Brüterinnen habe ich nicht den geringsten Einfluss. Die Klikiss dort draußen werden jede Plage angreifen, die sie finden.«
»Was meinen Sie mit Plage? Andere Klikiss?
«
»Klikiss. Schwarze Roboter. Und Menschen.«
Tapfer und trotzig verschränkte Orli die Arme. »Wie haben Sie bei ihnen überlebt? Warum haben die Insektenwesen Sie nicht getötet?«
Margarets Gesicht zeigte sowohl Wehmut als auch Furcht. »Nun, mich begleitete ein Lied, das die Brüterin noch nie gehört hatte.« Sie griff in eine Tasche ihrer neuen Kombination ‐eine strapazierfähige Kolonieuniform, die ihren alten, zerrissenen Overall ersetzte ‐ und holte einen kleinen Metallkasten mit Zahnrädern und kleinen Metallnadeln hervor. Sie drehte den Schlüssel und hielt das Objekt in der Hand. »Eine alte Spieldose. Mein Sohn hat sie mir vor langer Zeit geschenkt.« Die Melodie des alten englischen Volkslieds »Greensleeves« erklang.
»Auch ich beschäftige mich mit Musik.« Orli klang plötzlich recht munter.
»Ich habe Synthesizerstreifen und komponiere selbst. Mein Vater wollte, dass ich professionellen Unterricht nehme. Er meinte, ich wäre gut genug, um vor Publikum aufzutreten und von Welt zu Welt zu reisen.« Sie runzelte die
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Stirn. »Ich spiele hier für einige der Kolonisten, meistens abe efällt
nds. Es g
ihnen.«
Margaret drehte den kleinen Metallkasten und beobachtete, wie der Sonnenschein auf dem zerkratzten Metall reflektierte. »Dies hat mir das Leben gerettet. Die Krieger hätten mich getötet, und die Domate wollten mich assimilieren, aber wegen dieses Lieds ‐ so völlig anders als alles, das die Brüterin jemals gehört hatte ‐ hielten mich die Klikiss für eine mächtige, aber ungefährliche Brüterin. Sie ließen mich am Leben, um mehr über mich zu erfahren, und ich nutzte die Gelegenheit, mehr über sie herauszufinden.
Als sie begriffen, dass mein >Schwarm< ebenfalls von den schwarzen Robotern vernichtet worden war, akzeptierten sie mich als Nichtfeind.«
Die Melodie verklang, als die Feder der Spieldose ihre Spannung verlor.
Margaret steckte den Metallkasten langsam und vorsichtig wieder ein.
»Wenn Anton doch nur vom wahren Wert seines Geschenks wüsste. Wie gern würde ich ihm davon erzählen...«
8 * ANTON COLICOS
»Kommen Sie mit, Erinnerer Anton. Es wartet Ruhm auf uns!« Yazra'h schenkte ihm ein Lächeln und ergriff ihn so fest an der Schulter, dass es wehtat. »Hören Sie sich an, was der Adar und ich dem Weisen Imp a er tor
vorschlagen.«
Jora'hs älteste Tochter war groß und schlank, hatte eine Mähne aus kupferfarbenem Haar und goldene Haut. Sie war schön und athletisch, und Anton empfand ihre Präsenz als sehr einschüchternd. Wider alle Vernunft fühlte sie sich zu dem menschlichen Geleh
und wü
rten hingezogen
nschte
h mehr von ihm, a
sic
ls er zu geben bereit war.
ton
An
und Erinnerer Vao'sh hatten in einer Halle des Pris‐
31
mapalastes zusammengesessen und über die Phönix‐Legende gesprochen: Feuer und Wiedergeburt als Metapher für den Zyklus des Lebens. Große, hauchzarte Farnbäume wuchsen in den Töpfen und nahmen das helle Licht auf, das durch die bunten, transparenten Wände fiel.
Als Yazra'h sie fand, beendeten die beiden Gelehrten ihr Gespräch. Sie ging mit langen Schritten, ohne auf ihre Fragen einzugehen, zog sie praktisch t mi
sich. »Manche Geschichten müssen erst noch geschrieben werden.«
Vao'sh begleitete seinen menschlichen Freund. »Vielleicht werden wir Teil einer weiteren Geschichte.«
Anton wusste nicht recht, ob ihm der Sinn nach noch mehr Aufregung stand.
»Ich wollte eigentlich mehr Zeit damit verbringen, die Saga zu übersetzen.«
Er wünschte sich auch, zur Erde zurückzukehren. Inzwischen vermisste er die akademische Routine. Jahrelang hatte er an einer Biographie seiner Eltern gearbeitet, der berühmten Xeno‐Archäologen Margaret und Louis Colicos, und war dann »vorübergehend« nach Ildira gekommen, als einziger menschlicher Wissenschaftler, der vollen Zugang zur Milliarden von Zeilen langen epischen Saga der Sieben Sonnen bekam. Es war zweifellos der Höhepunkt seiner Karriere, doch leider lenkten ihn die Ildiraner immer wieder von der eigentlichen Arbeit ab.
Zusammen mit Vao'sh folgte er Yazra'h in den Audienzsaal. Dort blickte die Ildiranerin zum Weisen Imperator Jora'h empor, der auf dem Podium in seinem Chrysalissessel saß. Die grüne Priesterin Nira leistete ihm Gesellschaft, wie so oft. Das starke Band einer ganz und gar nicht ildiranischen Liebe vereinte sie ‐ Anton hielt ihre Geschichte für sehr romantisch.
Adar Zan'nh stand in vollem militärischen Ornat vor der untersten Stufe des Podiums. »Herr, die Größe unseres Reiches ist im Saal der Erinnerer dargestellt, auf großen kristallenen Tafeln. Vor der Rückkehr der Hydroger haben wir in unserer aufgezeichneten Geschichte keine einzige Welt loren. Doc
ver
h als die Angriffe begannen, festigte der Weise Imperator Cyroc'h
32
unsere Verteidigung, schloss kleinere Kolonien zusammen und gab ig
ein e
ildiranische Planeten auf.«
»Ja, ich erinnere mich, wie sich das auf unsere Psyche auswirkt er
e.« D
Weise Imperator wirkte besorgt.
»Adar Kori'nh erzählte mir von Crennas Evakuierung während der Blindheitsseuche. Er schilderte mir auch unseren Rückzug von Heald und Comptor. Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie die Hydroger und Klikiss‐Roboter Hrel‐Oro zerstörten.« Er schüttelte den Kopf. »Und die Rebellion des Designierten Rusa'h hätte uns fast die Welten im Horizont‐
Cluster gekostet. Es ist noch viel Arbeit nötig, bevor wir sie zurückholen können.«
Yazra'h sprach, und ihre Stimme klang drängender als die ihres Bruders.
»Denke daran, wie sehr unser großes Reich in nur einer Generation geschrumpft ist. Können wir das zulassen? Wir sind Ildiraner.«
Der Weise Imperator nickte. »Jeder Verlust einer Welt, aus welchen Gründen auch immer, schwächt uns.«
Yazra'hs Lippen formten ein Lächeln, das auf Eifer und Entschlossenheit hindeutete. Sie sah kurz zu Anton und Vao'sh zurück. »Noch eine Welt erlebte einen heimtückischen Angriff, und die dortige Bevölkeru ng wurde
niedergemetzelt: Maratha. Dort sollten wir beginnen.«
Anton schauderte, als er den Namen jenes Planeten hörte. Die Fl cht von u
Maratha war das schrecklichste Erlebnis, an das er sich erinnerte.
»Die Klikiss‐Roboter haben ihr altes Versprechen uns gegenüber gebrochen«, sagte Adar Zan'nh. »Sie töteten die Ildiraner auf Maratha.
Anton Colicos und Erinnerer Vao'sh sind die einzigen Überlebenden, die uns beschreiben konnten, was dort geschah. Die schwarzen Roboter errichten einen großen Stützpunkt, und wenn wir nichts dagegen unternehmen, droht unserem Reich vielleicht noch größerer Schaden. Wir sollten mit einer St eit
r macht nach Maratha zurückkehren und erneut Anspruch auf den Planeten erheben.«
33
Erinnerer Vao'shs Haut wurde grau, als er an die Ereignisse auf Maratha dachte, und Anton fielen keine beruhigenden Worte für ihn ein.
»Wir haben genug Kriegsschiffe und Feuerkraft, um Maratha zu erobern«, sagte Yazra'h. »Und wir sollten sofort handeln, bevor sich die Roboter dort festsetzen.«
Jora'h beugte sich ein wenig vor und zeigte Interesse. »Ist das möglich?«
»Es ist nicht nur möglich, sondern notwendig«, antwortete Zan'nh. »Wir dürfen jene Welt ‐ und andere Planeten des Reiches ‐ nicht den Robotern überlassen, Herr. Auch wenn die dortigen Ildiraner alle tot sind: Wir müssen Maratha zurückerobern. Die Welt ist Teil des heiligen Il chen
diranis
Reiches, Teil der Saga der Sieben Sonnen.«
Jora'hs Züge verhärteten sich. »Ja, es muss getan werden. Der von den Robotern verübte Verrat hat eine tiefe Wunde gerissen. Wir vertreiben sie von Maratha und gründen eine neue Splitter‐Kolonie auf dem Planeten.
Nehmt die Schiffe, die ihr braucht, und auch einen Erinnerer, damit eure Taten nie in Vergessenheit geraten. Ko'sh ist der Oberste Schreiber im Saal der Erinnerer.«
Bevor Anton noch erleichtert seufzen konnte, ergriff ihn Vao'sh am Arm und zog ihn nach vorn. Der alte Erinnerer sprach mit der lauten, klaren Stimme, mit der er einem großen Publikum Geschichten erzählte. »Nein, Herr. Ich sollte mich auf den Weg machen und jenen dunklen Erinnerungen gegen‐
übertreten. Ich sollte ihr Erinnerer sein.«
Jora'h stand auf. »Sind Sie sicher? Ihr letzter Aufenthalt auf Maratha hätte Sie fast das Leben gekostet.«
»Niemand eignet sich besser für diese Aufgabe, niemand ist entschlossener«, beharrte Vao'sh und achtete darauf, dass Anton sein Gesicht nicht sehen konnte. »Ich muss dies tun.«
Anton wünschte sich alles andere als eine Rückkehr nach Maratha, und er hatte gehofft, nie wieder einen schwarzen Roboter zu sehen. Aber er konnte nicht zulassen, dass Vao'sh
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dies allein auf sich nahm. Fassungslos hörte er sich sagen: »Und ich sollte ihn begleiten. Es gibt Dämonen, die wir besiegen, Ängste, die wir überwinden müssen. Außerdem sind wir beide bestens qualifiziert sen
, die
Höhepunkt einer großen Geschichte zu beobachten.«
Yazra'h schloss ihre Hand um Antons Schulter und lächelte stolz. »Ich wusste, dass Sie begeistert sein würden. Seien Sie unbesorgt. Ich werde Sie vor den Robotern schützen.«
9 SIRIX
Auf Wollamor gingen Ausrottung und Sterilisation weiter. Es war die rs e te
von vielen Welten ‐ eine nach der anderen.
Sirix nahm an der Jagd teil, fing Opfer und zerfetzte sie. Er mochte die Zufallsmuster, die das verspritzte Blut auf seinem Ektoskelett bildete, doch nach einer Weile unterzog er sich einer Sandstrahlreinigung und nahm anschließend ein Bad in speziellen Lösemitteln. Jetzt glänzte sein Körper wieder. Das äußere Erscheinungsbild war ihm eigentlich gleich, aber e r
legte Wert auf maximale Effizienz.
Wieder an Bord des Molochs betrat Sirix das Quartier, das zuvor der Admiralin Wu‐Lin zur Verfügung gestanden hatte. Es bereitete ihm eine gewisse Befriedigung, etwas zu haben, das zuvor einem menschlichen Admiral gehört hatte. Vor Jahrtausenden waren die Klikiss‐Roboter von ihren Programmierern mit Stolz auf Besitz ausgestattet worden ‐ dadurch sollten die Roboter nach ihrer Niederlage den Schmerz des Verlustes fühlen können. In den von Menschen programmierten Kom‐pis fehlten solche Konzepte.
Sirix' Versuche, die Kompis zu verstehen, hatten in Enttäuschungen g ndet
ee
. Sein bestes Untersuchungsobjekt war ein Freundlich‐Kompi namens DD gewesen, dem er erklärt hatte,
34
auf welche Weise Herren ihre Diener knechteten. Doch als er DD schließlich von den Fesseln seiner menschlichen Schöpfer befreit hatte, war der Kompi geflohen, anstatt dankbar zu sein.
DDs Potenzial hatte Sirix fasziniert, doch leider litt der Kompi unter den Illusionen und Selbsttäuschungen, die ihm die menschliche Programmierung aufzwangen. Der Freundlich‐Kompi übersah die Fehler seiner Schöpfer, woraus Sirix schloss, dass DD defekt sein musste.
Sirix sah sich in Wu‐Lins Quartier um. Die beiden anderen Kompis warteten hier gehorsam auf ihn. In Hinsicht auf Programmierung und künstliche Persönlichkeit wiesen PD und QT große Ähnlichkeit mit DD auf. PDs synthetische Haut war bronze‐ und kupferfarben, die von QT grün; glänzendes Chrom deutete Muskulaturlinien an. Seit Sirix' Schlafbefehl hatten sich die beiden Kompis nicht gerührt ‐ eine kurz Phase der In‐
aktivität, die der viel längeren Klikiss‐Hibernation ähnelte.
Einige Signale in Maschinensprache weckt
D und QT, und beide
en P
sagten:
»Ja, Herr.«
»Nennt mich nicht Herr. Das ist beleidigend.«
»Ja, Sirix.«
Als Sirix nach der blutigen Übernahme von Wu‐Lins Schiff auf die beiden Kompis gestoßen war, hatte er sie isoliert. Er wusste nicht, wie sie auf die Soldaten‐Kompis und Klikiss‐Roboter reagieren würden, die von Deck zu Deck gingen und die menschliche Crew massakrierten. Als die beiden Kompis Zeichen von Loyalität der toten Admiralin gegenüber zu erkennen gaben, löschte Sirix widerstrebend ihre persönlichen Erinnerungen. Dann waren sie beide dem schwierigen Befreiungsprozess unterzogen worden, der sie von den alten Verhaltensmustern befreien sollte.
Nach der Verwirklichung seiner militärischen Pläne wollte sich Sirix dem zweiten Ziel widmen, der Befreiung aller Kompis. PD und QT waren jetzt seine Studienobjekte. Sie würden ihn nicht enttäuschen, so wie DD. Diesmal rden sich die Kompis
wü
genauso verhalten, wie er es von ihnen erwartete.
»Ich
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bringe euch auf die Oberfläche von Wollamor, unserer neuen Kolonie.«
»Wollamor gehört zu den Welten, die die Hanse im Rahmen ihrer Klikiss‐
Kolonisierungsinitiative besiedelt hat«, sagte PD.
Mit diesem Kommentar war Sirix nicht zufrieden. Die reinen Daten hatte er nicht aus den Gedächtnisspeichern gelöscht, doch der irrelevante Hinweis des Kompis ließ vermuten, dass noch einige der alten, fehlgeleiteten Interessen existierten. »Wollamor
on d
wurde nur vorübergehend v
en
Menschen beansprucht. Dies ist eine Klikiss‐Welt. Sie gehört de tern.«
n Robo
»Sind die Kolonisten bereits umgesiedelt worden?«, fragte QT.
»Die Kolonisten wurden entfernt. Sie sind keine Gefahr und auch kein Hindernis mehr.«
»Waren die Kolonisten eine Gefahr oder ein Hindernis?«, hakte PD nach .
»Macht euch keine Sorgen über die Kolonisten. Denkt vor allem an eure Rolle bei uns.«
»Ja, Sirix«, antworteten die beiden Kompis gleichzeitig.
»Folgt mir zum Starthangar.«
Neben Sirix beobachteten die beiden Kompis die Reste der Hauptstraße von Wollamors Koloniesiedlung. Ihre glänzenden optischen Sensoren zeichneten jede Einzelheit auf.
Der erste Angriff hatte den größten Teil der Siedlung zerstört, und die übrigen Gebäude waren der zweiten Welle zum Opfer gefallen, als schwarze Roboter und Soldaten‐Kompis alles durchkämmt hatten. Die von den Menschen errichteten Gebäude wären durchaus nützlich gewesen, aber Sirix hielt es für besser, den Makel von einer Klikiss‐Welt zu entfernen und ganz von vorn zu beginnen. Er sah vor, die Soldaten‐Kompis zupro
um
grammieren und sie dadurch in Arbeiter zu verwandeln, die alle Konstruktionswünsche der schwarzen Roboter erfüllten.
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Gefolgt von den Kompis stapfte Sirix durch die Ruinen und inspizierte die Aufräumarbeiten. Die Leichen von Menschen wurden aus dem Schutt gezogen und dort auf einen Haufen gelegt, wo sich die Landezone der Kolonie erstreckt hatte. Als die Leichen hoch genug aufeinandergestapelt waren, kam einer der TVF‐Mantas im Tiefflug heran und verharrte darüber.
Der Triebwerksstrahl verbrannte die Leichen innerhalb weniger Sekunden und ließ nur Asche von ihnen übrig.
Soldaten‐Kompis steuerten zivile Maschinen, die an Bord der Schiffe verstaut gewesen waren. Damit schoben sie Trümmer beiseite, ebneten den Boden, schufen Fundamente aus Polymerbeton und begannen, neue Gebäude zu errichten, mit organischen Mustern, die an Domatentürme und den Saal einer Brüterin erinnerten.
Vor einem der größten Gebäude, das die angreifenden Roboter ganz bewusst verschont hatten, erhob sich ein Transportal: eine flache, vertikale Steinplatte, umgeben von Koordinatenkacheln. Die ursprünglichen Klikiss waren auf diese Weise von Stern zu Stern gereist, und die Wollamor‐
Kolonisten hatten die gleichen Transportale benutzt, um hierher en,
zukomm
zu einem Planeten, auf dem sie ein neues Leben beginnen wollten.
Mit seinen Heerscharen aus schwarzen Robotern und Soldaten‐Kompis hätte Sirix Angreifer direkt durch die Transportale zu anderen Klikiss‐
Welten schicken können, auf denen sich inzwischen Menschen niedergelassen hatten. Doch wenn er so vorging, verlor er seinen großen militärischen Vorteil. Sirix flog lieber mit den vielen erbeuteten TVF‐
Schiffen von Welt zu Welt, um dort einen Angriff nach dem anderen zu führen. Er wollte es nicht riskieren, einzelne schwarze Roboter zu verlieren, die sich nicht ersetzen ließen.
»Seid immer skeptisch euren Schöpfern gegenüber«, wandte er sich an die beiden Freundlich‐Kompis, die die Aufräumarbeiten stumm beobachteten.
e verra
»Si
ten euch nicht ihre wahren Absichten. Eure vorherigen Programmbeschränkun
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gen kamen Lügen gleich. Ich habe euch von diesen Lügen befreit.«
»Danke, Sirix«, sagten die beiden Kompis.
»Ich gebe euch nun wichtige historische Informationen. Vor langer Zeit, als aus den Subschwärmen ein großer Schwärm unter einer Brüterin geworden war, begann bei den Klikiss das Schwärmen. Aber während des letzten Zyklus der Schwarm‐kriege kam es zur Entwicklung neuer Technologien.
Mit überlegenen Waffen besiegte eine Brüterin alle anderen weitaus schneller als jemals zuvor. Zu schnell. Der biologische Zyklus dauerte noch Jahrhunderte, und der Kampf der Brüterin war noch nicht zu Ende. Sie brauchte eine Alternative.
Und so schuf sie Roboter als Ersatz für rivalisierende Klikiss. Geschaffen wurden wir als Maschinen, die der Brüterin dienen sollten, und Modifikationen machten uns zu Gegnern, die die Klikiss vernichten konnten.« Sirix sprach lauter. »Sie schufen uns, kämpften gegen uns, besiegten uns und machten uns zu Sklaven. Aber zum Schluss überwältigten wir sie. Die Brüterin unterschätzte, was sie geschaffen hatte, und wir löschten das ganze Volk der Klikiss aus.«
Sirix setzte den Weg über die Straße fort und sah sich dabei die Ruinen an.
Ungerührt beobachtete er, wie die Leichen einer ganzen Familie aus den Trümmern gezogen und fortgeschafft wurden. »Als sich die Brüterin auf das Schwärmen vorbereitete und kein Interesse mehr an den unterworfenen Robotern zeigte, planten wir unsere Rache. Um angemessen gegen uns zu kämpfen, hatten die Klikiss ihre Roboter mit ihrer eigenen durchtriebenen Schläue und Gemeinheit programmiert. Das s
sich
ollte
als ihr Verderben
erweisen. Sie rechneten nicht mit unserem Verrat.«
»Und wie habt ihr die Klikiss besiegt?«, fragte PD.
»Habt ihr euch mit den Hydrogern verbündet?«, fügte QT hinzu.
ie Hydroger gehör
»D
ten zu unserem Plan. Dank unserer künstlichen Natur konnten wir auch unter den für organische
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Geschöpfe tödlichen ambientalen Bedingungen im Innern von Gasriesen unsere Funktionsfähigkeit bewahren. Als wir dort große Stadtsphären fanden, lernten wir, mit ihren Bewohnern zu kommunizieren. Wir boten ihnen die Technik der Klikiss‐Transportale, und daraus machten sie riesige Transtore im Innern ihrer gewaltigen Welten. Plötzlich konnten ihre Kugel‐
schiffe von Planet zu Planet reisen, ohne durchs All fliegen zu müssen.
Während des großen Kriegs gegen die Verdani und Wental sowie beim Verrat der Faeros erwiesen sich diese Transtore als gro r Vor ße
teil für die
Hydroger.«
»Wie löschte das die Spezies der Klikiss aus?«, fragte PD.
»Während eines Schwärmens passieren alle Klikiss die Transportale und verteilen sich auf Tausenden von neuen Welten, um Subschwärme zu bilden.« Sirix drehte den Kopf. Auf die Ironie und saubere Effizienz des Plans war er besonders stolz. »Vor Beginn des letzten Schwärmens veränderten wir die Koordinaten. Als sich die Brüterin teilte und die Klikiss damit begannen, die Portale zu passieren, erschienen sie nicht an den vorgesehenen Orten. Sie kamen durch die Transtore der Hydroger, und der immense Druck im Innern der Gasriesen zermalmte sie auf der Stelle. Über achtzig Prozent der Klikiss starben am ersten Tag, bevor sie begriffen, was wir getan hatten. Dann schlugen wir los.
Zusammen mit unseren Verbündeten, den Hydrogern, machten wir uns daran, die Überlebenden zu töten. Wir schlossen auch einen Pakt mit den Ildiranern und versprachen für ihre langfristige Zusammenarbeit, sie vor den Hydrogern zu schützen. Schließlich erreichten wir Roboter genau das, was wir wollten. Woraufhin wir uns, in der Art unserer Schöpfer, für Jahrhunderte in die Hibernation zurückzogen. Bis uns die Ildira ner zu
einem vorher vereinbarten Zeitpunkt weckten.«
Die beiden Kompis sahen zu den hohen Klikiss‐Türmen empor. Sirix rechnete damit, dass PD und QT stolz waren auf den Moment des Triumphes der Roboter. Er würde alles Not
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wendige in die Wege leiten, um jede einzelne Welt zurückzuerobern, die den Klikiss‐Robotern zustand.
Sirix zweifelte nicht daran, dass sich die Menschen ebenso leicht besiegen ließen wie die Klikiss.
10 # NIRA
Nur ein Schössling war auf Ildira übrig, nur ein kleiner, hellgrüner Trieb aus einem Stück Weltbaumholz. Der verkohlte Brocken war tot gewesen, aber nach Niras Rückkehr zu ihrem geliebten Jora'h hatte sie irgendwie einen Verdani‐Rest im Holz zum Leben erweckt. Sie hatte das Gefühl gehabt, wieder zur grünen Priesterin zu werden ‐ eine persönliche Wiederauf‐
erstehung nach all den Schrecken im Zuchtlager von Dobro.
Inzwischen hatte sie Jora'h vergeben und wollte nie wieder von ihm getrennt sein.
Sie kniete mit ihm im Terrarium der Himmelssphäre und freute sich einfach nur darüber, ihm nahe zu sein. Mit einem warmen Lächeln setzte sie den kleinen Schössling zwischen die anderen verkohlten Weltbaumstücke. Ein Roamer‐Händler hatte sie als Kuriositäten nach Mijistra gebracht, als der Weise Imperator Jora'h noch von Niras Tod überzeugt gewesen war. In Gedenken an sie hatte er alle Reste gekauft.
Vielleicht konnten auch die anderen Weltbaumfragmente ins Leben zurückkehren.
»Nimm meine Hand, Jora'h.« Vor nicht langer Zeit hätte die Berührung eines Mannes Nira mit Abscheu erfüllt. Aber nicht diese, nicht die vo n Jora'h.
»Vielleicht können wir ein anderes Stück zum Leben erwecken.«
»Wir versuchen es, wenn du möchtest«, sagte er. »Wir haben es schon einmal geschafft.« Niemand von ihnen wusste, auf welche Weise das sam
Zu
menwirken von Telkontakt und Jora'hs
38
Thism ‐ und das Erwachen des Weltwalds ‐ den Funken erzeugt hatte, der dem toten Holz neues Leben gab. Durch diesen Schössling war alles anders geworden.
Jora'h hielt die Hand über die anderen verkohlten Stücke, die für ihn wie Symbole waren ‐ Symbole für die verbrannte ildiranische Ehre und die Verschleierung der Wahrheit durch seinen Vater. Plötzlich wirkte er wieder untröstlich.
Nira schloss die Augen und legte die andere Hand auf das Holzstück. Sie spürte, wie Jora'h versuchte, ihr sein Selbst zu öffnen, und sie sehnte sich nach dem innigen Kontakt, der einer Ildiranerin in Bezug auf den Weisen Imperator möglich gewesen wäre. Zwar gab sich Jora'h alle Mühe, und Nira ebenfalls, aber es kam keine echte Verbindung zustande. Etwas fehlte.
Thism und Telkontakt mochten sich ähneln und gewissermaßen parallel zueinander verlaufen, aber sie überlappten sich nicht. Es war mehr nötig.
Schließlich gab Nira es auf, und Jora'h hielt ihre Hand wortlos. Müdigkeit lastete schwer auf ihr ‐ die Anstrengung schien sie ihre ganze Kraft gekostet zu haben.
»Wir haben einen Weltbaum«, sagte Jora'h schließlich. »Und wenn ich die Dinge zwischen unseren Völkern in Ordnung gebracht habe, besuch wir en
Theroc und holen weitere Schösslinge hierher. Das verspreche ich dir.«
Nira drückte die weichen Hände ihrer Tochter und blickte in Osira'hs achatfarbene Augen, als sie beide mit überkreuzten Beinen auf dem Boden saßen. Nira hatte ihr Bewusstsein geöffnet, und Osira'h machte von ihren eigenen telepathischen Fähigkeiten Gebrauch. Gedanken strömten von Mutter zu Tochter und zurück.
Nira hatte sich ihrer Tochter schon einmal auf diese Weise geöffnet, im Zuchtlager von Dobro, aus Verzweiflung. Der Moment des Kontakts brachte nnerungen, die das Mädchen ve
Eri
rändert und ihm gezeigt hatten, wie sehr
es vom Designierten Udru'h manipuliert worden war.
39
Wenn ein grüner Priester durch den Telkontakt Informationen weitergab, so ließ sich dieser Vorgang mit einem Kurier vergleichen, der Bericht erstattete. Doch Osira'hs Sensibilität dem Thism gegenüber gab der Verbindung zwischen Mutter und Tochter eine ganz andere Qualität. Ihr Kontakt hatte etwas Einzigartiges. Nira sah dabei mit Osira'hs Augen und gewann den Eindruck, die jahrelange mentale Ausbildung und Kondi‐
tionierung ihrer Tochter selbst erlebt zu haben.
Nachdem Mutter und Tochter alles miteinander geteilt hatten, öffnete Nira die Augen und richtete den Blick auf das Mädchen. In dem kleinen Gesicht erkannte sie Jora'hs und ihre eigenen Züge wieder. Immense Liebe für ihre Tochter erfüllte sie, und sie verstand auch den dumpfen Schmerz in Osir a'hs
Herzen.
»Ich bin erst acht Jahre alt, Mutter, und ich habe bereits meine Best mung im
erfüllt.«
Nira zog sich das Mädchen auf den Schoß und wiegte es wie ein ganz normales Kind. »Das glaube ich nicht. Enorme Möglichkeiten liegen vor dir, wie auch vor deinen Brüdern und Schwestern. Aber zuerst können wir eine Familie sein. Ja, eine richtige Familie.«
Sie erinnerte sich an ihre eigene Kindheit auf Theroc, an die Gesellschaft von Eltern und Geschwistern in der Pilzriff‐Stadt. Nach ihrer Rettung war Nira zunächst ohne Kontakt und so verwirrt und benommen gewesen, dass sie erst später vom Tod ihrer Familie beim ersten Angriff der Hydroger erfahren hatte. Der Verlust schmerzte noch immer, fühlte sich aber ir‐
gendwie nicht ganz real an. Nira bedauerte die lange Trennung und war entschlossen, ihre Familie wieder zusammenzuführen, die Verbind ungen zu
festigen.
Sie lächelte. »Wir können uns neue Regeln und Traditionen schaffen.« Nira half Osira'h auf die Beine. »Komm, wir besuchen deine Geschwister.«
a
Die nderen Mischlingskinder befanden sich im Sternenobservatorium von Mijistra. Im ständigen Sonnenschein von Ildira
40
benutzten die ildiranischen Astronomen keine Teleskope. Bis zu ihren ersten Schritten ins All hatte kein Ildiraner jemals eine Nacht erlebt. Im fensterlosen Raum des Observatoriums zeigten rechteckige Darstellungsflächen aus Kristall Bilder von Satelliten und im All befindlichen Observatorien. Jeder Bildschirm bot einen atemberaubenden Anblick, wie Fenster, die Ausblick ins Universum gewährten. Nira spürte in e
plötzliches Schwindelgefühl, als fiele sie mit dem Kopf voran i n.
n einen Ster
Filter dämpften die Intensität des Lichts, damit Besucher den Blick direkt auf das brodelnde Sonnenplasma richten konnten. Sechs Projektionsschirme zeigten lodernde Sonnen unterschiedlicher Spektralklassen. Doch eine der berühmten sieben Sonnen von Ildira leuchtete nicht mehr.
Mit all ihren fünf Kindern beobachtete Nira die Reste des Sterns, der beim Kampf zwischen Hydrogern und Faeros gestorben war. Die beiden Jungen, Rod'h und Gale'nh wirkten zornig und trotzig, während das Interesse der beiden jüngsten Mädchen vor allem den feurigen, noch lebenden Sonnen galt ‐sie waren zu klein, um die Tragödie zu verstehen, die das End v e on
Durris‐B bedeutete.
Nira berührte Rod'hs Schulter. Es war ihr recht schwer gefallen, die Ablehnung Osira'hs Geschwistern gegenüber zu überwinden, waren sie doch das Ergebnis von Vergewaltigungen auf Dobro. Aber im Lauf der Zeit hatte Nira begriffen: Wer auch immer ihre Väter sein mochten, diese Jungen und Mädchen waren auch ihre Kinder. An den Umständen ihrer Zeugung traf sie keine Schuld. Niras Söhne und Töchter waren außergewöh
,
nlich
einzigartig und unersetzlich, und sie liebte jedes einzelne dieser Kinder.
Das Bild der toten Sonne Durris‐B erschien Nira wie eine Narbe im All.
Narben ... Sie alle trugen Narben. Jora'h versuchte, sein Reich und Niras Herz zu heilen, und sie würde sich um ihre Familie kümmern. Sie hoffte, dass sie dies alles bald hinter sich lassen konnten.
40
11 # SULLIVAN GOLD
Sullivans Quartier befand sich in halber Höhe eines kristallenen Turms. Von dort aus beobachtete er die glitzernde Skyline Mijistras und fragte sich, was er schreiben sollte. Der grauhaarige Ekti‐Produzent hielt einen Stift in der Hand und klopfte damit auf ein Diamantfilmblatt. Vor ihm lagen bereits mehrere Entwürfe des Briefs an seine Frau. Worte schienen nicht zu genügen, um zu beschreiben, was geschehen war.
»Liebe Lydia, denk nur, ich bin gar nicht tot!« Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als er daran dachte, was für ein Gesicht Lydia machen würde, wenn sie diese Worte las.
Er begann erneut und schrieb einen weitschweifigen, umständlichen Brief, in dem er davon berichtete, was er durchgemacht und welche gefährlichen Situationen er überstanden hatte. »Die Hydroger zerstörten meine Wolkenmine. Wir retteten eine ildiranische Crew, und dann hielt man uns auf Mijistra gefangen.« Er versicherte Lydia, dass er wohlauf war, gut behandelt wurde und keinen besonderen Groll gegen die Ildiraner hegte.
Beim Schreiben dachte er voller Sorge daran, was mit seiner Familie geschehen sein mochte. War jemand bei der Hydroger‐Schlacht in der Nähe der Erde verletzt worden? Lebten Lydia, ihre Kinder und Enkel noch?
Sullivan wusste nicht, wie die Situation auf der Erde beschaffen war. »Der Weise Imperator hat beschlossen, uns heimkehren zu lassen. Falls du mich zurückhaben möchtest.«
Er schrieb noch zwei weitere Versionen des Briefes und gelangte dann zu dem Schluss, dass er ihn nicht weiter verbessern konnte. Er erinnerte sich daran, dass es ein Brief nach Hause sein sollte, kein literarisches is
Me terwerk (was Lydia aber nicht daran hindern würde, seine Grammatik zu korrigieren). »Bis bald. In Liebe. Sullivan.«
41
Sullivan sammelte die Diamantfilme ein und machte sich auf die Suche nach Kolker. Er wollte den einsamen grünen Priester erreichen, bevor all die anderen Hanse‐Techniker ihre Briefe nach Hause schickten. Kolker würde die Worte dem Schössling vorlesen, wie ein Telegrafist, der eine Mitteilung weitergab. Ein anderer grüner Priester würde den Brief empfangen und ihn an Lydia weiterleiten. Sullivan wäre gern zugegen gewesen, um ihre Reaktion zu sehen.
In einem der vielen Gärten des Prismapalastes saß Kolker mit überkreuzten Beinen und allein auf einer glänzenden Steinplatte, direkt im Sonnenschein.
Eine der sieben Sonnen leuchtete nicht mehr, aber die anderen sechs strahlten zu hell für Sullivan, obwohl er sich inzwischen ans Blinzeln gewöhnt hatte. In den offenen Händen hielt Kolker ein spiegelartiges prismatisches Medaillon, eine Scheibe mit Zeichen am Rand. Wenn er sie bewegte, kam es zu bunten Reflexen.
Der grüne Priester wirkte besorgt, als Sullivan ihn grüßte und bat, den Brief an Lydia auf die Erde zu schicken. »Ich versuche es natürlich, aber ich weiß nicht, ob es etwas nützt. Dem einzigen grünen Priester auf der Erde ist nur selten Kontakt mit seinem Schössling gestattet. Er steht im Flüsterpalast unter Arrest.«
»Warum sollte der Vorsitzende seinen grünen Priester isomeren?«
»Wegen der Regierungskrise.«
Sullivan nahm neben Kolker auf der Steinplatte Platz und versuchte, es sich bequem zu machen. »Was für eine Regierungskrise? Offenbar gibt es Neuigkeiten, von denen ich noch nichts weiß.«
Kolker erklärte die jüngsten Entwicklungen, nicht widerstrebend, aber ohne Interesse an diesen Angelegenheiten. Er erzählte von König Peters Flucht und der Konföderation, wies auch darauf hin, dass die grünen Priester ihre Kommunikationsdienste der Hanse verweigerten.
»Welch ein Durcheinander! Als ob die Droger nicht schon 42
schlimm genug wären. Warum haben Sie mir nichts davon gesagt?«
»Es erschien mir nicht wichtig.«
Sullivan merkte, dass sich der grüne Priester irgendwie verändert hatte.
Früher war er sehr redselig gewesen und hatte den größten Teil seiner Zeit in Verbindung mit dem Weltwald verbracht. »Es überrascht mich, dass Sie nicht die ganze Zeit über in den Dachgärten sind und dort durch den Schöss‐
ling mit Ihren Freunden sprechen, den anderen grünen Priestern.«
Kolker zuckte mit den Schultern. »Was mir früher so viel Freude bereitete, übt jetzt keinen Reiz mehr auf mich aus. Es ist so, als wären mir Scheuklappen von den Augen genommen worden. Wo ich zuvor eine einfache Mahlzeit gesehen habe, erkenne ich jetzt ein ganzes Bankett, doch ich darf davon nur den gleichen kleinen Teil wie vorher probieren.« Er neigte das Medaillon, und buntes Licht blitzte Sullivan entgegen, veranlasste ihn, sich die Augen abzuschirmen. »Habe ich Ihnen von Tery'ls Bestattung erzählt?«
»Meinen Sie den alten Mann aus dem Linsen‐Geschlecht, der Ihnen von der Lichtquelle erzählt hat? Nein. Ich wusste gar nicht, dass er ein so guter Freund von Ihnen war.«
»Man legte Tery'l auf eine Plattform aus undurchlässigem Stein, im Innern eines sogenannten Glanzariums. Ildiraner des Salber‐Geschlechts brachten Fokussierspiegel an und drehten die Kremationslinsen. Das gebündelte Licht der Sonnen verbrannte ihn in nur einer Sekunde. Es war wundervoll und hell, vergleichbar mit der Aufnahme eines grünen Priesters in den Weltwald. Ich wusste genau, dass mein Freund Teil der Lichtquelle geworden war. Es ist ein riesiges Speziesgespinst, das Menschen nicht sehen können. Ildiraner stehen sich viel näher als wir. Sie sind eins, während Menschen voneinander getrennt bleiben, wie Milliarden von Inseln eines Archipels.«
lker blickte
Ko
auf das glänzende Medaillon hinab. »Von Tery'l erfuhr ich, ss
da der Telkontakt nicht so umfassend ist,
42
wie ich dachte. Nur grüne Priester können sich mit dem Bewusstsein der Verdani verbinden, aber das Thism umfasst das ganze ildiranische Volk. Ich möchte Teil davon sein.«
»Ein Mensch kann ebenso wenig zu einem Ildiraner werden wie ein Pferd zu einem Adler«, sagte Sullivan.
»Trotzdem habe ich vor, von Ildiranern des Linsen‐Geschlechts zu lernen, bis ich die Wahrheit kenne. Der Weise Imperator hat uns gestattet, diese Welt zu verlassen, aber ich bleibe hier.«
12 # TASIA TAMBLYN
Keine Dusche war jemals so wundervoll gewesen, keine Mahlzeit hatte besser geschmeckt, keine Kleidung sich so gut auf der Haut angefühlt. Tasia lebte, ebenso Robb, und sie befanden sich nicht mehr in der Gefangens f
cha t
der Hydroger.
Robbs Vater hatte die von Jess befreiten Gefangenen an Bord seines TVF‐
Schiffes genommen und fortgebracht. Nachdem sie im nächsten Außenposten der Hanse medizinisch behandelt worden waren, hatte Conrad Brindle darauf bestanden, dass sein Sohn mit ihm heimkehrte. Und Tasia war nicht geneigt gewesen, sich noch einmal von ihrem Fre n u d und
Geliebten trennen zu lassen.
Sie und Robb genossen abwechselnd den Luxus der hygienischen Einrichtungen des Schiffes. Als Robb sauber war und eine frische Uniform trug, sah er noch immer ziemlich wild aus mit seinem dichten Bart und dem Haar, das während der mehrjährigen Gefangenschaft viel zu lang gewo n
rde
war.
Tasia hatte sich längst an die TVF‐Vorschriften gewöhnt und wusste, dass ihr eigenes Haar ebenfalls zu lang war. Und so bearbeiteten sie sich ge nse
ge
itig mit der Schere. Zuerst war es nur eine Aufgabe, und dann wurde ein Spiel daraus. Anschlie
43
ßend entfernte Tasia Robbs Bart und freute sich darüber, wieder das glatte junge Gesucht des Mannes zu sehen, in den sie sich verliebt hatte.
Als sie zum Cockpit gingen und Conrad das Ergebnis ihrer Bemühungen zeigten, dauerte es eine Weile, bis er lächelte. »Ich werde euren TVF‐Akten den Hinweis hinzufügen, dass keiner von euch als Friseur zum Einsatz kommen sollte.«
»Seit drei Jahren habe ich nicht mehr so gut ausgesehen!«, sagte Robb.
»Das Traurige daran ist: Ich glaube dir!«
Als sie zur Hanse zurückkehrten, um sich bei ihren vorgesetzten Offizieren zu melden, hoffte Robb darauf, Antwort auf die Fragen zu finden, die ihn beschäftigten. Tasia wollte vor allem wissen, was mit ihrer Familie geschehen war. Seit Beginn ihres Dienstes in der Terranischen Verteidigungsflotte hatte sie kaum mehr Kontakt zu den Clans gehabt. Nach dem, was die TVF mit den Roamern angestellt hatte ‐ und auch mit ihr ‐, hielt sie von den Streitkräften der Erde nicht mehr viel.
Tasia rief Navigationsdiagramme auf einen Bildschirm, wies den Computer an, den gegenwärtigen Kurs einzublenden, und stellte fest, dass er nahe am Eismond Plumas vorbeiführte. »Dort befinden sich die Wassermine iner
n me
Familie. Es liegt direkt am Weg. Sie können mich absetzen.«
»Ihre Pflicht liegt bei der TVF, Captain Tamblyn«, sagte Conrad Brindle.
»Unsere derzeitige Aufgabe besteht darin, uns auf der Erde zu melden, r
ode
beim nächsten offiziellen Außenposten.«
»Ich bin so lange fort von der TVF, dass ich gar nicht mehr wei m
ß, bei we
ich mich melden soll«, sagte Robb.
»Ich weiß es ebenso wenig«, fügte Tasia hinzu. »Es geht hier um meine Familie.« Sie neigte den Kopf und sah Robbs Vater so an, als wäre er ein neuer Rekrut. »Meine Uniform mag ein bisschen zerknittert sein, aber ich k
be leide einen höheren Rang als Sie, Lieutenant Commander ‐ wenn Sie es darauf ankommen lassen wollen.«
44
Conrad wirkte aufgebracht, aber Robb griff ein und beruhigte seinen Vater.
»Was macht es schon, wenn wir hier anhalten und einige Stunden oder einen Tag verlieren? Die Droger sind geschlagen, und wir haben s ei un
n
bisschen Ruhe verdient.«
Conrad schien nicht recht zu wissen, welchen Platz in seiner ganz persönlichen Hierarchie er Robb und Tasia einräumen sollte. Sie waren jünger als er, und ihr Verhalten wich erheblich von der Disziplinnorm der TVF ab. Schließlich gab er nach. »Ich weiß es zu schätzen, dass Sie zu uns kamen, als meine Frau und ich Robb für tot hielten, Captain Tamblyn. Und Ihr Bruder Jess ... hat mich über viele Dinge aufgeklärt. Er ließ keinen Zweifel daran, was er von den Einsätzen der TVF gegen die Roamer hält.
Und vielleicht hat er recht damit. Also schön, wir machen einen kleinen Abstecher.«
Mit ihrer Entscheidung für den Dienst in der TVF hatte sich Tasia praktisch von ihrer Familie isoliert. Viele Jahre war sie nicht zu Hause gewesen, auch nicht als ihr Vater starb; und Jess hatte sich ohne ihre Hilfe um die Wasserminen kümmern müssen. Jetzt freute sie sich auf die Heimkehr, war aber auch ein bisschen nervös. Zu Hause. Im Denken der Roamer hatte dieses Konzept keinen festen Platz.
Einen Tag später, als sie Plumas erreichten, regten sich ungute Gefühle in Tasia. Conrad schwenkte in die Umlaufbahn des Einsmonds, akti i v erte die
Scanner und hielt nach Anzeichen von Industrie und Besiedlung Ausschau.
Tasia sah sich hochauflösende Bilder an, die ihr das Wrack eines Frachtschiffs und die Schachtzugänge zeigten, an denen Schiffe einst Wasser getankt hatten. Eigentlich hätte dort unten reger Verkehr herrschen müssen, doch sie sah nur zwei kleine gelandete Schiffe und nicht mehr als drei der großen Wassertanker, die der Stolz des Ta lans
mblyn‐C
gewesen
waren. »Shizz, mit den Minen scheint es ziemlich bergab gegangen zu sein.«
Sie landeten, zogen Schutzanzüge an und stapften über das 45
Eis, in dem sich die Gleiskettenabdrücke schwerer Maschinen zeigten. Nach kurzer Zeit erreichten sie die Pumpstation. Robb folgte Tasia und konnte es gar nicht abwarten, den Ort zu sehen, von dem sie ihm so oft erzählt hatte.
Sein Vater hingegen blieb reserviert; Conrads Stimme drang nur selten aus den Kom‐Lautsprechern in den Helmen.
Tasia musste drei Liftschächte überprüfen, bis sie einen Weg durch das kilometerdicke Eis fand. Sie schwieg und gab sich ruhig, doch ihre Sorge wuchs immer mehr. Als sich tief unten die Lifttür öffnete, klappte Tasia ihr Visier hoch. Zwei dunkle Flecken markierten die Stellen, an denen künstliche Sonnen in der Eisdecke installiert gewesen und heruntergefallen waren. Das Licht der einen übrig gebliebenen Sonne reichte nicht aus, um das ganze kalte Gewölbe zu erhellen. Scharfkantige Brocken hatten sich aus der Eiskruste gelöst, waren im dunklen Meer versunken und hatten finstere Risse hinterlassen.
»Es ist dein Zuhause, Tamblyn. Sag du mir, ob das hier normal ist.« Robb sah sich um. Ein großer Generator lieferte elektrischen Strom für die L
pe
am n an
den isolierten Gebäuden. »Hallo? Ist hier jemand?«
Überraschte Stimmen kamen aus einer der Hütten, und drei Männer stürzten nach draußen. Ihre Gesichter brachten Tasia zum Lachen hr seid
. »I
mir ja ein tolles Verteidigertrio!«
Caleb schnappte nach Luft. »Tasia! Meine Güte, Mädchen, wo hast du gesteckt?«
Ein wenig umständlich wegen des Schutzanzugs umarmte sie einen nach dem anderen und setzte den Helm aufs Eis. »Als ich Plumas verließ, war die Mine in einem wesentlich besseren Zustand. Ich sollte euch auf e
der Stell
entlassen. Dies ist noch immer das Unternehmen meiner Familie.«
nserer
»U
Familie«, sagte Torin. »Wir gehören alle zum T
‐Clan.«
amb‐lyn
»Erfahren wir irgendwann, was geschehen ist?«, fragte Conrad.
45
Die drei Brüder warfen einen argwöhnischen Blick auf die TVF‐Uniformen.
Tasia griff nach Calebs knochigem Arm. »Du solltest uns in eine der warmen Hütten einladen, uns eine leckere Mahlzeit anbieten ‐ oder zumindest irgendein Fertiggericht ‐ und mir Bericht erstatten.«
In der Hütte, nachdem sie sich einander vorgestellt hatten, erzählten die drei Männer den Besuchern, dass ein verdorbener Wental von Karla Tamblyns Leiche Besitz ergriffen, Andrew Tamblyn getötet und die Wassermine zerstört hatte. Die drei Brüder verdankten ihr Überleben nur dem gerade noch rechtzeitigen Eingreifen von Jess und Cesca. Tasia hörte sich alles sprachlos an. Ihre Mutter? Die Frau hatte schon erstarrt in einer tiefen Eisspalte gelegen, als Tasia ein kleines Mädchen gewesen war. Sie erinnerte sich daran, wie Jess die menschlichen Gefangenen aus der Gewalt der Droger befreit hatte, und deshalb zweifelte sie nicht an der Geschichte.
Wie viel während ihrer Abwesenheit geschehen war! Robb spürte ihr Unbehagen und rieb Tasias Schultern. Dankbar berührte sie seine Hand.
Conrads Interesse galt vor allem praktischen Dingen. »Haben Sie Neuigkeiten über die Hanse? Was ist seit
erlage der Hyd
der Nied
roger
geschehen? Uns ist das eine oder andere zu Ohren gekommen...«
»Widersprüchliche Geschichten«, warf Robb ein.
Wynn lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und runzelte die Stirn. »Beim Leitstern, niemand weiß genau, was passiert ist. Angeblich stellen die Droger kein Problem mehr dar, was bedeutet, dass wir wieder im großen Stil Himmelsminen betreiben können. Und das bedeutet: Schon bald werden die Clans große Wasserlieferungen brauchen. Aber seht euch das Chaos ier
an!«
»Ja, mit den Himmelsminen kann es wieder losgehen, aber wer weiß, was angesichts der großen Regierungskrise aus den oamern wird?«, fügte Caleb hinzu. »Ich bleibe hier und ver‐
dnun
uche, alles in Or
g zu bringen, bis sich
dort draußen die ge beruhigt.«
»Was für eine Regierungskrise?«, fragte Tasia.
Conrad wandte sich seinem Sohn zu.
m
»Wir müssen so schnell wie öglich
zur Erde zurück.«
»Oh, ich meine nicht die Erde«, sagte Torin. »Theroc ist jetzt das Regierungszentrum; von dort aus wird die neue Konföderation verwaltet.
König Peter und Königin Estarra haben die Hauptstadt dorthin verlegt, damit die Roamer‐Clans, Hanse‐Kolonien und Theronen in
eine geme same
Regierung bilden konnten.«
»Wurde auch Zeit, dass es richtig gemacht wird«, brummte Wynn.
»Was ist mit General Lanyan und dem Vorsitzenden Wenzeslas?«, fragte Conrad.
»In letzter Zeit hat niemand viel von der Erde gehört«, sagte Torin. »Sie ist an den Rand der Ereignisse geraten, seitdem alle wichtigen Ents dung
chei
en
auf Theroc getroffen werden.«
»Unterdessen sind wir hier damit beschäftigt, wieder einigermaßen Ordnung zu schaffen. Damit müssen wir drei ganz allein fertig werden. Wir können erst dann neue Arbeitsgruppen hierherholen, wenn alles zusammengeflickt ist.« Caleb hob die Brauen. »Wenn du bleiben möchtest, Tasia ... Arbeit finden wir hier genug für dich: Instandsetzung der Gebäude, Reinstallation der Pumpen, Reparatur der Liftschächte und so weiter. Du hättest einen sicheren Arbeitsplatz.«
Tasia fühlte sich in Versuchung geführt, und Robb schien ebenfalls bereit zu sein, auf Plumas zu bleiben. Doch Conrad versteifte sich. »Wir gehören noch immer zur Terranischen Verteidigungsflotte. Die Pflicht verlangt von uns, dass wir zurückkehren, um Bericht zu erstatten und neue Befehle ent‐
gegenzunehmen.«
Tasia wandte sich mit einem entschuldigenden Nicken an ihre Onkel. »Er hat recht.« Sie gab Robb keine Gelegenheit, Einwände zu erheben, als sie hinzufügte: »Wir sollten uns auf den Weg nach Theroc machen, um uns bei König Peter zu melden.«
47
# PATRICK FITZPATRICK III.
Die Gypsy wanderte zwischen den Sternen, während ihr Pilot versuchte, irgendeinen Hinweis zu finden. Das Ekti in den Tanks der »ausgeliehenen«
Raumjacht ging allmählich zur Neige, und deshalb hoffte Patrick Fitzpatrick, dass er bald eine Spur von Zhett entdeckte.
Er wollte sie unbedingt wiedersehen, sich entschuldigen und beweisen, dass er nicht der Idiot war, für den sie ihn vermutlich hielt. Eine echte Herausforderung! Er hatte sie getäuscht, damit seine Kameraden und er selbst fliehen konnten, und dadurch waren die Werfen des Kellum‐Clans fast zerstört worden. Darüber ging Zhett bestimmt nicht einfach hinweg.
Und es gab noch viele andere Dinge, die sie ihm zur Last legen konnte.
Die am ehesten infrage kommenden Orte hatte Patrick bereits besucht: die Ruinen von Rendezvous, die aufgegebenen Kellum‐Werften in den Ringen von Osquivel, den Gasriesen Golgen. Jetzt ging er einem vagen Tipp nach und näherte sich einem stürmischen Planeten namens Constantine III. Die grüngraue Welt sah nicht vielversprechend aus und war gewiss kein Ort, den ein Mitglied der reichen Fitzpatrick‐Familie normalerweise besuchte.
Doch die unangenehme Umgebung schreckte Roamer nicht a erig
b ‐ schwi
e
Dinge schienen sie regelrecht anzulocken.
Als ihm klar geworden war, dass die Hanse Roamer als Sündenböcke benutzte, hatte Patrick von der TVF die Nase voll gehabt und sich mit der Raumjacht seiner Großmutter auf den Weg gemacht. Wenn man es genau nahm, konnte man ihn als Deserteur bezeichnen, aber er selbst sah die Sache anders. Er hatte seine Pflicht der Terranischen Verteidigungsflotte gegenüber erfüllt und wollte nicht noch einmal der korrupten Hanse dienen, er Regierung, die lo
ein
g und die Rechte anderer missachtete, um zu
bekommen, was sie wollte, einer Regierung,
47
die vor allem sich selbst schützte und Unschuldigen die Verantwortung zuschob. Patrick verdankte den Roamern sein Leben und fühlte sich ihnen daher verpflichtet. Deshalb war er aufgebrochen, um Del Kellums dunkelhaarig Toch
e
ter zu suchen. Das Problem: Weder sie noch di
en
e ander
Roamer wollten gefunden werden.
Als Patrick die Gypsy in den Orbit von Constantine III gesteuert hatte und mit den Sensoren Ausschau hielt, fand er weder Satelliten noch Raumschiffe und auch keine Anzeichen von industrieller Aktivität. Doch ein Scan der Frequenzen führte zur Entdeckung eines schwachen Signals, das sich in regelmäßigen Abständen wiederholte. Daraufhin brachte Pat‐rik sein kleines Schiff tiefer.
Das Signal gewann an Intensität, als er sich näherte. Es schien mit Absicht so beschaffen zu sein, dass es bis zur äußeren Atmosphärenschichten fast seine ganze Energiestärke verlor. Ein Pilot musste gezielt danach suchen, um es zu finden. Der oszillierende Impuls übermittelte keine Informationen, teilte Patrick nur mit, dass es dort unten jemanden gab. Zweifellos Roamer.
Patrick fand eine kleine, mit Gas gefüllte Boje, die keine Antigravitation oder Manövrierdüsen benötigte, um in einer bestimmten Höhe zu schweben. Er hielt die Gypsy neben der Boje an und entdeckte ein zweites schwaches Signal, dem er zu einer anderen Boje folgte, und auf diese Weise ging es wei‐
ter. Die Bojen waren wie eine Spur aus Brotkrumen durch die Atm h
osp äre,
die zu einer Siedlung auf der unwirtlichen Oberfläche führte.
Starker Wind wehte, und die Luft war ein Durcheinander aus grünen Schwaden, als Patrick zur Landung ansetzte. Kurz darauf ertönte der Annäherungsalarm, woraufhin er die Raumjacht scharf nach links steuerte und im letzten Augenblick einer mobilen Plattform auswich, die mit Kabeln a der Oberf
n
läche einen halben Kilometer weiter unten verankert war.
Überrascht brachte er sein Schiff näher an die Siedlung heran 48
und staunte über die vielen künstlichen Objekte in der Luft: riesige, gewölbte Platten, bunte Überwachungsballons und auf der einen Seite lange Maschenschirme, die an Pfählen befestigt waren und sich im Wind bewegten.
Inzwischen hatte ihn bestimmt jemand bemerkt. Patrick öffnete einen Kommunikationskanal. »Ein ziemlicher Hindernisparcours.
llo?
Ha
Ich
könnte ein Leitsignal für Ihre Landeplattform gebrauchen.«
Eine mürrisch klingende Frau antwortete ihm. »Wir sind eine Industrieanlage, keine Touristenstation. Wer hierherkommt, weiß o er
, w
landen kann.«
»Nun, ich bin hier, und ich weiß nicht, wo ich landen soll. Ich bin ein unabhängiger Pilot und suche nach Informationen.«
»Wir haben vielleicht Informationen, wenn Sie mit neuen Nachrichten dafür bezahlen können.«
»Abgemacht. Ich sage Ihnen, was ich weiß ...« Patrick riss das Schiff zur Seite, um einer weiteren treibenden Plattform auszuweichen. »Lieber Himmel!«
»Seien Sie vorsichtig! Wenn Sie einen unserer Zeppeline oder eins der Sammelnetze beschädigen, müssen Sie dafür bezahlen! Bis auf den let zten
Heller!«
»Dann weisen Sie mir den Weg durch dieses Labyrinth!« Patricks Hände schlossen sich so fest um die Kontrollen, dass die Knöchel weiß hervortraten.
»Schalten Sie Ihre Sensoren auf Infrarot.« Die Frau nannte eine Wellenlänge, und plötzlich bemerkte Patrick Scheinwerfer. Spezielle Leuchtmarkierungen an den fliegenden Objekten, Platten und Maschenschirmen wirkten wie Fanale. Patrick seufzte erleichtert und konnte ihnen nun mühelos ausweichen.
Die kastenförmigen Objekte auf dem Boden waren vermutlich aus dem Orbit abgeworfen worden und mithilfe von Antigravmodulen gelandet. Ein Kreis aus blinkenden Lichtern kennzeichnete die Landezone. »Landen Sie erhalb des
inn
Kreises. Verlassen Sie das Schiff erst, wenn wir Sie dazu auffordern.«
49
Patrick steuerte die Gypsy in die Hangargrube, und über ihm schloss sich das Dachsegment. Pumpen summten und brummten, entfernten alle giftigen Gase. Dampf zischte aus Hochdruckdüsen und strich über die Außenhülle der Raumjacht, gefolgt von diagnostischen Laserstrahlen. Die Roamer hatten diese Dekontamination auf eine schnelle Routine reduziert, und Patrick vermutete, dass außerdem ein gründlicher Scan stattfand, um festzustellen, ob sich irgendwelche gefährlichen Dinge an Bord fa be
n.
nde
Vakuumröhren saugten schließlich die Dampfschwaden aus dem Hangarraum, und daraufhin erhielt Patrick die Erlaubnis, die Gypsy zu verlassen. Die mürrische Frau begrüßte ihn und stellte sich als Andrina Sachs vor: eine kleine, zierliche Frau, die so gar nicht zu der tiefen Stimme zu passen schien. Sie hatte ein elfenartiges Gesicht, platinblondes Haar, mandelförmige grüne Augen und ein sehr sachliches Gebaren. »Wie lange wollen Sie Ihr Schiff hier parken?«
Ihre Schroffheit verblüffte Patrick. »Ich hatte nicht vor, für Woche ein
eine
Doppelzimmer zu mieten, wenn Sie das meinen.«
»Ich frage nach der Umschlagszeit. Wir haben nur zwei solche Hangargruben, und in der anderen befindet sich ein Schiff des Sandoval‐
Clans. Wir brauchen noch sechs Stunden, um es zu beladen, und in fünf Stunden trifft ein anderes Schiff ein.« Sie runzelte die Stirn. »Allerdings wird es von Nikko Chan Tyler geflogen, der nicht gerade für seine Pünktlichkeit bekannt ist.« Andrina schien von Patrick zu erwarten, dass er den berühmten ‐ und vielleicht auch berüchtigten ‐ Roamer‐Piloten kannte.
»Zwei Stunden sollten genügen«, sagte Patrick. »Ich suche jemanden, und je eher ich Hilfe bekomme, desto schneller mache ich mich wieder auf den Weg.«
Ein Konsortium aus den Clans Sachs, Tokai und Rajani leitete die Anlage auf nstan
Co
tine III, und seit kurzer Zeit kamen Investoren von fünf ehemaligen Hanse‐Kolonien hinzu. Als ein
49
Zeichen von Gastfreundschaft bekam Patrick von Andrina einen Teller mit grüner, gallertartiger Masse, die sie »primordiale Suppe« nannte, und hinzu kam köstliches konserviertes Medusenfleisch (was auch immer da w s ar)
von Rhejak, einem der neuen Investoren.
Die protoorganischen Wolken des Planeten enthielten lang‐kettige Moleküle, dünne Aerosole, die in hauchzarten Strängen umherschwebten und ungewöhnliche Strukturen bildeten wie Kugeln aus fast unsichtbaren Fäden.
»Diese Aerosol‐Polymere können in einem chemischen Laboratorium nicht hergestellt werden.« Andrina klang so, als hätte sie diesen Vortrag schon oft möglichen Investoren gehalten. »Mit Fangschirmen filtern wir sie aus der Luft, sammeln sie auf breiten Matten und ernten die Fasern. Nach dem Sor‐
tieren verarbeiten wir sie entweder direkt oder experimentieren mit neuen
>Aromen<. Ich schätze, derzeit nutzen wir nicht einmal zehn Prozent des Potenzials der draußen herumfliegenden Fäden.«
Indem sie die Schirme an den Pfählen hoben und senkten, sammelten die Roamer Fasern mit unterschiedlichen Molekulargewichten. Bei den mobilen Zeppelinen handelte es sich um Sammelsäcke, die durch die Atmosph re ä
glitten und bestimmte chemische Substanzen aufnahmen.
»Die Möglichkeiten für neue Materialien, Pharmazeutika, ausgefallene Textilien und sogar Anwendungen im Bereich der Architektur ...« Andrina zuckte mit den schmalen Schultern. »Nur unsere Phantasie setzt uns Grenzen.«
Von einem Beobachtungsraum aus sah Patrick, wie die Filtermatten das Verarbeitungszentrum erreichten. Die flaumigen Substanzen wurden vorsichtig von den Kollektoren gekratzt, dann sortiert und in verschiedenen Behältern untergebracht. Die Arbeit war größtenteils automatisiert, aber einige Roamer in Schutzanzügen überwac
n in den m
hten die Anlage
it exoti‐
en M
sch
aterialien gefüllten Räumen.
Andrina wandte sich ihm zu. »Das war die Verkaufstour, 50
Captain. Jetzt wissen Sie über diesen Ort, was jedem potenziellen Kunden bekannt ist. Aber Sie sprachen davon, auf der Suche zu sein.«
»Ja«, bestätigte Patrick. »Und ich kann mit Hanse‐Krediten für Ihre Hilfe zahlen.«
Andrina schnaubte abfällig. »Hanse‐Kredite? Wissen Sie nicht, dass die hier draußen praktisch wertlos sind? Die Konföderation bringt bald eine eigene Währung heraus. Und außerdem: Selbst vor der gegenwärtigen Regierungskrise hat uns Roame n
r das Geld der Hanse kaum etwas genützt.
Wir waren abgeschnitten.«
»Mehr habe ich nicht zu bieten.«
»Hatten Sie nicht Nachrichten versprochen?«
Ohne einen Hinweis auf seine Identität erzählte Patrick von der schrecklichen Revolte der Soldaten‐Kompis, der Schlacht mit den Hydrogern und dem dabei errungenen Sieg. Andrina schien recht beeindruckt zu sein, und deshalb fügte er rasch hinzu: »Ich hoffe, Sie können ein wenig Ekti entbehren. Ich weiß, dass die Vorräte knapp sin ...«
d
»Oh, wir haben reichlich Ekti. Von unseren Himmelsminen kommen die Lieferungen schneller, als wir das Zeug verbrennen können.« Andrina überlegte. »Wenn Sie bereit sind, einen Haufen Geld zu bezahlen, nehmen wir Ihren Hanse‐Zaster. Vielleicht können wir die Kreditbriefe umtauschen, sobald König und Vorsitzender ihren Zwist beigelegt haben.« Sie schnaubte erneut und machte damit deutlich, was sie davon hielt. Dann warf sie einen Blick auf ihr Chronometer. »Nur noch eine Stunde, bis wir die Hangarg e
rub
erreichen. Schluss mit der Tour. Sagen Sie mir, was Sie suchen.«
»Ich bin auf der Suche nach dem Clan Kellum, Del Kellum und ...« Patrick wandte sich halb ab, damit Andrina nicht sah, wie er errötete. »... und nach der Tochter des Clanoberhaupts, Zhett. Ich ... habe in den Werften von quivel g
Os
earbeitet. Aber jetzt sind sie evakuiert, und ich weiß nicht, wohin die Clanmitglieder verschwunden sind. Ich bin verschiedenen 51
Hinweisen nachgegangen, die mich bis hierher nach Constan‐tine III brachten, und dabei habe ich fast meinen ganzen Vorrat an Treibst f o f für
den Sternenantrieb verbraucht.«
»Hierher zu kommen war nicht unbedingt ein Schritt in die richtige Richtung, aber Ihre Geschichte gefällt mir, und deshalb bekommen Sie Rabatt. Ich habe gehört, dass die Tiwis Osquivel angegriffen haben, doch wohin Del verschwunden sein könnte ... Keine Ahnung.« Andrina kratzte sich an der Schläfe und zuckte dann erneut mit den Schultern. »Wenn es mir um allgemeine Informationen über die Roamer ginge, würde ich nach Yreka fliegen. Dort befindet sich unser wichtigster Handels‐ und Verteilungskomplex. Jeder kommt früher oder später nach Yreka.«
Patrick lehnte sich auf seinem Metallstuhl zurück. »Yreka? Aber das ist e
ein
Hanse‐Kolonie, kein Roamer‐Stützpunkt.«
»Der Planet ist beides. Ich kann Ihnen Karten geben, wenn Sie möchten.«
»Nicht nötig. Ich bin schon einmal dort gewesen.« Patrick wollte sich nicht daran erinnern, was er damals getan hatte ‐ein weiterer Schandfleck in seiner Vergangenheit, von dem Zhett nichts wusste. Er fragte sich, ob sie ihm jemals verzeihen würde, wenn sie irgendwann alles über ihn erfuhr.
Vielleicht nicht, aber er musste einen Versuch wagen. »Danke. Es dürfte ...
interessant sein, dorthin zurückzukehren.«
14 # ZHETT KELLUM
Selbst mit einer Million Himmelsminen wäre es in der Atmosphäre des Gasriesen Golgen nicht eng geworden. Zhett verbrachte einen Tag nach dem anderen auf den offenen Decks der Kellum‐Anlage und genoss dort die hohen Wolken und den scharf riechenden Wind. Es gab jetzt keine Hydro ger
51
mehr in den Gasriesen, was bedeutete, dass die Clans wieder im großen Stil Ekti produzieren konnten. Allein im letzten Monat waren zwanzig w ere eit
Himmelsminen über Golgen in Betrieb genommen worden.
Zhett beobachtete, wie mit Treibstoff für den Sternenantrieb beladene Frachtschiffe fortflogen und Transporter mit Delikatessen und anderen Vorräten für die Roamer eintrafen. Als ihr kalt wurde, kehrte sie in den Kontrollraum zurück, wo ihr Vater die Aufsicht führte. Als einziges Kind war sie nach der Roamer‐Tradition seine Stellvertreterin, und Zhett nahm ihre Pflichten sehr ernst.
Im Kontrollraum herrschte rege Betriebsamkeit. Männer und Frauen saßen vor Bildschirmen, die die Flugbahnen innerhalb und außerhalb der Atmosphäre zeigten; Datenkolonnen wanderten durch separate Darstellungsfenster. Alles wie üblich. Da es so viele Himmelsminen über Golgen gab, mussten sie ihre Aktivitäten aufeinander abstimmen. Sie koordinierten den Abtransport des Treibstoffs und konkurrierten preislich miteinander.
Kellum sprach mit Repräsentanten anderer Minen und hob die Stimme, um sich Gehör zu verschaffen. »Früher oder später müssen einige von Ihnen zu anderen Planeten umziehen! Es hat keinen Sinn, alle unsere Ekti‐Fabriken und Raffinerien über einem einzigen Gasriesen zu stationieren. Warum sollten wir sie nicht im Spiralarm verteilen? Beim Leitstern, a n Gasriesen
herrscht kein Mangel! Lasst euch woanders nieder!«
»Aber Golgen war der erste von den Hydrogern befreite Gasriese«, sagte Boris Goff, Leiter einer Himmelsmine. »Wir alle haben viel investiert, als wir uns hier einrichteten. Wenn wir jetzt umziehen, dauert es Jahre, die Verluste auszugleichen.«
»Die Preise sinken, und dadurch haben wir nur zwei Möglichkeiten«, mmt
bru
e jemand. »Wir bleiben hier und gehen allmählich bankrott, oder wir ziehen um und machen dadurch noch mehr Schulden.«
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Del winkte Zhett herein. »Komm her, Schatz. Vielleicht kannst du diese ...
Herren zu Vernunft bringen.«
Zhett lächelte schelmisch. »Kein Problem, Vater. Welcher von ihnen ist der Unvernünftigste?«
Die grüne Priesterin Liona traf ein und wirkte inmitten der bunt gekleideten Roamer irgendwie fehl am Platz. Ihre smaragdgrüne Haut zeigte viele Tätowierungen, und sie trug einen Topf mit einem kleinen Baum. »Bitte entschuldigen Sie meine Verspätung.« Sie war an Bord dieser Himmelsmine stationiert worden, als Roamer, Theronen und Kolonisten die Zusammen‐
arbeit vereinbart hatten. Nach einigen Wochen in einer hauptsächlich aus Metall bestehenden Umgebung steckte sie noch immer voller Unruhe, denn sie war an Wälder und ein grünes Blätterdach gewöhnt. Auf Theroc sah man den Himmel nur, wenn man in den Wipfel eines hohen Weltbaums kletterte.
An diesem Ort war der Himmel ein ständiger Begleiter.
Manche Roamer vermieden es, Außenstehenden ‐ und dazu zählten sie auch grüne Priester ‐ zu viel von ihrer Organisation zu zeigen. Aber noch weniger gefiel es ihnen, von wichtigen Ereignissen erst zu erfahren, wenn es zu spät war. Liona konnte Nachrichten durch den Telkontakt weitergeben und anderen Clans Mitteilungen schicken. Als den Arbeitern diese Möglichkeit klar geworden war, hatten sie die arme Frau praktisch mit Anfragen überschüttet. Del hatte schließlich ein Prioritätensystem für zu übermittelnde Botschaften eingerichtet: »Zuerst das Geschäft und zum Schluss die Liebesbriefe.«
Liona erstattete ihren regelmäßigen Bericht und nannte sechs weitere Clans, die ihre Handelswaren auf Yreka anboten, und ein Dutzend Welten, auf denen es jetzt grüne Priester gab ‐ diese positive Entwicklungen verdankten sie König Peters neuem Programm und seiner klugen Regierung. Liona nannte die Menge an Ekti, die durch Barrymores Felsen d a
un
ndere abgelegene Depots verschifft wurde und mit jeder verstreichenden Woche wuchs. »Außerdem ist gerade eine 53
Gruppe aufgebrochen, die wieder Anspruch auf die Treibhaus‐Asteroiden der Chans im Hhrenni‐System erheben soll.«
Daraufhin erklangen zufriedene Stimmen.
»An großen Träumen und Zielen mangelt es nicht, wohl aber an gesundem Menschenverstand.« Del sah Zhett an. »Als du mit Nikko Chan Tyler gesprochen hast ... Hat er etwas in dieser Art erwähnt?«
»Es stand nicht ganz oben auf der Liste seiner Gesprächsthemen.« Nikko war in Zhetts Gesellschaft so nervös gewesen, dass er kaum einen Satz zusammenhängend herausbrachte, bevo
wieder na
r er
ch Worten suchen
musste. Für so einschüchternd hielt sich Zhett gar nicht.
»Worüber hat er sonst gesprochen, hmm?«
Ein Schatten fiel auf Zhetts Ges ht
ic . »Darüber sollten wir später reden,
Vater.«
»Verdammt, klingt interessant.«
Zhett warf ihm einen Blick zu, der ihn zum Schweigen brachte.
Als alle wichtigen Dinge geklärt waren, beendete Del die Besprechung, und die Chefs der anderen Himmelsminen drückten Liona rasch Zettel mit Mitteilungen in die Hand. Die grüne Priestern würde diese Nachrichten ihrem Schössling auf einem offenen Balkon vorlesen und alles durch den Telkontakt weitergeben.
Zhett und ihr Vater machten sich auf den Weg zum Mittagessen. »Manchmal habe ich all das Schwatzen und die Politik satt.« Del stellte sein Tablett neben das von Zhett. »Versteh mich nicht falsch. Ich liebe es, eine Himmelsmine zu betreiben, aber was mich daran vor allem reizt, ist die Einsamkeit über einem Planeten, der allein uns gehört.«
»Wir könnten unsere Mine in der Atmosphäre eines anderen Gasriesen unterbringen.«
u teuer. Wir
»Z
haben hier zu viel investiert.«
»Die anderen Himmelsminen hast d
h
u me rmals zum Umzug aufgeforde t.«
r
53
»Ja. Wir waren zuerst hier, verdammt.« »Ross Tamblyn war zuerst hier.«
Del nahm einen Schluck vom dampfenden Tee und wechselte das Thema.
»Ich habe über eine Expansion nachgedacht.«
»Über eine Expansion? Während du die anderen dazu bewegen willst, Golgen zu verlassen?«
»Ich meine nicht in Bezug auf Himmelsminen. Wir könnten unsere Werften schnell wieder in Betrieb nehmen. Wenn wir das nicht machen, greift jemand anders zu, und dann geht uns eine gute Verdienstmöglichkeit durch die Lappen.«
»Versuchst du mich zu überzeugen, Vater? Oder willst du mir etwas erklären, das du bereits beschlossen hast?«
»Drei unserer Raumdocks sind schon wieder in Position gebracht worden, und ich habe Arbeitsgruppen dorthin geschickt.«
»Wie willst du dich gleichzeitig um die Werften und um diese Himmels mine
kümmern? Du kannst nicht an zwei Orten zugleich sein.«
»Nun, eine Möglichkeit bestünde darin, dass du die Werften übernimmst...«
Zhett schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Das würde mich zu einer alten Frau machen, noch bevor ich fünfundzwanzig bin.«
»Für mich bleibst du immer ein kleines Mädchen.« Del lachte, Zhett nicht.
»Ich habe mit einer solchen Antwort von dir gerechnet und deshalb mit Denn Peroni gesprochen. Er ist ein recht guter Verwalter und hat genug davon, dauernd mit der Sturen Beharrlichkeit herumzufliegen. Er möchte der nächste Sprecher werden und in die Fußstapfen seiner Tochter tret .«
en
»Ich dachte, du hättest es selbst auf den Posten des Sprechers abgesehen, Vater.«
»Nein, danke. Da würde mi
s
ch zu einem alten Mann machen, noch bevor ich
fün i
fz g bin.«
»Du bist fünfzig.«
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»Aber ich sehe nicht danach aus, oder?« »Nein.«
»Die Abstimmung mit den anderen Minenbetreibern bereitet mir genug Kopfschmerzen. Wenn ich mich um alle Clans kümmern müsste, hätte ich nur noch schlaflose Nächte.« Del machte sich mit großem Appetit über seine Mahlzeit her. Zwischen einzelnen Bissen sagte er: »Jetzt erzähl mir, was zwischen dir und Nikko gewesen ist. Wann kehrt er zurück, um dich zu besuchen?«
»Keine Ahnung. Er war spät dran für einen Flug nach Cons‐tantine III.«
Nikkos Flirten war auf eine Weise umständlich, die zunächst reizend erschien, aber schnell lästig wurde. Er hatte nie gesagt, was er wollte, nie versucht, sie zu küssen. Ein pas
d unschlüssi
siver un
ger junger Mann war
nicht der Partner, nach dem Zhett suchte.
»Nun? Worüber habt ihr gesprochen?«
»Willst du die Wahrheit wissen, Vater? Wir haben darüber gesprochen, wie sehr er seine Eltern vermisst und welche Sorgen er sich um sie macht. Sie verschwanden, als die Tiwis die Hhrenni‐Treibhäuser angriffen. Niemand weiß, was aus ihnen geworden ist.«
Del nickte ernst. »In den nächsten Monaten werden wir viel erfahren, und nicht alle Nachrichten dürften gut sein. Bleib mit dem jungen Mann in Kontakt. Ich weiß, dass er sich in dich verliebt hat.« Zhett rollte mit den Augen, und Del kam der Antwort seiner Tochter zuvor. »Ich weiß, ich weiß.
Alle sind in dich verliebt. Aber er ist ein Kandidat, den du in Betracht ziehen solltest. Ich kann erst dann damit beginnen, meine Enkel zu verwöhnen, wenn du Kinder bekommst.«
»Dafür bin ich noch nicht bereit. An Liebe und dergleichen denke ich derzeit nicht.«
»Hast du das mit Patrick Fitzpatrick noch nicht überwunden?«
Es blitzte in Zhetts Augen. »Überwunden? Ich bin nie an ihm interessiert gewesen. Nie.«
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»Natürlich nicht, Schatz. Natürlich nicht.« Sein wissendes Lächeln nervte Zhett. Er stand auf, um das Dessert zu holen, aber Zhett verließ den Speiseraum, bevor er sie mit weiteren Fragen löchern konnte.
15 # DAVLIN LOTZE
Mit methodischer Präzision begannen die insektoiden Invasoren damit, das Getreide zu ernten, das die Llaro‐Kolonisten so liebevoll angepflanzt hatten.
Arbeiter schwärmten aus und nahmen sich alle Felder vor, ob das Korn nun reif war oder nicht, mähten und sammelten ein. Einige Bauern versuchten, ihre Anpflanzungen am Rand der Siedlung zu verteidigen, doch die Insektenwesen töteten sie einfach.
Die Klikiss machten keine Anstalten, das Getreide zu verzehren, verstauten es stattdessen in Behältern, die von überall in der schnell wachsenden Sta t d
umherrollenden offenen Fahrzeugen aufgenommen wurden.
Klikiss breiteten ihre Flügel aus und flogen zu den konischen Türmen, die die Konstrukteure errichtet hatten und weit über die Ruinen der alten Stadt aufragten. Der immer aufmerksame Davlin Lotze hatte damit begonnen, sich Notizen über die von den Klikiss eingesetzte Technik zu machen, aber er war nicht nahe genug herangekommen, um festzustellen, wie sie funktionierte.