»Wie sollen wir überleben?« Bürgermeister Ruis stand neben ihm; Sorge zeichnete sich auf seinem pummeligen Gesicht ab. »Wir werden verhungern! Das ist unsere einzige Nahrungsquelle.« Er sah einen Helden in Davlin, seit Lotze die Crenna‐Kolonisten vor ihrer sterbenden Sonne ge tte

re t hatte. Nach langen Jahren als Spion, Infiltrator und ehemalige Silbermütze hatte sich Davlin nur gewünscht, ein friedliches Le f

ben zu üh

55

ren, ohne die unangenehmen Missionen, mit denen er so oft von Basil Wenzeslas beauftragt worden war.

»Ich spreche mit Margaret Colicos«, sagte Davlin, ohne den Blick von den Klikiss abzuwenden, die sich über die Getreidefelder hermachten. »Sie kann mit diesen Geschöpfen kommunizieren.« Nach ihrem Transfer durchs Transportal war er sehr überrascht gewesen, als er von der Identität dieser Frau erfuhr. Vor einigen Jahren hatte ihm die Hanse den Auftrag gegeben, Nachforschungen in Hinsicht auf das Verschwinden des Archäologepaares auf Rheindic Co anzustellen. Erstaunlich, dass Margaret Colicos all die Jahre bei den Klikiss verbracht hatte!

Nachdem er Margarets Interaktionen mit den Insektenwesen beobachtet hatte, wollte Davlin die Toleranz der Klikiss selbst auf die Probe stellen. Vor zwei Tagen hatte er die Siedlung verlassen, sich auf einem Umweg den Klikiss‐Türmen genähert und dabei festgestellt: Solange er sich nicht einmischte, gingen die Insektenwesen ihrer Arbeit nach, als wär ie

e er für s

unsichtbar.

Ein scharlachrot gefärbter Krieger mit zahlreichen Stacheln und Dornen hatte ihn wachsam beobachtet, seine Flügel halb ausgefahren und die vorderen, an eine Gottesanbeterin erinnernden Gliedmaßen gehoben.

Davlin hatte sich weiterhin langsam bewegt und sich zurückgezog , a en ls der

Krieger unruhig geworden war.

Andere Klikiss hatten Höhlen gegraben und Generatoren aufgebaut, während Exemplare einer Subspezies ‐ von Margaret Wissenschaftler oder Denker genannt ‐ damit beschäftigt gewesen waren, die Wände der H

n

öhle

mit netzartigen Gleichungen zu bedecken.

Davlin wusste, an welcher Stelle in der alten Stadt sich das ursprüngliche Transportal befand. Wenn er die trapezförmige Felswand erreichte, konnte er auf eine andere Welt fliehen. Allerdings vermutete er, dass auch die rigen Welten des T

üb

ransportalnetzes Besuch von den Klikiss erhalten

hatten. Und

56

bestimmt erlaubten ihm die Insektenwesen nicht, sich dem Portal zu nähern. Er war längst damit beschäftigt, nach einer anderen Lösung zu suchen.

Davlin wandte sich an Ruis. »Fordern Sie die Leute auf, ihre Lebensmittelvorräte zusammenzupacken. Sie sollen die Lager leeren und alles verstecken. Noch haben es die Klikiss nicht auf unseren persönlichen Besitz abgesehen, aber ich fürchte, das wird früher oder später der Fall sein.

Bereiten wir uns besser auf das Schlimmste vor.«

»Sollten wir zu den Klikiss gehen und versuchen, mit ihrem Oberhaupt zu sprechen? Margaret kann das vielleicht.« Ruis sah Davlin an, als erwartete er von ihm, dass er sich freiwillig meldete. »Wir müssen auf diesem Planeten zusammenleben und die Ressourcen teilen. Es ist nur sinnvoll, wenn wir ...«

»Die Klikiss brauchen diese Welt mit niemandem zu teilen. Wir sind ihnen einfach gleichgültig ‐ bis wir ihnen in den Weg geraten, wie die TVF‐

Soldaten. Ich schlage vor, wir geben ihnen keinen Grund, uns zur Kenntnis zu nehmen.«

16 * GENERAL KURT LANYAN

Es war das größte Ersatzteillager der Galaxis. Die letzte Schlacht gegen die Hydroger hatte vom irdischen Orbit bis zur Umlaufbahn des Mondes Spuren hinterlassen. Trümmer Hunderter ildiranischer Kriegsschiffe schwebten zwischen zerstörten Kugeln der Hydroger und TVF‐Kampfschiffen, unter ihnen zwei Molochs, einer vernichtet, der andere schwer beschädigt.

Und Lanyan musste Ordnung schaffen. Die enorme Anzahl der zerstörten Schiffe und der Mangel an qualifizierten Piloten machten den Flug durch die fahre

Ge

nzone sehr gefährlich. »Manchmal hasse ich diesen Job«, brummte Lanyan, als sich

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sein Schiff einen Weg durch den kosmischen Schrottplatz suchte.

Für die Werften im Asteroidengürtel gab es mehr Arbeit als jemals zuvor.

Tausende von Schrotthändlern, Bergungsexperten und Recyclingspezialisten durchkämmten das Trümmerfeld auf der Suche nach Dingen, die »zum Wohle der Hanse« wiederverwertet werden konnten.

Gleichzeitig machten sie ein gutes Geschäft und füllten ihre Taschen.

Zwar hatte der Vorsitzende alle kampffähigen Raumschiffe zur Entscheidungsschlacht um Terra gerufen, aber viele Piloten und ihre Schiffe erschienen erst jetzt, als es die Bergungsarbeiten erlaubten, Geld zu verdienen. Feiglinge und Faulenzer! Lanyan biss die Zähne zusammen. Wo waren diese Leute gewesen, als sich die Terranische Verteidigungsflotte dem Feind gestellt hatte?

Sechs inoffizielle Schiffe waren bereits angehalten und aufgebracht worden, ihre Frachträume voll von Bergungsgut aus dem Trümmerfeld. Wichtige Ersatzteile wurden teuer auf dem Schwarzmarkt angeboten, und der Vorsitzende hatte ein hartes Durchgreifen angeordnet. Um ein Zeichen zu setzen, hatte man vier Männer vor Gericht gestellt, verurteilt und durch eine Luftschleuse ins All geschickt, ohne Schutzanzug ‐eine drakonische Strafe,

»Piraten« vorbehalten. Trotzdem: Die Trümmer waren über einen so weiten Bereich verstreut, dass die kriminellen Aktivitäten bestimmt weitergingen, wie Lanyan vermutete.

Unterdessen wurden TVF‐Schiffe so schnell wie möglich repariert und neue Schiffe aus Elementen gebaut, die von verschiedenen Einheiten stammten.

Das Ergebnis waren Raumschiffe, die wie Frankenstein‐Ungeheuer aussahen, aber es kam nur darauf an, dass Triebwerke und Waffen funktionierten; das äußere Erscheinungsbild spielte keine Rolle.

General Lanyan hatte gehofft, dass sich die Terranische Verteidigungsflotte gs

lan am und in Ruhe von ihren Verlusten erholen konnte, aber der Hanse drohte ein Bürgerkrieg gegen

57

den König und eine wachsende Anzahl von abtrünnigen Kolonien. Lanyan zweifelte nicht daran, dass es die Rebellen mit der Angst zu tun bekommen und rasch heimkehren würden, wenn die Hanse ihre Muskeln spielen ließ ‐

vor allem dann, wenn er seine Schlachtschiffe zurückbekam.

Als er sich dem Hauptbereich der Werften näherte, bemerkte er mit Gefahrenbojen markierte Zonen, die auf antriebslos treibende Trümmer hinwiesen. In Raumanzüge gekleidete Männer und Frauen arbeiteten mit Plasmaschneidern und hochenergetischen Werkzeugen, die Außenhüllen aufschnitten und Rumpfsegmente zerlegten. Tanker flogen wie große Moskitos aus Metall umher, verbanden sich mit Tanks und saugten Ekti‐

Reste ab ‐ es ging um jeden Tropfen des Treibstoffs für den Sternenantrieb.

Lanyan flog allein. Er war ein erfahrener Pilot, und angesichts der vielen Navigationsprobleme an diesem Ort konnte ein einziger Fehler zu einem schweren Zwischenfall führen. Es widerstrebte dem General, sein Leben irgendwelchen Untergebenen anzuvertrauen. Er identifizierte sich beim Anflug, und der sehr gestresst klingende Raumlotse wies ihm einen Ankunftssektor zu, überlegte es sich dann sofort anders und nannte neue Koordinaten. Lanyan wartete ungeduldig auf Bestätigung und steuerte sein Schiff dann in die entsprechende Richtung. Zwar arbeiteten diese Anlagen schon seit Jahren mit ihrer vollen Kapazität, aber jetzt waren sie mit noch größeren Anforderungen konfrontiert. Das Ergebnis bestand aus einer allgemeinen Unordnung, die den Eindruck erweckte, dass es prakt jeden

isch

Augenblick zu einer Katastrophe kommen konnte.

Lanyan hielt nicht viel von Beamten und Verwaltern, doch er brauchte jemanden, der gute administrative Fähigkeiten besaß und dieses Durcheinander organisieren konnte. Er hätte nie gedacht a

, d ss er Admiral

leib‐zu‐Hause«

»B

Stromo einmal vermissen würde...

Er dockte am großen, sich langsam drehenden Rad des Ver 58

waltungszentrums an, deaktivierte die Systeme des Schiffes und ging von Bord. Mit einer Blaskapelle bei seiner Ankunft hatte er nicht gerechnet, wohl aber gehofft, dass ihn jemand empfing. Lanyan machte sich sofort auf den Weg zum Kontrollzentrum und versuchte dabei, sich an die geringe Schwerkraft in der rotierenden Station zu gewöhnen. An den Wänden des großen Kontrollraums zeigten sich Dutzende von Bildschirmen und Kursdiagrammen. Überall saßen Raumlotsen, riefen Anweisungen und versuchten, Kollisionen zu verhindern.

Ein von einem zivilen Piloten geflogener Schlepper hatte sich mit einem halbwegs intakten ildiranischen Kriegsschiff verbunden. Der Schlepper war recht klein, hatte aber genug Schubkraft, um den Riesen zu bewegen. Er stabilisierte das große Schiff erst, zog es dann in Richtung der Werften. Lan‐

yan verglich ihn mit einer Ameise, die ein zwanzigmal so großes Blatt trug.

Doch der Pilot des Schleppers machte einen Fehler. Zwar gelang es ihm, dem ildiranischen Kriegsschiff genug Bewegungsmoment zu geben, um es auf Kurs zu bringen, aber er hatte die für das Bremsmanöver notwendige Ekti‐Menge falsch eingeschätzt ‐ in unmittelbarer Nähe der Werften ging ihm der Treibstoff aus.

Lanyan sah die Katastrophe kommen. »Hat der Pilot denn überhaupt keine Ahnung von Beschleunigung und Verzögerung? Das sind doch elementare Dinge!«

»Mayday!«, ertönte es aus den Ko

auts

m‐L

prechern. »Mein Treibstoff ist alle.

Ich kann nicht mehr manövrieren ...«

»Du bist erledigt«, brummte Lanyan.

Ein Schlepper verließ die Hangars, während das ildiranische Schiff auf einen abgesperrten Bereich zutrieb, der geborgene Triebwerksteile enthielt. Der Schlepper erreichte es rechtzeitig und gab lateralen Schub, doch eine Kollision ließ sich nicht mehr verhindern. Der erste Schlepper, dem der Treibstoff ausgegangen war, löste die Verb

en un

indung

d ließ sich treiben,

a st

n att sich mitziehen zu lassen.

»Jemand soll mich abholen!«, verlangte der Pilot.

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»Lasst ihn warten. Meine Güte, ich will gar nicht sehen, was jetzt geschieht.«

Doch Lanyan konnte den Blick nicht abwenden. Der zweite Schlepper gab erneut Schub, aber es war zu spät. Der erste Schlepper hatte neun Stunden lang beschleunigt, und einige wenige Minuten lateralen Schubs führten kaum zu einer Veränderung des Bewegungsmoments.

»Die Verbindungen lösen!«, rief einer der Raumlotsen. Der zweite Schlepper blieb noch einige Sekunden länger mit dem großen Schiff verbunden und gab es dann auf. Der ildiranische Riese setzte seinen Flug fort und pflügte durch den abgesperrten Bereich mit den Triebwerksteilen.

Lanyan schüttelte den Kopf und stöhnte. »Ein Haufen aus inkompetenten, unfähigen Dummköpfen! Und solche Leute sollen die Hoffnung der Erde sein?« Er freute sich nicht darauf, dem Vorsitzenden Bericht zu erstatten.

17 # NAHTON

Der grüne Priester war ganz allein auf der Erde.

Schon seit Wochen stand Nahton im Flüsterpalast unter Arrest, doch es war ihm gestattet, Nachrichten und Mitteilungen per Telkontakt zu empfangen, damit er sie an den Vorsitzenden weitergeben konnte. Aber Basil Wenzeslas begegnete Nahtons Berichten mit Misstrauen. Er hielt es nicht für möglich, dass sich so viele Kolonien für König Peter und gegen ihn entschieden.

Während eine automatische Anlage die theronischen Pflanzen neben dem im Topf wachsenden Schössling bewässerte, sah Nahton, wie Wenzeslas durch die bewachte Tür kam. Cap‐tain McCammon und zwei weitere g

An ehörige der königlichen Wache begleiteten den wie immer elegant gekleideten Vorsitzenden.

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Nahton wandte seinen Blick rasch von dem Captain ab. McCammon hielt von den Entscheidungen des Vorsitzenden ebenso wenig wie er, und zusammen mit Nahton hatte er König und Königin zur Fl o

ucht verh lfen.

Doch das wusste fast niemand.

»Ich habe beschlossen, großzügig zu sein, grüner Priester«, sagte Wenzeslas. »Zwar habe ich keinen Zweifel an Ihren Pflichten gelassen, aber trotzdem weigern Sie sich, meine Mitteilungen durch den Telkontakt weiterzugeben.«

Nahton hielt sich nicht damit auf, ihm zu widersprechen. Sie hatten diese Angelegenheit oft diskutiert. »Wollen Sie mich hinrichten lassen, Vorsitzender? Sehen Sie darin eine gerechte Strafe für die Weigerung, einer illegalen Regierung zu Diensten zu sein?«

»Peter ist die illegale Regierung.« Basil versuchte ruhig zu bleiben. »Ich will mich nicht mit Ihnen streiten und biete Ihnen eine letzte Chance. Eine letzte Chance, lassen Sie mich das betonen. Sie sollen eine Verlautbarung für mich weitergeben. Sie haben genug Proklamationen des Königs weitergeleitet ‐

geben Sie den Kolonien Gelegenheit, die Worte des Vorsitzenden zu hören.

Dann können sie ihre Entscheidungen auf einer besseren Grundlage treffen.«

Nahton sah sich das Dokument des Vorsitzenden nicht einmal an. »Ich kann Ihnen nicht helfen. Die grünen Priester sind sich einig: Es werden erst dann wieder Nachrichten von Hanse und TVF übermittelt, wenn Sie Ihren Rücktritt erklären und die Erde Teil der Konföderation unter der Regentschaft von König Peter wird.«

Basil legte das Dokument auf den Tisch neben dem Schössling. Er wartete, und Nahton wartete ebenfalls. Einige Minuten lang herrschte Stille.

Schließlich schnaubte Basil voller Abscheu. »Captain McCammon, bitte nehmen Sie den Schössling aus dem Besitz des grünen Priesters an sich.«

Nahton versteifte sich. »Der Schössling gehört mir und dem Weltwald. Sie haben kein Recht...«

60

»Ich bin der Vorsitzende. Dies ist die Erde. Das gibt mir jedes Recht.« Basil deutet a

e ufs Dokument. »Ich kann andere Anweisungen erteilen, sobald Sie sich bereit erklärt haben, das zu lesen.«

»Nein.«

Die beiden königlichen Wächter traten vor, um den Schössling zu nehmen, und Captain McCammon sagte wie beiläufig: »Sollen wir ihn in Kö ig n in

Estarras Gewächshaus unterbringen, Vorsitzender?«

Basil warf ihm einen verärgerten Blick zu, und Nahton begriff: Der Vorsitzende hatte nicht gewollt, dass er wusste, wo sich der Schössling befinden würde. »Postieren Sie zusätzliche Wachen vor dem Quartier des grünen Priesters. Und lassen Sie auch den Schössling bewachen.« Basil schniefte und sah Nahton kurz an. »Normalerweise bin ich nicht so str n e g,

aber Sie lassen mir keine Wahl.«

»Indem Sie mir den Schössling wegnehmen, ändern Sie nicht, was dort draußen im Spiralarm geschieht. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Sie noch schlechter informiert sein werden als vorher.«

McCammon und die Wächter gingen mit dem kleinen Baum fort. Nahton schaute ihnen hinterher und hörte die letzten Worte des Vorsitzenden nur mit halbem Ohr.

»Mit der Kontrolle von Informationen kontrolliere ich Meinungen, und mit r Kon

de

trolle von Meinungen lässt sich die Realität verändern.«

60

18 # VORSITZENDER BASIL WENZESLAS

Es war eine alberne Zeremonie, reine Zeitverschwendung, aber die leichtgläubige Öffentlichkeit verlangte sie. Zwar blieb Basil meistens hinter den Kulissen, doch er wusste, dass die Leute Paraden und Gedenkfeiern brauchten. Er hatte solche Ereignisse immer als Hebel benutzt, um die Bürger der Hanse anzuspornen, noch härter zu arbeiten und weitere Opfer hinzunehmen. Jetzt konnte der Vorsitzende nicht mehr König Peter oder Prinz Daniel auftreten lassen, sondern musste das selbst übernehmen. Basil kniff die Augen zu. Es gab nur noch so wenige Leute, auf die er sich verlassen konnte! Manchmal fragte er sich, warum er so hart arbeitete und sein Leben der Aufgabe widmete, all diese Menschen zu schützen, die seine Führung gar nicht verdienten.

Zusammen mit seinem Stellvertreter stand er am Rand des glasigen Kraters, der von der Kompi‐Fabrik übrig geblieben war ‐ er hatte sie zerstören lassen müssen, als die Roboter Amok gelaufen waren. Die vier überlebenden Gitter‐Admirale begleiteten ihn: Willis, Diente, Pike und San Luis. Auch General Lanyan war gekommen, um an der Zeremonie teilzunehmen.

Basil nahm seinen Platz auf dem Podium ein, und hinter ihm wehte das Banner der Terranischen Hanse. Dunkelblaue Fahnen mit der Sternenkette der TVF umgaben den Krater. Es war ein beeindruckendes Bild für die Zuschauer und Journalisten, doch Basil hatte noch immer das Gefühl, dass er und seine engsten Mitarbeiter sich diese Zeitverschwendung nicht leisten konnten. Vielleicht wäre es besser gewesen, die gut vorbereitet m

e Rede vo

Erzvater des Unisono halten zu lassen.

»Wir dürfen unsere Gefallenen nicht vergessen. Jene, die hier im Kampf ge n

ge die Soldaten‐Kompis starben, sind nur ein kleiner Teil der schmerzlichen Verluste, die wir im Krieg

61

erlitten haben. Uns wird das Herz schwer bei dem Gedanken, dass dies hier gewissermaßen nur die Spitze des Eisbergs ist. Die Soldaten, die hier gestorben sind, haben ihr Leben für die Hanse gegeben wie Tausende anderer. Und sie haben die Erde gerettet.

Jetzt ist es an der Zeit, dass auch wir Überlebende Opfer bringen.« Basil sah in die Imager und ließ den Blick übers Publikum schweifen. »Der Erde droht große Gefahr. Die Hydroger sind besiegt, aber Feinde umgeben uns, und zu ihnen gehören Verräter, die wir einst für Brüder hielten. Doch die Hanse kann wieder stark werden! Wir müssen die Kolonien zurückholen, die den falschen Weg beschreiten. Wir müssen alle Ressourcen für den Wiederaufbau nutzen. Schon vorher haben wir hart gearbeitet, un d jetzt

müssen wir uns noch mehr abverlangen!«

Basil hatte die Rede zusammen mit Cain vorbereitet. Die Euphemismen bedeuteten höhere Steuern, niedrigere Löhne und strengere Rationierung.

»Ich bin der Vorsitzende, und als solcher verspreche ich Ihnen: Unsere Zivilisation wird zu neuer Größe finden!« Damit drehte er sich um und trat zusammen mit seinem Stellvertreter vom Podium fort.

Bei seinen militärischen Beratern blieb er stehen, während die Medienleute weiterhin Bilder machten. Er schüttelte den Admiralen die Hand und sagte leise: »Ich erwarte Sie im Verwaltungszentrum der Hanse. Wir müssen d en

ersten militärischen Schlag gegen die Rebellen besprechen.«

Admiral Sheila Willis, eine erfahrene ältere Frau mit scharfer Stimme und großmütterlichem Gebaren, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und das Kinn auf die Hände. Die taktischen Schirme um sie herum zeigten weder Kugelschiffe der Hydroger im Anflug noch kämpfende TVF‐Verteidiger.

Kaffee und Speisen fehlten; es gab nicht einmal eisgekühltes Wasser zu trinken. Dies war eine ernste Besprechung, kein gemütliches Treffen.

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»Dieser >erste militärische Schlag< behagt mir nicht, Vorsitzender«, sagte Willis. »Wie in aller Welt sollen wir in die Offensive gehen, w enn wir nicht

einmal wissen, wie viele einsatzfähige Schiffe wir haben?«

»Es herrscht noch immer ein ziemliches Durcheinander bei uns, Admiral, aber das gilt auch für alle anderen. Peter rechnet bestimmt nicht damit, dass wir jetzt zuschlagen.« Basil ging am Tisch entlang und kam an zwei et

unbes zten taktischen Stationen vorbei. Er mochte es nicht, die Tür im Rücken zu haben.

»Wir haben gar nichts, mit dem wir jetzt zuschlagen kön te n n«, sagte Willis.

»Es ist keine gute Idee, glauben Sie mir.«

»Das kommt Insubordination gefährlich nahe, Admiral.«

Willis blinzelte, »Wie bitte, Sir? Ich gehöre zu den wenigen qualifizierten Experten, die Ihnen geblieben sind, und dies ist eine vertrauliche Besprechung taktischer Angelegenheiten. Ich beharre nicht darauf, dass Sie meinen Rat beherzigen, aber Sie sollten ihn sich zumindest anhören oder auf meine Präsenz bei solchen Treffen verzichten.«

»Ich muss Admiral Willis zustimmen«, sagte Esteban Diente, die Admiralin von Gitter 9. Sie hatte kurzes dunkles Haar, in dem sich hier und dort einige graue Strähnen zeigten. Ihr kupferfarbenes Gesicht war breit, doch die Augen standen dicht beieinander. »Unser Rat nützt Ihnen nichts, wenn wir unsere Meinungen nicht frei äußern können.«

Admiral Pike kam direkt zum wichtigsten Punkt. »Welche Ziele zi Sie in

ehen

Betracht, Sir?«

»Und was soll mit dem militärischen Schlag< erreicht werden?«, fügte Admiral San Luis hinzu.

Basil nickte seinem Stellvertreter zu, und Cain antwortete: »König Peters Rebellion breitet sich schneller aus, als von uns erwartet. Die Konföderation hat Zugang zu grünen Priestern und kann ihre Propaganda ohne Zeitverlust übermitteln, während wir mit langsamen Met

nehmen

hoden vorlieb

ssen, mi

t lichtschnellen Signalen und Kurierschiffen.«

»Der Verlust an Hanse‐Welten muss aufhören«, warf Basil 62

ein. »Wir nehmen die Schiffe, die wir haben, schicken sie zu den Kolonien und veranlassen sie mit allen notwendigen Maßnahmen dazu, in die Arme der Hanse zurückzukehren. Wir brauchen ihre Ressourcen und Arbeitskräfte.«

»Aber wo fangen wir an?«, fragte San Luis. »Es gibt keine offizielle Liste der

Welten, die sich König Peter angeschlossen haben.«

»Und wir wissen nicht, mit wie vielen Roamer‐Clans wir es zu tun ha

«,

ben

stöhnte Admiral Pike. »Das war uns nie bekannt.«

»Wir müssen schnell einige Erfolge erzielen«, sagte General Lanyan. »Es geht darum, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Kolonien zu sichern.

Wir konzentrieren uns zunächst auf jene, die wir ohne großen Aufwand zurückholen können. Mit ihnen wachsen wir wieder.«

»Es sollte die Verluste zumindest verlangsamen«, ließ sich Cain vernehmen.

»Wir verlieren täglich neue Kolonien. Wenn wir diesen Vorgang stoppen, überlegen es sich die anderen Kolonien vielleicht zweimal, die Charta mit

Füßen zu treten.«

»Und wo befinden sich die leichten Ziele?« Willis klang erneut skeptisch.

»Wir haben es uns leider zur Angewohnheit gemacht ierig

, Schw

keiten zu

unterschätzen.«

»Zuerst müssen wir uns die im Rahmen der Klikiss‐Koloni‐

sierungsinitiative besiedelten Welten vornehmen«, sagte Cain. »Dort haben sich die Siedler gerade erst eingerichtet und noch keine Verteidigungsanlagen.«

»Und was noch wichtiger ist: Sie sind isoliert«, fügte Basil hinzu. »Es gibt dort keine grünen Priester, die Nachrichten empfangen könnten. Sie wissen also nichts von Peters Desertion oder seiner Scheinregierung auf Theroc.«

»Aber ... warum die Mühe? Was haben jene Welten scho u bieten

n z

?«, fragte

Willis. »Was Ressourcen und Arbeitskräfte betrifft, geben sie nicht viel her.«

»Sie haben strategische Bedeutung«, beharrte Basil. »Und moralische. Wir können sie als Stützpunkte für die TVF benutzen, um andere Kolonien daran zu hindern, abtrünnig zu werden.«

63

Lanyan faltete die Hände. »Genau. Wir fliegen nach Rhein‐dic Co, dem zentralen Transferpunkt der Transportale, schicken Einsatzgruppen zu den Kolonien und bringen einige Dutzend Welten unter unsere Kontrolle. Es sollte jeweils nur eine kleine Friedenstruppe nötig sein, um die Siedler in Schach zu halten. Schnell und einfach.«

»Das habe ich schon einmal gehört«, brummte Willis, was ihr einen Blick vom General einbrachte.

Lanyan wandte sich an den Vorsitzenden. »Sir, ich würde die Leitung gern selbst übernehmen. Wenn die Kolonisten den Kommandeur der Terranischen Verteidigungsflotte sehen, werden sie gar nicht daran denken, Widerstand zu leisten.«

»Besteht Ihre Priorität nicht darin, die Werften zu verwalten und die TVF zu erneuern?«, fragte Cain.

»Das ist eine durchaus wichtige Aufgabe, aber nicht unbedingt mein Fachgebiet. Wir brauchen einen Administrator, der Ordnung in das dortige Durcheinander bringt.« Lanyans Blick kehrte zu Basil zurück. »Ich bin in erster Linie militärischer Kommandeur. Beim Kampf gegen die von den Soldaten‐Kompis übernommenen Schiffe und die Hydro a

ger h be ich bewie‐

sen, was ich kann. Überlassen Sie diese Sache mir.«

»Sie haben die Nase voll von den Werften«, sagte Willis.

»General Lanyan, nachdem ich Ihren letzten Bericht über Unfälle, Verluste und Schwarzmarktaktivitäten gelesen habe, bin ich geneigt zu glauben, dass Sie tatsächlich nicht der beste Mann für die Werften sind.« Basil überlegte und nickte. »Na schön. Stellen Sie Ihr Team zusammen und machen sich

Sie

auf den Weg zu den Klikiss‐Kolonien.«

Lanyan musste sich sehr beherrschen, um seine Erleichterung nicht zu deutlich zu zeigen. »Es ist eine wichtige Mission, und wir sollten keinen Zweifel daran lassen, wie ernst es der TVF damit ist. Einige wenige Mantas sind vielleicht nicht beeindruckend genug. Ich denke, ich sollt e einen

serer drei verblie

un

benen Molochs mitnehmen.«

Admiral Willis erhob Einwände. »Wenn Sie nur Friedens 64

truppen durch die Transportale schicken wollen ... Wozu brauche n

n Sie dan

einen Moloch?«

Basil hatte noch immer nicht Platz genommen und sah seine Offiziere an.

»Die Gründe des Admiráis erscheinen mir ausreichend. Hiermit übergebe ich ihm für die Dauer dieser Mission das Kommando über den Moloch von Gitter 7.«

»Meine Jupiterl«, platzte es verblüfft aus Willis heraus. »Darf ich fragen, was ich in der Zwischenzeit machen soll?«

»Sie kümmern sich um die Werften im Asteroidengürtel. Sie können auch dabei helfen, eine neue Rekrutierungskampagne zu planen.« Basil wandte sich an Pike, San Luis und Diente. »Sie drei stellen eine Liste der nützlichsten verlorenen Kolonien zusammen und fügen ihr eine Einschätzung der Schwierigkeiten hinzu, mit denen wir es zu tun bekommen könnten, wenn wir wieder Anspruch auf sie erheben!«

»Ich vermute, Verhandlungen oder Diplomatie kommen dabei nicht infrage, oder?«, fragte Willis. Basil würdigte sie keiner Antwort.

Lanyan stand auf und schien es eilig zu haben, die Besprechung zu beenden.

»Ich breche innerhalb von zwei Tagen auf, Vorsitzender. Ich verspreche Ihnen, dass ich die Klikiss‐Plane‐ten schnell und problemlos sichern werde.«

Basil unterdrückte seinen Ärger. »Schnell und problemlos. Ja, das wäre eine angenehme Abwechslung, General.«

19 # ORLI COVITZ

Die von der Brüterin angetriebenen Klikiss ruhten nie. Insektenarbeiter krabbelten durch die Ruinen, trugen eine Schicht Polymerharz nach der anderen auf, erweiterten die Türme, machten die Wände dicker und wandelten

ver

die fremde Stadt in eine regelrechte Festung. Mit seltsamen Maschinen gruben

65

sich Klikiss‐Arbeiter in die nahen Hügel, verarbeiteten Felsgestein, Sand und Erz zu brauchbaren Materialien. Ein niedriges Gebäude im Zentrum des Komplexes schien das Wohnhaus des Schwarms zu sein.

Geschickte Monteure produzierten weiterhin eine große Zahl von identisch aussehenden Schiffe, die sich miteinander verbinden konnten, zu Testflügen in den Orbit starteten und dann in Gruppen landeten. Die aggressive Flotte sah aus wie eine Invasionsstreitmacht. Ein neues trapezförmiges Gerüst entstand auf dem Platz vor den Stadttürmen, der Anfang eines Transportals, wesentlich größer als das andere in den Ruinen. Margaret Colicos hatte darauf hingewiesen, dass einige der anderen Subschwarm‐Brüterinnen bereits unterwegs waren. Die Llaro‐Brüterin verstärkte ihren Sc und

hwärm

bereitete sich auf die Verteidigung vor.

DD verbrachte die Tage oft mit Orli, wenn Margaret sich bei den Klikiss aufhielt. Zwar hatte sie Jahre bei ihnen gelebt, aber die Xeno‐Archäologin versuchte immer wieder, mit dem Schwarm‐Bewusstsein zu kommunizieren. Sie fühlte sich verpflichtet, ihm die Menschen und ihre Kultur zu erklären. Orli wünschte ihr dabei Erfolg.

Das Mädchen saß neben DD auf einem flachen Dach in der Siedlung und blickte über die Landschaft. Plötzlich kamen Klikiss der Arbeiter‐Subspezies heranmarschiert, schwärmten aus und umringten die ganze Llaro‐Siedlung.

Kolonisten beobachteten die Insektenwesen aus den Fenstern ihrer Häuser oder von den Straßen. Einige wenige riefen Fragen, aber niemand w

,

agte es

den Klikiss entgegenzutreten.

Die Insektenwesen begannen damit, eine Mauer zu bauen, die offenbar die ganze Siedlung umgeben sollte ‐ dann wären die Menschen in ihrem eigenen Ort wie in einem Käfig gefangen.

Einige Leute, die meisten von ihnen Roamer, versuchten zu entkommen, do h

c die Klikiss trieben sie zurück. Niemand schien zu verstehen, was vor sich ging.

65

Orli glaubte zu spüren, wie eine eisige Hand nach ihrem Herz griff. »Sie verwandeln unsere Siedlung in einen großen Pferch, und darin werden wir wie Tiere in einem Zoo gehalten.«

Gruppen larvenartiger Ausscheider wurden auf Pritschen und Paletten von den Baubereichen herbeigetragen. Arbeiter hoben einen Graben aus und brachten das Erdreich als Rohmaterial zu den Larven, die ihn verdauten und große Mengen Harzzement produzierten. Emsige Konstrukteure errichteten Stützelemente und beschmierten sie mit Polymerschlamm, der beim Trocknen eisenhart wurde.

Die Klikiss gewährten Margaret freies Geleit, als sie zur Siedlung zurückkehrte. Zutiefst beunruhigt ging sie an den Klikiss vorbei, deren Arbeiter externe Rampen errichteten und der Mauer mehrere Durchlässe hinzufügten. Margaret schritt durch einen von ihnen.

Als Orli die Sorge im Gesicht der älteren Frau sah, kletterte sie mit DD vom Dach herunter. Sie liefen zu ihr, während andere Kolonisten Fragen riefen und Antworten verlangten, als wäre Margaret eine Art Botschafterin. Ihr graubraunes Haar wehte im Wind, und sie hob die Hand. »Die Brüterin hat schwarze Roboter auf einem Planeten namens Wollamor gefunden. Sie will einen Großangriff durch das Transportal starten und alle Roboter vernichten.«

»Gut«, sagte Mr. Steinman. »Sollen sie die verdammten Roboter in Schrott verwandeln.«

Orli schauderte. »Nach dem, was sie auf Corribus angestellt haben, tut es mir nicht leid, wenn die Roboter ausgelöscht werden.«

Zwei große Domate stapften zwischen den Kriegern und Arbeitern umher und klickten, als die Mauer immer höher wurde. Margaret neigte den Kopf ein wenig zur Seite und lauschte, als könnte sie verstehen, worüber die Klikiss sprachen. Aber sie übersetzte nicht.

Da lin Lot

v

ze nickte grimmig in Richtung der neuen Barriere. »Und was hat es damit auf sich?«

66

Margaret senkte den Kopf. »Die Brüterin besteht darauf, dass alle menschlichen Kolonisten an einem Ort bleiben ‐ hier. Die Klikiss werden Ihnen dabei helfen.«

»Sie werden uns dabei >helfen<, an einem Ort zu bleiben?« Roberto Clarin fügte seinen Worten ein abfälliges Schnaufen hinzu. »Beim Leitste on

rn, wov

reden Sie da?«

»Liegt es nicht auf der Hand?«, fragte Mr. Steinman. »Es ist nur der erste Schritt, verdammt.«

Der andere Kompi in der Siedlung ‐ ein Gouvernanten‐Modell namens UR, das mit den Roamern gekommen war ‐ stand neben den sieben ihm anvertrauten Kindern. Er war darauf programmiert, sie zu schützen.

Doch die Kolonisten konnten den Klikiss keinen Widerstand leisten. Zum Glück hatten sie Davlins klugen Rat befolgt und ihre Lebensmittelvorräte versteckt. Seit einiger Zeit gab es nur noch dürftige Rationen, aber daran war Orli gewöhnt.

»Vielleicht dient die Mauer zu Ihrem Schutz«, sagte DD. »Sie er ie

innert an d

Befestigungen einer mittelalterlichen Stadt.«

»Ja, und vielleicht lernen Schweine irgen

mt

dwann fliegen«, brum

e Crim

Tylar.

»Mir ist keine Schweine‐Spezies

ann

bek

t, die fliegen kann. In

aerodynamischer Hinsicht erschei t

n mir das recht unwahrscheinlich.«

»Es war ein Scherz, DD«, sagte Orli.

Meter um Meter wuchs die Mauer, wobei die Klikiss‐Arbeiter einem genauen geometrischen Pfad folgten.

»Uns bleibt nichts anderes übrig, als mit den Klikiss zu kooperieren und da s

Beste zu hoffen«, sagte Ruis. Das klang selbst für Orli naiv.

Mr. Steinman schüttelte traurig den Kopf. Seine Augen waren gerötet. »Das gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht. Ich fühle mich an Konzentrationslager, Stacheldrahtzäune und Gaskammern erinnert.«

» as war

D

vor Jahrhunderten«, sagte Orli. »Ich habe in der Schule davon gelesen.«

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»Es gibt einige Dinge, die man nie vergessen sollte. Und noch schlimmer als vergessen ist, sie noch einmal geschehen zu lassen. Ich fürchte, genau das steht hier bevor.«

20 # SIRIX

Als die schwarzen Roboter Wollamor von dem menschlichen Makel befreit hatten, beauftragte Sirix die Soldaten‐Kompis mit dem Wiederaufbau.

Eigentlich brauchten die Roboter die Häuser und Türme überhaupt nicht, aber sie waren ein Symbol für ihren großen Sieg über die seit langer Zeit ausgestorbenen Schöpfer. Sirix war stolz.

Das große, alte Transportal von Wollamor erhob sich als steinernes Tor mitten auf einer Straße. Sirix stand neben PD und QT und dachte daran, dass all die Koordinatenkacheln zu anderen ehemaligen Klikiss‐Welten führten, die es zu übernehmen galt. Die schwarzen Roboter würden mit einem eigenen Schwärmen beginnen. Sie würden sich ausbreiten, jeden Widerstand überwinden und die Kontrolle übernehmen. Sirix'

Augensensoren glühten, als ihm diese Gedanken durch das kybernetisc he

Gehirn gingen.

QT bemerkte die Veränderungen zuerst. »Das Transportal wird aktiv.«

»Jemand transferiert sich hierher«, fügte PD hinzu.

Die Steinplatte summte, wurde zu einer Wand aus statischem Flimmern und öffnete sich. Sirix wich zurück und sendete eine schnelle Signalfo g l e, um die

anderen Roboter und Soldaten‐Kompis zu alarmieren.

Fünf gepanzerte Klikiss‐Krieger stapften durchs Transportal, mit schussbereiten Waffen in den vorderen Greifklauen.

Sirix wich noch weiter zurück, während die beiden Freund‐lich‐Kompis das Geschehen fasziniert beobachteten. »Gehören

67

diese Geschöpfe zu den ursprünglichen Klikiss?«, fragte PD. »Sind sie gar nicht ausgestorben?«

Schwarze Roboter verließen das Baugelände. Soldaten‐Kompis marschierten über die Rampen der TVF‐Schiffe. Als die Klikiss die Roboter sahen, stießen sie trillernde Kampfschreie aus und griffen an. Hinter ihnen kamen Dutzende und dann Hunderte von weiteren Klikiss durch das Transportal.

Der erste Krieger sprang vor und stieß gegen Sirix, der sich zur Wehr setzte, die vorderen Gliedmaßen streckte und versuchte, das Ektoskelett seines Gegners zu durchbohren. Uralte Echos der Unterdrückung und sogar der Furcht hallten durch sein Selbst. Die schwarzen Roboter waren sehr stabil gebaut, fast drei Meter groß und gepanzert, und die Klikiss hatten sie mit einem Kampfpotenzial ausgestattet, das ihrem eigenen ähnelte. »Schützt mich«, forderte Sirix die beiden verwirrten Freundlich‐Kompis auf. Er brach dem Krieger zwei Gliedmaßen. Klebrige grüne Flüssigkeit quoll aus ihnen hervor.

PD und QT griffen nach den anderen Gliedmaßen des Angreifers, wodurch er das Gleichgewicht verlor. Eine seiner Scheren brach ab.

Sirix rammte eine Stange in den Brustkorb des Gegners, riss sie zur Seite und enthauptete das Geschöpf fast. Zuckend fiel es zur Seite, hielt Sirix dabei noch immer fest. Aber der Roboter riss sich los, und PD und QT

folgten ihm.

Fragen brannten in Sirix' mentalen Kanälen. Verwirrung, Ungläubigkeit und Schock verlängerten die Reaktionszeiten. Wie konnten die Klikiss das manipulierte Schwärmen in die Hochdruckbereiche von Hydroger‐Planeten überlebt haben? Das war unmöglich. In all seinen detaillierten Pläne n hatte

Sirix die Rückkehr der Schöpfer nicht berücksichtigt.

Immer mehr Klikiss kamen durch das Transportal: Krieger, Arbeiter, Konstrukteure und auch ein schwarz und silbrig gestreifter Domat.

Handelte es sich um ein Schwärmen? Waren diese Klikiss durch Zufall auf ix und seine Roboter gestoßen

Sir

, oder führte sie ein ganz bestimmter

Grund nach Wolla

68

mor? Jede Brüterin würde sich an den Verrat der Roboter erinnern.

Die insektoiden Krieger griffen kreischend und zwitschernd an. Roboter und Soldaten‐Kompis versuchten, die Verteidigung zu organisieren. Zwei Krieger mit roten Flecken an Panzer und Flügeln stürzten sich auf einen Roboter. Er leistete entschlossenen Widerstand, doch die Klikiss rissen seinen Rückenschild auf und zertrümmerten die flügelartigen Son‐

nenkollektoren. Die schwarzen Roboter konnten zwar den ambientalen Bedingungen tief im Innern von Gasriesen widerstehen, aber die Klikiss kannten ihre Schöpfungen gut und wussten sehr wohl, wie man sie demontierte.

Während der Roboter noch mit seinen mehrgelenkigen Gliedern um sich schlug, bohrten sich die Klikiss in seinen Körper, zerrten die Prozessoren hervor und zerstörten sie, wodurch der Inhalt der Gedächtnisspe er

ich

verloren ging. Dann lösten sie den Kopf des Roboters und warfen ihn fort.

Die zurückgekehrten Klikiss verfügten über leistungsfähige Waffen, machten aber kaum Gebrauch von ihnen. Ihre Brüterin schien die Roboter nicht nur besiegen, sondern sie regelrecht zermalmen zu wollen. Es erinnerte Sirix an die alten Schlachten: Zerstörung und Gemetzel aus reiner Freude daran.

Ein zweiter Domat traf ein, begleitet von noch mehr Klikiss. Sirix und seine Roboter verständigten sich durch komprimierte Signale und schufen einen Sperrgürtel, um sich in Richtung der TVF‐Schiffe zurückzuziehen. Wenn es ihnen gelang, an Bord der Shuttles, Truppentransporter und Mantas zu gehen, konnten sie Wollamor verlassen, doch dazu brauchten sie Zeit.

Sirix hatte ein letztes Verteidigungsmittel: die Soldaten‐Kompis. Als die Schöpfer angriffen, hielt Sirix die von Menschen gebauten Roboter plötzlich f ent

ür

behrlich ‐ sie mussten geopfert werden, um ihnen, den Robotern, das Überleben zu ermöglichen. Er übermittelte ihnen Anweisungen, und si e

69

zögerten nicht, marschierten nach vorn und bildeten eine Barriere. Mit Bauwerkzeugen und anderen improvisierten Waffen stellten sie sich den Klikiss zum Kampf.

Zum Glück verfügten die Kompis nicht über einen Selbsterhaltungst eb. Die ri

schwarzen Roboter würden die Zeit gewinnen, die Sirix brauchte.

Insektenkrieger griffen an, und die Soldaten‐Kompis stürmten ihnen entgegen, jeweils vier von ihnen gegen einen Krieger. Zuerst überwältigten sie die Angreifer, doch dann machten sich die Klikiss daran, die metallenen Körper der Kompis mit ihren an Gottesanbeterinnen erinnernden Gliedmaßen zu zerfetzten. Wie mühelos rissen sie synthetische Haut auf und köpften die von Menschen geschaffenen Maschinen. Doch aus den TVF‐

Schiffen kamen weitere Kompis, ausgestattet mit Projektilwaffen.

Als die Kompis damit das Feuer auf die Klikiss eröffneten, glaubte Sirix für einen Moment ‐ nur für einen Moment ‐, dass sie den Angriff vie icht lle

zurückschlagen konnten.

Eine weitere Welle von Klikiss ergoss sich durch das Transporta l.

PD und QT ergriffen in Panik die Flucht, und Sirix schickte ihnen Kommandosignale. »Folgt mir.«

Soldaten‐Kompis versuchten, die Verteidigungslinie zu halten, als sich die w

sch arzen Roboter in die relative Sicherheit der TVF‐Schiffe zurückzogen.

es tr

Und

afen immer mehr Klikiss ein.

69

21 # TASIA TAMBLYN

Tasia hatte Theroc nie besucht, aber viel von dem Weltwaldplaneten gehört.

Für die Theronen war er ebenso wichtig wie einst Rendezvous für die Roamer. Von ihren Onkeln wusste sie, dass sich dort die neue Regierung konstituiert hatte, eine Konföderation, der verschiedene Völker angehörten.

Doch als Conrad Brindle sein Schiff in die Umlaufbahn steuerte, wurden sie recht kühl empfangen. »TVF‐Schiff, sind Sie bewaffnet?«

»Wir sind mit den Verteidigungswaffen ausgestattet, die für ein Schiff dieser Klasse typisch sind. Sie haben uns gute Dienste geleistet, als wir gegen die Hydroger kämpfen mussten.«

Tasia beugte sich vor und fügte hinzu: »Ihre riesigen Weltbäume halfen uns, bei Qronha 3 zu entkommen. Wir sind hier, um König Peter Bericht zu erstatten. Dies ist doch das neue Regierungszentrum, oder?«

Es folgte eine längere Pause. »Na schön«, kam dann die Antwort. »Sie haben Landeerlaubnis. Aber wir warnen Sie: Auf feindseliges Verhalt n e Ihrerseits

reagieren wir unverzüglich.«

Der Transporter landete auf einer Lichtung, die vor ihnen ganz offensichtlich von vielen anderen Schiffen benutzt worden war. Tasia bemerkte vier Roamer‐Schiffe, und die Leute in der Nähe trugen Clan‐

Kleidung. Lächelnd eilte sie die Rampe hinunter und hoffte, dass sie nach der langen Zeit einige Gesichter wiedererkennen würde.

»Ihr Tiwis habt vielleicht Nerven! Hierherzukommen, nach allem, was ihr uns angetan habt...« Einer der Roamer richtete einen finsteren Blick auf die drei Neuankömmlinge. Tasia und Robb trugen schlecht sitzende TVF‐

Uniformen; andere Kleidung hatte Conrad nicht an Bord gehabt.

nd ma

»U

nche Leute würden sagen, dass die Roamer ihre Gastfreundschaft vergessen haben«, erwiderte Tasia scharf.

70

Sie trat auf den mürrischen Händler zu und blieb dicht vor ihm stehen. »Ich bin Tasia Tamblyn, vom Tamblyn‐Clan. Jahrelang habe ich gegen die Droger gekämpft. Bis vor kurzer Zeit befand ich mich tief im Innern eines Gasriesen in Gefangenschaft der Hydroger. Deshalb bin ich nicht mehr ganz auf d em

Laufenden.«

»Tamblyn, sagen Sie?«, fragte der Händler überrascht. »Von Plumas? Sie sind Brams kleines Mädchen? Ah, bestimmt sind Sie gekommen, um sich König Peter anzuschließen. Heutzutage weiß man nicht mehr, auf welcher Seite die Leute stehen.«

Robb runzelte die Stirn. »Auf welcher Seite? Die Dinge scheinen sich nie zu ändern.«

»Und was ist mit der TVF? Ich muss General Lanyan einen Bericht übermitteln.« Conrad war beunruhigt. »Ich habe viele Handelsschiffe über Ihrer neuen Hauptstadt gesehen, aber keine Verteidiger.« Die Roamer musterten ihn skeptisch; einer von ihnen schnaubte verächtlich.

Die Besucher standen auf dem Waldboden und blickten an dem gewaltigen Baum mit der Pilzriff‐Stadt in seinen hohen Ästen empor. Man hatte Löcher in die asymmetrische weiße Pilzmasse gebohrt, um sie besser zu befestigen, und auf diese Weise war ein Zentrum mit Hunderten von Zimmern und of‐

fenen Baikonen entstanden. Die Roamer hatten ihr einfache Aufzüge aus Plattformen und Kabeln hinzugefügt.

Ein breitschultriger grüner Priester namens Solimar brachte sie nach oben in die Stadt. Tasia straffte ihre Schultern und versuchte, so würdevoll wie möglich auszusehen. Sie strich ein Blatt von Robbs Schulter.

Tiefe Falten zeigten sich in Conrads Stirn. »Ich sehe keine anderen Uniformen. Wir können doch nicht die einzigen TVF‐Soldaten auf dem ganzen Planeten sein.«

»Doch, das sind Sie im Moment«, sagte Solimar, als die l P attform anhielt.

ber viell

»A

eicht kommen bald weitere.«

Sie betraten einen großen Raum mit Gespinsten und Ge 71

weben an den Wänden. Der König und die Königin begrüßten ihre Gäste ‐

sie trugen Kronen aus Insektenflügeln und polierten Käferschalen, doch e

ihr

Kleidung erinnerte an die auf der Erde.

Conrad trat vor und salutierte. Tasia und Robb folgten seinem Beispiel. Als ranghöchster Offizier ergriff Tasia das Wort. »Majestäten, wir melden uns bei Ihnen zum Dienst. Wir sind verpflichtet, einem vorgesetzten Offizier Bericht zu erstatten. Können wir mit General Lanyan oder einem seiner Stellvertreter sprechen?«

Tasia bemerkte, dass Peter und Estarra einen schnellen Blick wechselten.

»Ich bin Ihr Oberbefehlshaber, Ihr König«, sagte Peter. »Sie können mir Bericht erstatten.«

»Und wir heißen Sie willkommen«, fügte Estarra hinzu. »Wären Sie bereit, Ihren Treueschwur zu erneuern?«

Die Frage schien bei Conrad Unbehagen zu weck

llt

en. »Warum so e ich das?

Wann hat meine Treue jemals in Zweifel gestan

?

den «

»Die Umstände haben sich geändert, Lieutenant Commander.«

»Wo ist der Vorsitzende Wenzeslas?«, fragte Robb.

Peters Stimme wurde kalt. »Der Vorsitzende Wenzeslas gehört nicht länger zur legitimen Regierung.«

»Er hat einen Staatsstreich versucht«, sagte Estarra. »Uns gelang die Flucht hierher. Wir sind jetzt mehr als die Hanse. Die Konföderation ist die wahre Repräsentantin der Menschheit.«

Einige Sekunden lang sprach niemand, und die drei Neuankömmlinge dachten über das gerade Gehörte nach. »Aber was ist mit der TVF?«, fragte Conrad. »Und mit General Lanyan?«

»Angehörige der Terranischen Verteidigungsflotte haben entweder an dem versuchten Staatsstreich mitgewirkt oder sind untätig geblieben von

, als sie

den kriminellen Aktionen des Vorsitzenden erfuhren.«

enk

»D

en Sie an die Worte Ihres Eids«, sagte Estarra. »Ihre Loyalität gilt allein dem König.«

71

Conrads Gesicht blieb stundenlang steinern und zeigte keinen Hinweis darauf, was er von den Worten des königlichen Paars hielt. Tasia hatte das Gefühl, als hätte ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen.

Andererseits: Die Große Gans war nie perfekt gewesen. Vielleicht hatten sich die Dinge zum Besseren verändert.

Später, nach dem Abendessen, sprach Tasia fröhlich mit anderen Roamern: Sie erzählten sich Geschichten und versuchten, so zu tun, als wäre alles normal. Robb liebte es, mit Tasia zusammen zu sein ‐ in ihrer Gesellschaft fühlte er sich ganz offensichtlich sehr wohl. Doch bei seinem Vater wuchs die Unruhe. Man stellte ihnen ein Quartier zur Verfügung, und Tasia freute sich auf ein Bett, das ihr endlich einmal genug Platz bot.

Als sie einen Moment allein waren, meinte Conrad, dass sie alle aufbrechen sollten. »Wir müssen fort

hie

von

r, bevor sie mein Schiff konfiszieren und

uns unter Arrest stellen.«

»Shizz, wovon reden Sie da?«

»Warum denn, Vater? Wir sind hier. Der König ist hier. Wir haben unsere Pflicht erfüllt.«

»Ich bin mit den Erklärungen, die man uns gegeben hat, nicht zufrieden.«

Conrad sah sich argwöhnisch nach Lauschern um. »Ich möchte hören, wie General Lanyan die Sache sieht. Wie alle anderen kann ich zwischen den Zeilen lesen, und ich bin sicher, dass man auf der Erde die Dinge aus ein m e

anderen Blickwinkel sieht.«

»Was soll mit den Erklärungen nicht in Ordnung sein?«, fragte Robb mit aufrichtiger Verwirrung.

»Es sind keine anderen TVF‐Soldaten hier. Allein das spricht Bände. Seht euch nur diese bunt zusammengewürfelte Truppe an: ein Haufen Theronen, unabhängige Kolonisten und Roamer! Das kann nicht die richtige Hanse sein.«

»Ach, nur ein Haufen Theronen und Roamer?« Tasias Gesicht verfärbte sich.

»L ut

e e wie mein Bruder Jess, der uns alle gerettet hat? Leute, die Verdani‐

Baumschiffe in den Kampf

72

gegen die Hydroger schickten? Sie haben gehört, was meine Onkel auf Plumas gesagt haben. Dies ist die neue Regierung.«

Robb holte tief Luft und überlegte. »Nach dem, was wir hier beobachten konnten, Vater ... Ich schätze, wir haben noch keinen Blick hinter die Kulissen geworfen. Wir kennen nur einen Teil der Wahrheit.«

»Du weißt inzwischen: Was die TVF mit den Roamern angestellt hat, ar w

falsch«, sagte Tasia.

Conrad schüttelte den Kopf. »Peters Vorwürfe sind grotesk. Was mich betrifft... Wenn General Lanyan sich weigert, den Anordnungen des Königs Folge zu leisten, so ist mit seinen Anordnungen vielleicht etwas nicht in Ordnung. Möglicherweise ist Peter der Rebell, der sich mit einer Handvoll Aufständischer weigert, den legitimen Anweisungen der Hanse zu ge‐

horchen.« Er richtete einen ernsten Blick auf Tasia und Robb. »Ihr seid beide Offiziere der Terranischen Verteidigungsflotte. Ihr kennt die Kommandohierarchie. Unter den gegenwärtigen Umständen ist die Rückkehr zur Erde unsere einzige Wahl.«

»Shizz, von wegen! Ich habe mich den Tiwis angeschlossen, um gegen die Droger zu kämpfen, und stattdessen musste ich gegen mein eigenes Volk vorgehen.« Tasia zog ein kleines Messer aus ihrem Gürtel und begann damit, die Rangabzeichen von ihren Schultern zu lösen. »Ich gehöre zu den Roamern. Punkt. Wenn ich dadurch zum Gegner der TVF werde, sollte ich besser den Dienst quittieren.«

Conrad sah sie böse an. »Dadurch werden Sie in meinen Augen zu einem

Deserteur, Captain.«

»Mein Rang ist höher als Ihrer, Lieutenant Commander. Ich sollt n

e Ihne

befehlen, dem König zu folgen.«

Der ältere Mann maß sie mit einem durchdringenden Blick. »Mit dem Abtrennen Ihrer Insignien haben Sie das Recht verspielt, mir Befehle zu erteilen, Ma'am.«

bb sta

Ro

rrte sie beide groß an. »Habt ihr den Verstand verloren? Was ist los mit euch?« Tasia zitterte und versuchte, ihren Zorn unter Kontrolle zu 73

halten. »Ich schulde der TVF nichts mehr, Robb. Ich weiß, was die Tiwis mit Rendezvous gemacht haben, einem unabhängigen Regierungszentrum.

Wenn die Roamer sagen, dass ich auf Theroc sein sollte, und wenn der König das ebenfalls sagt ... Dann ist dies der richtige Platz für mich.«

Conrad schüttelte traurig den Kopf und schrieb Tasia bereits ab. »Ich kann Sie offenbar nicht umstimmen, Ma'am. Gehen wir, Robb. Deine Mutter wird sich sehr freuen, dich wiederzusehen.«

Robb wirkte hin und her gerissen. »Einen Augenblick. Ich bin vor Jahren in die Gefangenschaft der Droger geraten und sollte eigentlich tot sein.

Roamer und Wentals und theronische Baumschiffe haben mich gerettet.« Er ergriff Tasias Hand und brachte sie damit in Verlegenheit. »Ich gehöre eher zu Tasia als in diese Uniform.«

Conrad war fassungslos. »Nicht auch du! Für lange Zeit haben deine Mutter und ich dich für tot gehalten. Wir haben dich gerade zurückbekommen.

Bitte tu uns dies nicht an.«

»Ich muss tun, was richtig ist. Und du ebenfalls, Vater. Ich schlage vor, du bleibst eine Weile hier und sammelst Informationen, bevor du dich endgültig entscheidest. Wir schicken Mutter eine Nachricht.«

Schmerz zeigte sich in Conrads Gesicht. »Du ... bist nicht mehr der Robb, den ich kenne. Ich nehme das Schiff und kehre zur Erde zurück. Dies ist d eine

letzte Chance, es dir anders zu überlegen.«

»Warum sollte König Peter Sie einfach wegfliegen lassen?«, fragte Tasia.

»Soll er nur versuchen, mich aufzuhalten.« Mit vor Enttäuschung gebeugten Schultern ging Conrad auf sein Schiff zu.

»Warte!«, rief Robb ihm nach. Sein Griff lockerte sich, und fast ließ er Tasias Hand los.

Tasia wartete voller Anspannung, hielt den Atem an und bewegte sich nicht.

Si muss

e

te Robb die Möglichkeit geben, ganz allein zu entscheiden. Doch sie hoffte inständig, dass er die

73

richtige Entscheidung traf. Als Conrad weiterging und sich nicht einmal umsah, schloss sich Robbs Hand wieder fester um Tasias.

»Mir scheint, du hast deinen Leitstern gesehen«, sagte Tasia.

»Was auch immer das bedeutet.« Er klang sehr traurig. Sie standen da und beobachteten, wie Conrad Brindle an Bord des TVF‐Transporters ging und das Triebwerk zündete. Das Schiff stieg über die Wipfel der großen Weltbäume von Theroc auf und verschwand am Himmel.

22 # KOLKER

Auf einem weiten Platz in Mijistra funkelte ein exotischer Springbrunnen im Schein der sechs Sonnen. Der Brunnengenerator formte und veränderte zahlreiche große Blasen, gefüllt mit einer wogenden, silbrigen Flüssigkeit, wie die Essenz eines Spiegels. Die Oberflächenspannung gab den Kugeln wellenförmige Bewegungen, und ihre Membranen kräuselten sich immer wieder, als sie das Licht der Sonnen reflektierten ‐ es sah nach Scheinwerfern aus, die ständig in Bewegung waren und aus verschiedenen Richtungen strahlten.

Sieben in Gedanken versunkene Angehörige des Linsen‐Geschlechts hatten sich an dem Springbrunnen versammelt, als sollten sie dort eine seltsame Kommunion empfangen. In ruhiger Meditation saßen sie da und beobachteten die Blasen so, als könnten sie ihnen die Geheimnisse des Universums verraten. Niemand von ihnen bewegte sich.

Kolker beobachtete sie aus einiger Entfernung und versuchte von ihnen zu lernen. Die Blasen stiegen auf und glitten zur Seite, während das Wogen in ihrem Innern andauerte, sanken dann wieder. Vielleicht, so vermutete k

Kol er, deuteten sie auf die ständige Veränderung des Wissens hin. Er sehnte sich

74

danach, die Kenntnisse der Ildiraner des Linsen‐Geschlechts zu teilen und zu sehen, was sie sahen. Lichtquelle, Seelenfäden, Thism. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen, wagte sich näher, zögerte zunächst und trat dann in den Kreis.

Die Ildiraner rückten beiseite, um Platz für ihn zu schaffen, sprachen aber keine direkte Einladung aus. In dem ätherischen Licht, das über ihre Gesichter strich, waren die strahlenförmigen Pupillen bis auf einen Punkt geschrumpft. Kolker konnte sich nicht länger zurückhalten. »Bitte sagen Sie mir, was Sie sehen. Was zeigt Ihnen dieser Brunnen? Ich muss es wis n. Ich se

muss wissen, wie Sie das Thism berühren.«

Die Angehörigen des Linsen‐Geschlechts schienen ihn für dumm oder unwichtig zu halten. »Menschen haben kein Thism. Sie sind nicht durch Seelenfäden miteinander verbunden. Es wäre sinnlos zu versuchen, Ihnen etwas zu erklären, das Sie nicht selbst erfahren können«, erwiderte einer der Ildiraner.

Kolker sah in den schimmernden Brunnen, bis ihm das Licht die Augen zu verbrennen schien und er den Blick abwenden musste. »Sollte man sich nie bemühen, Unmögliches zu versuchen?« Er konnte die Bitterkeit nicht aus seiner Stimme fernhalten. »Hat der Weise Imperator bei der Konfrontation mit den Hydrogern nicht von Ihnen verlangt, das Unmögliche zu leisten?

Und haben Sie es nicht geschafft?«

Die Ildiraner des Linsen‐Geschlechts sahen ihn an, selbst jene, die auf der anderen Seite des Brunnens saßen. Von Unbehagen geprägte Gedanken schienen ihnen durch den Kopf zu gehen. Schließlich sagte der links von Kolker sitzende Mann: »Der Weise Imperator hat uns nicht aufgetragen, S

ie

zu unterweisen.«

Kolker wandte sich ab, und noch immer tanzten Farben vor seinen Augen.

Er hatte verloren. Das Loch in ihm war tief, und es gab noch immer nichts, t

mi dem er es hätte füllen können. Er wusste nicht einmal, ob das Thism genug gewesen wäre.

75

»Warum wollen Sie Bescheid wissen?«, fragte ein anderer Ildiran Dies

er. »

ist nicht für Sie bestimmt.«

Kolker weigerte sich, das zu glauben und aufzugeben. Er verließ den Brunnen, ging die Treppe eines gewaltigen Gebäudes hoch, setzte sich, holte das prismatische Medaillon hervor und betrachtete es. Langsam drehte er es hin und her, sodass buntes reflektiertes Licht über sein Gesicht glitt. Mit verschiedenen geistigen Methoden konzentrierte er sich auf das Licht und dachte dabei an die Tricks, die er unbewusst beim Telkon‐takt verwendet hatte, versuchte so, die unsichtbaren Fäden des Thism zu ergreifen.

Stundenlang saß er reglos da, starrte auf das Medaillon hinab und suchte.

23 # OSIRA'H

Der einzige Schössling auf Ildira wuchs unter freiem Himmel aus einem verkohlten Holzstück und reichte Osira'h bis zur Taille. Die Blattwedel waren zart und hellgrün, und goldene Borkenplatten bedeckten den dünnen Stamm. Das Mädchen war zwar keine grüne Priesterin, aber es fühlte s c i h

von dem Baum gerufen...

Osira'h holte ihre vier Mischlingsgeschwister und forderte sie auf, den Schössling anzusehen und sich auf ihre geistigen Fähigkeiten zu konzentrieren, so wie sie es auf Dobro unter Anleitung ihrer Lehrer getan hatten. Sie sollten mehr versuchen. Zusammen bildeten sie einen Ring um den kleinen Baum. »Wir können es schaffen. Wir haben die Fähigkeiten unserer Mutter und das Thism unseres Vaters.«

»Aber wir haben es schon einmal versucht.« Rod'h beklagte sich nicht, wies nur auf eine Tatsache hin. Er kam, was das Alter betraf, direkt nach Osira'h und schien von ihren Ge

75

schwistern das größte Interesse an einem Kontakt mit dem Bewusstsein des Weltwalds zu haben.

»Und wir versuchen es weiter. Wir versuchen es morgen und übermorgen.«

Mit seiner Neigung für praktische und militärische Dinge hatte Gale'nh andere Sorgen. »Ich verstehe das Ziel nicht.«

Das war die größte Frage, wie Osira'h wusste. »Das Ziel besteht darin, unser Potenzial zu zeigen. Wie sind zu Dingen imstande, die anderen Leuten verwehrt bleiben ‐ da bin ich sicher. Das Reich hat über viele Generationen hinweg hart daran gearbeitet, uns zu erschaffen.« Osira'h sah ihre Geschwister der Reihe nach an und merkte, wie der eigene Enthusiasmus auf sie überging. Tamo'l und Muree'n waren noch zu jung, um zu verstehen, worum es Osira'h ging, aber sie nahmen gern an etwas teil, das sie für ein Spiel hielten. Das Spielen war eine ganz neue Erfahrung für sie.

Gemeinsam beugten sie sich vor und berührten die goldene Borke. Osira'h strich über die Blattwedel. »Vorsichtig«, sagte sie, als Muree'

nd zu

n die Ha

fest um den dünnen Stamm schloss. »Verletze den Schössling nicht.«

Selbst ohne den Telkontakt fanden die Mischlingskinder durch ihre Verbindung im Thism zueinander. Rod'h gesellte sich Osira'hs Selbst so hinzu wie auf Dobro, als sie versucht hatten, mit den Hydrogern Kontakt aufzunehmen. Ihre Thism Verbindung ‐ oder war auch der Telkontakt Teil davon? ‐ schuf ein privates Netz zwischen ihnen, das sie einander noch näher brachte, als es bei Ildiranern normalerweise der Fall war.

Osira'h leitete ihre Gedanken in den Schössling und fühlte Blätter, Borke, Kernholz und Wurzeln so, wie sie es den Erinnerungen ihrer Mutter entnommen hatte. Sie hatte ihr Bewusstsein Nira geöffnet und eine wahre Flut von Gedanken und Erinnerungen empfangen. Später hatte sie gelernt, die Rache des Weltwalds durch den Schössling zu kanalisieren, durch ihre Mutter und das eigene Selbst ‐ zu den ahnungslosen Hydrogern.

76

Zwar waren sie Feinde, aber es gab Gemeinsamkeiten zwischen Verdani und Hydrogern auf einer elementaren Ebene. Darüber hinaus existierte eine Synergie zwischen Weltbäumen und Wentals ‐ dass sie sich vereint hatten und in Form gewaltiger Verdani‐Schlachtschiffe aufgebrochen waren, bot einen deutlichen Hinweis darauf. Zweifellos verhielt es sich be den F

i

aeros

ähnlich.

Mentalisten und Linsen‐Angehörige sprachen darüber, welche Verbindungen es im Universum gab, die nicht einmal der Weise Imperator sehen oder verstehen konnte. Osira'h glaubte, dass sie und ihre Geschwister mit dem doppelten Zugang zum ildiranischen Thism und dem Telkontakt der menschlichen grünen Priester in der Lage waren, in dieser Hinsicht neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Mit geschlossenen Augen folgte sie dem Weg der Fäden und Stränge zu den neuronenartigen Fasern im Stamm des Schösslings ... und darüber hinaus.

Die anderen folgten ihr. Osira'h sah das Aufblitzen einer Verbindung, hörte aber nur das Flüstern ferner Gedanken und geisterhafter Stimmen, wie von einem gewaltigen Publikum, das nich

ts von den lauschenden Kindern

wusste. »Wir sind nahe!«

»Ich spüre es«, sagte Tamo'l.

»Konzentriert euch weiter«, fügte Gale'nh hinzu.

Die wenigen Worte verschoben Osira'hs geistigen Fokus, und sie beugte sich zurück. Sie hatten einen verlockenden Blick darauf geworfen, wozu sie fähig sein mochten. Osira'h ahnte, dass eine Entdeckung auf sie wartete, die kein grüner Priester und auch kein Ildiraner verstehen konnte. Diese Vorstellung erfüllte sie mit Aufregung. Sie würde ihren Brüdern und Schwestern dabei helfen, das zu erreichen, was ihre besondere Abstammung ermöglichte.

»Diesmal hätten wir es fast geschafft.«

Rod'h blinzelte. »Mir ist jetzt klar, was du erreichen willst.« Erschöpft, aber ch voller Hoffnung stellten sie

au

ihre Bemühungen für diesen Tag ein.

Tamo'l und Muree'n sprangen auf,

77

liefen übers glänzende, hohe Dach, blieben am Rand stehen und schauten auf Mijistra hinab. Gale'nh sah erst Osira'h und dann seinen Bruder an, wirkte dabei wie ein kleiner Soldat, der einige erklärende Worte erwartete.

Osira'h rieb sich die Schläfe, als ihre Kopfschmerzen stärker wurden, aber selbst das stechende Pochen änderte nichts an ihrem Hochgefühl. »Morgen kommen wir dem Ziel noch näher.«

24 # ANTON COLICOS

Anton hatte nie nach Maratha zurückkehren wollen. Nie. Mit jener Welt verband er die schrecklichsten Erinnerungen seines Lebens. Aber er konnte Vao'sh nicht allein gehen lassen, damit er die Niederlage der schwarzen Roboter für die Saga der Sieben Sonnen dokumentierte. Er stand im Kommando‐Nukleus des Kriegsschiffs und fühlte kalten Schweiß auf der Haut. »Möchten Sie sich wirklich auf diese Sache einlassen?«

»Ich möchte es nicht, ich muss.« Der alte Erinnerer blinzelte. Er war sehr still gewesen, was ihm gar nicht ähnlich sah. »Denken Sie an Ihre Heldengeschichte

ld, der

n. Ein He

schwere Prüfungen hinter sich hat, m s

u s

sich seinen Än

n, um sie zu

gsten stelle

überwinden.«

»Das ist richtig, soweit es Geschichten betrifft, Vao'sh. Ich wollt ie ein

e n

epischer Held sein.«

Der alte Ildiraner lächelte. »Aber Sie können zu einem werden.«

Yazra'h klopfte ihm so fest auf den Rücken, dass er die Hand ausstreckte und sich am Geländer festhielt. »Bald zerstören wir alle Roboter, Erinnerer Anton. Ich zeige Ihnen, wie ildira‐nische Krieger mit bö a

sen M schinen

gehen.«

um

»Ich wünschte, Sie wären beim ersten Mal dabei gewesen.«

77

»Diesen Wunsch teile ich.« Yazra'hs kupferfarbenes Haar wirkte wie lebendig und umgab ihren Kopf wie eine Korona. Sie beobachtete den früheren Urlaubsplaneten, als sie in die Umlaufbahn schwenkten. »Es wäre ruhmvoll gewesen.«

Sie hatte ihre sechs Isix‐Katzen auf Ildira zurückgelassen. Yazra'h ging gern mit ihnen auf die Jagd, lief in ihrer Begleitung über das Ausbildungsgelände oder tollte mit ihnen herum. Aber beim Kampf gegen die Roboter nützten sie nichts. Anton vermutete, dass es ihr mehr um die Sicherheit der Tiere ging als um ihre eigene.

Adar Zan'nh gab den Kommandanten der Kriegsschiffe Anweisungen. »Wir wissen nicht, welche Waffen und Verteidigungseinrichtungen die Roboter haben. Die Rückeroberung von Maratha könnte sehr schwierig werd ir

en; w

müssen uns auf den Kampf vorbereiten.«

»Wir freuen uns darauf«, sagte Yazra'h. »Ohne den Schutz d r e Hydroger

können die Roboter nicht gegen uns bestehen.«

»Sie haben uns schon einmal überrascht«, murmelte Anton.

Yazra'hs Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Sie fürchten sich. Keine Sorge. Ich habe versprochen, Sie zu schützen.«

»Ich ... ich glaube Ihnen.« Leider richteten Yazra'hs Worte nichts gegen d e i

scharfen Klingen aus, die Anton plötzlich in seiner Magengrube fühlte.

Die ildiranischen Kriegsschiffe im Orbit setzten Scanner ein und suchten damit nach Signalen von den beiden antipodischen Städten. »Maratha Prime und Secda scheinen tot zu sein.«

»Wie erwartet«, sagte Vao'sh, und die Farbe wich aus den ausdrucksvollen Hautlappen in seinem Gesicht. Anton klopfte ihm beruhigend auf die Schulter.

»Allerdings orten wir elektronische Impulse und thermische Signaturen in der Nähe von Secda.«

»Dort waren die Roboter damit beschäftigt, Tunnel zu graben und Gebäude zu errichten«, sagte Anton.

78

»Ich setze abgeschirmte Angriffsjäger ein, damit wir Bilder von den betreffenden Orten bekommen«, me

pt

ldete der Se ar des zweiten Schiffes.

»Zuerst untersuchen wir Prime.«

»Achten Sie darauf, nicht bemerkt zu werden.«

Wie ein Schwärm metallisch glänzender Fische kamen Scoutschiffe aus dem Bauch des großen Kriegsschiffes, fielen durch die Nacht und näherten sich Maratha Prime. Die ildiranischen Piloten saßen in hell erleuchteten Cockpits und flogen über etwas hinweg, das einst eine berühmte Urlaubsstadt ge‐

wesen war. Silbriges Licht ging von den Angriffsjägern aus, huschte über Kuppeln und periphere Siedlungen. Was von Maratha Prime übrig war, sah aus wie das aus Metall und Kristall best

rippe eines g

ehende Ge

estrandeten

Meerwesens.

»Die Stadt ist zerstört«, sendete einer der Piloten.

Anton schüttelte den Kopf. »Nicht zerstört ‐ demontiert.« Nichts deutete auf Explosionen wie bei einem Angriff hin. Die Roboter hatten die Gebäude auseinandergenommen, Installationen abmontiert

a

und ll die Dinge

fortgebracht, die sie bei ihren eigenen Konstruktionen verwende n.

n konnte

»Was wollen sie mit all dem Material?«, fragte Yazra'h.

»Das finden wir heraus, wenn die Scouts Secda erreichen«, sagte Zan'nh.

Die Angriffsjäger flogen in geringer Höhe über die dunkle Landschaft zur anderen Seite des Planeten. Als sie die Nacht hinter sich zurückließen, gingen sie noch tiefer, um eventuellen Ortungssystemen der Roboter zu entgehen, und schließlich erfassten die Scanner den großen, sonderbaren Komplex, den die Klikiss‐Maschinen geschaffen hatten. Unentdeckt übermittelten sie den Kriegsschiffen im Orbit Bilder, doch bestimmt dauerte es nicht lange, bis die Roboter die ildiranischen Schiffe in der Umlaufbahn bemerkten.

Die zweite, fast fertig gestellte Urlaubsstadt auf Maratha war ebenfalls demontiert und ihr Material für den Bau einer seltsamen Metropole wendet

ver

worden. Oder eines Stützpunkts. Tunnel und Schächte durchzogen die felsige Land

79

schaft. Türme aus gewölbten Stüt

nerten an die Kl

zelementen erin

ikiss‐

Ruinen, die Antons Eltern jahrelang erforscht hatten.

»Sie bauen Schiffe«, sagte Vao'sh. »Viele Schiffe.«

Im Tiefland außerhalb von Secda krabbelten Hunderte von schwarzen Robotern wie Käfer umher. Funken stoben von Schweißbrennern, und das Metall von Konstruktionswerkzeugen glänzte im Licht eines Wochen dauernden Sonnenuntergangs.

»Das sind schwer bewaffnete Schiffe, für den Kampf bestimmt«, sagte Zan'nh. »Die Roboter wollen jemanden angreifen oder sich gegen einen sehr starken Gegner verteidigen. Was fürchten sie?«

Die Antwort war Yazra'h gleichgültig. »Wir erlauben ihnen nicht rbeit

, ihre A

zu vollenden.«

Als die Scouts ihre Erkundung beendeten und zu den Schiffen im Orbit zurückkehrten, kam es bei den Robotern plötzlich zu hektische r Aktivität.

»Sie wissen jetzt von uns«, sagte Zan'nh.

»Es wird Zeit, dass wir mit unserer Mission beginnen. Ich stelle Bodentruppen zusammen und bewaffne sie für den Angriff.« Yazra'h wandte sich zum Gehen. »Die Erinnerer Anton und Vao'sh sollten den großen Kampf beobachten, um darüber Bericht zu erstatten. Kommen Sie mit?« Die Ildiranerin lächelte.

»Ja«, antwortete Vao'sh, und es klang entsetzt. Anton schluckte.

Yazra'h ging zufrieden zur Tür, aber der Adar schüttelte den Kopf. »Bleib zunächst hier, Yazra'h. Unsere wichtigste Aufgabe * esteht darin, die feindlichen Roboter und die von ihnen errichtete Basis zu zerstören. Die Scouts haben genug Daten für die Planung eines Angriffs mitgebracht. Du rst Teil der

wi

zweiten Phase sein. Ich möchte niemanden gefährden, solange es sich vermeiden lässt.«

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Anton fühlte plötzliche Erleichterung, die jedoch nicht lange vorhielt.

Der Adar schenkte Yazra'hs Enttäuschung keine Beachtung und erteilte Anweisungen. »An alle Kriegsschiffe: Gehen Sie tiefer und eröffnen Sie das Feuer auf die Anlagen der Roboter. Schleusen Sie Kampfboote und Angriffsjäger für gezielte Schläge gegen einzelne Stellungen aus.«

Sieben große Kriegsschiffe pflügten durch Marathas Atmosphäre und näherten sich dem Roboterschwarm. Dutzende von kleineren Schiffen führten den Angriff an.

Anton betrachtete die von den Scouts übermittelten Bilder und runzelte die Stirn, als sich etwas veränderte. Abdeckungen glitten beiseite, und zum Vorschein kamen röhrenförmige Objekte, die sich nach oben richteten. »He, was hat es mit diesen Zylindern auf sich? Das sieht aus wie eine Anordnung von Kanistern oder ...« Plötzlich spuckten die Öffnungen der »Kanister«

weißblaue Energie. »Kanonen!«

Drei der im Anflug befindlichen Angriffsjäger verdampften. Die überlebenden Piloten scherten aus der Formation, steuerten ihre kleinen Schiffe nach oben und versuchten, die Reichweite der Geschütze zu verlassen. Die Kanonen der Roboter feuerten erneut, und ein Energieblitz traf die rechte Tragfläche eines Angriffsjägers, der daraufhin ins Trudeln geriet.

Die großen Kriegsschiffe setzten den Sinkflug fort und näherten sich der Roboterbasis. Die kleineren Schiffe eröffneten das Feuer auf al ie

le Ziele, d

ihre Sensoren erfassen konnten.

Zan'nh stand mit ernster Miene am Geländer des Kom‐mando‐Nukleus.

Yazra'h lächelte. »Voller Kampfeinsatz, sobald wir in Reichweite sind. An alle Schiffe: Machen Sie vom gesamten offensiven Potenzial Gebrauch.

Zerstören Sie die Kanonen und nehmen Sie sich anschließend den Rest des Komplexes vor.«

Als die übrigen Angriffsjäger starteten, bereiteten die Roboter methodisch Verteidigung vo

ihre

r. Wieder gleißten Energiestrahlen und zwangen die Kriegsschiffe zu Ausweichmanö

80

vern. Die Schiffe der Solaren Marine warfen Tausende von Bomben ab, und ihnen folgten hochenergetische Entladungen, sonnenhelle Strahlen, die sich durch den Boden fraßen.

Mehrere Bomben trafen ein halbfertiges Roboterschiff. Anton schirmte sich die Augen ab, als das Schiff in einem gewaltigen Lichtblitz explodierte ‐

zurück blieb ein glühender Krater. Funken flogen in alle Richtungen, als hätte jemand die Kohlen eines Lagerfeuers verstreut. Zwitschernde Signale kamen aus den Kom‐Lautsprechern des Kriegsschiffs. Anton fragte sich, was die Roboter sagten, entschied dann aber, dass er es gar nicht w ollte.

issen w

Ein zweites Roboterschiff fiel den Bomben zum Opfer, und dann beschädigten die Kanonen ein ildiranisches Kriegsschiff. Die anderen setzten den gnadenlosen Beschuss der Tunnel und des Stützpunkts fort.

»Schon sehr bald werden die Roboter nicht nur besiegt sein, sondern ausgelöscht«, sagte Zan'nh.

Vao'sh bewegte die Lippen und schien sich bereits die Worte zurechtzulegen, mit denen er die Geschichte den anderen Erinnerern erzählen wollte. Unten auf der Oberfläche des Planeten suchten die Roboter nach Deckung.

Yazra'h ballte die Fäuste, während sie den Angriff beobachtete. Sie schien zu hoffen, dass der Adar einige der schwarzen Maschinen verschonte, damit sie selbst gegen sie kämpfen konnte.

5 # WEISER IMPERATOR JORA'H

Als Yazra'h und Zan'nh aufgebrochen waren, um Maratha zurückzuerobern, widmete sich Jora'h den vielen anderen Aufgaben, die erledigt werden ssten, um dem Reich

mu

wieder Stabilität zu geben. Seine Bediensteten

stellten Karten und

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strategische Bestandslisten zusammen ‐ der erste Schritt bei dem Bemühen, das wiederzugewinnen, was verlorengegangen war. Hyrillka, Zentrum von Rusa'hs Rebellion, war evakuiert worden, als Faeros und Hydroger im System der primären Sonne gegeneinander gekämpft hatten. Vielleicht konnte jene Welt jetzt wieder besiedelt werden. Der Weise Imperator schickte eine wissenschaftliche Gruppe mit dem Auftrag nach Hyrillka, die Sonnenaktivität zu beobachten und das Klima zu überwachen. Sie sollte ihn sofort verständigen, wenn es Anlass zu Sorge gab.

Jora'h rief Tal O'nh zu sich, den einäugigen militärischen Kommandeur, der Hyrillka zusammen mit dem jungen Designierten Ridek'h evakuiert hatte, der dort die Regierung hätte führen sollen. Der Weise Imperator schickte sie zu den Welten des Horizont‐Clusters, damit sie dort Planeten besuchten, deren Kolonien im Verlauf der Rebellion in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Auch das war ein wichtiger Schritt dabei, die ildiranisc ke und

he Stär

Einheit zu erneuern.

Das Reich war in so viele Fragmente zersplittert, und nur der Weise Imperator konnte sie wieder zusammensetzen. Wie sehr er sich darüber freute, dass sein Sohn Daro'h an diesem Tag von Dobro zurückkehrte! Nach der Niederlage der Hydroger und dem Ende von Rusa'hs Bürgerkrieg brauchte das Ildiranische Reich wieder den Erstdesignierte . Jo n

ra'h wollte

seinen Sohn sehen, sobald der Transporter gelandet war.

Ein halbrunder Sims ging von dem Palastflügel aus, der dem Erstdesignierten zur Verfügung stand. Er war sowohl Balkon als auch Landezone, bot mehr als siebzig Ildiranern Platz. Nira hatte leider beschlossen, Jora'h bei dieser Gelegenheit keine Gesellschaft zu leisten. Ihre Erinnerungen an Dobro waren noch frisch, und Daro'h repräsentierte die schrecklichen Zuchtlager für sie, obwohl er nicht darum gebeten hatte, der Designierte jenes Planeten zu werden.

ig

Ein e Angehörige des Bediensteten‐Geschlechts befestigten Fähnchen an dünnen Stangen und fügten ihnen bunte Bänder

81

hinzu. Andere stellten Speisen auf so viele Tische, dass sich Jora'h fragte, ob der Pilot einen Landeplatz auf dem Balkon finden würde. Erinnerer des Prismapalastes standen bereit und beobachteten alles, um später jede Einzelheit von Daro'hs Besuch schildern zu können. Beamte entschieden darüber, wer auf dem Landesims stehen durfte und wer dem Geschehen von anderen Baikonen aus zusehen musste. Wächter hatten Aufstellung bezogen und streckten ihre kristallenen Katanas gen Himmel.

In reflektierende Sonnenenergiegewänder gekleidete Frauen warteten aufgeregt auf den Erstdesignierten. Ihre Köpfe waren geschoren, geölt und mit farbenprächtigen Mustern bemalt. Viele von ihnen waren dafür vorgesehen, von Daro'h geschwängert zu werden, und sie winkten begeistert, als das kleine, zeremonielle Kampfboot zur Landung ansetzte.

Die Pflicht des Erstdesignierten bestand darin, viele Kinder zu zeugen, mit Frauen der verschiedenen Geschlechter, und eine neue Generation adliger Söhne hervorzubringen, die seine De‐signierten‐in‐Bereitschaft sein würden.

Hier auf Ildira erwartete Daro'h ein ganz anderes Leben. Aufgrund seiner Geburt, Erziehung und Ausbildung hatte er nie geglaubt, jemals etwas anderes zu sein als der Designierte von Dobro. Aber mit dem Tod des Abtrünnigen Thor'h hatte sich alles geändert.

Diesmal würde der Weise Imperator seinem Sohn nicht gestatten, ein zügelloses Leben zu führen. Ein Erstdesignierter hatte viele angenehme Verpflichtungen und neigte dazu, sich eine Zeit lang allen denkbaren Freuden hinzugeben, aber Jora'h litt noch unter dem Fehler, Thor'h zu große Freiheiten eingeräumt zu haben. Für Daro'h sollte es schwerer werden, von Anfang an.

Angehörige des Bediensteten‐Geschlechts hatten die transparenten Kacheln des Balkons so perfekt geputzt, dass es aussah, als landete das Kampfboot in rer L

lee

uft. Siegel und bunte Markierungen schmückten das kleine Zeremonienschiff. Die

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Düsen zischten kurz, und heiße Luft wehte über den breiten Sims, al es s

aufsetzte. Die Luke öffnete sich, und Jora'h trat vor.

Doch als Daro'h aus dem Schiff stieg, fühlte der Weise Imperator ein plötzliches Stechen im Herzen, und hinzu kam jähe Leere in der Magengrube. Der dumpfe Schmerz, den er im Thism wahrgenommen hatte, wurde stärker. Daro'h zuckte im hellen Licht der sechs Sonnen zusammen.

Die Haut in seinem Gesicht war rot und voller Blasen, die Hände wirkten wie verbrannt.

»Daro'h! Was ist passiert?«

Der junge Mann schwankte, als er auf ihn zuging. »Vater!«, platzte es aus ihm heraus. »Feuer kommt. Die Faeros! Udru'h ist tot!«

»Der Designierte Udru'h ist tot? Wie konnte das geschehen? Ich habe nichts gefühlt!« Wie konnte Jora'h nicht den Tod seines Bruders fühlen?

»Bevor er starb, trennten die Faeros ihn vom Thism. Sie isolierten ihn davon und ... verschlangen ihn. Rusa'h steckt dahinter, Herr. Er lebt und ... brennt.«

»Erkläre das, Erstdesignierter«, sagte Jora'h scharf, damit seine Stimme Daro'hs Panik durchdrang. Die anwesenden Ildiraner der verschiedenen Geschlechter sahen den Weisen Imperator an und schienen von ihm zu erwarten, dass er sie von ihrer Verwirrung befreite und vernünftige Antworten lieferte.

Daro'h holte tief Luft und verzog dabei schmerzerfüllt das Gesicht. Er schilderte, wie die Faeros nach Dobro gekommen und mit ihren Feuerbällen über der verbrannten Siedlung erschienen waren. »Rusa'h ist bei den Faeros. Er sagte, er würde noch mehr verb

en, auch dich, wen

renn

n du

versuchst, ihn aufzuhalten.«

»Und warum hat er dich am Leben gelassen?«

»Weil ich ein Sohn des Weisen Imperators bin. Meine Thism Verbindung zu dir ist stark, aber ich glaube, er hätte sie unterbrechen und verbrennen können, wenn das seine Absicht ge

83

wesen wäre. Vermutlich wollte er, dass ich dich warne ... damit du dich fürchtest.«

Jora'h verstand es nur zu gut. Die Solare Marine hatte schwere Verluste erlitten, und das ildiranische Volk war geschwächt ‐ welche Chancen hatten sie unter solchen Umständen gegen Feuerentitäten, so mächtig wie die Hydroger? Andererseits: Der Weise Imperator hatte den Hydrogern gegenüber nicht nachgegeben, und das Reich existierte noch.

»Ich brauche deine Kraft, Daro'h. Ich brauche meinen Erstdesignierten.«

Durch das Thism spürte Jora'h, wie sein Sohn in sich ging. Der junge Mann fühlte sich jetzt nicht mehr so allein und fand einen Mut, der nicht von Furcht verbrannt worden war. »Wie können wir gegen Rusa'h bestehen?«

»Indem wir Ildiraner sind. Wenn unser Volk zusammensteht, ist es stärker als jede Gefahr von außen.« Jora'h ergriff Daro'hs Unterarm. »Du und ich, wir verstärken das Thism, wie es der Weise Imperator und sein Erstdesignierter tun sollten. Kennen wir das nächste Ziel von Rusa'h?

«

»Er meinte, er würde dort Verbindungen schaffen, wo er sie braucht.«

26 * FAERO-IN KARNATION RUSA'H

Crennas toter Stern bot Hinweis auf eine bittere Niederlage der Faeros.

Zwar waren bei dem Kampf auch zahllose Hydroger ums Leben gekommen, doch der Feind aus den Tiefen von Gasriesen hatte den Kampf gewonnen.

Für die Faeros war es ein schwerer Schlag gewesen.

Doch jene Ereignisse waren zu einer Zeit geschehen, als Rusa'h noch nicht en f

zu d

eurigen Elementarwesen gehört hatte. Als Avatar der Faeros verfügte er noch über alle seine

83

menschlichen Erinnerungen, Leidenschaften und Ideen. Und so hatte Rusah ihnen andere Arten zu kämpfen gezeigt. Voller Selbstaufopferung hatten sich die Faeros der überwältigenden Übermacht der Hydroger entgegengeworfen und sie verbrannt, dafür aber einen hohen Preis gezahlt.

Ihre Zahl war stark dezimiert worden.

Vielleicht konnte er ihnen helfen und gleichzeitig seine eigenen Ziele erreichen.

Rusa'h sah durch einen Vorgang aus Flammen, als seine Feuerkugel über der dichten grauen Leiche von Crennas Sonne flog. Der nukleare Brand in ihr war erloschen und erzeugte keinen Strahlendruck mehr, der der Gravitation des Sterns entgegenwirkte. Die zuvor bewohnbaren Planeten des Sonnensystems waren jetzt kalt und dunkel, ihre Atmosphären ge‐

froren. Noch immer kroch thermische Energie durch die dichten Gasschichten, aber sie genügte nicht. Aus dieser geringen Entfernung hätte Rusa'h normalerweise beobachten können, wie seine Faero‐Verbündeten in den magnetischen Bögen von Sonnenflecken herumtollten oder in den kochenden Energieseen der Korona badeten. Wie flackernde Flammen verkörperten sie Chaos und Entropie. Die Faeros zerstörten starre Strukturen und feste Organisation. Sie machten, was ihnen beliebte.

Doch nicht mehr an diesem Ort. Sie waren fast ausgelöscht, und so widersprüchlich es klingen mochte: Damit geriet das Chaos aus dem Gleichgewicht.

Zwar bestand sein Körper aus Plasma und Lava anstatt aus Fleisch und Knochen, aber Rusa'h fühlte eine Erinnerung an Kälte. Noch einmal lenkte er seine Feuerkugel um die tote Sonne und stellte sich dabei die Ag er

onie d

Faeros vor, die hier gestorben waren.

Er hatte versucht, das ildiranische Volk auf einen neuen Weg zu führen, doch dann war er gezwungen gewesen, in die Sonne zu fliehen. Aber jene Gluthölle hatte ihn nicht etwa verbrannt, sondern verändert. Und jetzt wusste Rusa'h, wie er die

84

Faeros dazu bringen konnte, den verdorbenen Weisen Imperator Jora'h z u

stürzen und sein Volk zu retten.

Nachdem er Teil der feurigen Entitäten geworden war, hoffte Rusa'h, sein Wissen um die Ildiraner nutzen zu können, um das Bedürfnis der Faeros nach Wiedergeburt zu befriedigen. Manchmal verstanden ihn die flammenden Elementarwesen nicht, aber sie wussten von seinem brennenden Wunsch nach Rache und Kontrolle.

Rusa'h hatte sich einen persönlichen Wunsch erfüllt und den verräterischen Dobro‐Designierten Udru'h verbrannt. Dabei war er dem Seelenfaden gefolgt und hatte Udru'hs starke Lebenskraft aufgenommen. Udru'hs sterbender Funke hatte sich den Flammen der geschwächten Elementarwesen hinzugesellt, und Rusa'h war von der Verbindung sehr er‐

staunt gewesen. Wieso hatte er das nicht vorher erkannt? Er konnte das Seelenfeuer der Faeros mit den Seelenfäden des Thism verbinden. Es war eine Offenbarung sowohl für ihn als auch für die feurigen Entitäten.

So wie die grünen Priester den Weltwald verbreiteten, war Rusa'h imstande, den Faeros zu neuer Größe zu verhelfen. Er konnte den Faeros ihre Kraft zurückgeben, indem er eine ildi‐ranische Seele nach der anderen verbrannte, bis das Feuer der Faeros unauslöschlich wurde. Rusa'h hatte seine neue Kampagne mit dem Ziel begonnen, die Faeros vor dem Ende zu bewahren, aber sie konnte ihm auch dazu dienen, das fehlgeleitete ildiranische Volk direkt zur Lichtquelle zu bringen.

Es würde natürlich Widerstand geben, aber er leistete seinem Volk einen großen Dienst, wie schmerzvoll er auch sein mochte. Einige Ildiraner würden große Opfer bringen müssen.

Rusa'h beschloss, zuerst die Welten aufzusuchen, auf denen er bereits neue Pfade für das Thism geschaffen hatte. Jene Verbindungen erlaubten ihm ein leichtes Vorankommen, während er Kraft sammelte. Selbst ganze planetare Bevölkerungen konnten ihm nicht widerstehen. Er verließ die tote Sonne von

85

Crenna und nahm mit seiner Feuerkugel Kurs auf den Hori‐zont‐Cluster, o w

zahllose Seelen reif waren und darauf warteten, geerntet zu werden.

Zur Zeit von Rusa'hs sich ausbreitender Rebellion war Dzellu‐ria die erste Eroberung gewesen, nachdem er die Bevölkerung von Hyrillka unter seine Kontrolle gebracht hatte. Er hatte sich zum Imperator ernannt und seine Anhänger nach Dzelluria geführt, wo die Ildiraner völlig ahnungslos gewesen waren. Er hatte den alten Designierten getötet und den Designierten‐in‐Bereitschaft Czir'h gezwungen, dabei zuzusehen, bevor er ihn zu einem Teil des neuen Thism gemacht hatte. Nach dem Ende der Rebellion hatte der feige junge Designierte den Weisen Imperator um Vergebung angefleht, und die Bewohner seines Planeten waren bestrebt gewesen, ihre Städte wiederaufzubauen und wieder alles so zu gestalten wie früher.

Jetzt kehrte Rusa'h mit einem Gefolge aus brennenden El‐lipsoiden nach Dzelluria zurück ‐ um den dortigen Ildiranern Feuer zu bringen.

Als die Feuerkugeln über den Himmel glitten, sah Rusa'h, mit welchem Eifer die Bewohner des Planeten arbeiteten. Mithilfe hoher Gerüste wurden Monolithen errichtet, Springbrunnen und Denkmäler gebaut ‐ die Spuren der Übernahme von Dzelluria sollten so schnell wie möglich beseitigt werden. Es waren erst einige wenige Monate vergangen, doch in der Hauptstadt g

reits h

ab es be

öhere Türme und größere Gebäude als zuvor.

Die Bewohner wähnten sich im Thism des Weisen Imperators sicher.

Sie musste brennen.

Mit erweiterten Sinnen blickte Rusa'h aus seinem feurigen Schiff hinab und sah den jungen Designierten, der mit einem Angehörigen des Linsen‐

Geschlechts auf einem Balkon stand und das Firmament beobachtete ‐

lleicht fr

vie

agte er sich, warum die Sonne heller wurde. Rusa'h dachte daran, welche Szene sich Czir'h darbot. Der Designierte musste den Ein 85

druck gewinnen, dass neue Sonnen am Himmel erschienen ‐Sonnen, die wie große, in Flammen gehüllte Meteore herabstürzten, genau auf ihn zu.

Mühelos fand Rusa'h die alten, nie ganz verheilten Pfade des Thism in Czir'hs Bewusstsein. Er trennte ihn von den Seelenfäden des ildiranischen Volkes, isolierte ihn von allen anderen. Bei dem Angehörigen des Linsen‐

Geschlechts nahm dieser Vorgang noch weniger Zeit in Anspruch. Mit dem Verlangen der Faeros hinter sich sah Rusa'h sie nicht als Personen, sondern als Funken. Rusa'h zögerte nicht länger und setzte das reinigende Feuer f i re

‐ heiß pulsierte es durchs Thism.

Czir'h und der Angehörige des Linsen‐Geschlechts brachen zusamm , en als

das Feuer ihre Seelen verbrannte und die Faeros stärker machte.

Rusa'h lächelte und konzentrierte sich auf die übrigen Bewohner von Dzelluria.

27 * CESCA PERONI

Nachdem sich die Wentals in vielen Gasriesen ausgebreitet und die feindlichen Hydroger besiegt hatten, kehrten Jess und Cesca zur primordialen Wasserwelt Charybdis zurück. Sie waren endlich zusammen und freuten sich darauf, viel Zeit miteinander zu verbringen, abseits der Ereignisse im Spiralarm. Nur sie beide.

Das silbrig glänzende Wasserschiff ging tiefer, und über ihm spannte sich ein grauer Himmel, aus dessen Wolken lebender Regen fiel. Blitze flackerten und setzten Wental‐Energie frei. Als das Schiff die stahlgrauen Wellen ührte, verschwan

ber

d seine Oberflächenspannung, und es ging in dem

weltweiten Wental‐Ozean auf.

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Jess und Cesca schwammen frei und glücklich in dem globalen Meer.

Zahllose Essenzen flössen durch sie, und Stimmen gaben die Gedanken des ausgedehnten Wental‐Bewusst‐seins wider. Es ließ sich mit nichts in Cescas früherem Leben vergleichen.

Die Hydroger sind nicht ausgelöscht, aber besiegt. Wir halten sie unter Kontrolle.

Warmer Regen fiel in Cescas Gesicht und rann ihr über die Haut. »Ich weiß noch immer nicht, worum es in dem damaligen Krieg ging. Ist der Konflikt gelöst?«

Antworten sprudelten ihr entgegen und brachten Informationen, die für sie beide neu waren. Wir vier Manifestationen Wentals, Verdani, Faeros und Hydroger kämpfen um die Zukunft des Universums. Wir nehmen Einfluss auf Raum, Zeit und Naturgesetze, um den Kosmos auf den richtigen Weg zu bringen. Wir entscheiden, ob sich das Universum für immer ausdehnt, abkühlt und stirbt... oder ob es sich wieder zusammenzieht und zu einem neuen Urknall kollabiert.

Soll das Universum eine Heimstatt für Leben, Organisation und Wachstum sein, oder ein Hort des Chaos und der Auflösung? Dieser fundamentale Kampf wird überall ausgetragen, angefangen beim Kern eines Atoms bis hin zum größten GalaxienSuperhaufen. Leben kämpft an der Seite von Leben, s

Chao

an der Seite von Chaos.

»Wir gewinnen also, wenn wir die Wesen des Chaos besiegen, die Faeros und Hydroger?«, fragte Jess.

Das Chaos kann nur kontrolliert werden, aber das Leben lässt sich vernichten.

Die Risiken sind nicht gleichmäßig verteilt.

»Aber das Leben kann erneuert werden«, sagte Cesca.

Und das rettet euch. Die meisten Hydroger sitzen in ihren Gasriesen fest. Wenn die Bewegungsfreiheit der Faeros ähnlich eingeschränkt werden kann, sind die Dinge wieder im Gleichgewicht. Dann kehrt das m

Universu zu Harmonie

zurück.

Jess und Cesca konnten ihr seltsames neues Leben fortset 87

zen ‐ ein Leben, dass sie sich nie erträumt hätten. Als sich Cesca den umfassenden Veränderungen unterzogen hatte, die notwendig gewesen waren, um sie vor dem Tod zu bewahren, hatte sie gewusst, dass sie kein normales Leben unter Menschen mehr führen konnte. Es gab keine Reue in ihr. Sie hatte alles gern aufgegeben, um mit Jess zusammen zu sein. Aber sie vermisste die Roamer.

Später ‐ an diesem Ort verloren sie ihr Zeitgefühl ‐ standen sie nebeneinander auf nassem schwarzem Fels, während um sie herum Wellen ein fröhliches Ballett tanzten. Jess und Cesca hatten ihre Gedanken und Erinnerungen mit den Wasserwesen geteilt und ihnen auf diese Weise zu verstehen gegeben, was sie beabsichtigten. Damit folgten sie ihrem Leit‐

stern.

»So habe ich mir unsere Hochzeit nicht vorgestellt«, sagte Jess sanft. »Keine Versammlung der Clan‐Oberhäupter, keine elegante Kleidung, keine Würdenträger, ob nun zivile oder religiöse. Bist du enttäuscht?«

Cesca sah ihn an, das Herz voller Liebe. »Wie könnte ich das?« Sie bedauerte nur, dass Sprecherin Okiah diesen Tag nicht erlebt hatte ‐ sie wäre gern bei Cescas Hochzeit zugegen gewesen. Aber Cesca hatte zuerst einen anderen Mann geheiratet: Jess' Bruder. Sowohl Ross Tamblyn als auch ihr nächster Verlobter, Reynald von Theroc, waren den Hydrogern zum Opfer gefallen.

Selbst danach hatten Jess und Cesca es nicht gewagt, ihren Familien zu gestehen, dass sie sich liebten. Nach Jess' Rettung und Verände ng durch ru

die Wentals war es dafür zu spät gewesen.

»Manchmal habe ich geglaubt, unsere Leitsterne würden uns nie zusammenbringen«, sagte Cesca.

»Diesmal wird uns nichts aufhalten.«

Es kam zu einem wortlosen Einvernehmen zwischen Jess und Cesca. Die nt

We als würden ihre Trauzeugen sein, und kein menschlicher Standesbeamte hatte mehr Autorität, ein Ehepaar aus ihnen zu machen.

87

Regenwolken zogen über den Himmel, gefüllt mit flüssiger Kraft. Die Gischt trotzte der Gravitation von Charybdis, stieg auf und wogte dabei wie ein Brautschleier. Goldener Sonnenschein strahlte durch Lücken in den Wolken und schuf bunte Regenbögen. Cesca begriff, dass die Wentals diese besondere Gelegenheit auf ihre Weise feierten.

Sie und Jess standen einander gegenüber, streckten die Hände aus und berührten sich. Wental‐Flüssigkeit glänzte auf ihrer Haut und umgab sie mit funkelnder Pracht. Cesca sprach die traditionellen Worte, die sie sich vor langer Zeit eingeprägt hatte. »Ich bin dir verpflichtet, Jess Tamblyn. Ic bin h

für dich bestimmt und gebe dir mein Herz und mein Versprechen.«

Jess wandte den Blick nicht von ihr ab. »Ich bin dir verpflichtet, Cesca Peroni. Ich bin für dich bestimmt und gebe dir mein Herz und mein Versprechen. Mag sich auch das Universum um uns herum verändern, wir bleiben immer zusammen, in unseren Herzen und in unseren Seelen.«

»Ja, in unseren Herzen und Seelen. Der Leitstern wird uns den Weg w n.«

eise

Von Dunst umgebene Wassersäulen wuchsen aus dem Ozean, eine ganze Gemeinde von Wentals. Statische Elektrizität summte in der Luft, und es roch nach Ozon.

Die Wolken öffneten sich, und kühler, erfrischender Regen kam auf. Wentals fielen in Form Tausender Tropfen, die keine Tränen symbolisierten, dern

son

ein Dank für all die Wentals waren, die Jess und seine Wasserträger f

au zahlreichen Welten ausgesetzt hatten.

88

28 # KONIG PETER

»Unsere oberste Priorität besteht darin, uns zu verteidigen, und unsere größte Sorge ist der Vorsitzende Basil Wenzeslas«, sagte Peter in einem Gespräch mit mehreren Beratern. Solche spontanen Konferenzen fanden jetzt recht häufig statt, und es nahmen die Fachleute daran teil, die innerhalb sehr kurzer Zeit benachrichtigt werden konnten. Repräsentanten kamen und gingen, brachten Handelswaren, boten Unterstützung und R t a

an, begleiteten Konföderationsdelegierte von Kolonien oder Clans.

»Die Baumschiffe sind fort«, sagte die hochschwangere Königin Estarra.

»Ohne sie hat Theroc nicht den geringsten Schutz durch eine Raumflotte, und die Roamer besitzen keine Schlachtschiffe.«

»Wenn General Lanyan wüsste, wie schutzlos wir sind, wären wir in großen Schwierigkeiten«, sagte Tasia Tamblyn, die ihre TVF‐Uniform gegen einen bequemen Roamer‐Overall eingetauscht hatte. Tasia und Robb Brindle beabsichtigten, nach Plumas zurückzukehren und dort ihren Onkeln dabei zu helfen, die Wasserminen in Ordnung zu bringen und wieder in Betrieb zu nehmen. Seit Tasia die Einzelheiten des aktuellen politischen Durcheinanders kannte, bot sie recht freimütig Rat an.

Robb seufzte. »Nun, er wird es bald erfahren, nicht zuletzt dank meines Vaters.«

Als Lieutenant Commander Brindle von Theroc fortgeflogen war, hatte er dem Befehl zur Rückkehr keine Beachtung geschenkt. Doch Peter war nicht bereit gewesen, das Schiff abschießen zu lassen. Er hoffte, keinen schrecklichen Fehler gemacht zu haben.

»Zum Glück für uns ist die TVF nach der Kompi‐Revolte und der Schlacht gegen die Hydroger geschwächt«, sagte Estarra. »So bald ist nicht mit militärischen Schlägen zu rechnen.«

89

Peter war sich a

d nicht so sicher. »Normalerweise lässt Basil gute Gelegenheiten nicht ungenutzt verstreichen.«

»Aber wir sind Händler, keine Soldaten«, betonte i. »Wir wissen

Denn Peron

nicht, wie man militärische Schiffe fliegt.«

»Roamer sind anpassungsfähig«, sagte Tasia. »Das ist unser Markenzeichen.«

Peter nickte. »Wir alle müssen uns ändern und anpassen, uns dem Feind in einem neuen Licht zeigen. Es genügt nicht mehr, Verstecken zu spielen.«

Der besorgte Yarrod brachte im Namen vieler grüner Priester Bedenken zum Ausdruck. »Theroc hatte noch nie ein Militär. Wir ha it

ben m der Hanse

zusammengearbeitet und sind unabhängig geblieben.«

»Mit der Hanse gibt es keine Zusammenarbeit. Und eine ruhige Unabhängigkeit ist nicht mehr möglich. Sie wissen, dass der Vorsitzende unschuldigen Roamer‐Clans den Krieg erklärt hat. Er wird versuchen, die Konföderation zu zerstören, sobald er eine Möglichkeit dazu sieht.«

»Ich kann noch immer nicht glauben, dass wir in den Streitkräften Befehle befolgt haben, die mit jedem verstreichenden Tag verrückter wurden«, sagte Robb, der seine Meinung in Hinsicht auf TVF und Hanse ganz offensichtlich geändert hatte. »Das ist nicht die TVF, in deren Dienste ich

getreten bin.«

»Wir haben gehofft, dass zumindest einige Angehörige des Militärs dem König folgen würden anstatt dem Vorsitzenden. Selbst eine Handvoll Überläufer hätte uns einige Schlachtschiffe eingebracht.« Peter schüttelte den Kopf. »Aber nichts dergleichen ist geschehen.«

Estarra strich mit der Hand über den weit vorgewölbten Bauch, verzog das Gesicht und entspannte sich dann wieder. »Wunschdenken.«

Peter blieb entschlossen. »Wenn wir keine TVF‐Einheiten übernehmen können, bauen wir eben selbst Kampfschiffe. Ich brauche Ihre Hilfe, die Hilfe von Ihnen allen. Die Industriean

89

lagen der Roamer müssen so umgerüstet werden, dass sie Waffen produzieren können. Mr. Peroni, soweit ich weiß, hat Del Kellum Ihnen die Verantwortung für die neuen Osquivel‐Werf‐ten übertragen, nicht wahr?«

Denn verschränkte die Arme, wodurch die Reißverschlüsse und Anhänger seines Overalls rasselten. »Sagen Sie mir einfach, was für Schiffe Sie wollen.«

Peter wandte sich an Tasia und Robb. »Und Sie beide wissen am besten, wie die TVF denkt und handelt.«

»Das ist nicht sehr ermutigend.« Tasia lachte leise, und Robb wirkte verlegen. »Wir sind schon seit einer ganzen Weile nicht mehr auf dem Laufenden.«

»Trotzdem, in der Konföderation gibt es keine besseren TVF‐Fachleute als Sie. Ich weiß, dass Sie nach Plumas zurückkehren möchten, aber ich bitte Sie, zuerst einen Sonderauftrag zu übernehmen. Fliegen Sie zu den Osquivel‐Werften und zeigen Sie den Leuten dort, wie unsere Schiffe bewaffnet sein müssen. Rüsten Sie möglichst viele der Schiffe u ir

m, die w

bereits haben. Bringen Sie für mich ein Wunder zustande.«

Robb sah Tasia. »Wenn du einverstanden bist, bin ich ebenfalls bereit.«

»Ohne dich würde ich mich nicht darauf einlassen.« Peter beobachtete, wie sich Tasias Gesichtsausdruck veränderte. Sie schien einen Entschluss zu fassen, und die nächsten Worte bewiesen, dass sie bereits an prakti che s

Aspekte dachte. »Ich hoffe, dieser Auftrag wird gut bezahlt.«

Der Lehrer‐Kompi stand starr und steif auf einer offenen Wiese, mit optischen Sensoren, die selbst im hellen Tageslicht leuchteten. Peter trat neben ihn. »Dies ist eine Wende, nicht wahr, OX? Jetzt bin ich der Lehrer und du der Schüler.«

»Ich glaube, das ist sachlich korrekt. Allerdings sind Sie der König, und es ist nicht nötig, dass Sie einen Teil Ihrer kostbaren Zeit mit mir verbringen. Mit Daten‐Uploads und ausgewählten Programmmodulen kann ich Diplomatie neu erlernen

90

und alle p

s

oliti chen und historischen Informationen bekommen, die Sie brauchen.«

»Ich brauche dich, OX. Du hast mich den feinen Unterschied zwischen Daten und Wissen gelehrt. Es ist nicht das Gleiche. Im Flüsterpalast hatte ich Feinde und Verbündete, beide mit eigenen Plänen un ichten.

d Abs

Nur von

dir konnte ich rationalen, objektiven Rat erwarten.«

»Ich werde auch weiterhin mein Bestes tun, König Peter.«

Estarra saß neben ihnen im weichen Gras. Sie hatten beschlossen, hierherzukommen, weil das kleine Hydroger‐Schiff auf dieser Lichtung gelandet war. Jedes Mal wenn Peter dieses Schiff und OX sah ‐ der nicht mehr OX war ‐, erinnerte er sich daran, wie viel der alte Kompi geopfert hatte, um Estarra und ihm die Flucht zu ermöglichen. Wäre es besser gewesen, wenn OX in der Schlacht sein Ende gefunden hätte? Der Kompi wusste nicht einmal, was er verloren hatte. OX' Gedächtnisspeicher war von einem Roamer‐Techniker erweitert worden, was ihm die Möglichkeit gab, neue Erinnerungen zu erwerben, ohne die komplexe Programmierung zu löschen, die dafür nötig gewesen war, das fremde Schiff zu fliegen.

»Jeden Tag verbringen wir mindestens eine Stunde zusammen, OX: du, ich und Königin Estarra. Wir helfen dir, die Dinge neu zu lernen, die du wissen musst.«

Der Lehrer‐Kompi war über Jahrhunderte hinweg eine wichtige historische und politische Quelle gewesen. Peter hoffte, dass Basil Wenzeslas ihren Wert begriffen und irgendwo ein Back‐up angelegt hatte. Der Gedächtniskern des Kompi hatte umfangreiches, aus erster Hand stammendes Wissen über die Geschichte der Hanse enthalten.

OX drehte den Kopf, als sich zwei Personen näherten. »Ich grüße Sie, Tasia Tamblyn und Robb Brindle.«

Tasia hatte das königliche Paar und OX beobachtet. Ihr normalerweise recht keckes und selbstbewusstes Gebaren verriet einen tiefen Schmerz. »Ich hatte einmal einen Zuhörer‐Kompi namens EA. Ich glaube, es war der Vorsitzende höchstpersön

91

lieh, der ihn verhörte und dabei eine Gedächtnislöschung auslöste. EA gehörte viele Jahre zu meiner Familie, und ich habe versucht, ihm die Erinnerungen zurückzugeben, indem ich Geschichten aus meiner Kindheit erzählte und von unseren gemeinsamen Abenteuern berichtete.« Ihre Lippen formten ein trauriges Lächeln. »Es funktionierte. Ich konnte nicht alles ersetzen, was EA verloren hatte, aber gemeinsam schufen wir neue Erinnerungen.«

»Und welches Ergebnis haben Sie erzielt, Tasia Tamblyn?«, fragte OX. »Sind Sie letztendlich erfolgreich gewesen? Ich bin sehr interessiert.«

»Ich habe nie die Chance bekommen, es herauszufinden. EA wurde von den verdammten schwarzen Robotern zerfetzt.« Tasias Stimme überschlug sich fast, und ihre Schultern bebten. Robb legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm, und Tasia fasste sich wieder und trat einen Schritt vor.

»Wir haben als

wei g

o z

emeinsame Feinde«, sagte Peter. »Den Vorsitzenden Wenzeslas und die Klikiss‐Roboter.«

»Ja, das stimmt.«

Robb räusperte sich. »Wir wollten Ihnen nur mitteilen, dass wir uns auf den Weg nach Osquivel machen. Denn Peroni bringt uns zu den Werften. Danke dafür, dass Sie uns mit dieser Aufgabe betraut haben. Wir werde cht

n Sie ni

enttäuschen.«

»Ein Herrscher muss die richtige Wahl treffen«, sagte Estarra. »Und Sie beide sind zweifellos eine gute Wahl.«

»Die beste«, erwiderte Tasia mit einem Lächeln und fand zu ihrer guten Stimmung zurück. »Ehe Sie sich's versehen, schicken wir Ihnen gut bewaffnete und gepanzerte Schiffe, die Theroc vor der Großen Gans schützen werden.«

»Ich wünschte, Ihnen bleibe mehr Zeit«, sagte Peter. »Aber ich fürchte, den Luxus haben wir nicht.«

»Keine Sorge.« In Robbs Stimme ließ sich keine Ironie vernehmen. »Wir kommen mit dem Zeitdruck zurecht.«

iel Glück

»V

«, sagte OX und überraschte sie damit.

92

29 # MARGARET CÓLICOS

Margaret lehnte sich an einen der neu errichteten Türme. Der Harzzement hatte noch immer einen unnatürlichen ranzigen Geruch, der schließlich verschwinden würde, wenn das Material an der Luft und im Sonnen c s hein

trocknete.

Margaret konnte die von einer Mauer umgebene Siedlung ganz nach Belieben verlassen und in sie zurückkehren, doch außer ihr schien niemand den Mut dazu zu haben. Die übrigen Kolonisten blieben in dem abgesperrten Bereich, aus Furcht vor den Insektenwesen. Margaret wusste nicht, ob die Klikiss sie in Ruhe ließen, weil sie ihre »besondere Musik«

fürchteten, oder ob sie sich einfach nicht um sie scherten.

Bei den Klikiss hatte sie erfahren, dass es der Brüterin derzeit darum ging, die schwarzen Roboter zu zerstören, wo auch immer sie sie finden konnte.

An diesem Morgen war die erste große Streitmacht durch das Transportal nach Wollamor aufgebrochen. Sobald die Roboter keine Gefahr mehr darstellten, würden die Brüterinnen der neuen Subschwärme gegeneinan‐

der kämpfen, bis nur eine von ihnen übrig blieb.

Zwar waren die Klikiss damit beschäftigt, Rache zu nehmen, aber Margaret zweifelte nicht daran, dass sie sich früher oder später gegen die K oni ol

sten

wenden würden.

DD drehte seine optischen Sensoren und sah in die Richtung, in die Margarets Blick ging. »Was beobachten Sie, Margaret?«

»Ich beobachte die armen Kolonisten. Sie verstehen nicht.«

»Wenn Sie mir sagen, was sie nicht verstehen, würde ich es ihnen gern erklären.«

»Nein, das ist unmöglich. Ich muss einen Weg finden, ihnen zu helfen oder sie zumindest zu warnen.«

Plötzlich sah sie, wie ein dunkelhäutiger Mann die Siedlung durch eine der Öffnungen in der Mauer verließ, wobei er die Nähe der Klikiss mied. Es überraschte Margaret kaum, dass

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die Insektenwesen ihn ignorierten. Mehrere Kolonisten, unter ihnen Orli Covitz, standen auf der Mauer und sahen dem Mann hinterher, als er i s ch

vorsichtig der Stadt des Schwarms näherte.

Margaret schnitt ihm den Weg ab, bevor er versehentlich eine falsche Richtung einschlug. »Davlin Lotze, was haben Sie vor?«

»Ich versuche herauszufinden, wie viel Bewegungsfreiheit uns die Käfer lassen.« Sein Blick huschte zur Seite, als zwei Krieger vorbeistapften, ohne ihn zu beachten. Ihre Beine und Ektoskelette knisterten und knackten bei jeder Bewegung, und sie verständigten sich mit zwitschernden, klickenden Lauten. »Außerdem möchte ich mit Ihnen reden. Suchen wir uns einen ruhigeren Ort.«

»Sie haben Nerven wie Stahl, Davlin. Kaum ein anderer Kolonist wagt e die s,

Siedlung zu verlassen.«

»Ich musste feststellen, wie weit ich gehen kann. Jetzt weiß ich Bescheid und habe dadurch ganz neue Möglichkeiten.«

Margaret führte ihn in den Windschatten eines alten, verwitterten Turms, und Lotze holte einen Datenschirm hervor. »Dreimal habe ich die Siedlung zu kleinen Erkundungstouren verlassen. Außerdem bin ich mehrmals auf die Mauer geklettert und habe von dort aus Bilder von den einzelnen Subspezies gemacht. Ich brauche Ihre Hilfe, um sie zu identifizieren.« Er zeigte ihr die Bilder. »Können Sie mir sagen, welche Aufgaben die einzelnen Käferarten wahrnehmen?«

Während ihrer Anfangszeit bei den Klikiss hatte Margaret ebenfalls versucht, die Klikiss zu klassifizieren und kategorisieren. Doch Davlins Interesse schien nicht wie bei ihr in erster Linie wissenschaft u

licher Natur z

sein. »Wollen Sie einen Fachartikel schreiben, wenn wir zurück sind?«

Lotzes Gesichtsausdruck blieb neutral. »Es dient zu unserer Verteidigung.

Wir müssen herausfinden, welche Subspezies eine Gefahr für uns darstellen d welche ig

un

noriert werden können. Ich versuche, unseren Gegner einzuschätzen, und beginne damit, Pläne zu entwickeln.«

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Margaret betrachtete die Bilder. Eins von ihnen zeigte eine Subgattung der Klikiss mit hellem Rückenschild und erschreckend menschenähnlichem Gesicht. Die Aufnahme war ein wenig verschwommen, doch Margaret erkannte genug Einzelheiten und erinnerte sich

g

an den Ursprun dieser

besonderen Subspezies. Armer Howard Palawu.

»Lassen Sie mich Ihnen erläutern, wie sich die Klikiss genetisch aufgliedern.« Margaret identifizierte die einzelnen Subspezies und nannte Informationen, die sie im Lauf der Jahre gewonnen hatte. Davlin hörte zu, machte sich Notizen und schien sich jedes Wort einzuprägen. Es geschah zum ersten Mal, dass sie ganz allein miteinander sprachen, und Margaret fand den Mann recht beeindruckend. Vor Jahren war er mit dem Auftrag nach Rheindic Co geschickt worden, sie zu suchen, und deshalb wusste er bereits ziemlich viel über sie. Als er nach Einzelheiten fragte, wurde ih r klar,

dass es ihm wirklich darum ging, den Kolonisten zu helfen.

»Wovon sollen all die Menschen im abgesperrten Bereich leben?« Er sah sie an. »Können wir die Nahrung der Klikiss essen?«

»Ich habe mich davon ernährt.« Margaret erinnerte sich an das erste Mal, als sie hungrig genug gewesen war, den mehligen Brei zu probieren. »Und ich bin noch am Leben.«

Auf Llaro waren immer wieder mit dem Einsammeln von Biomasse beauftragte Klikiss losgeflogen und hatten mit Netzen in der Luft lebende Wesen eingefangen. Andere waren mit Behältern voller Sumpfgras, Quallen und Fischen von fernen Flüssen und Seen zurückgekehrt. Die Klikiss fügten alles zusammen und verarbeiteten es zu einer homogenen, breiigen Masse.

Große Mengen davon lagerten in neu erbauten Silos bei der Resid der

enz

Brüterin.

»Beabsichtigen die Klikiss, die Menschen mit Nahrung zu versorgen, nachdem sie die Felder abgeerntet haben?«

»Ich bezweifle, dass die Brüterin dazu bereit ist.«

»Wie ändern wir das? Die Kolonisten verfügen über einige versteckte Vorräte, doch die halten nicht lange.«

94

Margaret zögerte, sah Lotze in die Augen und stieß sich dann abrupt von der buckligen Wand des Turms ab. Ohne Furcht zu zeigen oder zu empfinden, trat sie einem marschierenden Arbeiter in den Weg. Das Schwarm‐Bewusstsein kontrollierte alle Insektenwesen, und deshalb konnte sich Margaret direkt an die Brüterin wenden, indem sie zu einem beliebigen Klikiss sprach. »Du!« Sie klatschte in die Hände.

Das gelbschwarze Geschöpf verharrte. Margaret gab einige klickende und gutturale Laut von sich, die nach Zungenverrenkungen klangen, eine allgemeine Vorstellung von Nahrung vermittelten und darauf hinweisen, dass die Kolonisten Essen brauchten.

Der Arbeiter wich zur Seite und versuchte, an Margaret vor‐beizugelangen, aber sie trat ihm erneut in den Weg und schlug auf seinen Rückenschild.

»Hör mir zu!« Sie wiederholte ihre Forderungen in der Klikiss‐Sprache und erläuterte die Worte, indem sie Gleichungssymbole in den Boden kratzte.

»Nahrung. Für meinen Schwärm.« Sie deutete zum abgesperrten Ber h.

eic

»Nahrung.«

Widerstrebend, wie es schien, schickte die Brüterin Anweisungen. Vier Arbeiter kamen aus den mit dicken Wänden ausgestatteten Silos, trugen Behälter mit dem Nahrungsbrei der Klikiss und brachten sie zur Siedlung.

Davlin war beeindruckt. »Nicht schlecht. Kommen wir jetzt zum Trinkwasser...«

0 SIRIX

Klikiss‐Krieger aus Llaro strömten durch das Transportal auf Wollamor und warfen sich der Verteidigungslinie aus Soldaten‐Kompis entgegen. Die Kompis waren gute Kämpfer, verfügten über eine dicke Panzerung und ein Reaktionsvermö

94

gen, das weit über das von Menschen hinausging. Doch gegen die rachsüchtigen Klikiss‐Krieger hatten sie keine Chance.

Sirix wich so schnell zurück, wie er sich bewegen konnte ‐die Zeit drängte.

Immer mehr Klikiss kamen durch das Transportal, und seine Flotte aus TVF‐Schiffen befand sich im Orbit. Wenn es Sirix gelang, den Moloch zu erreichen ... Mit seiner Feuerkraft konnte er die verhassten Schöpfer auslöschen. Er schickte seinen beiden Kompis Signale. »Geht an Bord des nächsten Truppentransporters.«

»Wäre ein Manta nicht sicherer und besser zu verteidigen?«, fragte QT.

Seine grün silbrige synthetische Haut wies große Schmutzflecken auf.

Sirix hatte bereits an diese Möglichkeit gedacht und sie verworfen. »So große Schiffe brauchen zu lange für den Start. Sie sind allein wegen ihrer Masse langsamer.« Die beiden Kompis eilten gehorsam zu einem der Shuttles auf dem rußgeschwärzten Landefeld. Andere Roboter gingen rasch an Bord von Remoras, starteten sofort und rasten gen Himmel.

Sirix beobachtete, wie eine große Anzahl von Klikiss‐Krie‐gern auf die gelandeten Schiffe zuhielt und die Manta‐Kreuzer offenbar als primäre Ziele auswählte. Er hoffte, dass die verdammten Schöpfer den kleineren Schiffen zunächst keine Beachtung schenkten. Aber selbst wenn das der Fall war: Es bedeutete den Verlust von zwei wichtigen Kreuzern! Und von unersetzlichen Robotern.

Er sendete ein Breitbandsignal und forderte seine Gefährten damit zum Rückzug auf. Einige der schwarzen Roboter öffneten ihre Rückenschilde, breiteten die Flügel aus und flogen, doch die Klikiss‐Krieger schössen sie mit Energiekatapulten ab. Die von ihnen verwendeten Waffen waren völlig anders beschaffen als jene, die die Schöpfer früher eingesetzt hatten. Die getroffenen Roboter stürzten mit verbrannten Flügeln ab und zersche ten ll

auf dem felsigen Boden.

Ziel des Angriffs der Klikiss waren die beiden Manta‐Kreuzer, wie Sirix befürchtet hatte. Er schrieb sie als verloren ab

95

und fragte sich einmal mehr, wie den Schöpfern die Rückkehr gelun

.

gen war

In dem verzweifelten Versuch, die Verteidigungslinie zu halten, warfen sich die Soldaten‐Kompis den Klikiss‐Kriegern entgegen. Ihr wuchtiger Vorstoß ließ Ektoskelette aufplatzen. Immer mehr Insektenwesen sanken tot zu Boden, doch weitere kamen aus dem Transportal. Dies war kein bewaffneter Erkundungstrupp, sondern die komplette Streitmacht eines Subschwarms.

Die Krieger zerfetzten einen Soldaten‐Kompi nach dem anderen. Sie rissen Arme und Beine aus metallenen Rümpfen, schlugen Köpfe ab oder zerstörten die Kompis mit ihren Waffen. Hunderte von ihnen fielen den Angreifern zum Opfer, aber Sirix gewann dadurch genug Zeit, den Truppentransporter zu erreichen. Damit hatten die Soldaten‐Kompis i n

hre

Zweck erfüllt.

PD und QT befanden sich bereits an Bord, außerdem noch fünf schwarze Roboter. Einer bediente im Cockpit die Kontrollen und zündete das Triebwerk.

Die meisten Roboter hatten sich zu den Mantas zurückgezogen, in der irrigen Annahme, dass die großen Kriegsschiffe ihnen Schutz gewährten.

Sirix konnte sie nicht vor dieser Fehleinschätzung bewahren. Die Triebwerke brauchten eine Aufwärmzeit von mindestens fünfzehn Minuten, bevor ein Start möglich wurde. Einer der beiden Mantas feuerte mit den Ja‐

zer‐Kanonen auf die Klikiss. Tödliche Strahlen schnitten durch die heranwogende Menge der Klikiss und trafen auch Soldaten‐Kompis, die das

Pech hatten, sich zur falschen Zeit am falschen Ort zu befinden.

Und noch immer kamen Klikiss durch das Transportal, inzwischen die Angehörigen anderer Subspezies: Arbeiter, Konstrukteure, Ernter, Gräber.

Die Brüterin ging bereits von einem Sieg auf Wollamor aus.

er der Man

Ein

tas stieg langsam auf, doch Energieblitze aus den Waffen der Klikiss zerstörten das Triebwerk, und das

96

große Schiff stürzte ab. Gruppen aus Klikiss‐Kriegern begleiteten Angehörige der Wissenschaftler‐ und Techniker‐Spezies durch Risse im Rumpf ‐ sie sollten den Manta übernehmen. Selbst wenn die Roboter zusammen mit den Soldaten‐Kompis kämpften, konnten sie gegen die Angreifer nicht bestehen. Sirix schrieb sie ebenso ab wie die beiden Schiffe.

Bei der Schlacht um die Erde hatte er viele seiner Gefährten verloren, aber nie damit gerechnet, dass ein neuerlicher Kampf gegen die Klikiss notwendig wurde. Wenn er es in den Orbit schaffte und dort an Bord des Molochs ging ... Dann konnte er das Transportal zerstören und dafür sorg n, e

dass die Klikiss auf Wollamor festsaßen.

Sirix schloss die Luke des Truppentransporters und eilte zum Cockpit. Die anderen schwarzen Roboter mussten selbst sehen, wie sie zurechtkamen.

Als der Transporter aufstieg, verband sich Sirix mit dem Kommunikationssystem und schickte Signale zu den Raumschiffen im Orbit.

Er rief sie herbei, damit sie der Flut von Klikiss‐Kriegern Einhalt gebot en.

»Wir verlassen Wollamor. Zerstört alles.«

Der Transporter gewann an Höhe, und Sirix beobachtete, wie noch mehr Krieger durch das Transportal marschierten und in ihrem neuen Territorium ausschwärmten. Sie untersuchten die Reste der Soldaten‐

Kompis und schwarzen Roboter, als wollten sie sich davon überzeugen, dass von ihnen wirklich keine Gefahr mehr ausging.

Der zweite Manta‐Kreuzer auf dem Landefeld explodierte, und glühend e

Trümmerstücke jagten in alle Richtungen. Die Verluste nahmen weiter u.

z

Die gestarteten TVF‐Schiffe gaben vollen Schub und flogen mit so hoher Geschwindigkeit durch die Atmosphäre, dass ihr Bug durch die Reibungshitze zu glühen begann. Von weit oben zuckten gleißende Jazer‐

Strahlen herab und brannten sich durch die Masse der Klikiss, die sich nicht davor schützen konnten.

Der Kampf um die Erde hatte die Energiebänke vieler Waf 96

fensysteme geleert, aber die aus dem Orbit kommenden Mantas warfen sechs nukleare Sprengköpfe ab. Die Wollamor‐Kolonie, die vielen Klikiss‐

Angreifer und das Transportal ‐ alles verschwand in atomarer Glut.

Wollamor hatte für die schwarzen Roboter keinen Nutzen mehr. Sirix begann damit, seine Pläne zu revidieren und den nächsten Schritt zu planen.

Sein Shuttle verließ die Atmosphäre und erreichte die Flotte, die ihm Sicherheit bot. Die kleineren Schiffe, denen die Flucht vom Planeten gelungen war, führten Rendezvousmanöver mit den größeren Schiffen im All durch. Remoras mit schwarzen Robotern an Bord gesellten sich der Hauptgruppe der Flotte im Orbit hinzu. Wieder sah sich Sirix mit der Notwendigkeit konfrontiert, seine Streitmacht neu zu ordnen. Viele Roboter waren bei dem Angriff zerstört worden. Die Eroberung des Spiralarms hätte eine leichte Aufgabe sein sollen, aber jetzt wurde sie plötzlich zu einem Problem.

Die Rückkehr der Klikiss änderte alles, und die Konfrontation auf Wollamor war bestimmt kein Zufall gewesen. Die Schöpfer hatten mit der Jag f

d au ihre

Roboter begonnen.

Sirix brachte die Flotte aus dem Wollamor‐System und beschloss, zum Stützpunkt auf Maratha zu fliegen. Dort wollte er seine Streitmacht mit schwarzen Robotern und weiteren Kriegsschiffen verstärken ‐ dann konnte er Klikiss und Menschen erfolgreich Widerstand leisten.

31 * VORSITZENDER BASIL WENZESLAS

Die Erkundungsschiffe kehrten mit höchst interessanten Informationen zur Hanse zurück. Lieutenant Commander Conrad Brindle hatte dem Vorsitzenden die Situation geschildert. Trotz allem war Basil überrascht.

Nun saß er allein in seinem

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Penthousebüro und betrachtete die Bilder mit der Konzentration eines Schachspielers bei einer Meisterschaftspartie. »Peter, Peter, P

ast du

eter ... H

denn alles vergessen, was ich dich gelehrt habe?«

Er schaltete von einem Schnappschuss zum nächsten, analysierte das Bewegungsmuster und die Anordnung der Raumschiffe um Theroc. Die kleinen Erkundungsschiffe waren durch das System geflogen und hatten hochauflösende Bilder gemacht, ohne dabei entdeckt zu werden. Basil wies den Computer an, die Flugbahnen der georteten Schiffe zu berech nen und

sie zu klassifizieren.

Ein geringerer Mann hätte sich vielleicht Zeit genommen, um dem Druck der Verantwortung zu entkommen, indem er mit Freunden sprach oder sich bei einem Spiel ablenkte. Aber der Vorsitzende Wenzeslas mochte keine Spiele. Spiele waren für Leute bestimmt, die nichts Besseres zu tun hatten und sich die Zeit vertrieben, anstatt etwas Nützliches mit ihr anzustellen.

Für Basil gab es immer etwas Besseres zu tun. Sein »Spiel« war die Politik und sein Spielbrett der Spiralarm. Jetzt ging es um den höchsten Einsatz in der menschlichen Geschichte: der Vorsitzende der Hanse gegen den abtrünnigen König. Ein talentierter Politiker mit jahrzehntelanger Erfahrung gegen einen ehemaligen Straßenjungen, der neue Kleidung und ein bisschen Bildung bekommen hatte. Im Gegensatz zur Legende von David und Goliath würde Goliath diesmal nicht verlieren.

Auf den Bildern waren Therocs Kontinente grün ‐ nach dem Angriff der Hydroger schien sich der Weltwald schnell erholt zu haben. Die meisten Schiffe, die Basil sah, waren Frachter und marode Transporter, die den Eindruck erweckten, aus vielen nicht unbedingt zueinanderpassenden Teilen zusammengesetzt worden zu sein. Natürlich Roamer. Einige der Schiffe zeigten frech Kennzeichnungen der Hanse. Wenzeslas verglich die Bilder beider Erkundungsschiffe miteinander und fand keinen Hinweis auf litär. Es w

Mi

ar nur ein Monat nach dem Drunter und Drüber vergangen, und doch ...

98

»So dumm kannst du nicht sein, Peter.«

General Lanyan war bereits mit der Jupiter aufgebrochen, um die Planeten der Kolonisierungsinitiative unter die Kontrolle der Hanse zu bringen.

Basils derzeitiges Ziel bestand darin, die schwächsten und auch die wichtigsten Hanse‐Kolonien zu identifizieren, die so dumm und dreist gewesen waren, ihre Unabhängigkeit zu erklären.

Doch Theroc lockte durch seine Schutzlosigkeit! Der Vorsitzende hatte nicht damit gerechnet, dass sich ihm eine solche Gelegenheit bieten würde. Ein einzelner gezielter Schlag konnte die Konföderation köpfen. Er lehnte sich zurück und trank eisgekühltes Zitronenwasser ‐ sein Lieblingsgetränk, seit er den Kardamomkaffee aufgegeben hatte.

Nutz die Chance. Dieser eine Zug würde alle Probleme der Ha n und

nse löse

ihm den Sieg in dieser Partie einbringen.

Er fand Admiral Willis bei Cain im TVF‐Verwaltungstrakt der Hanse‐

Pyramide. Sie und der stellvertretende Vorsitzende standen zwischen Projektionen, die tapfere Soldaten und Kugelschiffe der Hydroger zu Werbezwecken zeigten. »Dies soll uns jede Menge fröhliche Rekruten einbringen, die sich voller Freude für den Dienst in der TVF verpflichten?«, meinte Willis und schnaubte. »Vielleicht sollten wir auch noch Freibier ver‐

sprechen, wo wir gerade dabei sind.«

»Denken Sie daran, dass wir versuchen, Freiwillige zu gewinnen, die selbst dann stur blieben, als die Erde akut bedroht war. Wir müssen sie irge dwie n

aufrütteln«, erwiderte Cain mit kühler Ruhe.

»Wir kratzen das Letzte zusammen.« Willis deutete auf das Bild eines sommersprossigen Korporals, der den Eindruck erweckte, mit seinem Job überaus zufrieden zu sein. »Dieser Bursche scheint die TVF‐Rationen für das leckerste Essen zu halten, das er je gekostet hat.«

Basil unterbrach sie mit scharfer Stimme. »Es sollte nicht nötig sein, dass wir Soldaten mit falschen Versprechen ködern.

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Sie sollten die Notlage erkennen, dem Ruf der Pflicht folgen und tun, was nötig ist.«

Willis verdrehte die Augen. »Da können Sie lange warten.«

»Das stimmt, fürchte ich«, sagte Basil und konnte die Resignation nicht aus seiner Stimme verbannen. Er schloss die Tür, damit niemand sie ie

hörte. »S

wünschen sich eine wichtige Aufgabe, nicht wahr, Admiral?«

»Das Verfassen von Werbetexten und die Überwachung desorganisierter Werften entspricht nicht unbedingt dem Niveau meiner Fähigkeiten.«

Basil runzelte die Stirn, als er den bitteren Ton hörte. Nachdem Lanyan mit dem Moloch der Admiralin nach Rheindic Co aufgebrochen war, hatte Willis gute Arbeit bei der Verwaltung der Werften geleistet, und er rechnete trotz ihrer Meckerei damit, dass auch die Rekrutierungskampagne erfolgreich sein würde. Aber Willis konnte viel mehr leisten, wenn sie sich richtig für eine Sache einsetzte.

»Ich möchte, dass Sie die Hanse retten, Admiral. Ich habe eine Mission für Sie, mit der Sie die Rebellion beenden, die Menschheit einen un s wieder

d un

zu unserer früheren Macht verhelfen können.«

Willis' Lippen deuteten ein Lächeln an. »Das klingt wichtig genug.«

Basil trat zum Display‐Tisch, gab sein verschlüsseltes Datenmodul ins Lesegerät und projizierte vergrößerte Versionen der von den Erkundungsschiffen gemachten Aufnahmen. Willis begriff sofort, worum es ging. »Sie möchten, dass ich Theroc angreife. Sie wollen die neue Konföderation stürzen.«

»Sie sollen sie unter Kontrolle bringen«, korrigierte Basil. »Und Peter verhaften. Wir ersetzen ihn durch einen uns genehmen König. Dann hört dieser Unsinn auf.«

»Das ist sehr gefährlich, Vorsitzender«, sagte Cain mit steiner n

ner Miene. »I

politischer Hinsicht, meine ich.«

enn ich die

»W

se Aufgabe wahrnehmen soll, brauche ich meinen Moloch«, fügte Willis hinzu.

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»Wohl kaum. Sehen Sie sich die Bilder an. Vier oder fünf Mantas genügen für die Theroc‐Mission.«

Es klopfte an der Tür, und Captain McCammon kam herein, Er richtete einen entschuldigenden Blick auf die Anwesenden. »Sie haben mich gerufen, Vorsitzender?« Sein scharlachrotes Barett saß genau im richtigen Winkel auf dem hellen Haar, und die bunte Uniform war makellos. Basil hatte sich immer gefragt, wie dieser zuverlässige Mann so dumm gewesen sein konnte, Peter, Estarra und Daniel entkommen zu lassen.

»Captain McCammon, wir stehen kurz vor Beginn einer sehr wichtigen Mission. Bitte bestätigen Sie mir, dass sich der eigensinnige grüne Priester unter Ihrer Kontrolle befindet und keine Möglichkeit hat, unsere Vorbereitungen zu beobachten und mithilfe des Schösslings davon zu berichten.«

Falten bildeten sich in McCammons Stirn. »Nahton steht unter strengem Arrest, wie von Ihnen angeordnet, Vorsitzender. Sein Schössling befindet sich im Königlichen Flügel des Palastes. Er kann unmöglich Informationen weitergeben.«

Cain wandte sich an den Captain der königlichen Wache. »Der Vorsitzende beabsichtigt, eine Kampfgruppe der TVF loszuschicken, die Theroc erobern und König Peter gefangen nehmen soll. Davon darf der grüne Priester natürlich nichts erfahren.«

Basil bedachte seinen Stellvertreter mit einem finsteren Blick. Cain gab einfach zu viel preis. »So viele Informationen benötigt Captain McCammon nicht.«

Der Kommandeur der Wache wirkte überrascht. »Theroc ist immer unabhängig gewesen, Vorsitzender. Jene Welt mit der Terranischen Verteidigungsflotte anzugreifen und den König zu entführen...«

Basil unterbrach ihn. »Sie haben Peter entkommen lassen, und deshalb müssen wir uns jetzt mit diesem Problem herumschlagen.« Er hob den Zeigefinger an die Lippen. »Da fällt mir ein ... Warum haben wir eigentlich eine könig

noch

liche Wache? Wen bewachen Sie jetzt, obwohl gar kein König mehr da ist?«

100

»Er spielt den Babysitter für einen grünen Priester, so wie ich für die Werften«, sagte Willis.

McCammon war blass geworden. »Darf ich fragen, wann wir einen neuen König bekommen, Vorsitzender? Die Hanse braucht einen.«

Basil unterdrückte ein Lächeln. »Ein Kandidat wird seit Monaten vorbereitet ‐ seine Ausbildung begann eine ganze Weile vor Peters Flucht.

Aber ich bin sehr vorsichtig. Es sind schon zu viele Fehler gemacht worden.«

Wenn Peter herausfand, wer der Kandidat war, ging er bestimmt an die Decke! »Wichtige Angelegenheiten müssen zum Abschluss gebracht werden. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, einen Lehrling auf den Thron zu setzen.« Basil lächelte. »Wenn Admiral Willis Erfolg hat, bekommen wir eine Atempause.«

32 * TASIA TAMBLYN

Mit den Anweisungen des Königs und seinem Segen machten sich Tasia und Robb auf den Weg. Denn Peroni brachte sie mit seinem Schiff zu den Werften von Osquivel.

»Mein Vater wäre stolz darauf, dass ich einen so hohen Rang beim Militär erreicht habe«, sagte Robb. »Allerdings ist es seiner Meinung nach das falsche Militär.«

»Er wird sich eines Besseren besinnen, wenn er sieht, was auf der Erde geschieht«, erwiderte Tasia.

»Mein Vater? Er hat praktisch sein ganzes Leben in der TVF verbracht.«

Der erste Anblick des Ringplaneten weckte in ihnen beiden beunruhigende Erinnerungen. Robb war in den Tiefen jenes Gasriesen in die Gefangenschaft der Hydroger geraten. Tasia hatte ihren treuen Kompi EA mit dem Auftrag nach Osquivel geschickt, die Kellum‐Werften vor dem bevorstehenden Ein

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treffen der TVF zu warnen. Und sie hatte an diesem Ort eine schreckliche Konfrontation mit den Hydrogern erlebt. Inzwischen wagten sich die Roamer wieder aus ihren Verstecken hervor, und in den Ringen ga s

b e

erneut Werften und Schmelzwerke.

»Offenbar wartet hier viel Arbeit auf uns, Brindle«, sagte Tasia. »Wir müssen alles organisieren, Entwürfe für neue Kriegsschiffe entwickeln und eine Miliz der Konföderation aufstellen, bevor sich die Hanse T

oc

her

vorknöpft.«

Denn lächelte, als er die Sture Beharrlichkeit beim Asteroiden der Hauptverwaltung andockte. »Sie bekommen alles, was Sie brauchen.

Sprechen Sie mit den Leuten, fordern Sie Material an. Nehmen Si mir

e von

aus auch Kotto Okiah in Ihre Dienste ‐ er ist hier und bereit z u helfen.«

Robb beobachtete das scheinbare Chaos von Industrieanlagen in den Ringen, die Konstruktionsgerüste, glühenden Wärmeableiter und funkelnden Abgasfontänen. »Wie sollen wir das alles schaffen?«

»Shizz, es ist einfach. Hier brauchen wir uns nicht mit der Tiwi‐Bürokratie herumzuplagen.«

Tasia und Robb Brindle bekamen ein schlichtes Quartier: ein einzelnes Zimmer, in den Fels gebohrt ‐ es genügte ihnen.

Als sie schließlich allein waren, bestand die größte Herausforderung in der Veränderung ihrer Beziehung. Nach einem kurzen, unbeeindruckten Blick durchs dicke Glas des einen, dreißig Zentimeter breiten Fensters in ihrem Quartier sagte Tasia: »Du sitzt jetzt bei mir fest, Brindle. Gibt's Dinge, die du bedauerst?«

Während ihrer Gefangenschaft bei den Hydrogern waren sie auf ihr Überleben konzentriert gewesen. Nach der Rettung hatten sie von den dramatischen politischen Veränderungen erfahren, sich mit Robbs Vater gestritten und die Seiten gewechselt. Jetzt bekamen sie Gelegenheit, ein wenig zu verschnaufen und sich darüber klar zu werden, was gesc en

heh

101

war. So sehr sie auch davon träumten: Robb und Tasia konnten nicht einfach da weitermachen, wo sie vor Jahren aufgehört hatten. Zu viel hatte

sich verändert.

»Natürlich gibt es Dinge, die ich bedauere«, antwortete Robb ehrlich. »Ich weiß kaum mehr, wo ich bin oder wo ich morgen sein werde.«

»Dann fühlst du dich wie ein wah

illst du

rer Roamer. W

zur Erde zurück und

dich mit deinen Eltern versöhnen?« »Und dich verlassen

»Erwarte von mir keine Rückkehr zur Hanse

»Dann bleibe ich hier. Leitsterne und all das.«

Tasia küsste ihn. »Du bist süß, Brindle.«

»Das sagen meine vorgesetzten Offiziere immer.«

Sie gab ihm einen Knuff. »Komm. Stellen wir fest, ob die hiesigen Arbeiter ihr Handwerk verstehen.«

Früher oder später würde jemand ein Logo für die Miliz der Konföderation entwerfen, und dann würde Tasia ihren Overall damit besticken, und auch den von Robb. Derzeit mussten sie auf solche äußeren Zeichen ihrer Autorität verzichten. Zwar kannte Tasia die Clan‐Mitglieder nicht persönlich

‐ immerhin waren Jahre vergangen ‐, aber die Bänder, Reißverschlüsse und bestickten Taschen erinnerten sie an ihre Kindheit, als sie Ross und Jess nach Rendezvous begleitet hatte. Jetzt war sie hierhergekommen, um in die Rolle des Chefs zu schlüpfen und die Arbeiter dabei anzuleiten, alle verfügbaren Raumfahrzeuge in Verteidigungsschiffe zu verwandeln.

Robb und sie nahmen eine kleine Transportkapsel und flogen zur zentralen Sammelstation, wo sie sich den verstaubten, verschwitzten Arbeitern hinzugesellten, deren Schicht gerade zu Ende gegangen war. Robb sah sich das Durcheinander an, lauschte den lauten Stimmen und versuchte, die unterschiedlichen Uniformen und Clanmarkierungen der Männer und Frauen zu identifizieren, die bunt gemischt an den Tischen im großen Speisesaal Platz nahmen. Ihm erschien die Roamer‐Kultur chaotisch und laut. Von seinen Eltern und dem zuge

102

knöpften militärischen Personal der Erde kannte er vor allem kühle Effizienz. »Wie bringen sie in einem solchen Durcheinander irgendetwas zustande?«

»Übung, nehme ich an. Alle möchten Geld verdienen, überleben und es zu Wohlstand bringen. Um die Eigensinnigen kümmert man sich intern.

Irgendwie funktioniert es ‐ so wie bei dir und mir.«

Sie sahen Kotto Okiah an einem der Tische zu sitzen; er schien das Chaos um ihn herum überhaupt nicht zu bemerken. Der exzentrische Techniker blickte auf einen Bildschirm, aß geistesabwesend, verstreute Krümel über den Schirm und wischte sie beiseite. Kotto hatte in den Werften keinen offiziellen Posten, aber er änderte das Design von Werkzeugen und Schiffen, wann immer er das für notwendig hielt. Er war wie ein Kind in einem Spielzeugladen, steckte voller neuer Ideen und veränderte Alterhergebrachtes, um zu sehen, ob die Dinge besser funktionieren konnten. Dabei genoss er das Vertrauen aller Roamer, ganz gleich, wie verrückt seine Innovationen wirkten.

Tasia trat näher und sah ihm über die Schulter. »Haben Sie von dem neuen Job gehört, den wir Ihnen anbieten möchten, Kotto?«

Es störte ihn überhaupt nicht, bei der Arbeit beobachtet zu werden. »Denn hat mir eine Nachricht geschickt, aber ich habe sie noch nicht gelesen.« Er hob den Blick vom Schirm und sah Tasia und Robb an. Offenbar erkannte er sie nicht, schien das aber mehr für sein eigenes Problem zu halten. Plötzlich erhellte sich seine Miene. »Ist das kleine Hydroger‐Schiff von Theroc zurückgekehrt? Ich würde die Arbeit daran gern fortsetzen ...«

»Wir brauchen Ihre Hilfe, um unseren Roamer‐Schiffen Waffen und Panzerungen hinzuzufügen.«

Das überraschte Kotto. »So was haben wir nie zuvor gebraucht. Und die ger sin

Dro

d besiegt.« Er sah sich um, als hätte er irgendetwas verpasst.

»Oder?«

103

»Unsere Sorge gilt nicht den Hydrogern«, sagte Tasia. »Falls Sie die Mitteilung übersehen haben, Kotto: Die Situation im Spiralarm hat sich geändert. Plünderer, Piraten und sogar die Tiwis wollen ein Stück von allem, was wir auf

a

den M rkt bringen. Wir müssen uns verteidigen.«

»Es gab eine Mitteilung?«

»Ich habe übertrieben.«

»Man hat uns gesagt, dass Sie der Mann sind, der uns dabei helfen kann, eine leistungsfähige Miliz aufzustellen«, fügte Robb hinzu. »Und es uss s m

o

schnell wie möglich gehen.«

»Das muss es immer.« Kotto rief das Diagramm eines modifizierten Frachters auf den Schirm. Er runzelte die Stirn und begann damit, bestimmte Teile zu markieren. »Hier kann die Außenhülle durch eine Panzerung verstärkt werden, und an diesen Stellen lassen sich traditionelle Waffen installieren.« Sein Blick glitt in die Ferne, und ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Es gibt da durchaus gewisse Möglichkeiten. Ich fange sofort damit an, die Konstruktionspläne zu modifizieren.«

33 # PATRICK FITZPATRICK III.

Als Patrick mit seinem geliehenen Schiff und in ziviler Kleidung Yreka erreichte, kam er sich nicht mehr wie ein Blender oder Hochstapler vor. Der Flug ganz allein hatte ihm Zeit zum Nachdenken gegeben. Er gewann den Eindruck, sich in jemand anders zu verwandeln, alle Spuren seiner reichen, mächtigen Familie abzustreifen. Er hatte es satt, dunkle Geheimnisse mit sich herumzutragen wie unerwünschte Fracht, die allmählich verdarb ... So schmerzlich es auch sein mochte, er musste Klarschiff mac

, u

hen m wirklich

ick Fi

Patr

tzpatrick III. zu sein.

Yreka hatte sich noch mehr verändert als er selbst. Aus einer 103

kleinen, vergleichsweise uninteressanten Hanse‐Kolonie war ein geschäftiges Handelszentrum geworden. Als er sich näherte, erwartete er, dass die Yrekaner eine Identifizierung von ihm verlangten, aber sie wiesen der Gypsy einfach nur eine Warteposition zu, gaben ihm eine Nummer und sagten, dass er sich wegen des hohen Verkehrsaufkommens eine Stunde gedulden musste, bis er landen konnte.

Schiffe stiegen auf: schwere Frachter, wie Hummeln aus Metall, und kleine, schnelle Scouts und Kuriere, mit Clan‐Symbolen markiert. Hinzu kamen Kolonieschiffe, die während des Ekti‐Mangels am Boden festgesessen hatten. Inzwischen gab es wieder genug Treibstoff für den Sternenantrieb, denn die Roamer hatten zahlreiche Himmelsminen in Betrieb genommen und lieferten ihren Verbündeten offenbar reichlich Ekti. Bei Hanse und TVF

war der Treibstoff noch immer knapp, doch Patrick schüttelte alle Schuldgefühle ab, als er an einem früheren Versorgungsschiff der Hanse vorbeikam und feststellte, dass die Symbole von der Außenhülle gekratzt worden waren.

Schließlich erhielt er Landeerlaubnis, folgte den Landeanweisungen und ging an der ihm zugewiesenen Stelle nieder, auf einem ehemaligen Getreidefeld ‐ das die TVF und er zerstört hatten, um die Siedler von Yreka einzuschüchtern. Patrick erinnerte sich deutlich an jenen Einsatz, daran, auf unbewaffnete Kolonisten geschossen zu haben, die versucht hatten zu fliehen. Zu jenem Zeitpunkt war er mit sich selbst sehr zufrieden und davon überzeugt gewesen, dass man den aufsässigen Kolonisten eine Lektion erteilen musste. Nicht einen einzigen Gedanken hatte er daran verschwendet, welche Notlage diese Bewohner von Yreka dazu veranlasste, gegen die vom Vorsitzenden angeordnete strenge Rationierung auf e‐

zub

gehren.

Ein weiteres Gewicht auf seinen Schultern. In einen schlichten Overall gekleidet, verließ Patrick die Gypsy und machte sich auf den Weg in die Stadt, um dort nach

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Informationen zu suchen. Am Landeplatz wurden neue Gebäude errichtet, und das kunterbunte Durcheinander des Marktplatzes wucherte wie Unkraut. Überall hatten Händler Zelte und Verkaufsstände aufgestellt.

Auf der Erde gab es nur ein oder zwei grüne Priester, aber hier, auf der abgelegenen Provinzwelt Yreka, sah er innerhalb kurzer Zeit fünf. Zwei grüne Priester hatten ein eigenes Geschäft gegründet und boten in einem offenen Stand für ein geringes Entgelt die Übermittlung persönlicher Mitteilungen an. Von Lebensmittelbuden unter bestickten Markisen gingen appetitanregende Düfte aus, bei denen Patrick das Wasser im Mund zusammenlief. Erst beim dritten Versuch fand er jemanden, der bereit war, seine Hanse‐Kredite anzunehmen. Er setzte den Weg durch die überfüllten Straßen fort und genoss dabei den Geschmack von gewürztem Fleisch.

Er fragte sich, was seine Großmutter als ehemalige Vorsitzende der Hanse getan hätte, wenn es ihr möglich gewesen wäre, hier eine freie Regier u

ung z

bilden. Die Herausforderung hätte ihr bestimmt gefallen.

Patrick sah sich um und hörte den Gesprächen der Leute zu. Viele redeten aufgeregt darüber, dass sich die Konföderation bewaffnete und zur Verteidigung bereit machte. Seltsame Freude regte sich in ihm, als er den Namen seiner alten Roamer‐Rivalin Tasia Tamblyn hörte, aber als auch Robb Brindle erwähnt wurde, schenkte Patrick dem Gerede keine B ach‐

e

tung mehr ‐ er wusste, dass Brindle seit vielen Jahren tot war.

Mitten in der Stadt, bei einer Zuschauermenge, blieb Patrick stehen.

Techniker der Roamer und Yreka‐Kolonisten hatten hier eine steinerne Plattform geschaffen, und dort wurde gerade die metallene Statue eines Mannes aufgestellt, der Roamer‐Kleidung trug. Er wirkte tapfer und heldenhaft, hatte ein attraktives Gesicht und langes Haar, wie vom Wind zerzaust. Der Bildhauer selbst, ein dickbäuchiger Roamer, rief Anweisungen korrig

und

ierte immer wieder die Position der Statue. Als sie schließlich an der richtigen Stelle stand, wurden die

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Antigravplatten zurückgezogen, und es knirschte leise, als das schwere Objekt die steinerne Plattform mit ihrem vollen Gewicht belastete.

Patrick wandte sich an einen älteren Mann neben ihm. »Was hat es m t der i

Statue auf sich?«

»Sie stellt Raven Kamarow dar. De

ie

n Namen kennen Sie bestimmt. D

Roamer nennen ihn das erste Opfer ihres Krieges.«

Patrick schluckte. »Ihres Krieges.«

»Kamarow starb nicht beim Kampf gegen die Droger. Er fiel den blöden Tiwis und ihrer machtgierigen Hanse zum Opfer. Sie griffen auch diese Kolonie an.«

Patrick hatte einmal mehr das Gefühl, sich am falschen Ort zu befinden.

Voller Unbehagen ging er weiter. Er war nicht mehr an Politik interessiert, konzentrierte sich auf die Suche nach Zhett und fragte sich dabei, warum er sie finden wollte. Steckten egoistische Motive dahinter, vielleicht der Versuch, seine Ehre wiederherzustellen? Er wollte sich unbedingt bei ihr entschuldigen. Seit Jahren wurden die Roamer ungerecht behandelt, und er selbst hatte dabei eine nicht unwichtige Rolle gespielt.

Er betrat eine Kneipe, die den wenig einfallsreichen Namen »Der Saloon«

trug. Die Eigentümer ‐ ein Roamer und ein Yreka‐Kolonist, wie es auf dem Schild hieß ‐ brauten ihr eigenes Bier, aus Yreka‐Getreide und Hopfenextrakt, den der Roamer aus einer nicht genannten Quelle bezog.

Patrick ging zur Theke, bestellte ein Glas und versuchte, ein anerkennendes Gesicht zu machen, als er das bittere, wässrige Gebräu trank. Gäste saßen an metallenen Tischen und an der Theke, führten laute Gespräche. Patrick ließ den Blick umherschweifen. Seine Großmutter und Verwandten hätten von einem so »primitiven« Lokal nichts gehalten. Patrick erinnerte sich an offizielle Empfänge, bei denen er anderen Personen vorgestellt worden war, und dabei hatte sich immer von selbst eine Konversation ergeben. Er ste gar nicht, wie man

wus

an einen Fremden herantrat und ein Gespräch

begann.

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Patrick zeigte ein freundliches Gesicht und hoffte, dass jemand auf ihn reagierte. Zwei Männer an der Theke skizzierten Pläne auf einem alten Datenschirm. »So wird's gemacht, sieh nur. Man nehme einige Netze aus hochbelastbaren Fasern, sammle die Felsbrocken damit ein und bringe sie mithilfe von Triebwerksmodulen oder kleinen Sprengsätzen wieder in die ursprüngliche Position.«

»Genauso gut könnte man versuchen, ein Puzzle mit geschlossenen Augen zusammenzusetzen!«

»Und das ist zu schwer für dich? Man bringe die Asteroiden wieder zusammen und berge alles Wiederverwendbare. Dann werden neue Verbindungselemente installiert, Kuppeln gebaut und die notwendigen Ausrüstungsmaterialien und Vorräte herbeigeschafft. Sechs Monat d

e, un

Rendezvous ist wie neu.«

Patrick staunte über die Kühnheit dieses Konzepts. Rendezvous sollte wiederaufgebaut werden? So unmöglich das auch erscheinen mochte: Patrick zweifelte kaum daran, dass die Roamer zu so etwas in der Lage waren.

»Die Geschäfte gehen ausgezeichnet. Warum Zeit und Ressourcen für so etwas einsetzen?«

»Um den verdammten Tiwis zu zeigen, dass sie nicht gewonnen haben! Ich möchte einfach nicht, dass sie damit durchkommen. Eine symbolische Geste.

Wie ich hörte, hat Del Kellum ein Team mit einer Machbarkeitsst uf‐

udie bea

tragt.«

»Wenn jemand so etwas zustande bringen kann, dann der Kellum‐Clan.«

Patricks Interesse war erwacht. »Entschuldigen Sie bitte. Ich ... ich habe in den Kellum‐Werften gearbeitet.«

Die beiden Männer sahen ihn ohne Feindseligkeit an. »Sie sehen nicht wie ein Roamer aus. Zu welchem Clan gehören Sie?«

Cla

»Zum

n Fitzpatrick.« »Nie davon gehört.«

Patrick überhörte den Kommentar. »Wissen Sie, wo ich den 106

Kellum‐Clan finden kann? Wie ich hörte, hat er seine Sachen gepackt und Osquivel verlassen.«

»Oh, die Werften sind inzwischen wieder in Betrieb genommen. Kellu hat m

keine Angst vor den Tiwis.«

»Was von den Tiwis übrig ist, meinst du.« Der zweite Mann schnaubte abfällig. »Kellum hat die Verwaltung der Werft jemand a en

nderem

überlassen. Er selbst ist nicht dort.«

»Kennen Sie seinen derzeitigen Aufenthaltsort?«

»Ich dachte, Sie hätten in den Werften gearbeitet.«

»Ich habe für Del Kellum gearbeitet«, sagte Patrick mit allem Nachdruck, den er aufbringen konnte. »Wenn Del mich nach Osquivel zurückschicken will, mache ich mich auf den Weg dorthin. Aber wenn er andere Arbeit für mich hat, so höre ich auf ihn, verdammt«, fü

mte b

gte er hinzu und ah

eim letzten

Wort Kellums Ausdrucksweise nach.

Die beiden Männer lachten leise. »Klingt ganz nach Del.«

Der erste Mann löschte die Darstellung des Datenschirms und nahm einen großen Schluck von seinem Bier. »Del und seine Tochter betreiben wieder eine Himmelsmine. Sie haben die erste neue Anlage in der Atmosphäre von Golgen eingerichtet. Ganz gleich, wie viel ihm die Werften von Osquivel einbringen: Ich schätze, man kann Del nicht mehr von seiner Himmelsmine weglocken.«

Patrick war angesichts der erhaltenen Informationen so aufgeregt, dass er die Kneipe fast verlassen hätte, ohne sein Bier zu trinken. Doch er musste vermeiden, dass die beiden Männer misstrauisch wurden. Er hörte zu, als sie über neue Handelsrouten ins Ildiranische Reich sowie über Regierung und Steuersystem der Konföderation sprachen. Die ganze Zeit übe r waren

seine Gedanken bei Zhett.

Er dankte den beiden Roamern, ohne nach ihren Namen zu fragen, kehrte rasch zu

dann

r Gypsy zurück. Das nächste Flugziel stand fest.

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34 # GENERAL KURTLANYAN

General Lanyans Schiffe erreichten Rheindic Co, von wo aus er die neuen Kolonien auf den ehemaligen Klikiss‐Welten unter Kontrolle bringen wollte.

Er bezweifelte, dass sie irgendetwas von der neuen Konföderation oder Peters Rebellion gehört hatten, denn sie empfingen keine direkten Nachrichten, und Lanyan wollte dafür sorgen, dass es dabei blieb.

Er saß im Kommandosessel der Jupiter und dachte voller Zufriedenheit an die Größe des Molochs. Das Schlachtschiff bot ihm ein Gefühl der Sicherheit und erschien ihm wie ein Königreich, das ihn umgab. Kein Wunder, dass es Admiral Willis verärgert hatte, ihr Schiff aufgeben zu müssen.

Während des ersten Jahrs der Kolonisierungsinitiative hatte die Hanse mehr Freiwillige, als zu den neuen Kolonien gebracht werden konnten. Viele Gruppen hoffnungsvoller Kolonisten waren hierher nach Rheindic Co geflogen und dann durchs Transportal zu fernen Welten geschickt worden ‐

das Losglück hatte darüber entschieden, welcher Klikiss‐Planet zu ihrer neuen Heimat werden sollte. Als der Vorsitzende Wenzeslas die Verbindung zu den Kolonien unterbrochen und alle Verteidigungsbemühungen auf die Erde konzentriert hatte, war die Kolonisierungsinitiative eingestellt worden. Auf Rheindic C

er zur

o blieben nur einige wenige Technik

ück, die

sich um die Ausrüstung kümmerten.

Lanyans Ziel bestand darin, zweitausend Infanteristen zum Transportalzentrum des Planeten zu bringen. Er schätzte, dass jeweils etwa hundert Soldaten für die Kontrolle einer Kolonie genügten. Die Bewohner jener abgelegenen Welten wagten bestimmt nicht zu protestieren, n sie

wen

die Soldaten und ihre überlegenen Waffen sahen.

Interkom

Per

sprach er zu den wartenden Männern und Frauen. »Der Einsatz steht unmittelbar bevor. Ich verlasse mich auf Ihre Tüchtigkeit.«

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Die Subcommander ließen ihre uniformierten Gruppen Aufstellung beziehen. Lanyan entschied, die erste Gruppe zu begleiten und seinen Leuten damit ein gutes Beispiel zu geben.

Die Shuttles landeten in der leeren Schlucht vor der Klippenstadt der Klikiss. Hunderte von Soldaten stiegen aus und errichteten rasch ein Basislager. Einige Anlagen der Kolonie funktionierten noch: Pumpen lieferten Trinkwasser, und Sonnenkollektoren erzeugten Energie. Die Soldaten würden hier so lange kampieren, bis Lanyan die verschiedenen Missionen durch das Transportal organisiert hatte.

Die Techniker und Forscher der Hanse auf Rheindic Co waren bestürzt, als Lanyan plötzlich bei den Ruinen erschien. Insgesamt fünfzig Männer und Frauen waren bei der alten Klikiss‐Stadt zurückgeblieben. Sie blickten aus ihren Höhlen und schüttelten den Kopf, als sie die gelandeten Transporter sahen. »Hoffentlich haben Sie Ihre eigenen Vorräte mitgebracht«, sagte der Verwalter, ein unruhiger, kahl werdender Mann namens Rico Ruvi.

Lanyan hatte sich von vier Technikern und Datenspezialisten zur Ruinenstadt begleiten lassen. »Der Vorsitzende möchte, dass die TVF auf allen unseren neuen Kolonien präsent ist.« Er deutete zum Kontrollraum der zentralen Station. »Überprüfen Sie unsere Möglichkeiten.«

Ruvi zuckte mit den Schultern. »Nur zu. Wir haben das Transportal für einer Weile deaktiviert, um weitere Untersuchungen vorzunehmen. Aber n

es kan