10. KAPITEL
Die Führung eines Haushalts lässt sich mit einer erfolgreichen militärischen Kampagne vergleichen. Man sollte gut planen, sich gut vorbereiten und mit ganzem Herzen bei der Sache sein. Nur wenn man diesen Prinzipien folgt, kann man jede Schlacht gewinnen.
Leitfaden für den vollkommenen Butler und Kammerherrn von Richard Robert Reeves
„O nein“, murmelte Beatrice. „Ich glaube, sie wird noch mal auftreten.“
Beth schlug das Programmheft auf und fuhr die lange Liste mit dem Finger ab. Als sie in der Mitte angekommen war, zuckte sie zusammen. „Miss Temple ist nicht für ein, sondern sogar noch für zwei Lieder eingeplant.“
„Das überlebe ich nicht“, stöhnte Beatrice. Sie blickte zur Seite, wo Harry saß und, die Beine an den Knöcheln überkreuzt, die Arme vor der Brust verschränkt, das Kinn im Krawattentuch versenkt, während ihm die Brille von der Nase zu rutschen drohte, friedlich schlummerte.
Sie hob schon den Ellbogen, um ihm einen Rippenstoß zu versetzen, sah dann aber doch davon ab. Seufzend wandte sie sich an Beth. „Ich kann nicht. Er sieht so friedvoll aus.“
„Er ist mitgekommen, obwohl er eigentlich gar nicht wollte“, gab Beth zu bedenken. „Ich finde, er hat ein Nickerchen verdient.“
„Das haben wir alle“, erwiderte Beatrice ein wenig erbittert. „Leider sind wir nicht alle mit einer Konstitution gesegnet, die uns gestattet, eine derartig grauenvolle Katzenmusik einfach zu verschlafen.“
Beth biss sich auf die Lippe. „So schlimm ist Miss Temple nun auch wieder nicht. Sie singt nur ein klein wenig falsch, und auch nur bei den hohen Tönen.“
„Das letzte Lied hat aber nur aus hohen Tönen bestanden, und ich kann dir zum Beweis meine Gänsehaut zeigen! Wenn ich mir noch mehr von diesem grausamen Lärm anhören muss, werde ich sterben. Beth, es war ein Fehler, hierher zu kommen.“ Beatrice wand sich auf ihrem Stuhl. „Die Leute laufen in Scharen davon. Können wir nicht auch ...“ „Nein. Ich gehe nicht zum Crossforth-Ball. Wenn du und Harry noch hingehen wollt, ist mir das recht, denn ich kehre auch sehr gern nach Hause zurück.“ Ein Abend voll Ruhe und Frieden wäre jetzt genau das Richtige. Nicht dass sie viel Ruhe bekommen würde, denn London schlief so gut wie nie. Sie seufzte. Massingale House fehlte ihr genauso sehr wie ihr Großvater.
Der letzte Brief, den sie von dem alten Herrn erhalten hatte, war ebenso griesgrämig gewesen wie Charlottes Brief lang. Beth schloss daraus, dass ihr Großvater allmählich die Geduld verlor und Charlotte den Großteil seiner Launen abbekam. Schade, dass die beiden nicht miteinander auskamen. Was für ein Segen, dass Lord Bennington zur Hand war, um Charlotte ein wenig auszuführen, das würde ihr sehr gut tun. „Ich glaube, ich gehe jetzt nach Hause und schreibe an Großvater. Er hat schon eine ganze Weile keinen Brief mehr von mir bekommen.“
„Den letzten hast du vor zwei Tagen losgeschickt, ich habe es gesehen.“ Beatrice verzog das Gesicht, als Miss Temple sich zur Vorbereitung auf die nächste Runde das Kleid glatt strich. „Wir bleiben. Außerdem, wenn wir jetzt gehen, muss ich Harry wecken, und er wird grantig, wenn er nicht mindestens eine Stunde schlafen kann. “
Sie erduldeten zwei weitere musikalische Versuche seitens der enthusiastischen Miss Temple. Der letzte Ton - zitternd und grausam falsch - klang durch den Raum, prallte von den Gläsern ab und waberte wie ein grässlicher Nebel durch die Köpfe der Anwesenden.
Harry wachte vor Schreck auf. Erschrocken sprang er auf, die Brille flog ihm von der Nase, während er versuchte, das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Einen Augenblick stand er mit wild rudernden Armen da, Augen und Mund weit aufgerissen. Beatrice packte ihn am Ärmel und zog ihn auf den Sitz zurück, allerdings nicht bevor ein paar Leute in ihrer Nähe über seine Miene schieren Entsetzens in Gelächter ausgebrochen waren.
„Harry!“, zischte Beatrice, während das Publikum Miss Temple am Ende ihres Vortrags matt, aber höflich applaudierte.
„Lieber Himmel! Was war das nur für ein entsetzlicher Lärm?“
Ein Mann in der Reihe vor ihnen drehte sich zu ihnen um und meinte: „Genau das frage ich mich auch schon seit mindestens einer halben Stunde! “
„Huntley!“, schalt die Frau an seiner Seite, die ein wenig verlegen wirkte. „Bitte nicht so laut.“
„Nicht so laut? Ich war nicht diejenige, die gekreischt hat wie eine Katze, der man auf den Schwanz getreten hat.“ Der Mann erhob sich. „Mary, ich liebe dich von Herzen, aber dieses Grauen tue ich mir keine Sekunde länger an. Ich gehe nach Hause.“ Er machte sich auf den Weg zur Tür. Seine Gemahlin warf Beatrice einen gehetzten Blick zu, ehe sie ihre Sachen zusammenraffte und ihm nacheilte.
Harry stand ebenfalls auf. „Huntley - wer er auch sein mag - ist ein Genie. Beatrice, ich will nach Hause. Such deine Sachen zusammen.“ Er wollte ebenfalls zur Tür gehen, doch der Weg wurde ihm von seiner Gattin versperrt.
„Wir können Beth nicht hier allein lassen. “
Harry blickte zu Beth. Seine schläfrigen blauen Augen blickten hoffnungsvoll. „Hast du für heute Abend genug Musik gehört, meine Liebe?“
„Mehr als genug.“ Beth hob ihr Retikül vom Boden auf und erhob sich. Sie lächelte. „Ich weiß nicht, wie das angehen kann, aber ich habe heute Abend ein wenig Heimweh.“
„O Beth! “, rief Beatrice aus. „Das tut mir ja so leid! Haben wir nicht genug zusammen unternommen?“
„Ach, das ist es nicht. Ich vermisse einfach Großvater und das Haus. Meine Rosen werden schon geblüht haben, und ich bin nicht da, um darauf zu achten, dass sie einwandfrei gestutzt werden, und Großvater isst nicht richtig, wenn keiner da ist, um auf ihn aufzupassen. Aber ...“, Beth straffte die Schultern, „... bald gehe ich ja nach Hause. Ich habe ihm versprochen, diese eine Saison zu bleiben, mehr bekommt er nicht.“
„So vergraben auf dem Land könnte ich nie glücklich sein“, meinte Beatrice mit einem reuigen Lächeln. „Du hingegen warst dort schon immer gern. “
„Wenn du Großvater das nur verständlich machen könntest!“
Sie gingen weiter Richtung Tür und hatten sie gerade erreicht, als in der Eingangshalle Unruhe aufkam. Bevor sie ihn noch sah, wusste Beth bereits, wer der Neuankömmling war - Westerville.
Es war tatsächlich der Viscount, doch er kam nicht allein. Begleitet wurde er von einer großen, gut gebauten, ziemlich pferdegesichtigen Dame. Bei ihrem Eintritt wurden die beiden sofort von anderen Gästen umringt.
„Das bei Lord Westerville ist ja Sally Jersey!“, sagte Beatrice. „Ich muss schon sagen, die lässt auch keinen attraktiven Mann an sich vorübergehen, was?“
„Anscheinend nicht“, meinte Beth. Sie war mehr denn je entschlossen, die Veranstaltung zu verlassen.
Harry blieb im Gang stehen. „Gerade drängen zu viele Leute von außen herein, verdammt. Der Gang ist vollkommen dicht. Wahrscheinlich haben die, die gehen wollten, es sich noch einmal anders überlegt, als sie Westerville und Lady Jersey reinkommen sahen. “
Beatrice nickte. „Nach Westerville richtet sich offenbar die ganze Gesellschaft.“ Sie blickte über die Schulter und verzog das Gesicht. „O nein, gleich fängt die nächste Vorführung an. Wir können wirklich nicht hier im Gang herumstehen. Ich fürchte, dass wir die paar Minuten bis zur nächsten Pause bleiben müssen.“
Harry fluchte leise in sich hinein, doch selbst er war gezwungen zuzustimmen, denn den Weg zum Ausgang versperrten ihnen nun viel zu viele Menschen. Seufzend wandte er sich zu den Plätzen um, die sie soeben verlassen hatten. Beth setzte sich neben Beatrice, während Harry in Vorbereitung auf das nächste Schläfchen schon wieder die Beine ausstreckte, obwohl seine Frau ihn bestürmte, stattdessen die Musik zu genießen. Harry tätschelte ihr nur die Hand und gähnte ausgiebig. Im nächsten Moment war er bereits eingeschlafen.
Beth zwang sich derweil, nach vorn zu blicken, weg von Christian. Sie konnte seine Anwesenheit fast körperlich spüren, für sie lag sie fast wie ein Gewitter in der Luft. Ihre Haut prickelte, und in ihrem Nacken kribbelte es. Sie musste all ihre Selbstbeherrschung zusammennehmen, um sich nicht umzudrehen und nachzusehen, wo der attraktive Viscount mit seiner Begleiterin Platz genommen hatte. Zum Glück waren die Damen vor ihr nicht so umsichtig. Sie drehten und wanden sich und konzentrierten sich schließlich auf einen Fleck direkt hinter Beth.
Es war schrecklich, so still sitzen zu müssen. Schrecklich und gleichzeitig ziemlich erregend. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund empfand sie nicht nur Ärger, sondern auch Vorfreude. Er würde zu ihr kommen, das wusste sie. Sobald das nächste Musikstück vorüber war und sie sich zum Gehen anschickten, würde er sich ihr in den Weg stellen und ...
Eine warme Hand legte sich auf ihre Schulter, und Hitze zuckte ihr wie ein Blitz den Arm entlang. Eine tiefe, vertrauliche Stimme drang an ihr Ohr. „Ich glaube, Sie haben etwas fallen lassen.“
Beth blickte auf ihren Schoß. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt. Es bedurfte eines Moments der Willensanstrengung, sie zu lösen und sich dann umzudrehen.
Westerville war nur wenige Zoll hinter ihr, seine grünen Augen kamen so nahe, dass sie die winzigen goldenen Flecken darin sehen konnte. Er lächelte sie an und hielt ihr ein gefaltetes Programmheft hin, wobei er ihren bloßen Arm streifte. „Das lag neben Ihrem Stuhl auf dem Boden; es muss von Ihnen sein. “
Beth nahm es, ohne nachzudenken. „Ich ... ich ..." Lieber Himmel, sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
Er lachte leise, und seine weißen Zähne blitzten. „Bei mir brauchen Sie nicht mehr zu stottern. Ich finde Ihren Mund göttlich, egal was Sie damit anstellen.“
Beth versuchte sich an einem wütenden Blick, doch er wollte ihr nicht gelingen. Sie konnte ihn nur anstarren. Seine Augen waren so ausdrucksstark, so faszinierend.
Westervilles Lächeln vertiefte sich, und ihr Blick richtete sich wie von selbst auf seinen schön geschnittenen Mund. In schmerzlich lebhaften Details erinnerte sie sich daran, wie sein Kuss sich angefühlt, wie er geschmeckt hatte. Wie sein Mund sich auf den ihren gelegt hatte, wie er ihre Lippen sanft auseinandergedrängt hatte und sie mit seiner Zunge geneckt hatte.
Bei dem Gedanken stockte ihr der Atem. Sie konnte weder sprechen noch denken, stattdessen stürmten heiß und ungestüm die Erinnerungen auf sie ein.
„Westerville? Was um alles in der Welt machen Sie da mit Lady Elizabeth?“ Die amüsierte, weltgewandte Stimme war wie ein eisiger Guss, der den Zauber brach und Beth erkennen ließ, wie albern sie ausgesehen haben musste. Sie zwang sich, den Blick von Westerville abzuwenden, und schaute zu seiner Begleiterin. „Lady Jersey. Wie nett, Sie zu sehen.“
„Ganz meinerseits, meine Liebe“, erwiderte Sally Jersey.
Von Haus aus eine vermögende Frau, war sie glücklich mit Lord Jersey verheiratet, dessen Mutter die „besondere Freundin“ des Prinzregenten war. Wegen ihrer Verbindung zum Königshaus und auch wegen ihres Reichtums hatte Lady Jersey eine Stellung in der Gesellschaft erlangt, die ihresgleichen suchte. Dies zeigte sich auch, als sie eine der Patronessen von Almack’s wurde, dem berühmtesten aller Heiratsmärkte, wo kein wohlhabender Junggeselle vor den hungrigen Augen geldgieriger Mütter und ihrer verzweifelten Töchter sicher war.
Es verstand sich von selbst, dass Beth von Almack’s herzlich wenig hielt, denn dort wurden Stunden über Stunden nur Kontertänze und hin und wieder eine Quadrille gespielt. Zudem beschränkten die Erfrischungen sich auf scheußlich altbackenen Kuchen und langweiligen Ratafia, für den sie nichts übrig hatte.
Sie nickte Lady Jersey zu. „Mylady, wie geht es Ihnen?“
„Ach! Ich bin erschöpft. Ich habe Lord Westerville gebeten, mich zum Crossforth-Ball zu begleiten, aber was tut er? Er dreht eine Runde im Ballsaal, und dann besteht er darauf, dass wir hierher fahren! Ich bin sehr verärgert, vor allem, nachdem ich von zwei Leuten draußen in der Eingangshalle gehört habe, dass es der Unterhaltung hier leider an Qualität mangelt.“
Beth wand sich innerlich, da Lady Jerseys Stimme ziemlich durchdringend war. Man witzelte allgemein, dass Lady Jersey eigentlich „Stille“ heißen sollte, eine Anspielung auf ihre Neigung zum Klatsch und ihr wenig friedvolles Organ. Sie selbst fand den Spitznamen ziemlich amüsant. Kein Gerücht war ihr zu gering, als dass sie es nicht mit ihrer spektakulären Stimme heraustrompetet hätte.
Beatrice hatte sich ebenfalls umgedreht und strahlte nun, als sie sah, mit wem ihre Cousine gerade sprach. „Lady Jersey! “, verkündete Beatrice mit erregter Stimme. „Wie schön, Sie zu sehen!“
„Mrs. Thistle-Bridgeton“, erwiderte Lady Jersey und beäugte Beatrices schlafenden Gatten. „Wie ich sehe, ist es Ihnen gelungen, Ihren Mann aus dem Haus zu locken. Haben Sie ihn von den Dienstboten schon so hertragen lassen, oder ist er vom vielen Applaudieren müde geworden?“
Beatrice lachte. „Der Abend war vielleicht ein wenig öde, aber jetzt wird es sicher besser. Das nächste Stück soll recht gut sein.“
Bevor sie noch etwas sagen konnte, ertönte ein Triller auf dem Pianoforte, und die Musik begann. Beth und Beatrice drehten sich wieder um. Beatrice beugte sich vor und flüsterte: „Lady Jersey ist ein hervorragender Kontakt für dich. Sie kennt alle heiratsfähigen Junggesellen von London.“
„Und trotzdem kam sie mit Westerville. Begreife einer die Launen der Menschen“, murmelte Beth.
Beatrice betrachtete ihre Cousine erstaunt, doch die Lautstärke der Musik hinderte sie daran zu antworten. Die Musik war tatsächlich besser geworden, und unter anderen Umständen hätte Beth die Vorstellung durchaus genossen. Doch im Augenblick war sie sich des Mannes hinter ihr viel zu bewusst, und der sorgte seinerseits dafür, dass sie ihn nicht vergaß. Er streckte die Beine so weit aus, dass seine Schuhspitzen zu beiden Seiten ihres Stuhls zu sehen waren, und wenn er sich bewegte, ruckte er hin und wieder auch an ihrem Stuhl.
Sie war froh, als die Musik endlich aufhörte. Beth klatschte noch lauter als die anderen und war als Erste auf den Beinen. Rasch sammelte sie ihre Sachen ein und drängte Beatrice, sich zu beeilen und Harry zu wecken. Doch bevor Beth wusste, wie ihr geschah, beugte Lady Jersey sich über die Lehne.
„Meine liebe Mrs. Thistle-Bridgeton, wären Sie so freundlich, mich zum Tisch mit den Erfrischungen zu begleiten? Ich sterbe beinahe vor Durst, und mein Begleiter weigert sich frecherweise, mir etwas zu bringen.“
Westerville grinste. „Von wegen.“
Lady Jerseys Lächeln war ebenso breit wie seines, und einen Augenblick erhaschte Beth ein Stück jenes Charmes, der sie so beliebt beim ton machte. „Ihr Mangel an Begeisterung war all die Weigerung, derer ich bedurfte.“ Ihr Blick wanderte zu Beth. „Lady Elizabeth, ich gebe Lord Westerville in Ihre Obhut, während Ihre Cousine sich mit mir auf die Suche nach einem Glas Limonade macht. Bitte geben Sie gut auf ihn Acht, denn er ist viel zu attraktiv, als dass man ihn länger allein lassen könnte.“
Beth wusste nicht, was sie zu diesem ziemlich plumpen Kuppelversuch sagen sollte. Hilfe suchend blickte sie zu Beatrice, doch ihre Cousine war so beschäftigt damit, sich zum Ende ihrer Stuhlreihe zu Lady Jersey vorzukämpfen, um Lady Jersey zu treffen, dass sie Beths stilles Flehen übersah.
Kurz darauf sah Beth verärgert zu, wie die beiden Damen zum Tisch am anderen Ende des Raums schlenderten.
„Das war ja erstaunlich einfach“, sagte eine tiefe Stimme an Beths Ohr.
Sie fuhr zu Westerville herum. „Das haben Sie geplant!“ „Ich habe nur Sallys Einladung angenommen, sie heute Abend zu begleiten. Der Rest ist allein ihr zuzuschreiben. “ Beth musterte ihn misstrauisch. „Sie hilft Ihnen?“
„Ich weiß nicht, ob ich es so ausdrücken würde.“ Ernst hob er die Brauen. „Tut sie das?“
„Nein.“ Beth blickte zu Harry, der immer noch fest schlief, die Arme verschränkt, das Kinn auf die Brust gesenkt. Sie war allein mit einem Mann, den sie ohne Zögern als Wolf bezeichnen würde. „Nun, Sie können ja hier bleiben, wenn Sie möchten, aber ich muss mich entschuldigen. Ich habe meinen Volant abgerissen und muss ihn reparieren.“ Sie wandte sich zur Tür, doch er hielt sie mit einem einzigen Wort auf. „Angst?“
Sie drehte sich nur kurz zu ihm um. „Ja.“
Damit ließ sie ihn stehen. Sicher wäre er nicht lang allein; schon jetzt beobachteten viel zu viele Frauen jede seiner Bewegungen. Beth sagte sich, dass ihr das egal war, auch wenn sie wusste, dass es nicht stimmte.
Sobald sie den Saal verlassen hatte, ging sie nach oben, wo sich die Damen versammelten. Der Raum, der für die weiblichen Besucher reserviert war, war so überfüllt, dass Beth keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sie wollte einfach ein stilles Plätzchen, um die nächste Nummer auf dem Programm abzuwarten. Das würde jedes Gespräch mit Westerville verhindern, und danach wäre es wieder sicher, zu ihrem Platz zurückzukehren.
Beth sah sich um und entdeckte rechts eine Tür, die einen Spalt offen stand. Dahinter sah sie Bücherregale an den Wänden und in der Mitte des Raums einen Billardtisch.
Sie sah sich um. Niemand achtete auf sie, und so schlüpfte sie in das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Sobald sie allein war, seufzte sie erleichtert auf. Im Raum roch es nach Leder, Brandy und einem Hauch Zigarrenrauch. Offensichtlich war dies der Zufluchtsort für die Männer des Haushalts, doch im Augenblick würde es Beth als solcher dienen. Westerville so nah zu sein war vieles, aber beruhigend war es nicht.
Das Alleinsein tat ihr gut. Langsam schlenderte sie zum Tisch und ließ die Finger über den grünen Filz gleiten. Morgen würde sie nach Massingale House fahren und ihren Großvater besuchen. Sie war schon viel zu lange weg, ein Besuch könnte nicht schaden.
Beth nahm die weiße Kugel und wog sie abwesend in der Hand.
„Spielen Sie?“
Sie fuhr herum zur Tür, die jetzt wieder offen stand. Ihr Herz begann heftig zu klopfen, als sie Christian entdeckte, eine dunkle, gefährlich attraktive Gestalt in Schwarz. „Gütiger Himmel, Westerville! Muss das sein?“
Um seine Mundwinkel spielte ein leises Lächeln. Der Saphir, der in seinem weißen Krawattentuch glitzerte, war die einzige Farbe, die er an sich hatte - bis auf das Grün seiner Augen. „Muss was sein?“, fragte er und trat in den Raum hinein. „Ihnen Fragen stellen?“
„Es stört mich nicht, wenn Sie mir Fragen stellen, aber ich muss dagegen protestieren, wie Sie sich an mich anschleichen.“ Sie presste sich die Hand ans Herz, das immer noch wild in ihrer Brust schlug.
Sein Blick folgte der Geste und heftete sich schließlich anerkennend auf den Ausschnitt ihres Kleides. „Ich habe mich nicht angeschlichen. Obwohl ich das auch könnte, wenn es Sie amüsiert ..."
Sie senkte die Hand. „Oh! Sie machen aus allem, was ich zu Ihnen sage, eine anzügliche Andeutung. Sie sind unerträglich. “
Er lachte. „Und Sie, meine Süße, sind viel zu schreckhaft. Ich räume ja ein, dass ich nicht angeklopft habe, aber die Tür stand schließlich offen.“
„Die Tür war zu, und das wissen Sie ganz genau. Ich habe das Schloss nicht gehen hören, daher müssen Sie sehr vorsichtig gewesen sein.“
Er gab vor, die Tür zu begutachten, die er nicht nur geöffnet, sondern auch lautlos wieder geschlossen hatte. „Vielleicht ist das Schloss kaputt.“
„Unsinn. Das Schloss ist in Ordnung, so viel steht fest.“ Er grinste, und seine weißen Zähne blitzten. „Vielleicht. Fest steht auf alle Fälle, dass die Türangeln gut geölt sind.“ „Das habe ich gemerkt. “ Beth betrachtete den Mann scharf. Ihr war klar, dass sie ihre angegriffenen Nerven beruhigen musste, wenn sie die Contenance wahren wollte. Der Kerl war erst seit ein paar Augenblicken im Raum, und schon waren ihre Handflächen feucht, und ihr Herz schwankte, als wäre es betrunken. Zum Glück befand er sich auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers, während sie sich hinter dem breiten Tisch aus Mahagoni und Filz verschanzen konnte. Das war gut, sehr gut.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, stieß Christian sich vom Türrahmen ab, baute sich auf der anderen Seite des Billardtisches auf und beobachtete sie. Sofort wurde der Raum kleiner, irgendwie intimer. Sein Blick ruhte immer noch auf ihr, und er streckte den Arm aus und ... griff sich die schwarze Billardkugel.
Beth klammerte sich am glatten Holzrand des Tisches fest. „Das ist unmöglich“, sagte sie und zuckte zusammen, weil sie hörte, sie heiser sie klang. „Bitte öffnen Sie die Tür.“ „Warum? Möchten Sie, dass andere Leute hören, was wir zu sagen haben?“
„Ich möchte meinen Ruf wahren, Mylord. Wenn Sie die Tür nicht öffnen, könnte das Folgen haben, Mylord, Folgen, die weder Ihnen noch mir gefallen. “
Seine Augen glitzerten. „Woher wollen Sie wissen, was mir gefällt?“
Das war in der Tat eine interessante Frage. Beth sah ihn lange an. „Wir haben uns schon darauf geeinigt, dass Sie mir nicht aus romantischem Interesse nachstellen, sondern weil Sie irgendetwas über meinen Großvater in Erfahrung bringen möchten. Was Sie auch wissen möchten, ich kann mir nicht vorstellen, dass es Ihnen die Preisgabe Ihrer Freiheit wert wäre. Wenn wir zusammen erwischt werden, wird es uns beide aber genau das kosten. “
Er warf die Kugel in die Luft und fing sie mit einer Hand auf. „Was wäre, wenn ich mich entschlossen hätte, Ihnen zu verraten, warum ich mich nach Ihrem Großvater erkundigt habe? Was dann?“
Sie machte schmale Augen. „Haben Sie das denn?“ Wieder warf er die Kugel in die Höhe. Sie beschrieb einen Bogen und landete mit festem Klatschen in seiner Hand. „Vielleicht.“
„Spielen Sie mit mir, Westerville?“
„Noch nicht“, entgegnete er ruhig.
Sie runzelte die Stirn. „Sie sind mit Lady Jersey gekommen. Sie ist eine sehr faszinierende Frau. “
„Ja, allerdings“, stimmte er mit schleppender Stimme zu. Sein Blick glitt über Beth, hielt bei ihren Augen inne, ihrem Mund, ihrem Kleid. „Nur bei Weitem nicht so faszinierend wie Sie.“
Beth musste sich ein sehr undamenhaftes Grinsen verkneifen. „Ich bin sicher, dass sie eine vortreffliche Person ist und angenehm anzusehen.“
„Sie ist eine amüsante Begleiterin, mehr nicht. Ich schätze ihren Ehemann viel zu sehr, als dass sie für mich etwas anderes sein könnte.“
„Wie ehrenhaft von Ihnen“, erklärte Beth mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme.
„Es ist mir eher ein Bedürfnis. Sally ist eine Frau, die einen ebenso gut verschlingen wie lieben könnte. Auf eine Frau, die das nicht sicher auseinanderzuhalten weiß, würde ich mich nicht einlassen wollen.“
„Ich weiß nichts von Lady Jerseys Neigungen in diese Richtung.“
„Sie ist unwichtig, meine Liebe. Ich bin nicht zum Musikabend gekommen, um Sally Jersey zu sehen.“ Er legte die Kugel auf den Tisch, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit einem Oberschenkel gegen den Billardtisch. „Ich bin hier, um Sie zu sehen, niemanden sonst.“
Eigentlich hätte sie sich über diese Neuigkeit nicht freuen dürfen, aber sie tat es. Sogar sehr.
„Ich wusste gleich, dass Sie hier sind, weil ich Ihre Kutsche sah. Sie trägt Ihr Familienwappen. “
Sie verzog das Gesicht. „Es ist schrecklich grell, finden Sie nicht? Großvater sagt immer ...“ Sie hielt inne, als sie bemerkte, wie sein Blick scharf wurde. Die Enttäuschung verlieh ihrer Stimme einen bitteren Beiklang. „Jetzt sind wir wieder an diesem Punkt angelangt, ja? Sie möchten, dass ich von meinem Großvater erzähle. Warum, Westerville? Warum interessieren Sie sich so für ihn?“
Christian hörte den beinahe klagenden Unterton heraus. Dabei hatte er so große Pläne für diesen Abend geschmiedet. Er hatte ihr Komplimente machen wollen, sie necken, ihr vielleicht das eine oder andere Lächeln entlocken wollen. Er hatte sie umwerben wollen, und sie dann ... wenn sie nicht daran dachte ... dazu bringen, von ihrem Großvater zu reden. Doch jetzt, als er sie über den Billardtisch hinweg ansah, ihrem ehrlichen Blick begegnete ... „Verdammt noch mal. “
Sie hob die Brauen. „Wie bitte?“
Wütend und enttäuscht, doch ohne Möglichkeit, seinen Gefühlen angemessen Ausdruck zu verleihen, griff er sich die schwarze Kugel und ließ sie mit einer geschickten Handbewegung über den Tisch kreiseln. „Reeves hatte recht, zum Kuckuck mit dem Kerl! “
Das verwirrte sie. „Reeves?“
„Mein Butler. Ich habe ihn von meinem Vater geerbt.“ „Ah.“ Sie dachte kurz darüber nach. „Und was hat er gesagt, womit er recht behalten hat?“
„Dass ich keine unschuldige Jungfer in meine Pläne verwickeln dürfte. “
Sie versteifte sich, und ihr Blick wurde noch misstrauischer. „Woher will er wissen, dass ich eine unschuldige Jungfer bin?“
Langsam hob Christian die Brauen.
Ihre Wangen wurden von einer bezaubernden Röte überflutet. „Ich bin es natürlich. Ich habe mich nur gefragt, woher er es wissen ... oder zu wissen glaubte ... obwohl er doch nicht sicher sein konnte ... “
„Sie sind einfach hinreißend.“ Er lehnte sich an den Tisch, stützte die Hände auf den Mahagonirand und lächelte sie sanft an. Seine Wut verlor sich allmählich.
Sie biss sich auf die Lippen und rang unbewusst die Hände.
„Elizabeth, meine Liebe. Ich tue jetzt, was ich von Anfang an hätte tun sollen. Allein schon deswegen, weil Sie viel zu klug sind, um mich mit all meinen Ausflüchten davonkommen zu lassen. Ich will Ihnen alles erzählen, und dann hoffe ich, dass Sie mir helfen. “
„Es hat mit meinem Großvater zu tun. “
„Ja, es hat sehr viel mit Ihrem Großvater zu tun.“
Sie betrachtete ihn eine lange Weile. Er konnte fast sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete.
Schließlich richtete sie sich auf. Sie sah ihm in die Augen und nickte. „Ich höre. Erzählen Sie mir, was Sie wollen.“ Christian atmete tief durch. Alles hing jetzt von diesem Moment ab. Wenn er Beths Hilfe erwirken könnte ... mehr brauchte er nicht. „Es ist eine lange Geschichte, aber ich möchte, dass Sie alles erfahren. Es geht um meine Mutter.“ „Ah.“ Sie nickte. „Das dachte ich mir schon.“
Er sah sie an. „Sie wissen von meiner Mutter?“
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Wangen hatten sich gerötet. „Nein, nicht direkt. Ich meine, ich weiß nicht viel. Ich habe nur gehört ... “ Sie biss sich auf die Lippen.
„Als ich zehn Jahre alt war, wurde meine Mutter wegen Hochverrats ins Gefängnis geworfen. Jemand hatte der Krone Beweise geliefert, dass sie Handel mit Frankreich trieb, während wir Krieg führten. Sie war unschuldig, hatte niemandem etwas zuleide getan, und doch ...“ Er zuckte zusammen, als er die Härte in seiner Stimme hörte. „Tut mir leid. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich das schmerzt - zu wissen, dass sie ein so schlimmes Ende erleiden musste, wenn ihr einziges Vergehen darin bestand, anderen zu sehr zu vertrauen. “
Beth wandte den Blick nicht von ihm. „Ich verstehe. Bitte fahren Sie fort.“
„Jemand lieferte dem König also ,Beweise. Jemand, der ihr Böses wollte.“
„Und Sie glauben, mein Großvater weiß, wer das war.“ Christian antwortete nicht. Abwesend griff er nach einer weiteren Billardkugel, diesmal nach der weißen. Glatt und kühl lag sie in seiner Hand. „Nicht ganz.“
„Sie können doch nicht annehmen ...“, hauchte sie. Sie war bleich geworden. „Sie glauben, Großvater war derjenige, der die falschen Beweise lieferte.“
„Ich habe gute Gründe für diese Annahme.“
„Nein“, erklärte sie mit tödlicher Ruhe. „Er war es nicht. So etwas würde er nicht tun. Niemals.“
„Ich kann es aber beweisen.“
„Wie?“
Er sah zu der verschlossenen Tür. „Wir können hier nicht lang reden, und es ist kompliziert. Würden Sie mich irgendwo anders treffen? Ich sage Ihnen alles, was ich weiß.“
„Und dann?“
„Und dann liegt es bei Ihnen. Ich wünsche mir, dass Sie mir helfen, Elizabeth. Aber ob nun mit oder ohne Ihre Hilfe, ich werde finden, wonach ich suche.“
„Wonach suchen Sie denn?“
„Es gibt ein Collier, das einmal meiner Mutter gehörte. Es ist ein ganz besonderes Schmuckstück. Kurz vor ihrem Tod entdeckte sie, wer sie verraten hatte. Man bot ihr an, die Lüge richtigzustellen, wenn sie im Tausch dafür ihr Halsband hergab.“
„Wurde es richtiggestellt?“
Er legte die Kugel auf den Tisch zurück. „Nein. Der Verräter behielt das Halsband, und meine Mutter ... starb.“
Elizabeth presste die Hand an die Stirn. Ihr Blick war umwölkt. „Sie glauben, dass Großvater das Collier hat.“
„Ja.“
„Nun, ich nicht“, versetzte sie laut.
Er hob die Brauen. „Elizabeth, es gibt kein schönes Bild ab. Doch zumindest kennen Sie nun den Grund, warum ich mehr über Ihren Großvater erfahren will. Ich war ehrlich zu Ihnen.“
Sie biss sich auf die Lippen und runzelte die Stirn. „Ich möchte jetzt noch nicht in den Musiksaal zurück. A...aber ich glaube, ich muss.“ Sie rieb sich die Schläfen. „Ich kann nicht glauben, dass mein Großvater so etwas tun würde.“
„Ich habe Beweise, dass jemand aus Ihrem Haushalt meine Mutter verraten hat. Es kann niemand sonst gewesen sein.“
„Nein! Sie müssen sich täuschen! “ Abrupt wandte sie sich ab, stieß dabei aus Versehen mit dem Ellbogen gegen das Gestell mit den Queues. Klappernd fielen sie zu Boden.
„Oh!“, sagte sie und presste die Hände zusammen.
„Lassen Sie nur“, meinte Christian und begann die Queues aufzuheben und der Reihe nach in das geschnitzte Holzgestell zurückzuräumen. „Ich wollte Ihnen das alles nicht erzählen, aber ich brauche Ihre Hilfe. “
„Meine Hilfe?“
„Das Collier muss irgendwo in Massingale House verborgen sein, dessen bin ich mir sicher.“
„Meinen Großvater habe ich nie mit einem Halsband gesehen.“
„Dann haben Sie nichts zu befürchten. Wenn er es nicht hat, hat es vielleicht jemand anderes.“
Sie sah ihn an. Ihr Blick war ruhig und direkt. „Und wenn Sie das Collier doch bei uns finden? Was dann?“
Sein Kinn verhärtete sich. „Dann ist Ihr Großvater schuldig.“
Darauf trat langes Schweigen ein.
„Westerville, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Was ich denken soll. Ich weiß nur, dass Großvater nie einem anderen etwas zuleide täte. Das weiß ich einfach.“
„Ich kann Ihnen die Informationen zeigen, die ich bis jetzt zusammengetragen habe, und dann sehen wir weiter.“ Mit ernstem Blick sah er sie an. „Beth, werden Sie sich wieder mit mir treffen, mich erklären lassen, warum ich Ihren Großvater für schuldig halte? Warum ich glaube, dass jemand aus Massingale House für den Tod meiner Mutter verantwortlich ist?“
„Jemand aus Massingale House? Woher wissen Sie, dass es nicht einer der Dienstboten war? Oder Charlotte?“
„Keiner der Dienstboten hätte meine Mutter im Gefängnis mit einer Kutsche besucht, auf der das Wappen der Massingales prangt. “
Sie verzog das Gesicht. „Verstehe. Und Charlotte?“ Christian schürzte die Lippen und runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich hatte sie eigentlich ausgeschlossen, weil ich dachte, sie sei zu so etwas nicht fähig. Glauben Sie, dass ich mich da vielleicht irre?“
Beth ließ die Schultern hängen. „Nein. Sie kommt kaum mit Großvater zurecht. Die meiste Zeit verbringt sie auf ihrem Zimmer oder mit Lord Bennington. “
Christian nickte. „Nun? Wollen Sie sich noch einmal mit mir treffen und meine Beweisstücke ansehen?“
„Das muss ich wohl.“
„Und wenn ich Sie überzeugen kann, dass mein Verdacht begründet ist?“
Sie schwieg lange Zeit. Schließlich nickte sie, als hätte sie eine Entscheidung getroffen. „Dann werde ich dafür sorgen, dass Sie zu uns nach Hause eingeladen werden, damit Sie nach dem Halsband suchen können.“
Das überraschte ihn. „Ja?“
„Natürlich“, erwiderte sie kühl. „Ich werde alles tun, um Großvaters Unschuld zu beweisen. Ich weiß, dass er es nicht getan hat, was also sollte ich befürchten?“
„Sie vertrauen ihm zutiefst.“
„Das würden Sie auch, wenn Sie ihn kennen würden. Großvater kann es nicht ausstehen, wenn jemand Lügen erzählt. Ich kann mir nicht vorstellen ..." Sie biss sich auf die Lippen und senkte den Blick. Abwesend strich sie über den Mahagonirand des Billardtisches.
Christian beobachtete sie eine Weile. Sie wirkte weniger verstört als nachdenklich. Er wünschte, er wüsste einen Weg, ihr alles besser zu erklären, bloß gab es keinen. Seine Finger krampften sich um den Queue. Eigentlich hatte er ihr das alles gar nicht erzählen wollen, doch als er in ihre ehrlichen braunen Augen geblickt hatte, war ihm irgendwie klar geworden, dass er nichts anderes tun konnte.
Das Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, aufdringlich und unbehaglich. Der Wunsch, die unsichtbare Mauer zwischen ihnen zu durchbrechen, wurde immer größer.
Aber bevor er noch einen Weg finden konnte, hob sie den Kopf und sah ihn an. „Sie sollten wissen, dass Großvater nicht gesund ist.“
Christian versuchte, sich ein wenig Mitleid abzuringen, was ihm indes nicht gelingen wollte. „Ich weiß, dass er schon ziemlich alt ist.“
„Ja, aber geistig ist er noch voll auf der Höhe.“ Elizabeth biss sich auf die Lippe. „Westerville, wenn ich Ihnen nicht helfe, was würden Sie tun?“
„Dann werde ich einen anderen Weg finden, nach den Beweisen zu suchen, die ich brauche.“
„Wenn Sie das gewaltsam versuchen, wird noch jemand verletzt werden.“
„Das ist bereits geschehen. Meine Mutter starb in dem Gefängnis. Sie hat die Wahrheit verdient, und ich auch.“ Elizabeth schüttelte den Kopf. „Ich wusste, dass Sie das sagen würden. Lassen Sie sich gesagt sein: Meine Hilfe kostet etwas.“
„Was denn?“
„Von jetzt an werden Sie mich in jeder Hinsicht an Ihrer Suche beteiligen.“
„Moment mal..."
„Sie werden nichts tun - keinen Brief schreiben, niemanden aufsuchen, der Informationen haben könnte ohne mir das vorher mitzuteilen und mich, wenn möglich, mitzunehmen.“
„Sonst noch etwas?“, fragte Christian grimmig und legte den Queue auf den Tisch.
„Nein. Nicht wenn Sie Zutritt zu Massingale House bekommen wollen. “
Christian rieb die Finger aneinander. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft. Er wollte Beth nicht an seinen Plänen teilhaben lassen. Das war nicht nur unbequem, es war auch gefährlich. „Und wenn ich mich weigere?“
„Dann werde ich Ihnen nicht nur nicht helfen, sondern gehe auch schnurstracks zu Großvater und erzähle ihm alles, was Sie mir gesagt haben.“ Herausfordernd sah sie ihn an. „Wenn Sie nicht zustimmen, werden Sie niemals einen Weg nach Massingale House finden.“
„Zum Teufel mit Ihnen!“ Die Worte waren ausgesprochen, bevor er sich dessen bewusst war.
Sie errötete, worauf er seinen Ausbruch sofort bedauerte. „Tut mir leid“, sagte er. „Sie scheinen zu glauben, dass ich Ihrem Großvater grundlos Böses will. Ich will niemanden verletzen, nur die Person, die schuld ist am Tod meiner Mutter.“
Lange sah sie ihn an, bevor sie schließlich nickte. „Vermutlich würde ich dasselbe tun, wenn es meine Mutter gewesen wäre. Zumindest in dieser Hinsicht verstehen wir uns.“ „Dann sind wir also Partner“, lächelte Christian.
„Widerstrebend.“
„Ach, mit der Zeit wird es sicher leichter. Wir müssen uns nur aneinander gewöhnen.“ Sein Blick fiel auf den Billardtisch. „Haben Sie je gespielt?“
„Was?“
„Billard. Haben Sie das je gespielt?“
„Oh. Mein Großvater hat einen Tisch, aber ich habe ihn seit Monaten nicht mehr angerührt.“
„Wir könnten jetzt eine Partie spielen.“
Das schien sie zutiefst zu bestürzen. „Jetzt?“
„Warum nicht? Wenn wir uns auf ein gemeinsames Abenteuer einlassen, wäre es doch sicher ratsam, wenn wir uns ein bisschen näher kennenlernen würden. Und auf welche Weise ginge das besser als mit einer Partie Billard?“ „Westerville, eben haben Sie mir erzählt, Sie verdächtigen meinen Großvater, der Krone falsche Beweise gegen Ihre Mutter geschickt zu haben, Beweise, die sie ins Gefängnis brachten, wo sie schließlich starb. Das weckt in mir nicht gerade den Wunsch, Billard mit Ihnen zu spielen.“
„Im Moment haben wir keine Antworten, daher könnten Sie genauso gut eine Partie mit mir spielen. “ Er legte ihr die Hand auf die Schulter und drehte sie zum Tisch. Inzwischen stand er direkt hinter ihr, ihr Po streifte beinahe seine Beine. „Erste Lektion - wie man den Queue hält.“
Christian griff um sie herum, gab ihr den Stock in die Hand und arrangierte ihre Finger darum. Sein Oberkörper drängte gegen ihren Rücken.
Beth musste gegen die Hitze ankämpfen, die durch ihre Röcke kroch. Ihr schwindelte immer noch von den Anklagen, die er gemacht hatte. Der einzige Grund, warum sie nicht die Stimme erhoben und ihn einen Lügner geschimpft hatte, war seine absolut ruhige, todsichere Gewissheit. Selbst wenn er sich täuschte - er glaubte fest an das, was er sagte. Das war ernüchternd und auch eine winzige Spur beängstigend.
Sie wusste, warum er die Billardstunde vorgeschlagen hatte, denn für sie war das Schweigen ebenfalls schwer zu ertragen gewesen. Doch sie war nicht mit dem Herzen dabei. „Mylord, mir ist jetzt einfach nicht nach Spielen „Psst“, sagte er. Er griff immer noch von hinten um sie herum, und nun schlossen sich seine Finger warm um ihre Hand auf dem Queue. „Es ist mir eine Ehre, einer so hinreißenden Frau behilflich zu sein. “ Seine Stimme fächelte über sie hinweg, sodass sie an tausend Stellen erzitterte.
Beth biss sich auf die Lippen und starrte blicklos auf seine Hand. Sie war groß und schön geformt, und sie bedeckte die ihre ganz und gar. Sie bewegte die Finger ein wenig und wurde damit belohnt, dass er ihre Hand mit der seinen rieb.
„I...ich ...“ Beth schluckte. „Ihre Haut ist rau, Mylord.“ Sie blickte über die Schulter zurück. „Das ist nicht die Hand eines Gentlemans.“
Sie hatte es nicht beleidigend gemeint. Eigentlich fand sie es angenehm, wie sich seine Haut anfühlte - lebenserfahren, von namenlosen Taten gezeichnet.
Doch sein Blick flammte bei ihren Worten auf, seine Lippen wurden erschreckend schmal, und seine Hand krallte sich beinahe schmerzhaft um die ihre. „Ich habe die Hände, die mir das Schicksal gegeben hat.“ Damit nahm er die Finger von ihrer Hand herunter und fasste den Queue ein Stück weiter unten an.
Das war die ganze Erklärung, die er zu geben gewillt war. Mehr würde sie von ihm nicht erfahren. Dennoch wusste sie irgendwie, dass sie ihn verletzt hatte, auf eine Weise, die sehr viel tiefer ging, als es den Anschein hatte. Spontan hob sie den Queue an und seine Hand mit. Dann schmiegte sie die Wange an seine Finger. Beth schloss die Augen und wünschte den Schmerz weg, den sie in seiner Stimme gehört, in seinem Blick gesehen hatte.
Lange Zeit stand Christian nur da und starrte auf sie hinab, zu verwirrt, um etwas zu tun.
Er war schon mit vielen Frauen zusammen gewesen. Hatte Lachen mit ihnen geteilt und Gespräche bei Kerzenlicht auf dem Kopfkissen. Er hatte sie stundenlang geliebt und ihren Geschichten gelauscht, den frohen und den traurigen. Aber noch nie hatte er sich einer Frau so nahe gefühlt wie in diesem Moment, wo er vollständig bekleidet dastand und - bis jetzt - dem Diktat des guten Tons folgte.
Es war das merkwürdigste, schmerzlichste, schönste Gefühl, das er je empfunden hatte. Er konnte nur dastehen und auf sie hinabstarren, wie sie ihre weiche, warme Wange an seinen Handrücken drückte, während ihre eigenen Finger unterhalb der seinen um den Queue geschlungen waren.
Sie seufzte, und ihr Atem strich ihm warm über die Haut. Schließlich hob sie den Kopf. Ihre braunen Auen waren dunkler geworden, erfüllt von einem geheimnisvollen Gefühl. „Es tut mir leid. Ich wollte damit nichts Gemeines andeuten. Ich wollte nur ... “
„Es hat nichts zu bedeuten. Gar nichts“, sagte er, während er sich verzweifelt bemühte, einen klaren Kopf zu behalten. Was wollte er hier eigentlich? Ach ja, er war gekommen, um sie zu verführen, um sie dazu zu bewegen, ihre Geheimnisse zu offenbaren. Stattdessen war er mit der Wahrheit herausgeplatzt und hatte sich von ihr Bedingungen für eine Partnerschaft diktieren lassen. Und nun verlor er vollends die Kontrolle über seinen Plan.
Kopfschüttelnd bewegte er den Queue, bis er auf den Billardtisch zeigte. „Sind Sie bereit für eine Partie? Es ist ein vertracktes Spiel, aber man kommt gar nicht los davon.“ Enttäuschung flackerte in ihrem Blick, doch sie nickte. „Natürlich. Ich habe es schon gespielt, wenn auch nicht oft.“ „Ich zeige Ihnen ein paar Tricks.“ Wieder beugte er sich nach vorn, und seine Beine drückten sich gegen die ihren. Es war merkwürdig, aber sie wirkte immer um so vieles größer, als sie tatsächlich war, ihr Kopf reichte kaum bis zu seinem Kinn. Der süße Duft nach Jasmin und Lavendel stach ihn in die Nase, sodass er am liebsten das Gesicht in ihren dichten, honigblonden Locken vergraben hätte.
Wenn er sich noch ein bisschen vorbeugte, könnte er gerade eben mit der Wange an ihr Haar ...
Lieber Himmel? Was war nur los mit ihm? Christian rief seine Gedanken zur Ordnung und unterdrückte die haltlosen Fantasien. Er hatte eine Aufgabe vor sich, und die beinhaltete nicht, dass er eine Jungfrau zu seinem Vergnügen verführte, verdammt. Wenn sie Zusammenarbeiten und das Geheimnis um seine Mutter lüften wollten, konnte er es nun wirklich nicht gebrauchen, wenn sie sich in seiner Gegenwart unwohl fühlte.
„Westerville?“
Ihre Stimme war weich, beinahe zaghaft. Er holte tief Luft, atmete ihren Duft ein und nahm ihn tief in sich auf. „Ja?“
Ein Zwinkern stand in ihren braunen Augen. „Sollen wir eine Wette daraus machen? Um, sagen wir, zehn Pfund?“
„Worauf wollen Sie denn setzen?“
Sie zeigte zum Billardtisch. „Auf diesen Stoß. Er sieht aus, als wäre er ziemlich leicht. “
Er blickte nach unten. „Auch wenn es so aussehen mag, ist dieser Stoß alles andere als leicht.“
„Ich muss doch nur dafür sorgen, dass die Kugel dahin ... sie nahm den Queue, um eine Stelle an der gegenüberliegenden Bande anzuzeigen, „... hinrollt und dann dorthin.“ Sie wies auf die mit einem Netz gesicherte Ledertasche in der Ecke des Billardtischs, wobei ihr Po sich ganz sanft an ihm rieb.
Christian musste sich kurz sammeln, ehe er erwiderte: „Den Stoß schaffen Sie nicht.“
Lächelnd wandte sie sich zu ihm um. „Ich glaube schon. Wollen wir wetten? Dann lohnt sich die Anstrengung. “
Er musste über ihre Unschuld lächeln. „Der Schuss ist weitaus schwieriger, als er aussieht... aber wenn Sie darauf bestehen ... “
Sie beugte sich vor, betrachtete aufmerksam den Tisch, und dann stieß sie die Kugel mit dem Queue an.
Die Kugel begann zu rotieren, zu rollen, und im nächsten Moment sprang sie so sauber in die Ecktasche, dass es kein Glück gewesen sein konnte.
Triumphierend drehte Beth sich zu ihm um und warf ihm unter den Wimpern hervor einen Blick zu. „Sie schulden mir zehn Pfund.“
Er war reingelegt worden. Man hatte ihn getäuscht und ihm dann das Fell über die Ohren gezogen. Einen Augenblick lang konnte er es nicht glauben, nicht akzeptieren. Plötzlich war er wieder auf der Straße unterwegs, ein verlorener, verängstigter kleiner Junge, der tagtäglich um das schimmelige Brot kämpfen musste, das er stehlen hatte können. Damals hatte er gelernt, was Hohn und Kaltherzigkeit waren, er kannte das entsetzliche Gefühl, jemandem zu vertrauen, nur um am nächsten Morgen aufzuwachen und festzustellen, dass auch die letzten Besitztümer verschwunden waren.
Mit Zähnen und Klauen hatte er gekämpft, um Sieger zu werden, nicht der Besiegte. Der dünne Schleier der Zivilisation, den er so lange getragen hatte, zerriss plötzlich in tausend Fetzen. Plötzlich wollte er mehr. Mehr als ein Lächeln. Mehr als einen Kuss.
Er presste sich an sie, schob sie zurück, drängte sie gegen den Tisch.
Ihre Augen weiteten sich. „Westerville, was ..."
Christian küsste Sie. Nicht sanft, wie zuvor. Dieser Kuss war von Leidenschaft und Not geschürt, von dem Bewusstsein, dass er sich ihr geöffnet und sie ihn im Gegenzug verspottet hatte. Der Kuss war harsch und leidenschaftlich, ein feuriger Ausbruch, der sich gegen jene Kräfte richtete, die sein Leben in einen Schraubstock aus Sehnsucht und Begierde gepresst hatten.
Wie durch einen roten Schleier bekam er mit, dass Elizabeth sich ebenfalls gegen ihn presste, dass sie sich mit derselben Lust, mit derselben Verzweiflung an ihn klammerte. Ihre Reaktion fachte seine Leidenschaft zu noch hellerer Flamme an, sie überwand seine Willenskraft und feuerte ihn an.
Sie krallte sich an seinem Rock fest. Er spreizte die Hand über ihrem Rücken, ließ sie nach unten wandern, presste sich dichter an sie, drängte mit seiner Männlichkeit gegen sie. Keuchend drang ihr Atem an sein Ohr, ging stoßweise wie der seine. Er hob sie hoch, setzte sie auf dem Billardtisch ab und spreizte ihre Schenkel mit den seinen.
Sie keuchte an seinem Ohr, er neigte den Kopf über ihren Hals und bahnte sich mit den Lippen einen brennenden Weg über ihre empfindsame Kehle. Ihr Kopf sank in den Nacken, ihre Knie hoben sich ein winziges Stück an. Er drückte sie an sich, fuhr ihr mit der Hand ins Haar. Es war wild, ungezügelt, hart. Sie gehörte ihm, verdammt. Hatte ihm schon immer gehört.
Er spürte ihr heftig schlagendes Herz, die Hitze, die durch ihr dünnes Seidenkleid drang. Er fragte sich, wie sie wohl ohne das Kleid aussähe. Sofort stellte er sich vor, wie sie in seinem Bett lag, die Kissen unter ihr aufgetürmt, ihr dichtes, blondes Haar wie ein Honigfluss auf der Matratze ausgebreitet.
Ihre Haut würde weißer leuchten als die Laken, und ihre Augen wären dunkel vor Leidenschaft, während er sie an den Höhepunkt und darüber hinaus trug.
Wellen heißer Lust überrollten ihn. Er ließ eine Hand über ihren Oberschenkel gleiten, genoss die weiche Üppigkeit. Elizabeth war eine so sinnliche Frau. So köstlich, so reif. Christian konnte sich nicht vorstellen, dass er dieser Köstlichkeit je müde werden könnte. Dieser mutwilligen Leidenschaft.
Er hob den Kopf lang genug, um ihr in die von Leidenschaft umflorten Augen zu sehen. „Deswegen hat uns das Schicksal zusammengeführt.“ Er rieb sich an ihr. „Dafür wurden wir gemacht.“
Beth keuchte, als die Wogen der Leidenschaft über ihr zusammenschlugen, der Verstand ihr den Dienst versagte und ihr Körper von einer schier unerträglichen Hitze erfüllt wurde. Sie sollte ihm widerstehen. Sie wusste es. Aber irgendwie konnte sie nicht. Alles, was sie wollte, war, ihn zu spüren, die Wildheit zu genießen, die mit ihm in ihr Leben getreten war, die Freiheit zu schmecken, die immer auf seinen Lippen war.
Sie zog ihn an sich, verlor sich mit einer Wildheit in ihrem Kuss, die sich von Moment zu Moment noch verstärkte. Zuerst war er es gewesen, der diese Nähe gesucht hatte, doch binnen Sekunden schmiegte sie sich an ihn, presste die Hüften an ihn, strich mit den Händen über ihn, zog und zerrte. Sie wusste nicht, was genau sie wollte, nur, dass der Kuss ein Feuer entfacht hatte. Sie wollte mehr, obwohl sie sich nicht ganz sicher war, worin dieses „mehr“ eigentlich bestand.
Christian seinerseits war überwältigt. Sie erstrahlte unter seinen Liebkosungen, schien mit jeder Berührung mächtiger, weiblicher zu werden. Es war berauschend, unerträglich und unglaublich sinnlich.
Er wusste, dass er aufhören sollte. Aber er konnte nicht. Er stand in Flammen, brannte innerlich und äußerlich danach, sie zu kosten. Er stöhnte unter ihren Lippen, umfasste ihren Po mit den Händen und drückte sie an sich, damit sie die Härte seiner Männlichkeit zu spüren bekam.
Es war ein kühner Zug, einer, bei dem jede ängstliche junge Frau geflüchtet wäre. Doch Beth war nicht ängstlich. Statt zurückzuzucken, stöhnte sie und bewegte unwillkürlich die Hüften vor und zurück.
Christian hielt den Atem an. Bei Zeus, sie war herrlich. Er konnte seine Erregung, sein Begehren kaum im Zaum halten.
Sie zerrte drängender an seiner Taille, zog ihn immer dichter an sich, feuerte seine Leidenschaft mit der ihren an. Ihre Röcke rutschten nach oben, und sie schloss die Beine um ihn. Alles, was ihm noch zu tun blieb, war, die Schnürung seiner Breeches zu lösen, seine Männlichkeit vom Stoff zu befreien, und dann wäre sie sein. Er streckte schon die Hand aus, als ...
Die Tür ging auf. „Lieber Gott! Geben Sie sie sofort frei!“
Christian zog Elizabeth vom Tisch, legte den Arm um sie und verbarg ihr Gesicht. Der Nebel der Lust, der ihm den Verstand verschleiert hatte, löste sich umgehend auf. In der Tür stand Beths Cousine mit ihrem Ehemann. Ihre Mienen spiegelten Schock und Entsetzen wider.
Doch es war das Gesicht, das über die Schulter der beiden blickte, das Christian zum Zähneknirschen verleitete. Es handelte sich um Sally Jersey, die schlimmste Klatschtante des ton. Sie schien eher vor Zorn als vor Entsetzen zu glühen.
Ein schmales, grausames Lächeln spielte um ihre Lippen. „Nun, Westerville? Wenn ich gewusst hätte, dass Sie so gern Billard spielen, hätte ich Ihnen den Tisch bei mir zu Hause angeboten.“