15. KAPITEL

Ein richtiger Butler klopft an, ehe er einen Raum betritt. Dies zu vergessen kann alle möglichen Malheurs nach sich ziehen, von denen die meisten jedoch nicht für eine Schilderung in gedruckter Form geeignet sind.

Leitfaden für den vollkommenen Butler und Kammerherrn von Richard Robert Reeves

Der Stock des Herzogs tappte immer näher, und seine Stimme bebte vor Zorn, als er einem der Lakaien auftrug, etwas wegen einem Teppich in der Eingangshalle zu unternehmen.

Christian packte Beth am Handgelenk. „Unter den Schreibtisch.“

„Was?“ Sie blickte zum Schreibtisch und dann auf ihr Kleid. „Ich will nicht ...“

Sein Griff wurde fester. „Kriech sofort unter den Schreibtisch.“

Bevor Beth wusste, wie ihr geschah, hatte Christian sie zu sich hinter den Schreibtisch gezogen. Die Tür zur Bibliothek knarrte, während er sich unter die Knieöffnung zwängte und Beth neben sich schob.

Christian legte den Arm um sie und drückte sie an sich. Es war erstaunlich geräumig unter dem Schreibtisch, da die Schubladen relativ klein ausfielen. Trotzdem saßen sie ziemlich zusammengepfercht, vor allem, weil Christians Schul-tern so breit waren.

Beth zappelte ein bisschen, versuchte es sich halbwegs bequem zu machen, und stieß Christian aus Versehen in die Rippen.

Sie hörte sein erschrecktes Stöhnen, erstarrte und hielt den Atem an.

Ihr Großvater schien zu stutzen und murmelte dann: „Verdammte Rohre. Zahlt man ein Vermögen für die Dinger, und dann ächzen und stöhnen sie wie ein altes Weib.“

Beth begegnete Christians Blick und musste sich die Hand vor den Mund halten, um nicht laut aufzulachen.

Der Stock des Dukes kam näher, immer näher. „Jameson! “, rief der alte Herr, so nah am Schreibtisch, dass Beth zusammenfuhr.

„Jameson!“, rief ihr Großvater noch einmal.

Diesmal antwortete der Butler. „Ja, Euer Gnaden?“

„Bringen Sie mir einen Grog.“

Beth funkelte die Unterseite des Schreibtisches an. Ihr Großvater sollte keinen Rum trinken, da er davon Schmerzen im Bein bekam. Zum Glück wusste Jameson, dass ...

„Jawohl, Euer Gnaden“, sagte der Butler. „Soll ich ihn in einer Tasse servieren, damit Lady Elizabeth es nicht sieht?“

Christian legte rasch die Hand auf Elizebeths Mund, weil sie empört aufkeuchte.

Wütend schob sie seine Hand weg.

„Ja“, sagte ihr Großvater gerade wenig verbindlich. „Und diesmal bitte mit so viel Rum, dass man ihn herausschmecken kann. Und sehen Sie zu, dass Sie mir nicht noch mal so ein Spülwasser wie beim letzten Mal servieren, sonst muss ich wieder die Tassen an die Wand schmeißen. Ich muss sie schließlich bezahlen!“

„Jawohl, Euer Gnaden.“ Jamesons Stimme wurde leiser; anscheinend war er unterwegs zur Tür. „Euer Gnaden, Viscount Westerville ist gekommen.“

„Wird ja auch höchste Zeit!“

„Jawohl, Euer Gnaden. Er ist mit Lady Elizabeth im Salon. Soll ich Ihren ,Tee‘ dort servieren?“

„Im Salon, was? Wie lang sitzen sie denn schon dort?“

 „Vielleicht zwanzig Minuten.“

„Gut. Sorgen Sie dafür, dass sie nicht gestört werden.“ Beth blieb der Mund offen stehen.

Ihr Großvater lachte in sich hinein. „Tut denen vielleicht ganz gut, wenn sie bisschen Zeit miteinander verbringen!“ „Jawohl, Euer Gnaden. Ach, und Lady Charlotte hat gefragt, wann Sie aufstehen würden.“

„Was will sie denn?“, erkundigte sich ihr Großvater. Sein Ton klang reizbar und ungeduldig.

„Ich weiß es nicht, Euer Gnaden. Sie schien ziemlich außer sich. Ich habe ihr vorgeschlagen, doch mit Lady Elizabeth zu reden, das wollte sie aber nicht. “

„Na wunderbar“, entgegnete der Herzog düster. „Worum es auch geht, ich hoffe, sie fängt nicht an zu weinen. Konnte es noch nie ausstehen, wenn eine Frau beim geringsten Anlass zu greinen anfängt. Ich weiß wirklich nicht, was mein Sohn sich dabei gedacht hat, mir so eine Frau ins Haus zu bringen.“

„Ich hole jetzt Ihr Getränk“, meinte Jameson nur ausdruckslos. „Benötigen Sie sonst noch etwas?“

„Nein, nein. Nur den Grog.“

„Jawohl, Euer Gnaden.“ Die Tür schloss sich hinter dem Butler, und Beth lauschte mit klopfendem Herzen, wie der Stock ihres Großvaters näher tappte, direkt zu der Stelle, wo sie und Christian sich verbargen.

Sie warf Christian einen alarmierten Blick zu.

Der zog sie näher an sich, bis sie auf Augenhöhe saß. „Wenn er uns findet“, flüsterte er ihr zu, so nah, dass seine Stimme ihr Ohr kitzelte, „sagen wir einfach, die Leidenschaft hätte uns übermannt, so ähnlich wie auf dem Billardtisch.“

Beth konnte sich die Miene ihres Großvaters beinahe vorstellen, wenn sie ihm dies eröffneten. Sie musste sich auf die Lippe beißen, um nicht aufzulachen. Zu ihrer Erleichterung nahm ihr Großvater aber nur die Zeitung vom Schreibtisch und humpelte wieder zurück, wobei sein Stock dumpf auf dem Teppich aufschlug. Sein Lieblingssessel knarrte, als er sich hineinsetzte, und dann knisterte die Zeitung.

Erneut wurde die Tür geöffnet.

„Darf ich reinkommen?“ Es war Charlotte.

„Verdammt noch mal, kann ich nicht einmal meine Ruhe haben?“, fuhr der Herzog sie an.

„Ich muss mit dir reden. Es ist wichtig.“

Kurzes Schweigen trat ein. Beth stellte sich vor, wie ihr Großvater ihre Stiefmama mit wütenden Blicken maß. „Nimmst du deine Arznei?“

Beth schüttelte den Kopf. Es war immer dasselbe mit ihrem Großvater: Charlottes Medizin war ihm wichtiger als seine eigene Gesundheit.

„Ja, ja. Natürlich. Es geht nicht um mich, es geht um Bennington.“

„Um Bennington?“

Zu Beths Überraschung nahm die Stimme ihres Großvaters einen ernsteren Ton an.

„Was will er denn diesmal?“

„Du siehst also, warum ich mich aufrege? Er ist so herrschsüchtig, dauernd versucht er mich zu kontrollieren, daher ... “

„Diese Suppe, mein Kind, hast du dir ganz allein selbst eingebrockt. Also löffle sie aus und hör auf, deswegen herumzuheulen.“

„Er...“

„Nein. Kein Wort mehr.“

„Aber er erkundigt sich nach Elizabeth! “

„Was ist mit ihr?“

„Bennington hat neulich mit ihr im Garten gesprochen. Ich ... ich hab die beiden von meinem Fenster aus gesehen. Natürlich habe ich ihn später gefragt, worüber sie sich unterhalten haben, aber er war sehr geheimnistuerisch. Schwiegervater, ich glaube, sie hat ihm Fragen gestellt, vor allem, wo sie jetzt doch mit Westerville verlobt ist. Ich muss mich wirklich wundern! Was hast du dir nur dabei gedacht, ausgerechnet diesem Mann zu erlauben, sie zur Frau zu nehmen?“ „Sie war ruiniert“, fuhr der Herzog sie an. „Und er war derjenige, der sie ruiniert hat. Was ist mir denn anderes übrig geblieben?“

„Ich weiß nicht. Ich befürchte nur, dass sie Fragen stellen wird ... du willst doch sicher nicht, dass sie es erfährt, oder?“

Schweigen trat ein. Beth sah Christian an, und ihr sank der Mut. Wovon in alles in der Welt redete Charlotte?

„Um Beth kümmern wir uns, wenn es so weit ist.“

„Aber Schwiegervater, du verstehst nicht, sie ist ...“

 „Charlotte! Ich will kein Wort mehr hören! “ Seine Stimme überschlug sich vor Zorn.

„Aber ...“ Charlottes Stimme zitterte. „Ich habe Angst.“

 „Geh auf dein Zimmer. Ich lasse dir von Jameson ein wenig von deiner Medizin bringen. “

„Aber ich ...“

„Jetzt gleich!“, donnerte der Duke.

Mit einem erstickten Schrei rannte Charlotte aus dem Zimmer.

Anscheinend war sie an Jameson vorbeigekommen, denn als Nächstes war die Stimme des Butlers zu hören. „Euer Gnaden?“

„Hat Lady Charlotte den Arzt empfangen?“

„Als er beim letzten Mal vorbeischaute, hat sie geschlafen.“

„Das kommt nicht wieder vor, hören Sie? Schicken Sie nach dem Dummkopf und sagen Sie ihm, dass er Lady Charlotte noch heute Nachmittag besuchen soll. Und sagen Sie ihm, er soll sich unbedingt vergewissern, dass meine Schwiegertochter ihre Medizin auch nimmt!“

„Jawohl, Euer Gnaden. Soll ich den Grog hier abstellen, neben Ihrem Sessel?“

„Nein. Sie können ihn mir direkt in die Hand geben. Ich werde ihn gleich austrinken, und danach sehe ich nach meiner Enkelin.“

„Jawohl, Euer Gnaden.“

Kurzes Schweigen trat ein, als der Butler tat, wie man ihm geheißen hatte, und dann war ein schlürfendes Geräusch zu hören.

Beth biss sich auf die Lippen. War es denn möglich, dass Charlotte Großvaters Geheimnis kannte? War das der Grund, warum er immer so erbittert von ihr sprach und darauf bestand, dass sie ihre Medizin nahm?

Sie blickte zu Christian und erkannte an seiner Miene, dass er ähnliche Gedankengänge verfolgte wie sie.

„Ah! “, sagte der Herzog. „Jetzt geht es mir schon viel besser! Danke, Jameson. Sie wissen eben, wie man einen Grog zubereitet!“

„Danke, Euer Gnaden. Ist das dann alles? Soll ich Lady Elizabeth davon in Kenntnis setzen, dass Sie sie jetzt sehen möchten?“

Ein weiteres Schlürfen war zu hören. „Nein, nein. Lassen Sie den beiden noch ein wenig Zeit zum Plaudern. Ich könnte mir vorstellen, dass sie jede Menge zu bereden haben.“

„Jawohl, Euer Gnaden. Bitte klingeln Sie, wenn Sie noch einen ,Tee‘ wünschen.“ Die gemessenen Schritte des Butlers entfernten sich, hinter ihm schloss sich leise die Tür.

Beths Schulter war an Christians Brust gedrückt, sie spürte seinen gleichmäßigen Herzschlag. Als sie den Kopf ein winziges Stück drehte, begegnete sie seinem Blick, der dunkler war als sonst.

Sie waren einander so nahe, beide verborgen an einem Ort, wo sie nicht gefunden werden konnten. In Sicherheit... und dann doch wieder nicht. Die Angst vor Entdeckung schien alle ihre Sinne zu schärfen. Beth zitterte, war sich der Hitze seines Oberschenkels überaus bewusst, der sich in ihren Rücken drückte.

In den Romanen, die sie so gerne las, fielen die Damen immer in Ohnmacht, wenn jemand sie küsste. In keinem dieser Bücher wurde erwähnt, wie wunderbar es war, von starken Armen umfangen zu werden. Wie warm sich eines Mannes raue Haut unter den Fingerspitzen anfühlen konnte. Welch starkes Begehren man empfinden konnte, wie erregend es war, auf dem Schoß eines Mannes zu sitzen und seine Reaktion zu spüren.

Die Heldinnen in ihren Romanen schienen ständig unter panischer Angst zu leiden, doch sie fürchtete sich nicht. Ihr Atem mochte schneller gehen, und ihr Körper war vor Erregung angespannt, aber Angst hatte sie nicht. Kein bisschen.

Eigentlich fühlte sie sich ziemlich ... behaglich. Als gehörte sie hierher. Erregt und gleichzeitig behaglich. Wieso hatte keine ihrer Geschichten diesen Aspekt je erwähnt? Dass man in den Armen eines Mannes sowohl Erregung als auch Behaglichkeit empfinden konnte?

Die Zeitung raschelte. „Verdammte Tories.“ Da dies von einem seligen „Ahh“ gefolgt wurde, als der Herzog einen weiteren Schluck Grog schlürfte, durfte man annehmen, dass Großvaters verhasste Tories sich in den letzten Tagen einigermaßen benommen hatten.

Wenn alles vorbei war, würde Beth ein, zwei Worte mit Jameson reden. Doch im Moment konnte sie ihre augenblickliche Lage genauso gut genießen. Es würde nicht mehr viele Gelegenheiten geben, wo sie Christian so nahe war. Weniger, als ihr lieb waren.

Sie hob die Finger und strich Christian über das Gesicht. Er bekam ihre Hand zu fassen und presste sie an die Lippen, warm und fest.

Wieder raschelte die Zeitung des Herzogs.

Christian sah Beth durch seine Wimpern hindurch an. „Soll ich dich loslassen?“, flüsterte er.

„Nein“, erwiderte sie.

Seine Lippen zuckten, und sie hatte das dringende Bedürfnis, ihn zu küssen.

Stattdessen lehnte sie den Kopf an seine Schulter, wobei sie in seiner Brusttasche eine Beule spürte. Ach ja, die Miniatur. Beth runzelte die Stirn. Warum sollte ihr Großvater eine Miniatur von Christians Mutter in seinem Schreibtisch liegen haben?

Mit dem Finger fuhr sie die Kontur des kleinen, kreisrunden Bildnisses nach. Es war aus Elfenbein gefertigt, ein zartes, reizendes Kunstwerk, das man nicht einfach so wegwerfen würde.

Ihr Blick begegnete Christians. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, beugte er sich zu ihr herunter und raunte: „Weil er ein schlechtes Gewissen hat.“

Beth konnte es immer noch nicht akzeptieren. Es musste eine Erklärung geben. Sie beugte sich vor und brachte die Lippen dicht an Christians Ohr. „Ich wünschte, Großvater hätte Tagebuch geführt. Dann wüssten wir sicher, was es zu bedeuten hat. “

Christian schüttelte den Kopf und wisperte zurück: „Dazu ist er viel zu intelligent.“

Beth nickte. Einen Augenblick schwiegen sie, fühlten sich einander sehr nahe. Beth versuchte tief einzuatmen, um seinen Duft zu inhalieren. Er war so dicht bei ihr, seine Hüfte ruhte an ihrer, sie lag in seinen Armen. Wenn sie sich nur ein winziges Stück vorbeugte, würde sie sich an seine Brust schmiegen und wieder seinen Herzschlag spüren.

Plötzlich hätte sie sich am liebsten zu ihm gebeugt. Hätte am liebsten ihre Hüften an den seinen gewärmt und seinen Herzschlag gespürt, gemeinsam mit ihrem eigenen. Wenn alles vorüber war, wenn sich herausgestellt hatte, dass Großvater unschuldig war, würde Christian gehen. Bei dem Gedanken wurde ihr ganz eng in der Brust.

Etwas von diesen Gefühlen musste sich irgendwie in ihrer Miene gezeigt haben, denn Christian nahm sie noch fester in den Arm. Beth legte den Kopf in den Nacken und sah ihn an.

Etwas flammte auf, schlug Funken. Langsam, ganz langsam, als befürchtete er, sie zu erschrecken, senkte er seinen Mund zu dem ihren herab.

Langsam stieg Hitze in ihr auf, als er ihr über die Unterlippe leckte, sie lockte mit der Verheißung von anderen faszinierenden Dingen.

Es war unglaublich sinnlich, sich in absoluter Stille zu küssen. Sie konnte nicht stöhnen, nichts sagen, durfte nicht einmal schneller atmen. Sie rang um Kontrolle, während sie gleichzeitig die Versuchung auskostete, sie zu verlieren.

Er strich ihr über den Arm und die Schulter und umfasste dann ihre Brust. Mit dem Daumen liebkoste er die Brustspitze, bis sie sich unter dem Hemd und dem Kleid aufrichtete und Beth ein tiefes Stöhnen kaum unterdrücken konnte. Ihre Schenkel spreizten sich, während sie sich näher an ihn drängte und sich in dem engen, dunklen Raum an ihn presste.

So war sie noch nie geküsst worden. Noch nie so sinnlich berührt und liebkost. Ihr Körper glühte vor Entzücken, und sie schmiegte sich weich und nachgiebig an ihn. Sie wollte ihn, sie begehrte ihn, sie liebte ihn.

Sie erstarrte. Sie liebte ihn. O Gott, wann war das geschehen? Und warum? Sie versuchte es sich zu erklären, doch im nächsten Moment ruhten Christians Hände auf ihren Brüsten, und sie vergaß alles, während sie sich ihm entgegendrängte. In ihrem Bauch flammte Hitze auf. Sie wollte ihn, wollte es. Und das Bewusstsein, dass sie ihn liebte, weckte in ihr irgendwie das Bedürfnis, sich nur noch enger an ihn zu pressen.

Sie strich ihm über die Schultern, über den Hals, über die Wangen, die eine Spur kratzig waren. Dann zog sie ihn zu sich herunter und gab ihm einen langen, sehnsuchtsvollen Kuss.

Seine Hände verkrampften sich, fast brutal hielt er sie fest.

Aus Großvaters Sessel ertönte lautes Schnarchen. Das Geräusch durchbrach den Zauber, der Christian und Beth umfangen hatte.

Christian warf einen ärgerlichen Blick in die Richtung, wo der herzogliche Sessel zu vermuten war. Hastig ergriff er Beths Hand. „Wir sollten uns davonschleichen, solange wir die Chance haben.“

„Jetzt? Aber ... “

„Komm mit“, flüsterte er, schob sich leise aus ihrem Versteck hervor und zog sie hinter sich her.

Sie kamen hinter dem Schreibtisch heraus und sahen den Duke tief und fest in seinem Sessel schlafen. Ein Sonnenstrahl brachte sein weißes Haar zum Leuchten, sodass es ihm fast wie ein Heiligenschein um den Kopf stand. Christian legte den Zeigefinger auf die Lippen und schlich mit Beth auf Zehenspitzen zur Tür. Leise öffnete er die Tür, und gemeinsam schlüpften sie beide hinaus.

Draußen sahen sie sich den Lakaien und Jameson gegenüber, die sie höchst erstaunt betrachteten.

O nein! Christian machte schon den Mund auf, doch Beth entzog ihm ihre Hand und trat rasch vor. Sie lächelte den Butler ruhig an und hoffte dabei, dass er nicht merkte, wie sehr sie außer Atem war. „Jameson?“

Er richtete sich sofort auf. „Jawohl, Mylady?“

„Ich habe meinen Großvater soeben schlafend im Sessel vorgefunden, eine leere Tasse in der Hand. Die Tasse roch nach Rum.“

Der Butler bekam rote Ohren. „Wirklich, Mylady? Wie ... Wie furchtbar.“

„Ich möchte, dass Sie herausfinden, wer dafür verantwortlich ist. So etwas kann ich nicht dulden!“

„J...jawohl, Mylady. Ich, ah, kümmere mich gleich darum.“ Beth wandte sich um und ging zum Salon. „Lord Westerville? Würden Sie mir bitte einen Augenblick Ihrer Zeit schenken, ehe Sie gehen?“

Christian folgte ihr, sehr amüsiert über ihre arrogante Haltung und immer noch voll brennendem Verlangen nach ihr. Sie hatte ihn beinahe wahnsinnig gemacht vor Begierde, und als er jetzt hinter ihr herging und sah, wie verführerisch sie sich in den Hüften wiegte, begann sich seine Männlichkeit heftig zu regen.

Er wollte diese Frau. Nicht nur einmal. Sondern immer und immer wieder. Doch das Gewicht der Miniatur in seiner Tasche sagte ihm, dass ihre gemeinsame Zeit begrenzt war. Wenn sie erst einmal die Wahrheit über ihren Großvater entdeckt hätte, würde sie ihn mit anderen Augen ansehen. Dies hier war ihre einzige Chance.

Sobald sie den Salon erreicht hatten, wusste er, dass er sie nehmen musste. Sie schloss die Tür und drehte sich zu ihm um, mit dem Rücken gegen das eichene Türblatt. Ihr Blick brannte vor Verlangen, und er zögerte keine Sekunde. Im nächsten Augenblick war er bei ihr, drückte sie gegen die Tür und gab ihr den Kuss, den er zurückhielt, seit sie die Bibliothek verlassen hatten. Gleichzeitig ließ er die Hände über ihre Hüften und ihren flachen Bauch wandern. Gott, sie fühlte sich so gut an. So richtig. Er konnte die Hände nicht mehr von ihr lassen.

Beth stöhnte, schlang ihm die Arme fest um den Hals und rieb die Hüften an seinen. Es war beinahe mehr, als er ertragen konnte. Er musste sie nehmen. Wenn dies ihr letzter gemeinsamer Tag war, ihre letzte Möglichkeit, von ihrer Leidenschaft zu kosten, ehe sie sich trennen mussten, war daran nichts zu ändern. Zumindest wäre das Erlebnis es wert, sich daran zu erinnern.

Er unterbrach den Kuss und sank vor ihr auf die Knie. Ihre Hände ruhten auf seinen Schultern, ihre Augen waren dunkel vor Leidenschaft und Neugier.

Endlich kniete er vor ihr, hob ihren Rock hoch und ließ die Hände über ihre seidenbestrumpften Beine gleiten.

„So wunderschön“, murmelte er, während er ihre Wade umfasste und dabei mit den Fingern ihre Kniekehle streifte.

Zitternde Erregung erfasste Beth.

Sie keuchte auf, als seine Hand weiter emporwanderte. Er schob ihr Kleid nach oben, bauschte es um ihre Schenkel, hob es noch weiter empor. Ein tief verwurzelter Sinn für Schicklichkeit versuchte sich Luft zu verschaffen und führte dazu, dass sie die zitternden Hände zu ihrem Rock ausstreckte. Sie kämpfte gegen das Bedürfnis, ihr Kleid wieder nach unten zu ziehen, sich vor der Leidenschaft zu verstecken. Der Leidenschaft, die er soeben zu neuem Feuer anfachte.

Er sah zu ihr auf. In seinen Augen schimmerte die Glut, das schwarze Haar hing ihm wirr in die Stirn. Er war so schön, und in diesem Augenblick gehörte er ihr. Nur für diesen Augenblick. Nur zu bald würden sie die Antworten finden, welche auch immer, und danach wäre er fort.

Die Kehle wurde ihr eng, und die Brust tat ihr weh. Ihre Finger schlossen sich um den Saum ihres Kleides ... und sie hob es höher, über die Schenkel zu den Hüften. Kühl drang die Luft durch ihre dünnen Beinkleider, worauf ihr ein Schauder nach dem anderen über die Haut jagte.

Beth warf den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Die Geste sprach für sich selbst.

Sie hörte ihn atmen, als er ihr die Hände auf die Hüften legte. Inzwischen lag sie fast auf der Tür, hatte den Rücken fest am Türblatt, die Beine leicht gespreizt. Das Kleid bauschte sich um ihre Hüften, während er vor ihr kniete.

Plötzlich spürte sie ihn durch das Beinkleid an ihrer geheimsten Stelle. Er küsste sie durch den dünnen Stoff.

„Christian!“, keuchte sie, doch ihre Hüften drängten sich ihm wie von selbst entgegen. Er fuhr fort, sie mit dem Mund, mit der Zunge warm zu liebkosen.

Sie wand sich, zerknüllte den Stoff ihres Musselinkleides mit den Händen, und ihr Atem ging stoßweise. Es fühlte sich so sinnlich an, so sündhaft gut.

Beth drängte vorwärts, legte die Hand auf sein weiches Haar, zog ihn noch näher zu sich. Immer noch näher.

Eine Welle der Leidenschaft brach über ihr zusammen, und sie keuchte. Ihre Hüften stießen nach vom, und Christian hielt sie fest, trieb sie schier in den Wahnsinn, liebkoste sie, bis das Gefühl anschwoll und sie schließlich überflutete.

Keuchend hielt sie inne, ihre Knie waren weich, und das Blut dröhnte in ihren Ohren vor Lust.

Er stand auf und nestelte seine Breeches auf. Ohne Warnung hob er sie hoch und schob noch einmal ihr Kleid nach oben. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatte er den Arm um sie gelegt und drückte sie gegen die Tür. Sie packte ihn an den breiten Schultern, schlang die Beine um ihn und zog ihn an sich.

Seine Männlichkeit drängte gegen sie, und sie nahm die Unterlippe zwischen die Zähne. Sie erschauerte ein wenig, weil er so hart war, eine Spur Unsicherheit stahl sich in das sinnliche Liebesspiel. Doch im nächsten Moment senkte sich sein Mund auf den ihren, und alle Gedanken waren ausgelöscht. Die Leidenschaft überwand ihre Ängste. Mit den Beinen umfasste sie ihn fester, und dann ließ sie sich ganz langsam auf ihn herab, Zoll für Zoll.

Christians Miene war angespannt, seine Hände krampften sich um ihre Taille. Noch nie hatte Beth so viele Dinge gleichzeitig gespürt. Sie glaubte, jeden Augenblick wahnsinnig zu werden von all dem Entzücken, das sie durchdrang.

Sie spürte einen leichten Druck, und auf einmal glitt er in sie hinein, so plötzlich, dass sie einen Schrei nicht unterdrücken konnte. Beth keuchte und warf den Kopf zurück, sie fuhr ihm über die Brust, über die Schultern, versuchte wie wild, ihn noch enger an sich zu ziehen.

Christians Atem wurde harscher, schwerer, seine Hände schlossen sich noch fester um ihre Taille, und dann hob er sie hoch.

Er stöhnte, als sie nach oben glitt. Er hielt sie dort einen Augenblick fest, und ihr Atem verschmolz. Verstohlen sah sie ihn an. Seine Miene zeigte eine Mischung aus Schmerz und Leidenschaft, und seine Stirn war gerunzelt.

Irgendein urzeitlicher Instinkt sagte ihr, dass sie nun die Beine anspannen sollte, und so glitt sie wieder auf ihn herab, umfasste ihn, bis er die Augen schloss, als litte er Schmerzen, und ihren Namen stöhnte.

Der Anblick erfüllte sie mit Macht. Sie weckte diese Gefühle in ihm, sie brachte ihn dazu, hungrig zu keuchen, sie zu begehren und niemanden sonst.

Gemeinsam begannen sie sich zu bewegen. Mit jedem Stoß wurden die Bewegungen fließender, mächtiger. In Beths Bauch und weiter unten ballte sich die Hitze.

Vage nahm sie auch die kleinsten Details wahr, das kalte Holz im Rücken, den festen Druck seiner Hände an ihrer Taille, seine bloße Haut an der Innenseite ihrer Schenkel.

Die Hitze entwickelte sich zur Flamme. Beth keuchte auf, als er sie immer wieder hochhob, sie mit jeder Bewegung erfüllte und dann wieder verließ. Ihre Schenkel wurden feucht, ihr Atem kam stoßweise. Es war, als hätte man ein heißes Stück Kohle in sie gelegt und sie könnte von dieser Hitze gar nicht genug bekommen, so sehr sie sich auch daran schmiegte.

Jeder neue Stoß brachte sie näher an diese Hitze heran, bis sie vor Begehren ganz verrückt wurde. Jeder neuerliche Rückzug trug sie an den Rand des Wahnsinns und darüber hinaus.

Plötzlich verkrampfte sie sich um ihn. Sie rief seinen Namen, spannte die Schenkel an und drückte den Rücken durch, als die Wellen der Erlösung sie überliefen.

Christian gab sie nicht frei, hörte auch nicht auf mit seinen Bewegungen. Während sich ihr Herz allmählich wieder beruhigte, hörte sie, wie sein Atem schwerer ging, wie seine innere Spannung wuchs.

„Gefällt es dir?“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Ihr Herz begann wieder zu rasen.

„Mein Gott, Beth“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Seine Haut war feucht, sein Herz pochte so heftig, dass es beinahe zu hören war. „Tu das ... noch mal.“

Sie zog sich an seinen Schultern ein Stück hoch und glitt dann wieder nach unten, an seiner Männlichkeit entlang.

Irgendein Kobold musste sie geritten haben. Sie ließ sich von Christian noch einmal hochheben, doch im nächsten Moment presste sie die Beine zusammen und warf sich auf ihn, so hart sie konnte.

Diesmal tat Christian mehr als nur keuchen. Er stieß einen Schrei aus und presste sie an sich. Sie spürte, wie er sich in ihr aufbäumte und sich zuckend in ihr verströmte.

Zitternd und eng aneinandergedrückt, blieben sie stehen, wo sie waren. Nur langsam beruhigte sich sein Atem wieder. Christian beugte sich vor und drückte sie ein letztes Mal mit dem Rücken gegen die Tür. Er hielt sie immer noch mit beiden Händen fest, aber nun lag seine Stirn an der ihren, und sie spürte seinen Herzschlag.

Lange Zeit schmiegten sie sich so aneinander, zu erschöpft, um sich zu bewegen. Christian hatte die Ellbogen an der Tür aufgestützt, sein Kopf war Beth zugeneigt, und dort, wo sie sich berührten, war seine Haut feucht.

Widerstrebend löste sie die Knöchel, die sie an seiner Taille verhakt hatte, und ließ die Beine zu Boden gleiten. Sie wären unter ihr eingeknickt, wenn er sie nicht festgehalten hätte. Leise lachend fing er sie auf.

Er drückte sie an sich, küsste sie auf den Hals, die Wangen, das Haar, während er sie zum Sofa hinübertrug. Dort setzte er sich und ließ sie auf seinen Schoß gleiten, wobei er mit der einen Hand ihre Röcke ordnete und sie mit der anderen festhielt.

Christian drückte einen Kuss auf ihre Stirn. Etwas Schöneres hatte er noch nicht gesehen. Ihr Gesicht war ihm zugewandt, und sie hatte die Augen geschlossen, so dass ihre Wimpern seidige Halbkreise bildeten.

Ihr Teint war erhitzt vor Leidenschaft, und ein dünner Schweißfilm lag auf ihrer Haut. Er beugte sich vor und streifte ihre Wange mit den Lippen, wobei er den leichten Salzgeschmack begrüßte.

Sie war so sinnlich, so lebendig. Sie roch nach Leben und nach Lust, nach Gelächter und Verheißung. Er seufzte tief und strich ihr über das seidige Haar.

Beth schlug die Augen auf und lächelte. Es war ein träges Lächeln, das Lächeln einer Frau, die ganz und gar befriedigt worden war. Sie schlang ihm die Arme fester um den Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke“, flüsterte sie. „Diese Erinnerung wird mir bleiben, wenn wir miteinander fertig sind.“

Das Herz erstarrte ihm in der Brust. Wenn wir miteinander fertig sind. Die Worte rissen ihn mit einem schmerzhaften Ruck zurück in die Realität.

Er wurde sich des Gewichts der Miniatur bewusst, die immer noch schwer und kalt in seiner Tasche lag. Fröstelnd schloss er die Augen. Eigentlich sollte er nun darum bitten, den Herzog zu sehen. Jetzt, wo Christian das Porträt hatte, war er bereit, dem Feind entgegenzutreten. Auch wenn es nicht das Collier war, hatte es doch einen sehr wichtigen Zweck erfüllt - es hatte Beth davon überzeugt, dass an seinem Verdacht etwas dran war. Der Duke mochte ihn anlügen, aber es würde Massingale sicher schwerfallen, seiner geliebten Enkelin etwas vorzumachen.

Christian rieb die Wange an Beths Haar. Still saßen sie da und hielten sich fest, als hätten sie Angst loszulassen. Die Wahrheit war: Er hatte tatsächlich Angst. Er mochte Beth gern, und die Vorstellung, sie zu verlieren, wieder allein zu sein - er barg das Gesicht an ihrer Halsgrube und schloss die Augen. Seine Gefühle drohten ihn beinahe zu überwältigen.

Er wollte sie noch nicht verlieren. Morgen würden sie der Wahrheit ins Gesicht sehen. Wenn er nicht mehr so durcheinander vor Leidenschaft war, würde er das tun können, was zu tun er sich schon so lange geschworen hatte.

Morgen würde er wiederkommen und gemeinsam mit Beth mit dem Herzog sprechen. Bewaffnet mit der Miniatur, würde er den alten Mann dazu zwingen, die Wahrheit zu sagen. Und dann ... Christian drückte Beth einen Kuss auf die Stirn und zog sie noch enger an sich. Fürs Erste wollte - nein, konnte -er nicht über diesen Augenblick hinausdenken.

Wieso war das alles so kompliziert geworden? Ihm war so elend wie nie zuvor. Wieso?

Doch im Grunde seines Herzens wusste er die Wahrheit. Irgendwie war es Beth gelungen, an den Mauern vorbeizuschlüpfen, die er so sorgfältig rings um sein Herz errichtet hatte.

Zum Teufel mit Reeves, dass er schon wieder recht behielt.