FSC

Mix

Produktgruppe aus vorbildlich

bewirtschafteten Wäldern und

anderen kontrol ierten Herkünften

Zert.-Nr.SGS-COt-1940

www.fsc.org

© 1996 forest Stewardship Council

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100

Das für dieses Buch verwendete FSC-zertifizierte Papier Super Snowbright liefert Hel efoss AS, Hokksund,

Norwegen.

5. Auflage

Deutsche Erstausgabe 12/2007

Redaktion: Charlotte Lungstrass

Copyright © 2005 by Kim Harrison

Copyright © 2007 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Printed in Germany 2009

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: Leingärtner, Nabburg

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN: 978-3-453-43304-5

http://www.heyne.de

Für den Mann, der weiß, dass zuerst das Koffein kommt, dann die Schokolade und danach die Romantik -und wann es angebracht ist, die Reihenfolge zu ändern.

1

Ich zog den Leinengurt des Wasserkanisters höher auf die Schulter und streckte mich, damit ich die Wasserdüse in den Topf der Hängepflanze halten konnte. Die Wärme des hereinströmenden Sonnenlichts drang durch meinen blauen Arbeitsanzug. Hinter den schmalen Flachglasfenstern lag der Innenhof, umgeben von den VIP-Büros. Ich blinzelte in die Sonne, drückte den Sprühknopf, aber nur einige Tröpfchen quälten sich durch das Scheißding.

Das laute Klappern der Computertastaturen drang in meine Ohren, als ich zum nächsten Grünzeug ging. Aus dem Büro hinter der Rezeption waren Telefongespräche zu hören, begleitet von einem bauchigen Lachen, das an das Kläffen eines Hundes erinnerte. Tiermenschen! Je höher sie in der Rangordnung standen, desto menschlicher sahen sie aus, aber dieses Lachen verriet sie immer.

Ich blickte die Reihe der Hängepflanzen vor dem Fenster entlang. Hinter dem Empfang befand sich ein frei stehendes Aquarium. Jepp! Cremefarbene Flossen. Ein schwarzer Punkt auf der rechten Seite. Das musste er sein. Mr. Ray züchtete Koi, die er auf der jährlichen Fischausstel ung in Cincinnati präsentierte. Der Gewinner des letzten Jahres wurde immer in seinem Vorzimmer ausgestel t, aber nun schwammen da zwei Fische, und das Maskottchen der Howlers war verschwunden. Mr. Ray war ein Anhänger der Dens, eines Rivalen des Inderlander Basebal teams. Zählte man eins und eins zusammen, ergab das einen gestohlenen Fisch.

»So, so«, meinte die freundliche Frau hinter dem Tresen, als sie aufstand, um einen Stapel Papier in den Drucker einzulegen. »Mark hat Urlaub? Er hat mir gar nichts davon gesagt.«

Ich nickte, sah die Sekretärin in ihrem beigen Geschäftsanzug aber nicht an, während ich mein Equipment einen Meter weiter zerrte. Mark machte nur einen Kurzurlaub. Er lag im Treppenhaus des Gebäudes, in dem er vorher gearbeitet hatte, durch einen temporären Schlafzauber außer Gefecht gesetzt.

»Ja, Madam«, antwortete ich mit lauter Stimme und einem leichten Lispeln. »Er hat mir erklärt, welche Pflanzen bewässert werden müssen.« Bevor sie näher hinschauen konnte, drückte ich meine rot lackierten Fingernägel in die Handinnenflächen. Die passten wirklich nicht zum Erscheinungsbild einer Gärtnerin. Ich hätte vorher daran denken sol en. »Zuerst kommen die Pflanzen auf dieser Etage dran, und danach der Baumgarten auf dem Dach.«

Die Frau lächelte und entblößte dabei ihre leicht überlangen Zähne. Sie war ein Werwolf und stand anscheinend weit oben in der Hackordnung des Büros.

Mr. Ray würde wohl auch keinen dahergelaufenen Straßenköter einstel en, wenn er sich so ein schnuckeliges Ding leisten konnte. Ihr leichter Moschusgeruch war gar nicht mal unangenehm.

»Hat Mark Ihnen von dem Arbeitsaufzug auf der Rückseite des Gebäudes erzählt?«, fragte sie hilfsbereit. »Das ist viel bequemer, als diese Karre die Treppen hinaufzu-schleppen.«

»Nein, Madam.« Ich zog die hässliche Kappe mit dem Gärtnerlogo tiefer ins Gesicht. »Ich glaube, er wil mir das Leben richtig schwer machen, damit ich nicht versuche, ihm ins Gehege zu kommen.« Mit steigender Pulsfrequenz schob ich Marks Arbeitswagen weiter die Pflanzenreihe entlang. Auf ihm befanden sich Gartenscheren, Düngestäbchen und das Bewässerungsequipment. Natürlich kannte ich den Aufzug, ebenso wie die Lage der sechs Notausgänge, der Feuermelder und das Donut-Depot.

»Männer«, seufzte sie, rol te mit den Augen, und setzte sich wieder vor den Bildschirm. »Haben die denn immer noch nicht kapiert, dass wir die Welt regieren könnten, wenn wir es nur wol ten?«

Ich nickte zustimmend und bespritzte die nächste Pflanze mit ein wenig Wasser. Irgendwie regierten wir doch sowieso schon die Welt. Über dem Geräusch des Druckers und des entfernten Bürogeschnatters erklang ein durchdringendes Summen. Es war Jenks, mein Partner, und er hatte offensichtlich eine ziemlich miese Laune, als er aus dem Büro des Chefs geflogen kam. Seine libel enähnlichen Flügel waren rot vor Wut, und das Licht der Sonne erleuchtete den von ihnen herabfal enden Pixiestaub. »Ich bin mit den Pflanzen da fertig«, moserte er lauthals und landete auf dem Rand des Hängetopfes vor mir. Die Hände in die Hüften gestemmt, sah er in dem blauen Overal aus wie ein erwachsener Peter Pan, der es bis zum Mül mann gebracht hatte. Seine Frau hatte ihm sogar eine passende Mütze genäht. »Die brauchen nur Wasser. Kann ich dir hier irgendwie helfen oder kann ich zurück in den Truck und schlafen?« Er klang ätzend und genervt.

Ich nahm den Wasserkanister vom Wagen und stel te Ihn auf den Boden, um den Deckel abzuschrauben. »Ich brauchte ein Düngestäbchen.« Was hatte der denn für ein Problem?

Grummelnd flog Jenks zum Wagen und begann darin herumzuwühlen. Grüne Verschlussstreifen, Rankhölzer und gebrauchte ph-Teststreifen flogen durch die Gegend. »Hab eins«, meinte er und zog ein weißes Stäbchen hervor, das so groß war wie sein Kopf. Er warf es in den Kanister, wo es sich mit einem Zischen auflöste. Es war al erdings kein Düngestäbchen, sondern ein Sauerstoffpel et, das auch gegen Algen wirkte. Wozu einen Fisch stehlen, wenn er beim Transport krepiert?

»Oh mein Gott, Rachel«, flüsterte Jenks, als er auf meiner Schulter landete. »Das ist Polyester. Ich trage Polyester!«

Ich entspannte mich. Daher kam also die schlechte Laune.

»Al es wird wieder gut.«

»Ich hab Ausschlag!«, rief er und kratzte sich wie ein Besessener unter seinem Kragen. »Ich kann keinen Polyester tragen! Pixies reagieren al ergisch auf Polyester. Schau mal, siehst du das?« Jenks neigte den Kopf nach vorne, sodass die blonden Haare seinen Nacken freigaben, aber er war viel zu nahe vor meinen Augen, als dass ich ihn klar hätte erkennen können. »Überal Striemen. Und es stinkt. Ich kann das Öl riechen. Ich trage tote Dinosaurier. Ich kann doch kein totes Tier tragen! Das ist barbarisch, Rachel«, flehte er.

»Jenks?« Ich schraubte den Verschluss provisorisch auf den Kanister und warf ihn mir über die Schulter, während ich Jenks wegschob. »Ich trage die gleichen Klamotten. Das musst du abkönnen.«

»Aber es stinkt!«

Ich verdrehte genervt die Augen und stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen ein »Mach mal halblang«

hervor.

Während er rückwärts abschwirrte, zeigte der Kerl mir doch glatt beide Mittelfinger! Ich klopfte die Gesäßtasche meines schäbigen Overal s ab und fand die Gartenschere.

Miss »Büroprofi« tippte gerade einen Brief, und so stel te ich die kleine Stehleiter auf, kletterte hinauf und begann die Hängepflanzen hinter ihrem Schreibtisch zu beschneiden.

Jenks hatte sich wieder eingekriegt und half mir dabei. Nach wenigen Momenten fragte ich ihn flüsternd: »Hast du al es vorbereitet?«

Die Augen auf die offene Tür von Mr. Rays Büro gerichtet, nickte er. »Wenn er das nächste Mal die Mails checkt, wird das ganze Internetsicherheitssystem verrückt spielen. Seine Sekretärin wird fünf Minuten brauchen, um es zu reparieren, wenn sie sich auskennt, vier Stunden, wenn sie keinen blassen Schimmer davon hat.«

»Ich brauche nur fünf Minuten.« Durch die hereinströmende Sonne begann ich zu schwitzen. Hier drin roch es wie in einem Garten - einem Garten, in dem ein nasser Hund auf den kühlen Fliesen liegt.

Mein Herz schlug schnel er, und ich schob die kleine Leiter eine Pflanze weiter. Ich stand nun hinter dem Schreibtisch und konnte die Anspannung der Frau spüren. Sie musste wohl oder übel damit klarkommen, dass ich in ihr Revier eingedrungen war. Immerhin war ich die Wassertussi. Ich arbeitete weiter und hoffte, dass sie meine Nervosität auf die Nähe zu ihr zurückführen würde. Meine Hand lag auf der Verschlusskappe des Kanisters. Nur eine Drehung, und sie wäre ab.

»Vanessa!« Aus dem Büro schal te eine wütende Stimme.

»Los jetzt«, drängte Jenks und flog hoch an die Decke zu den Überwachungskameras.

Ich drehte mich um und sah den verärgerten Mann, offensichtlich ein Werwolf, erkennbar an der schmalen Figur und der Körpergröße. Er stand in der Tür zu seinem Büro. »Es ist schon wieder passiert.« Mit gerötetem Kopf kral te er sich an der Türzarge fest. »Ich hasse diese Technik. Was ist so schlecht an gutem, altem Papier. Ich mag es.«

Auf dem Gesicht der Sekretärin erschien ein professionel es Lächeln. »Mr. Ray, Sie haben ihn schon wieder angeschrien, nicht wahr? Ich habe Ihnen doch erklärt, dass Computer wie Frauen sind. Wenn Sie sie anschreien oder zu viel auf einmal verlangen, machen sie dicht und tun gar nichts mehr.«

Er knurrte irgendeine Antwort und verschwand in seinem Büro. Entweder ignorierte er die indirekte Warnung seiner Sekretärin, oder er hatte sie überhaupt nicht bemerkt. Mein Herz schlug bis zum Hals, als ich das kleine Treppchen direkt hinter das Aquarium stel te.

Vanessa seufzte. »Gott steh ihm bei«, murmelte sie beim Aufstehen. »Wenn er weiter solche Sprüche bringt, wird ihm irgendwann mal jemand gehörig die Eier zerquetschen.« Sie warf mir einen aufgebrachten Blick zu und verschwand dann mit klappernden Absätzen in dem Büro. »Rühren Sie bloß nichts an«, rief sie. »Ich komme ja schon.«

Ich holte tief Luft. »Kameras?«

Jenks schnel te von der Decke herab.

»Zehnminutenschleife. Leg los.«

Er flog zur Haupttür, setzte sich auf die obere Türleiste und beobachtete kopfüber den gesamten Eingangsbereich. Seine Flügel bewegten sich so schnel , dass sie vor meinen Augen verschwammen, als er mir das Okayzeichen gab.

Mein ganzer Körper war angespannt wie ein Stahlseil. Ich öffnete den Deckel des Aquariums und zog das grüne Fischnetz aus der Innentasche meines Overal s. Auf der obersten Stufe der Leiter balancierend, krempelte ich die Ärmel bis zum El bogen hoch und tauchte den Käscher ins Wasser. Beide Fische flitzen sofort in den hinteren Teil des Beckens.

»Rachel, die hat was drauf. Sie ist schon halb durch.«

»Pass einfach nur auf die Tür auf«, zischte ich. Wie lange kann es schon dauern, einen Fisch zu fangen? Ich drückte einen Stein nach vorne, um das dahinter versteckte Tier zu fangen. Beide Fische schossen zur Vorderseite des Aquariums.

Plötzlich klingelte mit einem weichen Summen das Telefon. »Jenks, gehst du mal ran?« Behutsam trieb ich beide Fische mit dem Käscher in eine Ecke. »So, jetzt hab ich dich. .«

Jenks sauste von der Tür zum Telefon und landete mit den Füßen auf dem blinkenden Annahmeknopf. »Mr. Rays Büro, bitte warten Sie einen Augenblick«, fiepte er in einem hohen Falsett.

»Du hinterhältiges Schuppenvieh«, fluchte ich, als sich der zappelnde Fisch aus dem Netz befreite. »Na, komm schon.

Ich versuche doch nur, dich nach Hause zu bringen, du schleimiges, schuppiges Ding«, säuselte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Ja. . fast. . komm schon.« Er steckte jetzt zwischen dem Netz und dem Glas. Wenn er doch nur stil halten würde. .

»Hey!«

Das Adrenalin schoss mir in den Kopf. Im Durchgang zu den vorderen Büros stand ein kleiner Mann mit gepflegtem Bart, der einige Akten unter dem Arm trug. »Was machen Sie denn da?«, fragte er streitlustig.

Ich blickte auf meinen Arm im Aquarium. Der Käscher war leer. Der Fisch hatte sich befreit. »Ähh, mir ist die Schere da reingefal en?« Es klang nicht sonderlich überzeugend.

Aus Mr. Rays Büro kam ein Aufstampfen, dann ein Stoßseufzer von Vanessa. »Mr. Ray!«

Verflucht. Das klappte wohl doch nicht auf die leichte Tour.

»Plan B, Jenks.« Ächzend schnappte ich mir die Abdeckung des Aquariums und zog daran.

Als das Becken kippte und sich über hundert Liter ekliges Fischwasser über ihren Schreibtisch ergossen, hörte ich Vanessa schreien.

Plötzlich stand sie mit Mr. Ray in der Tür. Von der Tail e bis zu den Füßen durchnässt torkelte ich von der Leiter.

Geschockt standen sie al e wie angegossen da. Ich suchte den Boden nach den Fischen ab. »Da seid ihr ja.« Mit einem Aufschrei versuchte ich mir den richtigen der beiden zu greifen.

»Sie wil den Koi«, schrie der kleine Mann, während noch mehr Leute aus dem Flur hereinkamen. »Schnappt sie euch!«

»Lauf!«, kreischte Jenks. »Ich halte sie dir vom Leib.«

Triefend watschelte ich hinter dem Fisch her und versuchte ihn zu fassen, ohne ihn zu verletzen. Der Koi rutschte zuckend über den Boden. Endlich bekam ich ihn zwischen die Finger, ließ ihn in den Kanister fal en und drehte den Verschluss fest zu.

Jenks flitzte währenddessen wie ein Leuchtkäfer aus der Höl e zwischen den Tiermenschen hin und her, fuchtelte dabei mit Bleistiften herum und donnerte sie ihnen wie ein Speerwerfer in die empfindlichsten Körperpartien. Ein gerade mal zehn Zentimeter großer Pixie hielt drei Tiermenschen in Schach. Nicht, dass mich das überrascht hätte. Mr. Ray stand nur fassungslos da, bis er bemerkte, dass ich einen seiner Fische hatte. »Was, zum Teufel, machen Sie mit meinem Koi?« Sein Gesicht lief vor Wut knal rot an. »Ich gehe mal mit ihm spazieren.«

Er kam auf mich zu und versuchte, mich mit seinen klobigen Händen festzuhalten. Höflich streckte ich ihm meine Hand entgegen und riss ihn vorwärts, direkt in mein Knie. Er stolperte zurück und drückte sich beide Hände in die Magengrube.

»Hör auf, mit den Hunden zu spielen!«, schrie ich in Jenks'

Richtung und suchte verzweifelt nach einem Fluchtweg. »Wir müssen verschwinden.«

Ich hob Vanessas Monitor hoch und warf ihn in das Flachglasfenster. Das wol te ich schon lange mal machen, al erdings mit Ivys Bildschirm! Er krachte mit einem wohltuenden Geräusch durch das Glas und schlug auf dem Rasen auf, ein merkwürdiger Anblick. Wütende Tiermenschen strömten in den Raum und sonderten ihren starken Moschusgeruch ab. Ich schnappte mir den Kanister und hechtete durch das Fenster.

»Los, hinterher«, schrie jemand.

Meine Schulter knal te auf den gepflegten Rasen, und ich rol te mich ab. »Komm hoch«, hörte ich Jenks direkt an meinem Ohr. »Da entlang.«

Er flitzte durch den kleinen Innenhof. Ich folgte ihm, wobei ich mir den schweren Kanister auf den Rücken schnal te, um beide Hände frei zu haben. Dann zog ich mich an dem Rosengitter an der Mauer hoch, ohne auf die Dornen zu achten, die meine Haut durchdrangen.

Keuchend kam ich oben an. Das Rascheln der Zweige verriet mir, dass sie mir auf den Fersen waren. Ich zog mich über die Brüstung des mit Teer und Kieselsteinen bedeckten Flachdachs und sprintete los. Hier oben wehte ein heißer Wind, und ich warf einen kurzen Blick auf die Skyline von Cincinnati.

»Spring«, brül te Jenks, als ich am Rand angekommen war.

Ich vertraute ihm und sprang mit wirbelnden Armen und Beinen von der Dachkante.

Adrenalin schoss durch meinen Körper, und ich hielt die L,uft an. Es war ein Parkplatz. Er hatte mich vom Dach auf einen Parkplatz springen lassen!

»Ich hab keine Flügel, du Idiot.« Zähneknirschend zog ich die Knie an. Als ich am Boden aufschlug, kam der Schmerz wie eine Explosion. Ich fiel nach vorne und riss mir die Handinnenflächen auf. Der Schultergurt riss, und der Kanister schlug klappernd auf den Asphalt. Ich rol te zur Seite, um den Sturz abzufangen.

Der metal ene Kanister rol te in die entgegengesetzte Richtung. Noch immer keuchend vor Schmerz stolperte ich hinterher. Beinahe hätte ich ihn erwischt, doch dann rol te er unter einen Wagen. Mit einem Fluch legte ich mich flach auf den Bauch und versuchte das Ding mit einem Arm zu erreichen.

»Da ist sie!«

Ich hörte ein Pling von dem Auto über mir, dann noch eins. Im Asphalt klaffte plötzlich ein Loch, und ich konnte den stechenden Schmerz von Splittern in meinem Arm spüren. Schossen die etwa auf mich?

Mit einem Stöhnen schlängelte ich mich unter dem Auto hervor und zog den Kanister hinter mir her. Den Fisch wie einen Schutzschild vor die Brust gedrückt, ging ich langsam rückwärts. »Hey«, rief ich und zog mir eine Strähne aus dem Gesicht. »Was zur Höl e macht ihr da? Es ist nur ein Fisch! Er gehört euch doch nicht einmal!«

Das Tiermenschentrio glotzte vom Dach herab. Einer von ihnen legte seine Waffe auf mich an.

Blitzschnel drehte ich mich um und rannte los. Und das al es für fünfhundert Dol ar? Für fünftausend viel eicht! Ich lief hinter Jenks her und schwor mir, mich das nächste Mal über die Einzelheiten zu informieren, bevor ich das Standardhonorar veranschlagte.

»Hier lang«, brül te Jenks. Teile des Asphalts platzten ab und trafen mich, begleitet vom Echo der Schüsse. Der Platz war nicht abgesperrt, und so rannte ich mit vor Adrenalin zitternden Muskeln über die Straße, um mich möglichst unauffäl ig in den Strom der Fußgänger einzureihen. Mit klopfendem Herzen hielt ich kurz an und entdeckte ihre Silhouetten, die sich vor dem weiten Himmel abzeichneten.

Sie waren nicht gesprungen. Sie mussten sich auch nicht beeilen, denn am Gitter klebte noch überal mein Blut.

Trotzdem glaubte ich nicht, dass sie mich verfolgen würden.

Der Fisch gehörte nicht ihnen, sondern den Howlers. Das Basebal team würde mich bezahlen, und damit hätte ich das Geld für die Miete.

Ich versuchte meine Atmung zu verlangsamen und mich der Geschwindigkeit der Fußgänger anzupassen. Die Sonne brannte vom Himmel, und ich schwitzte in dem verdammten Polyestersack. Wahrscheinlich hielt mir Jenks den Rücken frei, also bog ich in eine Gasse ein, um mich umzuziehen. Ich stel te den Kanister ab, ließ den Kopf nach hinten fal en und lehnte mich an die kühlende Wand des Gebäudes. Ich hatte es geschafft. Die Miete war wieder für einen Monat gesichert.

Mit einer Hand riss ich mir den Tarnzauber vom Hals und fühlte mich augenblicklich besser. Das Trugbild einer dunkelhäutigen Frau mit dicker Nase und braunen Haaren verschwand und enthül te mein krauses, schulterlanges rotes Haar und meinen blassen Teint. Ich begutachtete meine zerschundenen Hände und rieb sie behutsam aneinander.

Viel eicht hätte ich einen Schmerzzauber einpacken sol en.

Nein, es war besser, so wenige Zauber wie möglich mit mir rumzutragen. Hätten sie mich gefangen, wäre ich nur wegen

»versuchten Diebstahls« dran gewesen, und nicht wegen

»versuchten Diebstahls und des Vorsatzes der Körperverletzung«. Vor einer Anschuldigung hätte ich mich drücken können, aber zwei wären zu viel gewesen. Ich war ein Runner - ich kannte das Gesetz.

Während die Leute am Eingang der Gasse vorbeigingen, zog ich den feuchten Overal aus und stopfte ihn in einen Mül container. Erleichtert bückte ich mich, um den Saum meiner Lederhose über meine schwarzen Stiefeletten zu rol en. Wieder in der Vertikalen, betrachtete ich die neuen Kratzspuren an meiner Hose und drehte mich dabei, um das Ausmaß des Schadens zu begutachten. Ivys Lederpolitur würde die feinen Risse ein wenig ausbessern, aber eins war klar - Leder und Asphalt harmonierten nicht miteinander.

Aber besser Kratzer an der Hose als Kratzer an mir. Darum trug ich sie ja schließlich.

Selbst hier im Schatten strich die Septemberluft wohltuend über meine Haut, während ich mein schwarzes Top in die Hose steckte und dann nach dem Kanister griff. Wieder ganz ich selbst, trat ich in die Sonne hinaus und setzte einem vorbeigehenden Jungen meine Kappe auf. Er sah sie sich an, lächelte, und winkte mir schüchtern zu, als seine Mutter sich runterbeugte und fragte, wo er das herhatte. Zufrieden mit der Welt und mir spazierte ich mit klappernden Absätzen den Fußgängerweg entlang und schüttelte meine Haare aus.

Schließlich schlug ich die Richtung zum Fountain Square ein, wo meine Mitfahrgelegenheit auf mich warten sol te. Heute Morgen hatte ich dort meine Sonnenbril e versteckt und mit etwas Glück war sie noch da. Bei Gott, ich liebte meine Unabhängigkeit.

Es war jetzt fast drei Monate her, dass ich wegen der Scheißaufträge meines alten Bosses bei der Inderland Security ausgerastet war. Ich hatte mich benutzt gefühlt, meine Arbeit war nicht gewürdigt worden. Also hatte ich das ungeschriebene Gesetz gebrochen, den Dienst bei der I. S.

quittiert und meine eigene Agentur gegründet. Damals schien das eine gute Idee zu sein. Da ich nicht in der Lage gewesen war, mich aus meinem Vertrag freizukaufen, hatten sie mich auf die Abschussliste gesetzt. Die folgenden Attentate hatten mir endgültig die Augen geöffnet. Ohne Jenks und Ivy hätte ich das nie geschafft.

Inzwischen machte ich mir langsam aber sicher einen Namen, aber merkwürdigerweise wurde meine Finanzlage nicht besser, sondern schlechter. Na klar, ich konnte aus meinem Uniabschluss einigen Nutzen ziehen und Zauber brauen, die ich früher hatte kaufen müssen und sogar einige zubereiten, die mein Budget überschritten hätten. Aber die Finanzen waren ein ständiges Problem. Es war nicht so, dass ich keine Jobs an Land ziehen konnte, es war eher so, dass die Kohle irgendwie nie lange in der Keksdose auf dem Kühlschrank blieb.

Ich hatte nachgewiesen, dass ein Fuchsmensch von einem rivalisierenden Clan mit einem Fluch belegt worden war. Mit dem Lohn musste meine Hexenlizenz erneuert werden, etwas, das früher immer die I. S. bezahlt hatte. Dann war da noch der Job für den Hexer. Ihm war sein Schutzgeist abhanden gekommen, und ich musste ihn ausfindig machen.

Das Geld ging für den monatlichen Beitrag meiner Krankenversicherung drauf. Ich hatte nie gewusst, dass es so teuer war, einen Runner zu versichern. Die I. S. hatte mir damals die Karte gegeben, und ich hatte sie ganz selbstverständlich benutzt. Dann musste ich noch einen Typen bezahlen, der die tödlichen Sprüche bannte, die immer noch an meinen eingelagerten Sachen hafteten, Ivy einen seidenen Morgenmantel kaufen, da ich ihren ruiniert hatte, und mir selbst einige nette Outfits zulegen. Ich hatte ja jetzt einen Ruf zu verlieren.

Aber wahrscheinlich waren die ständigen Taxifahrten für das dauerhafte Finanzloch verantwortlich. Die meisten Busfahrer Cincinnatis kannten mich vom Sehen und nahmen mich nicht mit, darum musste Ivy mich immer abholen.

Verdammt unfair. Es war jetzt schon fast ein Jahr her, dass ich bei dem Versuch einen Werwolf festzunageln die Passagiere eines vol besetzten Busses enthaart hatte.

Ich hatte es satt, ständig pleite zu sein, aber mit dem Geld für die Beschaffung des Howlers-Maskottchens würde ich einen weiteren Monat überstehen. Vor den Tiermenschen war ich sicher. Der Fisch gehörte ihnen nicht, und wenn sie bei der I. S. eine Beschwerde einreichen wol ten, müssten sie ja erst mal erklären, woher sie ihn hatten.

»Hey, Rachel«, meinte Jenks, als er von irgendwo und nirgendwo hergeflogen kam. »Keine Verfolger. Und wie lautet nun Plan B?«

Ich zog meine Augenbrauen hoch und sah ihn missbil igend an. Er flog in Schrittgeschwindigkeit genau neben mir her. »Pack dir den Fisch und renn, als ob der Teufel hinter dir her wäre.«

Jenks prustete los und landete auf meiner Schulter. Er hatte die Uniform entsorgt und sah in dem langärmligen, jägergrünen Seidenhemd und den dazu passenden Hosen wieder ganz normal aus. Um seine Stirn hatte er ein rotes Tuch gebunden. Damit signalisierte er al en Pixies und Fairys, deren Territorium wir kreuzten, dass er in friedlicher Absicht kam. Das Licht blitzte von den Stel en seiner Flügel, wo noch Reste des durch die Aufregung entstandenen Pixiestaubs klebten.

Ich verlangsamte meinen Schritt, als wir den Fountain Square erreichten. Unbesorgt setzte ich mich auf die trockene Seite des Springbrunnens und suchte mit meinen Fingern unter der Mauer nach der Sonnenbril e. Sie würde bald kommen. Die Frau war süchtig nach geordneten Tagesplänen.

Während sich Jenks im wässrigen Nebel des Brunnens duschte, um den »Dinosauriergestank« loszuwerden, klappte ich die Bügel der Bril e auseinander und schob sie mir auf die Nase. Es war eine Erleichterung für die Augen, als dadurch das grel e Licht des Septembernachmittags gemildert wurde.

Meine langen Beine ausstreckend, nahm ich beiläufig das Geruchsamulett ab und warf es in den Brunnen.

Tiermenschen folgten Geruchsspuren. Sol ten sie hinter mir her sein, würde die Fährte hier enden, sobald ich in Ivys Auto eingestiegen und weggefahren war.

In der Hoffnung, dass niemand mich bemerkt hatte, ließ ich meinen Blick über die Leute schweifen. Da stand ein nervöser, anämisch wirkender Vampirlakai, der wohl Tagesjobs für seinen Liebhaber erledigte, zwei flüsternde Menschen, die kicherten, als sie seinen mit Narben übersäten Hals sahen, ein müder Hexenmeister - nein, eher ein Hexer, wie mir der nur schwache Rotholzgeruch verriet -, der auf einer nahen Bank saß und einen Muffin aß, und meine Wenigkeit. Ich holte langsam Luft und machte es mir bequem. Nach diesem ganzen Stress auf einen Fahrer zu warten war irgendwie enttäuschend.

»Hätte ich bloß ein Auto«, sagte ich zu Jenks und zog den Fischkanister zwischen meine Füße. Nur wenige Meter entfernt floss der Verkehr zäh dahin. Die Straßen fül ten sich und ich schätzte, dass es inzwischen nach zwei Uhr mittags sein musste. Um diese Zeit drängten sich sowohl Inderlander als auch Menschen auf den engen Verkehrswegen. Es stel te einen täglichen, nervenaufreibenden Kampf dar. Wenn dann die Sonne unterging und sich die Menschen In ihre Häuser zurückzogen, wurde al es wesentlich einlacher.

»Was wil st du denn mit einem Auto?«, fragte Jenks, als er sich auf mein Knie setzte und damit begann, seine libel en-

ähnlichen Flügel sorgfältig abzutrocknen. »Ich habe auch kein Auto. Hab niemals eins gehabt. Ich komme auch so überal hin. Autos machen nur Ärger.« Ich hörte ihm schon

«ar nicht mehr zu. »Du musst sie andauernd betanken und reparieren. Dann musst du sie putzen und brauchst immer einen Parkplatz. Und denk nur an das Geld, dass man da reinsteckt. Dagegen ist eine Freundin ja richtig bil ig.«

»Aber trotzdem«, antwortete ich und wackelte mit dem Bein, um ihn zu irritieren. »Ich wil trotzdem ein Auto.« Ich betrachtete die Leute um mich herum. »James Bond musste nie auf den Bus warten. Ich habe al e seine Filme gesehen, und er hat nie auf einen Bus gewartet.« Ich warf Jenks einen kurzen Blick zu.

»Das hat einfach keinen Stil.«

»Hmm, ja«, antwortete er, wobei seine Augen einen Punkt hinter meinem Rücken fixierten. »Jetzt fäl t mir auch ein Argument für ein Auto ein. . die Sicherheit, Tiermenschen auf elf Uhr.«

Ich drehte mich um, und meine Entspannung war wie weggeblasen. »Scheiße«, flüsterte ich und schnappte mir den Kanister. Es waren drei. Man konnte sie an ihrer gebückten Statur, der schweren Atmung und dem schleppenden Gang erkennen. Völ ig verkrampft stand ich auf und brachte den Springbrunnen zwischen uns. Wo, zur Höl e, blieb Ivy?

»Rachel, warum sind die dir immer noch auf der Spur?«

»Keine Ahnung.« Ich musste an das Blut auf den Rosen denken. Wenn es mir nicht gelang, die Fährte zu unterbrechen, würden sie mich bis nach Hause verfolgen.

Aber warum? Ich setzte mich so hin, dass ich ihnen den Rücken zukehrte, wohlwissend, dass Jenks sie beobachtete.

Mein Mund war plötzlich vol kommen ausgetrocknet.

»Haben sie mich gewittert?«

Jenks hob mit surrenden Flügeln ab. »Nein«, lautete die Antwort, als er kaum eine Sekunde später zurückkam. »Sie sind noch einen halben Block entfernt, aber du sol test dich langsam mal in Bewegung setzen.«

Jetzt war ich wirklich nervös. Ich wog das Risiko ab. Sol te ich hier ruhig sitzen bleiben und auf Ivy warten, oder abhauen und riskieren erkannt zu werden? »Verdammt, hätte ich bloß ein Auto«, murmelte ich und lehnte mich ein wenig nach vorne, um die Straße nach einem Bus, einem Taxi oder einem anderen fahrbaren Untersatz abzusuchen. Wo, zum Teufel, war Ivy?

Mit klopfendem Herzen stand ich auf, schnappte mir den Fisch und ging in Richtung Fahrbahn. Wenn ich das angrenzende Bürogebäude erreichte, konnte ich mich im Labyrinth der Korridore verstecken und auf Ivy warten. Aber da verlangsamte ein großer, schwarzer Crown Victoria seine Fahrt, stoppte und blockierte meinen Weg. Ich starrte den Fahrer an. Als er sich über den Beifahrersitz lehnte und das Fenster runterkurbelte, konnte ich ihn nur entgeistert angaffen. »Ms. Morgan?«, fragte der dunkelhäutige Mann angriffslustig.

Ich spähte zu den Tiermenschen hinter mir, dann zum Wagen und sah dann wieder ihn an. Ein schwarzer Crown Victoria, gefahren von einem Mann in einem schwarzen Anzug konnte nur eins bedeuten - er kam vom Federal Inderland Bureau, dem von Menschen geführten Äquivalent der I. S. Was wol te das FIB? »Ja, und wer sind Sie?«

Für einen Moment wirkte er besorgt. »Ich habe vorhin mit Ms. Tamwood gesprochen. Sie sagte, ich könnte Sie hier finden.«

Ivy? lch legte meine Hand auf das geöffnete Fenster. »Geht es ihr gut?«

Er presste die Lippen aufeinander. Hinter seinem Wagen bildete sich schon ein Stau. »Als ich mit ihr telefoniert habe, ging es ihr noch gut.«

Jenks schwebte über mir, das kleine Gesicht verängstigt.

»Sie haben deine Witterung aufgenommen, Rachel.«

Ich holte zischend Luft und drehte mich hastig um. Mein Blick fiel auf einen der Tiermenschen. Er sah, dass ich ihn beobachtete und bel te ein lautes Kommando. Die beiden anderen setzten sich in Bewegung und näherten sich gemächlich. Ich schluckte schwer. Jetzt war ich Hundefutter.

Al es gelaufen. Hundefutter. Game over, bitte drücken Sie Reset.

Mit einer schnel en Drehung angelte ich nach dem Türgriff, riss ihn hoch, sprang in den Wagen und knal te die Tür zu.

»Fahren Sie!«, schrie ich, drehte mich um und starrte aus dem Fenster.

Auf dem Gesicht des Mannes machte sich ein Anflug von Ekel breit, als er in den Rückspiegel schaute. »Gehören die zu Ihnen?«

»Nein! Fährt dieses verdammte Ding auch, oder sitzen Sie hier einfach nur rum und spielen mit sich selbst?«

Er gab ein kaum hörbares Schnaufen von sich und beschleunigte langsam. Hastig drehte ich mich um und sah die Tiermenschen, die in der Mitte der Straße stehen geblieben waren. Die wartenden Autos begannen ein Hupkonzert. Erleichtert ließ ich mich in den Sitz fal en, packte den Fischkanister und schloss die Augen. Diese Nummer würde ich Ivy heimzahlen, soviel war sicher. Viel eicht würde ich ihre kostbaren Landkarten als Unkrautbarriere im Garten aufstel en. Sie sol te mich abholen und nicht irgendeinen FIB-Fuzzi schicken.

Als sich mein Puls wieder beruhigt hatte, sah ich ihn mir genauer an. Er war einen guten Kopf größer als ich, was schon einiges hieß, hatte wohlgeformte Schultern, schwarzes, sehr kurz geschnittenes, lockiges Haar und einen kantigen Kiefer. Seine steife Haltung bettelte förmlich darum, dass ich ihm eine reinhaute. Al erdings war er ziemlich muskulös -

gerade richtig, nicht zu breit, und keine Spur von einem Bauch. In seinem perfekt geschnittenen schwarzen Anzug, dem weißen Hemd und der schwarzen Krawatte war er das perfekte FIB-Pin-Up. Sein Bart war modern getrimmt - so kurz, dass man kaum mehr etwas sah - aber beim Aftershave hätte er zurückhaltender sein sol en. Ich betrachtete die Handschel en an seinem Gürtel und wünschte mir meine zurück. Sie waren I. S.-Eigentum gewesen, und ich vermisste sie sehr.

Jenks machte es sich auf seinem Lieblingsplatz auf dem Rückspiegel bequem, wo der Wind nicht an seinen Flügeln zerren konnte. Der steife Typ neben mir betrachtete ihn mit ausgiebiger Neugier, die mir verriet, dass er bisher wohl kaum etwas mit Pixies zu tun gehabt hatte. Was für ein Glückspilz!

Aus dem Funkgerät kam eine Meldung über einen Ladendieb im Einkaufszentrum. Mit einem schnel en Griff stel te er es aus. »Danke fürs Mitnehmen. Ivy hat Sie also geschickt?«

Er riss seinen Blick von Jenks los. »Nein. Sie meinte nur, dass Sie hier wären. Captain Edden wil mit Ihnen reden. Es hat etwas mit dem Abgeordneten Trent Kalamack zu tun«, erklärte er emotionslos.

»Kalamack!« Sofort verfluchte ich mich, dass ich überhaupt etwas gesagt hatte. Dieser stinkreiche Bastard wol te entweder, dass ich für ihn arbeitete oder tot in einem Rinnstein endete. Das hing ganz von seiner Laune und den Börsenkursen ab. »

Kalamack also?«, wiederholte ich und rutschte unbehaglich auf dem Ledersitz herum. »Warum schickt Edden Sie, um mich abzuholen? Sind Sie diese Woche auf seiner schwarzen Liste?« Das kam wohl nicht so gut an, denn er erwiderte nichts, kral te aber seine kräftigen Hände so fest um das Lenkrad, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.

Unangenehmes Schweigen breitete sich aus. Wir fuhren über eine Ampel, die gerade von Gelb auf Rot umsprang. »Äh, wie heißen Sie überhaupt?«, fragte ich schließlich. Ich hörte ein unterdrücktes Lachen. Normalerweise begegneten mir die Menschen mit Misstrauen, aber dieser Typ zeigte keine Angst, und das nervte mich gewaltig. »Detective Glenn, Madam.«

»Madam«, lachte Jenks lauthals, »er hat dich Madam genannt.«

Ich warf dem Pixie einen giftigen Blick zu. Für einen Detective sah er reichlich jung aus. Das FIB hatte wohl Personalprobleme. »Tja, vielen Dank, Detective Glade«, säuselte ich und verhunzte dabei absichtlich seinen Namen.

»Sie können mich einfach irgendwo rauslassen, ich nehme dann den Bus. Captain Edden werde ich dann morgen aufsuchen, im Moment arbeite ich an einem wichtigen Fal .«

Jenks kicherte, und der Mann wurde rot, was unter seinem dunklen Teint kaum zu erkennen war. »Ich heiße Glenn, Madam, und ich habe Ihren wichtigen Fal gesehen. Sol ich Sie zum Springbrunnen zurückbringen?«

»Nein.« Ich warf mich in den Sitz und Bilder von jungen, wütenden Tiermenschen drehten sich in meinem Kopf. »Sie können mich aber gerne zu meinem Büro fahren. Es ist in den Hol ows, einfach die Nächste links.«

»Ich bin nicht Ihr persönlicher Chauffeur«, meinte er grimmig. Ihm behagte die ganze Situation offensichtlich nicht. »Ich sol Sie zum FIB bringen.«

Ich nahm den Arm vom Türrahmen, als er einen Schalter an der Armaturenleiste bediente, woraufhin sich das Fenster langsam hochschob. Die Luft wurde sofort stickig. Jenks flitzte empört zur Decke. Er fühlte sich eingesperrt. »Was, zur Höl e, machst du da?«

»Ja«, rief ich, mehr irritiert als besorgt, »was geht hier ab?«

»Captain Edden wil Sie jetzt sehen, Ms. Morgan, nicht morgen.«

Ruckartig blickte er von der Straße zu mir herüber. Sein gezwungenes Lächeln wirkte mies und hinterhältig. Dieser Gesichtsausdruck gefiel mir ganz und gar nicht. »Und wenn Sie auch nur den Versuch machen, einen Zauber rauszuholen, werde ich Ihren Hexenarsch aus meinem Wagen befördern, Ihnen Handschel en anlegen und Sie in den Kofferraum packen. Captain Edden hat mich beauftragt, Sie zu holen, aber er sagte nicht, in welchem Zustand Sie bei ihm ankommen müssen.«

Jenks landete auf meinem Ohrring und fluchte so sehr, dass er anfing, blau zu glühen. Ich versuchte ein paar Mal, das Fenster wieder aufzumachen, aber Glenn hatte es verriegelt, und so ergab ich mich schließlich mit einem Schnaufen meinem Schicksal. Ich konnte ihm meinen Finger ins Auge bohren und uns so von der Straße abbringen, aber wozu? Ich wusste, wohin die Fahrt ging. Edden würde sich sicherlich darum kümmern, dass ich nach unserem Meeting nach Hause kam. Trotzdem nervte es mich, einen Menschen zu treffen, der noch kaltschnäuziger war als ich. Was war bloß aus dieser Stadt geworden?

Wir verfielen wieder in brütendes Schweigen. Ich nahm die Sonnenbril e ab, lehnte mich zu ihm rüber und sah, dass er fünfzehn Meilen zu schnel fuhr. Na, das passte.

»Pass auf«, flüsterte Jenks. Ich hob überrascht die Augenbrauen, als der Pixie von meinem Ohrring flitzte. In dem Licht der durch die Windschutzscheibe einfal enden Herbstsonne blitzte plötzlich ein glitzernder Strahl auf. In al er Heimlichkeit überzog Jenks den Detective mit feinem Staub, und ich war bereit, meine heißesten Spitzenhöschen zu verwetten, dass es kein normaler Pixiestaub war. Glenn war angepixt worden!

Ich verkniff mir ein Grinsen. In ungefähr zwanzig Minuten würde Glenn von einem so starken Juckreiz heimgesucht werden, dass er nicht mehr ruhig würde sitzen können.

»Wieso haben Sie eigentlich keine Angst vor mir?«, fragte ich mit honigsüßer Stimme.

»Als ich noch ein Kind war, lebten wir neben einer Hexenfamilie«, antwortete er vorsichtig. »Sie hatten eine Tochter in meinem Alter. Diese kleine Hexe ärgerte mich mit al en nur erdenklichen Mitteln.« Ein leichtes Lächeln huschte über sein kantiges Gesicht, und auf einmal wirkte er gar nicht mehr wie ein FIB-Beamter. »Es war der traurigste Tag meines Lebens, als sie fortzog.«

Ich machte einen Schmol mund. »Armer Kleiner.« Sein mürrischer Gesichtsausdruck kehrte zurück, aber es verschaffte mir keine Genugtuung. Edden hatte Glenn geschickt, weil er wusste, dass ich ihn nicht einschüchtern konnte.

Verdammte Montage!

2

Als wir auf einem der reservierten Parkplätze direkt vor dem Gebäude parkten, konnte ich die Wärme der Nachmittagssonne spüren, die vom grauen Stein des FIB-Gebäudes reflektiert wurde. Auf der Straße quälte sich der Verkehr entlang, und Glenn eskortierte mich und meinen Fisch stocksteif durch die Eingangspforte. Winzig kleine Bläschen bildeten sich direkt über seinem Kragen. Die pinken (Quaddeln bildeten eine starken Kontrast zu seiner dunklen Haut und sahen ziemlich übel aus.

Jenks bemerkte, dass ich auf Glenns Nacken starrte und lachte höhnisch. »Mr. FIB-Detective reagiert wohl empfind-Hch auf Pixiestaub«, flüsterte er. »Das Zeug verbreitet sich durch sein Lymphsystem. Er wird sich an Stel en kratzen, die er vorher noch nicht einmal kannte.«

»Wirklich?« Ich war schon ein wenig entsetzt.

Normalerweise juckte es nur dort, wo der Pixiestaub die Haut berührt hatte. Glenn hatte vierundzwanzig Stunden Höl enqualen vor sich.

»Tja, er wird in seinem ganzen Leben nie wieder einen l'lxie in einem Auto einsperren.«

Trotz seines Triumphs schien es mir, als läge in seiner Stimme ein wenig Schuldgefühl. Er sang auch nicht seine Siegeshymne, die von Gänseblümchen und rot glänzendem Mahl im Mondlicht handelte. Bevor ich das im Boden eingelassene FIB-Emblem der Eingangshal e überquerte, verlangsamten sich meine Schritte. Ich war nicht abergläubisch - mal abgesehen von den Momenten, in denen mein Leben davon abhing -, aber ich betrat ein Territorium, das gewöhnlich nur den Menschen gehörte. Es gefiel mir nicht, in der Minderheit zu sein.

Die vereinzelten Gesprächsfetzen und das Klappern der Computertastaturen erinnerten mich an meinen alten Job bei der LS., und ich entspannte mich ein wenig. Die Mühlen des Gesetzes wurden mit Papier geschmiert und von schnel en Füßen auf den Straßen angetrieben. Ob nun Menschen oder Inderlander die Laufarbeit erledigten, war egal -zumindest mir.

Das FIB wurde gegründet, um nach dem Wandel sowohl die Stadtverwaltung als auch die Bundesregierung zu vertreten. Zumindest auf dem Papier sol te das FIB die überlebenden Menschen vor den - na ja - eher aggressiven Inderlandern beschützen, vor al em vor Vampiren und Tiermenschen. Doch die Realität sah anders aus. Die Auflösung der alten Gesetzesstrukturen war nur ein paranoider Versuch gewesen, uns Inderlander auszugrenzen.

Aber dann kam al es anders. Die geouteten, gefeuerten Polizeibeamten und Bundesagenten hatten ganz einfach ihre eigene Behörde gegründet - die I. S. Vierzig Jahre später war das FIB ihnen hoffnungslos unterlegen. Da sich die I. S. um die übernatürlichen Fäl e kümmerte, die das FIB nicht bewältigen konnte, mussten sie im Kampf gegen das Verbrechen in Cincinnati immer wieder Demütigungen hinnehmen.

Als ich Glenn zu den hinteren Büroräumen folgte, verdeckte ich mit dem Kanister meine linke Hand. Nicht viele erkannten die kleine, kreisförmige Narbe an der Unterseite meines Handgelenks als das, was sie war - ein Dämonenmal.

Aber man konnte ja nie wissen, und so versteckte ich es lieber. Weder das FIB noch die I. S. wussten, dass ich in den Zwischenfal mit dem Dämon verwickelt gewesen war, bei dem im vergangenen Frühling das Archiv für antike Bücher verwüstet worden war. Und das sol te auch so bleiben. Der Dämon war geschickt worden, um mich zu töten, aber letztendlich hatte er mir das Leben gerettet. Ich musste das Mal tragen, bis ich einen Weg gefunden hatte, mich aus dem Pakt freizukaufen.

Glenn ging zielstrebig zwischen den Tischen hinter der Lobby hindurch, und ich musste verblüfft feststel en, dass nicht ein einziger Beamter anzügliche Bemerkungen über einen Rotschopf in Leder machte. Aber im Vergleich zu der schreienden Nutte mit den lila Haaren und der fluoreszierenden Kette, die von der Nase bis unter ihre Bluse reichte, war ich wahrscheinlich unsichtbar.

Im Vorbeigehen warf ich einen Blick auf die geschlossenen Jalousien von Eddens Büro und winkte Rose, seiner Assistentin. Ihr Gesicht lief rot an, während sie vorgab, mich zu ignorieren. Ich rümpfte die Nase, da ich dieses Verhalten nur zu gut kannte. Trotzdem nervte es. Die Rivalität zwischen dem FIB und der I. S. hatte eine lange Tradition. Es schien keine Rol e zu spielen, dass ich nicht mehr für die Inderlander Security arbeitete. Viel eicht mochte sie aber auch einfach keine Hexen.

Ich war erleichtert, als wir den Eingangsbereich verliefen und einen steril wirkenden, mit Neonröhren erleuchteten Flur betraten. Auch Glenn entspannte sich und ging langsamer.

Ich konnte die Präsenz der al es verschlingenden Bürokratie förmlich in meinem Rücken spüren, war aber zu deprimiert, um mich darüber aufzuregen. Wir kamen an einem Besprechungsraum vorbei, und ich betrachtete die große Pinnwand, an der die dringendsten Fäl e der Woche hingen.

Neben der üblichen Rubrik »Menschen verfolgt von Vampiren« hing eine weitere Liste. Ich fühlte Übelkeit in mir aufsteigen und schloss die Augen. Um al es genau erkennen zu können, gingen wir zu schnel , aber mir war klar, worum es sich handeln musste. Wie jeder andere auch hatte ich es in den Zeitungen verfolgt.

»Morgan!«, dröhnte plötzlich eine bekannte Stimme, und ich drehte mich so schnel um, dass meine Stiefeletten auf den grauen Fliesen ein quietschendes Geräusch machten.

Es war Edden, der uns mit rasender Geschwindigkeit durch den Flur entgegenkam. Seine untersetzte Silhouette mit den pendelnden Armen war unverkennbar. Augenblicklich fühlte ich mich besser.

»Bei al en Nachtschnecken«, murrte Jenks. »Ich verzieh mich, Rachel. Wir sehen uns dann zu Hause.«

»Bleib hier.« Mich amüsierte der Grol des Pixies. Er erinnerte an einen Vulkan kurz vor dem Ausbruch. »Und wenn du Edden auch nur ein Schimpfwort an den Kopf wirfst, werde ich eine Ladung Ameisenkil er in deinen Baumstumpf blasen.«

Glenn kicherte, weshalb ich Jenks' Antwort nicht verstand.

Was viel eicht auch besser so war.

Edden war ein Ex-Navy-SEAL und wirkte immer noch wie ein Soldat, was nicht zuletzt an seinem kurz geschnittenen Haar und den zerknitterten Khakihosen lag. Ein gestärktes weißes Hemd verbarg seinen muskulösen Oberkörper. Sein grauer Bart bildete einen starken Kontrast zu seinem dichten, tiefschwarzen Haupthaar. Als er uns entgegenkam, steckte er die bil ige Lesebril e in die Hemdtasche, und ein einladendes Lächeln erhel te sein rundes Gesicht. Der Captain des FIB

Cincinnati blieb abrupt stehen, sodass ich in eine Wolke von Kaffeeduft gehül t wurde. Er hatte beinahe meine Körpergröße - war für einen Mann also eher klein -, aber dieses Defizit glich er durch seine starke Präsenz aus.

Als Edden meine Lederhose und das legere Top sah, zog er ironisch die Augenbrauen hoch. »Schön, Sie zu sehen, Morgan. Ich hoffe, meine Anfrage kam nicht ungelegen.«

Ich verlagerte den Kanister auf den anderen Arm und streckte ihm die Hand hin. Seine kurzen, fleischigen Finger umfassten sie, vertraut und herzlich. »Nein, überhaupt nicht«, erwiderte ich trocken. Edden legte eine Hand auf meine Schulter und führte mich einen kurzen Flur entlang.

Auf eine so vertrauliche Geste hätte ich normalerweise mit einem El bogenstoß in den Magen reagiert, aber Edden war eine verwandte Seele, er hasste Ungerechtigkeit genau so sehr wie ich. Obwohl er meinem Dad nicht sonderlich ähnelte, erinnerte er mich in mancher Hinsicht an ihn. Edden hatte sich meinen Respekt verdient, da er mich als Hexe akzeptiert hatte. Er behandelte mich als Gleichberechtigte und schenkte mir sein Vertrauen, was mir sehr schmeichelte.

Und ich war süchtig nach Schmeicheleien.

Schulter an Schulter schlenderten wir den Gang entlang, wobei Glenn ein wenig zurückblieb. »Schön, Sie wieder fliegen zu sehen, Mr. Jenks«, meinte Edden mit einem Nicken zu dem Pixie.

Jenks verließ mit einem harten, klappernden Flügelschlag meinen Ohrring. Edden hatte ihm einen Flügel gebrochen, als er ihn in einen leeren Wassertank stopfte -und die Wut eines Pixies ist langlebig. »Ich heiße Jenks«, sagte er kalt,

»einfach nur Jenks.«

»Na gut, dann Jenks. Können wir Ihnen etwas anbieten?

Zuckerwasser, oder viel eicht ein wenig Erdnussbutter. .«

Dann wandte er sich zu mir, und ich sah, dass er vergnügt schmunzelte.

»Kaffee, Ms. Morgan? Sie sehen müde aus.« Sein breites Grinsen vertrieb auch den letzen Rest meiner schlechten Laune. »Das wäre großartig«, antwortete ich. Edden warf Glenn einen auffordernden Blick zu. Der Detective machte keinen sonderlich entspannten Eindruck. An seinem Unterkiefer waren einige neue Striemen zu erkennen. Als sich der gepeinigte Mann abwenden wol te, packte Edden ihn am Unterarm und flüsterte ihm ins Ohr: »Es ist schon zu spät, um den Pixiestaub noch abzuwaschen. Versuchs mal mit Kortison.«

Als er sich schließlich abwandte, warf Glenn mir einen undurchdringlichen Blick zu. Dann ging er aus dem Büro und den Weg zurück, den wir gekommen waren.

»Ich freue mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, vorbeizukommen. Ich habe heute Morgen etwas reinbekommen, und Sie sind die Einzige, die mir dabei helfen kann, Kapital daraus zu schlagen.«

Jenks lachte spöttisch. »Was ist denn los, hat sich ein Werwolf einen Dorn in die Pfote gerammt?«

»Halt die Klappe, Jenks«, unterbrach ich ihn reflexartig.

Glenn hatte Trent Kalamacks Namen erwähnt, und das machte mich verdammt nervös. Edden drehte sich um und stand vor zwei Türen ohne Aufschrift. Er setzte zu einer Erklärung an, zuckte dann aber nur mit den Schultern und öffnete eine der Türen, hinter der sich ein nackter, schlecht beleuchteter Raum befand. Edden führte mich hinein und wartete, bis die Tür zugefal en war. Dann zog er den Lamel envorhang vor dem großen Spionspiegel hoch.

Ich starrte in den anderen Raum. »Sara Jane«, flüsterte ich verblüfft.

»Sie kennen die Frau?« Edden verschränkte seine kräftigen Arme vor der Brust. »Da haben wir ja Glück.«

»Es gibt kein Glück«, schnappte Jenks süffisant. Er schwebte jetzt in Augenhöhe, und die leichte Brise seiner Flügel strich über meine Wangen. Die Hände hatte er in die Hüften gestemmt, und seine Flügel hatten sich zu einem leichten Pink verfärbt. »Das ist ein abgekartetes Spiel.«

Ich näherte mich dem Spiegel. »Sie ist Trent Kalamacks Sekretärin. Was macht sie hier?«

Edden stand mit gespreizten Beinen neben mir. »Sie sucht ihren Freund.«

Überrascht drehte ich mich zu ihm. Sein rundes Gesicht wirkte angespannt. »Sein Name ist Dan Smather, Hexe. Wird seit Sonntag vermisst. Die I. S. wird sich erst nach dreißig lagen rühren. Sie ist davon überzeugt, dass sein Verschwinden mit den Morden des Hexenjägers zusammenhängt, Und ich glaube, sie hat recht.«

Mein Magen zog sich zusammen. Cincinnati war nicht gerade bekannt für seine Serienmörder, aber in den letzten sechs Wochen mussten wir uns mit mehr unaufgeklärten Morden herumschlagen als in den vorangegangenen drei

.lahren zusammen. Die kürzlich aufgekeimte Gewalt hatte al e schockiert - Inderlander genauso wie Menschen. Das Spiegelglas beschlug durch meinen Atem, und ich trat zurück.

»Passt er ins Profil?«, fragte ich, obwohl ich wusste, dass die LS. sie nicht abgewimmelt hätte, wenn sein Verschwinden mit der Mordserie in einen direkten Zusammenhang gebracht werden konnte.

»Wenn er tot wäre, würde er ins Profil passen. Bisher wird er nur vermisst.«

Das trockene Surren von Jenks' Flügeln durchbrach die Stil e. »Und wozu brauchen Sie Rachel?«

»Es gibt zwei Gründe. Erstens ist Ms. Gardenko eine I lexe.«

Er nickte in Richtung der attraktiven Frau hinter dem Glas.

Seine Stimme klang frustriert. »Meine Beamten können sie nicht vernünftig befragen.«

Ich fixierte Sara Jane, die zur Uhr blickte und sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte.

»Sie kann aber keine Zauber brauen«, sagte ich sanft. »Sie kann sie nur evozieren. Formal gesehen ist sie ein Hexer.

Wann kapiert Ihr endlich mal, dass der Unterschied zwischen einer Hexe und einem Hexer nicht im Geschlecht, sondern im Grad des Könnens liegt?«

»Wie dem auch sei, meine Beamten können ihre Antworten nicht vernünftig auswerten.«

Seine Ignoranz machte mich wütend. Mit zusammengepressten Lippen schaute ich ihn an. »Sie meinen, Sie wissen nicht, ob sie lügt?«

Der Captain zog seine beeindruckenden Schultern nach oben. »Wenn Sie es so ausdrücken möchten.«

Jenks schwebte zwischen uns und warf sich mal wieder in seine Peter-Pan-Pose. »Okay, Sie wol en also, dass Sara Jane von Rachel verhört wird. Und was ist der zweite Grund?«

Edden lehnte sich mit den Schultern gegen die Wand. »Ich brauche jemanden, der noch mal die Schulbank drückt, und da ich keine Hexe auf meiner Gehaltsliste habe, kommen nur Sie dafür infrage, Rachel.«

Einen Moment lang starrte ich ihn fassungslos an. »Wie bitte?«

Wenn der Mann lächelte, ähnelte er einem hinterlistigen Trol . »Sie haben die Geschichte in den Zeitungen verfolgt?«

Ich beantwortete die überflüssige Frage mit einem Nicken.

Wer nicht?

»Al e Opfer waren Hexen«, sagte ich. »Al e, bis auf die beiden ersten, waren Singles, und al e hatten Erfahrung in der Kraftlinienmagie.« Ich verkniff es mir gerade noch, eine abfäl ige Grimasse zu schneiden. Ich mochte die Kraftlinien nicht, und vermied es so weit wie möglich, sie zu benutzen.

Sie stel ten Brücken zum Jenseits und zu den Dämonen dar.

Eine der verbreitetsten Mordtheorien besagte, dass die Opfer mit den schwarzen Künsten herum experimentiert und ganz einfach die Kontrol e verloren hatten.

Wer's glaubt. Niemand war so dumm, einen Dämon zu beschwören -außer natürlich mein Freund Nick. Und das auch nur, um mir das Leben zu retten.

Edden nickte. »Die Öffentlichkeit weiß al erdings nicht, dass jedes der Opfer irgendwann einmal Unterricht hatte bei einer gewissen Dr. Anders.«

Ich rieb meine verschrammten Hände. »Anders«, murmelte ich. In meiner Erinnerung tauchte das Bild einer dürren, griesgrämigen Frau auf, mit viel zu kurzem Haar und einer schril en Stimme, die an den Klang von Fingernägeln auf einer Tafel erinnerte. »Ich hatte ein Seminar bei ihr.« Ich sah Edden kurz an und wandte mich dann verlegen wieder zum Spiegel um. »Sie war eine Gastdozentin von der Universität, während unser Seminarleiter ein Forschungssemester einlegte. Unterrichtete Kraftlinienmagie für Erdhexen. Sie ist eine arrogante Kröte, hat mich im dritten Trimester rausgeworfen, nur weil ich keinen Schutzgeist binden konnte.«

Edden gab ein grunzendes Lachen von sich. »Versuchen Sie diesmal das Seminar abzuschließen und eine Zwei zu schaffen, damit ich die Ausgaben als Fortbildungskosten abrechnen kann.«

»Moment mal!«, schrie Jenks schril . »Hey, Edden, Sie können nicht einfach Ihren Sonnenblumensamen in fremden Gärten aussäen. Rachel wird auf keinen Fal auch nur in die Nähe von Sara Jane kommen. Das ist Kalamacks Werk. Er versucht, sie in seine manikürten Finger zu kriegen.«

Mit einem Stirnrunzeln löste sich Edden von der Wand.

»Mr. Kalamack ist hier in keiner Form involviert. Und wenn Sie diesen Fal dazu benutzen wol en, ihn abzuschießen, werde ich Ihren blütenweißen Hexenarsch nehmen und ihn über den Fluss zurück in die Hol ows schleifen. Dr. Anders ist unsere Verdächtige. Wenn Sie den Fal wol en, müssen Sie mir versprechen, Mr. Kalamack da raus zu lassen.«

Jenks surrte wütend mit den Flügeln. »Hattet ihr heute Morgen al e Frostschutzmittel im Kaffee? Das ist eine Fal e. Es hat überhaupt nichts mit den Morden zu tun. Verdammt, Rachel, sag ihm, dass das nichts mit den Morden zu tun hat.«

»Das hat nichts mit den Morden zu tun«, meinte ich ausdruckslos. »Ich nehme den Fal an.«

»Rachel!«

Ich holte tief Luft, wohl wissend, dass ich das nicht erklären konnte. Sara Jane war ehrlicher als die Hälfte al er I. S.-

Agenten, mit denen ich gearbeitet hatte. Sie kam vom Land und hatte Schwierigkeiten, sich in der Stadt zurechtzufinden und ihre Familie zu unterstützen, die mittlerweile für Trent Kalamack arbeitete. Obwohl sie mich nicht kannte, schuldete ich ihr einiges. Im letzten Frühjahr war ich drei Tage lang als Nerz in Trent Kalamacks Büro gefangen gehalten worden und hatte Höl enqualen durchlitten. Sie war die Einzige gewesen, die mir ein wenig Freundlichkeit entgegengebracht hatte.

Äußerlich hätten wir unterschiedlicher nicht sein können.

Sara Jane saß in ihrem schicken, gepflegten Businessanzug stocksteif am Tisch, ihr Make-up war so perfekt aufgetragen, dass es fast unsichtbar war. Jede Strähne ihres blonden Haares befand sich am richtigen Platz. Ich stand da in meiner zerrissenen Lederhose und mein strubbeliges, rotes Haar hing wild und ungekämmt herunter. Sie hatte eine zierliche Figur und wirkte mit ihrer weißen Haut und den feinen Gesichtszügen wie eine zerbrechliche Porzel anpuppe. Ich hingegen war groß und hatte einen athletischen Körper, der mir unzählige Male das Leben gerettet hatte - so oft, dass es sogar die Anzahl meiner Sommersprossen überstieg. Sara Jane war gut gebaut und hatte Kurven an den richtigen Stel en - mir fehlten jegliche Rundungen, und die kleinen Hügelchen konnten auch nicht als Busen durchgehen. Aber ich fühlte eine tiefe Verbundenheit mit ihr. Trent Kalamack hatte uns beide gefangen, und wahrscheinlich erkannte sie das jetzt.

Jenks gab nicht auf. »Nein! Trent benutzt sie, um dich anzulocken.«

Irritiert wedelte ich ihn weg. »Trent kann mir nichts anhaben. Edden, haben Sie immer noch den pinken Ordner, den ich Ihnen im Frühjahr gegeben habe?«

»Den mit der Disc und dem Terminkalender, der Beweise enthält, dass Trent Kalamack il egale Genprodukte herstel t und vertreibt?« Der gedrungene Mann grinste breit. »Na klar.

Er liegt auf meinem Nachttisch, eine interessante Lektüre für schlaflose Nächte.«

Mir fiel die Kinnlade runter. »Sie sol ten ihn nur öffnen, fal s ich spurlos verschwinde!«

»Ich kann nichts dafür, ich schnüffele auch in versteckten Weihnachtsgeschenken herum. Entspannen Sie sich. Ich werde erst in Aktion treten, wenn Kalamack Sie umbringt.

Aber ich bin immer noch der Meinung, dass es verdammt gefährlich ist, Kalamack zu erpressen . .«

»Es ist das Einzige, was mich am Leben erhält«, schrie ich wütend und zuckte dann zusammen. Hoffentlich hatte mich Sara Jane durch das Glas nicht gehört!

». .aber wahrscheinlich sicherer, als ihn zum jetzigen Zeitpunkt vor Gericht zu bringen.« Er deutete auf Sara Jane.

»Für so etwas ist er doch viel zu clever.«

Wenn es ein anderer als Trent gewesen wäre, hätte ich zugestimmt. Trent Kalamack war ein Ehrenbürger wie aus dem Bilderbuch. In der Öffentlichkeit war er so charmant und attraktiv, wie er hinter verschlossenen Türen kalt und skrupel os war. Aber wenn Edden mir nicht in die Quere kam, würde mich der unantastbare Mann in Ruhe lassen.

Plötzlich flitzte Jenks direkt vor meine Augen und verharrte dort. Seine winzigen Gesichtszüge waren sorgenvol . »Das stinkt doch schlimmer als gammeliger Fisch.

Dreh dich um und geh, lass die Finger von der Sache.«

Ich blickte an Jenks vorbei zu Sara Jane. Sie hatte geweint.

»Ich schulde ihr etwas«, flüsterte ich. »Egal, ob sie es weiß oder nicht.«

Edden stel te sich neben mich. Zusammen betrachteten wir die verzweifelte Frau. »Morgan?«

Jenks hatte recht. Es gab kein Glück - außer man kaufte es sich -, und im Dunstkreis von Trent geschah nichts ohne Grund. Ich konnte meine Augen nicht von Sara Jane abwenden. »Ja. Ja, ich werde den Fal übernehmen.«

3

Sara Jane saß mir direkt gegenüber, und ich starrte wie gebannt auf ihre gepflegten Fingernägel, als sie nervös ihre Hände aneinanderrieb. Als ich sie das letzte Mal gesehen hatte, waren die Nägel sauber gewesen, aber bis zum Nagelbett abgebrochen. Nun glänzten sie in einem geschmackvol en Hauch von Rot und waren lang und manikürt.

»So«, begann ich das Gespräch und lenkte meine Aufmerksamkeit von dem glitzernden Lack auf ihre Augen.

Sie schil erten blau. Ich war mir nicht mehr sicher gewesen.

»Am Samstag haben Sie zum letzten Mal etwas von Dan gehört?«

Sara Jane nickte. Als Edden uns vorgestel t hatte, war deutlich geworden, dass sie mich nicht wiedererkannte. Ich war erleichtert, aber auch enttäuscht. Ihr Fliederduft ließ schreckliche Erinnerungen in mir aufsteigen. In Nerzgestalt in Trents Büro gefangen - nie zuvor hatte ich mich so hilflos gefühlt.

Das Papiertaschentuch in ihrer Hand hatte ungefähr die Größe einer Haselnuss, so fest umklammerte sie es mit zitternden Fingern. »Dan rief mich an, als er gerade von der Arbeit kam«, begann sie, wobei das Zittern auch ihre Stimme erreichte. Sie warf Edden, der mit hochgekrempelten Ärmeln und verschränkten Armen neben der geschlossenen Türstand, einen unsicheren Blick zu. »Naja, er hinterließ eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter, denn es war ja vier Uhr morgens. Er wol te bei einem Abende sen etwas mit mir besprechen. Aber er ist nicht aufgetaucht Darum weiß ich, dass etwas passiert sein muss, Oftcer Morgan.« Ihre Augen weiteten sich, und ihr Kiefer zitterte bei dem Versuch, das Schluchzen zu unterdrucken.

»Nennen Sie mich ruhig Ms. Morgan«, sagte ich rnit einem unbehaglichen Gefühl in der Magengegend. »Ich bin nicht fest angestel t beim FIB.« .

Jenks balancierte mit schwingenden Flügeln auf seinem Thron, meinem Plastikbecher. »Sie hat nirgendwo einen richtigen Job«, tönte er frech.

»Ms Morgan ist unsere Beraterin in InderlanderAngelegenheiten«, erklärte Edden nnd warl Jenks einen missbil igenden Seitenblick zu.

Sara Jane tupfte sich die Tränen ab. Ohne das Taschentuch los zulassen, strich sie sich die Haare zurück. Sie hatte sie kürzer schneiden lassen. Als die blonde Pracht wie ein Vorhang über ihre Schultern fiel, wirkte sie noch professio neiler. »Ich habe ein Foto von ihm mitgebracht.« Sara Jane begann in ihrer Tasche zu wühlen, zog einen Schnappschuss heraus und schob ihn über den Tisch. Ich betrachtete das Bild, es zeigt sie mit einem jungen Mann auf einem dieser Ausflugsdampfer, die mit Touristen über den Ohio schippern.

Beide lächelten. Er hatte einen Arm um Sara Jane gelegt, und sie schmiegte sich an ihn. In ihren Blue Jeans und der Bluse wirkte sie entspannt, sie machte einen glücklichen Eindruck.

Ich nahm mir einen Moment Zeit, um Dan naher zu begutachten. Er hatte ebenmäßige Gesichtszuge, trug em einfaches Hemd und war gut gebaut - genau der Typ-Mam, den ein Mädchen vom Land mit nach Hause bringt und ihren Eltern vorstel t.

»Kann ich das behalten?« Sie antwortete mit einem Nicken. »Danke.« Ich verstaute das Foto in meiner Tasche.

Mir war unwohl, als ich bemerkte, wie sehr ihre Augen an dem Bild hingen, so als ob sie ihren Freund durch reine Wil enskraft zurückholen könnte. »Wissen Sie, wo wir seine Angehörigen erreichen können? Viel eicht hat es einen Notfal in der Familie gegeben und er musste weg, ohne Ihnen Bescheid sagen zu können.«

»Dan ist ein Einzelkind.« Sie tupfte sich mit dem zerknül ten Taschentuch die Nase ab. »Beide Eltern sind tot.

Sie waren gezwungen, eine Farm im Norden zu bewirtschaften. Farmer haben keine besonders hohe Lebenserwartung.«

»Oh.« Darauf wusste ich nichts zu erwidern. »Laut Vorschrift dürfen wir das Apartment erst betreten, wenn er offiziel für vermisst erklärt wurde. Sie haben nicht zufäl ig einen Schlüssel, oder?«

»Doch, ich -« Sie errötete so stark, dass es sogar durch das Make-up zu sehen war. »Wenn er länger arbeiten muss, lasse ich immer die Katze rein.«

Ich blickte verstohlen auf das Lügendetektoramulett in meinem Schoß, das sich kurz von grün zu rot verfärbte. Sie log, aber das hätte ich auch ohne Amulett gemerkt. Um ihr weitere Peinlichkeiten zu ersparen, hakte ich nicht nach.

Natürlich hatte sie den Schlüssel für andere, äh, romantischere Gelegenheiten.

»Ich war heute so um sieben da«, sagte sie mit niedergeschlagenen Augen. »Al es sah ganz normal aus.«

»Sieben Uhr morgens?« Edden löste seine verschränkten Arme voneinander und richtete sich auf. »Liegt ihr. . ihr Hexen da nicht noch im Bett?«

Sie sah zu ihm hoch und nickte. »Ich bin Mr. Kalamacks persönliche Sekretärin. Er arbeitet morgens und abends, darum wurde auch mein Arbeitsplan aufgeteilt. Acht Uhr bis zwölf Uhr am Morgen, und dann von sechzehn Uhr bis um zwanzig Uhr. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte, aber durch die lange Mittagspause konnte ich auch mehr Zeit mit. . Dan verbringen«, beendete sie abrupt die Erklärung.

»Bitte«, flehte die junge Frau plötzlich, wobei ihr Blick Hilfe suchend zwischen Edden und mir hin und her ging. »Ich weiß, dass hier etwas nicht stimmt. Warum wil mir denn niemand helfen?«

Während sie versuchte, die Beherrschung wiederzuerlangen, rutschte ich unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Sie fühlte sich hilflos. Ich konnte Sara Jane besser verstehen, als sie ahnte. Trent hatte schon viele Sekretärinnen verschlissen, sie war die letzte in einer langen Reihe.

Als Nerz hatte ich ihr Bewerbungsgespräch belauschen können, war aber nicht in der Lage gewesen, sie davor zu bewahren, von Trent mit seinen Halbwahrheiten umgarnt zu werden. Obwohl sie ziemlich intel igent war, hatte sie keine Chance gehabt, sich seinem Charme zu entziehen. Mit seinem hervorragenden Jobangebot hatte Trent ihrer Familie einen Fahrschein aus ihrem Dasein als mittel ose Pächter ermöglicht.

Trent Kalamack war tatsächlich ein großzügiger Arbeitgeber, der hohe Löhne zahlte und außergewöhnliche Vergünstigungen anbot. Er gab den Menschen das, was sie am dringendsten brauchten und verlangte dafür nur Loyalität. Und wenn Trents Angestel te merkten, wie weit diese Loyalität gehen sol te, hatten sie sich schon viel zu sehr in seinem Netz verstrickt. Dann gab es keinen Ausweg mehr.

Sara Jane war dem Leben auf dem Land entkommen, aber Trent hatte die Farm ihrer Eltern gekauft. Damit hatte er ein Druckmittel, um sie zum Schweigen zu zwingen, fal s sie herausfinden sol te, dass er mit der il egalen Droge Brimstone handelte, ebenso wie mit den verzweifelt benötigten Genmedikamenten, die seit dem Wandel geächtet waren. Ich hatte die Wahrheit herausgefunden und ihn beinahe festgenagelt, aber der einzige andere Zeuge war bei einer Autoexplosion getötet worden.

Die Öffentlichkeit schätzte Trent für seine uneigennützige Arbeit im Stadtrat. Aufgrund seines riesigen Vermögens und der großzügigen Spenden an wohltätige Organisationen und unterprivilegierte Kinder umgab ihn die Aura eines Unberührbaren. Doch sein Privatleben war vol kommen ungreifbar. Es war nicht einmal bekannt, ob er nun zu den Menschen oder zu den Inderlandern gehörte. Sogar Jenks konnte nichts erschnüffeln, was bei den ausgeprägten Sinnen eines Pixies sehr ungewöhnlich war. In al er Stil e beherrschte Trent einen großen Teil von Cincinnatis Unterwelt, und sowohl das FIB als auch die I. S. würden ihren Boss verkaufen, wenn sie dafür Kalamack vor Gericht schleifen könnten. Und nun war Sara Janes Freund verschwunden.

Ich räusperte mich und dachte daran, dass ich die Versuchung von Trents Offerten am eigenen Leib erfahren hatte. Als ich sah, dass Sara Jane sich wieder unter Kontrol e hatte, fragte ich: »Sie sagten, er arbeitet bei Piscarys?«

Sie nickte. »Ja, er ist ein Auslieferungsfahrer. Durch seinen Job haben wir uns auch kennengelernt.« Sie biss sich auf die Unterlippe und senkte die Lider.

Das Amulett leuchtete in einem beständigen Grün.

Piscarys war ein Inderlander-Restaurant, in dem man vom Gourmet-Käsekuchen bis zur Tomatensuppe al es bekommen konnte. Piscary selbst wurde nachgesagt, er sei einer von Cincinnatis Meistervampiren. Angeblich hatte er eine angenehme Persönlichkeit: Er beschränkte sich auf ein paar Fänge im Jahr, war ausgeglichen, und den Akten nach seit über dreihundert Jahren tot. Wahrscheinlich war er sogar noch älter, und auch die Charakterbeschreibung musste nicht unbedingt stimmen. Je netter und zivilisierter ein Vampir erschien, desto verkommener war er oder sie normalerweise.

Meine Mitbewohnerin sah ihn als netten Onkel -wirklich herzergreifend.

Ich gab Sara Jane noch ein Taschentuch, und sie bedankte sich mit einem gequälten Lächeln. »Ich könnte mir sein Apartment heute mal ansehen. Würden Sie mit dem Schlüssel dorthin kommen? Manchmal sieht ein Profi Dinge, die einem Laien entgehen.« Jenks schnaubte hämisch, woraufhin ich die Beine übereinanderschlug, wobei ich darauf achtete, so heftig gegen die Tischkante zu stoßen, dass er in die Luft katapultiert wurde.

Auf Sara Janes Gesicht zeigte sich Erleichterung. »Oh, Ms.

Morgan, ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken sol «, erklärte sie überschwänglich. »Wenn Sie wol en, fahre ich sofort zu seiner Wohnung. Ich muss nur meinen Arbeitgeber anrufen und ihm sagen, dass ich mich ein wenig verspäten werde.«

Sie griff nach ihrer Tasche, so euphorisch, dass man glauben konnte, sie werde gleich aus dem Raum fliegen.

»Mr. Kalamack hat mir die Erlaubnis gegeben, so lange in der Stadt zu bleiben, wie es nötig ist.«

Ich schielte zu Jenks hinüber, der durch lautes Flügelsurren versuchte, meine Aufmerksamkeit zu erregen. Auf seinem Gesicht erkannte ich diesen besorgten »Hab ich dir doch gleich gesagt«-Ausdruck. Wie nett von Trent, seiner Sekretärin Zeit für die Suche nach ihrem Freund zuzugestehen, wenn dieser wahrscheinlich längst in einem Wandschrank verstaut war und irgendwann als Druckmittel gegen sie eingesetzt werden würde.

»Wir können uns auch heute Abend treffen.« Gerade war mir der Fisch wieder eingefal en. »Ich muss vorher noch einiges überprüfen.« Und noch einige Zauber gegen Schlägertypen brauen, meine Splat-Pistole checken und die Kohle für den Koi eintreiben . .

»Natürlich.« Ihr Gesicht verdüsterte sich.

»Und wenn wir in der Wohnung nichts finden, gehen wir über zu Stufe zwei.« Ich versuchte aufmunternd zu lächeln.

»Wir treffen uns dann bei Dans Apartment. Um kurz nach acht?«

Sie bemerkte, dass ich das Gespräch beenden wol te, nickte und stand auf.

Jenks flitzte in die Luft, und ich erhob mich vom meinem Stuhl. »In Ordnung«, sagte sie. »Es ist draußen in Redwood. .«

Edden scharrte ungeduldig mit den Füßen. »Ich werde Ms.

Morgan den Weg erklären, Ms. Gradenko.«

»Natürlich, vielen Dank.« Ihr Lächeln wirkte auf einmal gestelzt. »Ich mache mir nur solche Sorgen. .«

Während ich in meiner Tasche nach einer Visitenkarte wühlte, ließ ich das Amulett unbemerkt verschwinden.

»Bitte verständigen Sie mich oder das FIB, fal s Sie in der Zwischenzeit etwas von Dan hören sol ten.« Ich überreichte ihr die Karte. Ivy hatte sie ganz professionel drucken lassen, und die Dinger machten wirklich was her.

»Ja, ist gut«, murmelte sie. Ihre Lippen bewegten sich, während sie die Aufschrift Vampirische Hexenkunst las. Als sie die Karte in ihre Tasche steckte, sah sie mir direkt in die Augen. Ich schüttelte ihre Hand und bemerkte, dass sie nun kräftiger zudrückte als bei der Begrüßung, aber ihre Finger waren immer noch kalt.

»Ich werde Sie nach draußen begleiten, Ms. Gradenko«, sagte Edden, während er die Tür öffnete. Er signalisierte mir zu warten, und ich ließ mich wieder in den Stuhl fal en.

Mit surrenden Flügeln kam mir Jenks wieder in die Quere.

»Mir gefäl t das ganz und gar nicht«, meinte er mit einem unnachgiebigen Blick.

In mir stieg Wut auf. »Sie hat nicht gelogen«, antwortete ich defensiv. Er stemmte die Hände in die Hüften, und ich musste ihn von der Tasse wegwedeln, um einen Schluck von dem lauwarmen Kaffee nehmen zu können. »Du kennst sie nicht, Jenks. Sie hasst Nagetiere, aber sie hat versucht, Jonathan davon abzuhalten, mich zu quälen. Das hätte sie den Job kosten können.«

»Sara Jane hatte nur Mitleid mit dir. Armer kleiner Nerz mit Gehirnerschütterung.«

»Sie hat mir einen Teil ihres Essens gegeben, als ich dieses eklige Trockenfutter nicht runterwürgen konnte.«

»In den Möhren waren Drogen, Rachel!«

»Aber das wusste sie doch nicht. Sara Jane hat auch gelitten.«

Der Pixie hing direkt vor meiner Nase und zwang mich, ihm direkt in die Augen zu sehen. »Das sage ich doch die ganze Zeit. Trent könnte sie ohne ihr Wissen ein zweites Mal benutzen, um an dich heranzukommen.«

Ich seufzte, und Jenks wurde von der leichten Brise weggeweht. »Sie ist eine Gefangene, und wenn ich es kann, werde ich ihr helfen.« Als Edden die Tür öffnete und sich in den Raum schob, schaute ich hoch. Er trug eine FIB-Mütze, die einen merkwürdigen Kontrast zu seinem weißen Hemd und der Khakihose bildete. Mit einer Geste deutete er mir an, dass wir uns auf den Weg machen sol ten.

Jenks flitzte auf meine Schulter und machte es sich da gemütlich. »Du und dein Helfersyndrom - das wird dich noch mal umbringen«, flüsterte er, als ich schon im Flur stand.

»Danke, Morgan«, sagte Edden, als er sich den Fischkanister schnappte und mich zum Empfang begleitete.

»Kein Problem.« Wir durchquerten die Büroräume des FIB.

Das geschäftige Treiben der Leute um mich herum sorgte dafür, dass sich meine Anspannung langsam löste. »Sie hat nur in einem Punkt gelogen - dass sie den Schlüssel nur wegen der Katze hätte. Aber das hätte ich Ihnen auch ohne Zauber sagen können. Ich werde Sie wissen lassen, was ich in Dans Apartment finde. Wie lange sind Sie erreichbar?«

»Oh«, rief Edden betont laut, als wir den Empfang durchschritten und uns auf den sonnenüberfluteten Bürgersteig zu bewegten. »Das ist nicht nötig, Ms. Morgan.

Vielen Dank für Ihre Hilfe, wir bleiben in Kontakt.«

Vol kommen überrascht blieb ich stehen. Eine Haarsträhne löste sich und berührte meine Schulter, als Jenks anfing, beunruhigt mit den Flügeln zu schlagen. »Was, zur Höl e, ist hier los?«, murmelte er.

Das Blut schoss mir ins Gesicht, als mir klar wurde, dass Edden mich loswerden wol te. »Ich bin nicht extra hierhergekommen, nur um ein lausiges Lügendetektoramulett einzusetzen.« Ich hatte das Gefühl, ein Blitz hätte mich getroffen. »Ich habe Ihnen versprochen, Trent kein Haar zu krümmen. Jetzt gehen Sie mir aus dem Weg und lassen Sie mich das machen, wofür ich bezahlt werde.«

Hinter uns verstummten die Gespräche. Edden schlenderte ohne mit der Wimper zu zucken zur Tür. »Es ist eine FIB-Angelegenheit, Ms. Morgan. Bitte, ich begleite Sie nach draußen.«

Ich blieb ihm dicht auf den Fersen. Die missbil igenden Blicke, die mir folgten, kratzten mich überhaupt nicht. »Das ist mein Fal , Edden.« Meine Stimme überschlug sich. »Ihre Leute werden al es versauen. Es geht hier um Inderlander, nicht um Menschen. Meinetwegen - ernten Sie den Ruhm, mir genügt das Geld.«

Und die Genugtuung, Trent im Gefängnis zu sehen, ergänzte ich lautlos.

Er öffnete die gläsernen Doppeltüren. Als ich ins Freie stiefelte, schlug mir die vom Asphalt aufsteigende Hitze entgegen. Edden winkte ein Taxi heran und verdrückte sich schnel wieder in den Schatten. »Sie haben mir diesen Fal angeboten, und ich habe ihn angenommen«, rief ich und zog mir ungeduldig eine Haarsträhne aus dem Mund, die der Wind mir ins Gesicht geblasen hatte. »Ich werde diesen Fal erledigen, und nicht ein stocksteifes, arrogantes, verweichlichtes Bürschchen mit einer FIB-Mütze, das sich für die größte Errungenschaft seit dem Wandel hält!«

»Na gut«, antwortete er so unbeschwert, dass ich verblüfft einen Schritt zurückwich. Während ich den Kanister auf dem Bürgersteig abstel te, stopfte sich Edden die FIB-Mütze in die Gesäßtasche. »Aber von diesem Moment an sind sie offiziell nicht mehr dabei.«

Langsam dämmerte mir, welche Nummer er hier abzog.

Offiziel war ich also gar nicht hier. Ich holte tief Luft und versuchte mich zu beruhigen. Edden nickte, als er sah, wie mein Zorn verrauchte. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Angelegenheit diskret behandeln würden. Es wäre nicht sonderlich klug, Glenn al ein zu Piscarys zu schicken.«

»Glenn!« Jenks schril e Stimme fuhr schneidend durch meinen Gehörgang und trieb mir die Tränen in die Augen.

»Nein«, lautete meine Antwort. »Ich habe bereits ein Team, und Detective Glenn gehört nicht dazu.«

Jenks hob ab und kam genau zwischen Edden und mir zum Stehen. Seine Flügel hatten sich knal rot verfärbt.

»Genau, wir spielen al ein!«

Edden runzelte die Stirn. »Das ist ein FIB-Fal . Wann immer möglich, sol te ein Beamter bei Ihnen sein, und Glenn ist der Einzige, der qualifiziert genug ist.«

»Qualifiziert?«, spottete Jenks. »Geben Sie doch zu, dass er der einzige Ihrer Beamten ist, der sich nicht vor Angst in die Hose macht, sobald er mit einer Hexe spricht.«

»Nein«, wiederholte ich entschieden. »Wir arbeiten al ein.«

Edden stand mit verschränkten Armen neben meinem Kanister. Seine massige Gestalt wirkte so unerschütterlich wie eine Betonmauer. »Er ist unser neuer Inderlander-Spezialist.

Mir ist klar, dass er wenig Erfahrung hat -«

»Er ist ein Vol arsch«, keifte Jenks.

Edden grinste kaum merklich. »Ich würde es ungeschliffen nennen.«

Ich verzog das Gesicht. »Glenn ist ein aufgeblasenes, arrogantes. .« Schäumend vor Wut suchte ich nach einer passenden Beleidigung. ». .FIB-Weichei, das keine zwei Minuten überleben würde, wenn es mit einem Inderlander zusammenstößt, der nicht so friedliebend ist wie ich.«

Jenks nickte zustimmend. »Dem Bürschchen sol te man mal eine Lektion erteilen.«

Edden lächelte. »Er ist mein Sohn. Und ich kann Ihnen nur zustimmen, Jenks.«

»Er ist was?« In diesem Moment hielt ein Zivilfahrzeug des FIB neben uns am Bordstein. Edden ging zum Wagen und öffnete die Hintertür. Er hatte eindeutig europäische Vorfahren. . aber Glenn? Ich suchte nach Worten, die nicht als rassistisch ausgelegt werden konnten. Als Hexe, also als Teil einer Minderheit, ist man da sehr vorsichtig. »Warum hat er dann einen anderen Nachnamen?«, brachte ich schließlich heraus.

»Seit er beim FIB eingestiegen ist, benutzt er den Mädchennamen seiner Mutter.« Die Stimme des Captains klang ungewöhnlich sanft. »Er sol te nicht mir unterstel t werden, aber es gab keinen anderen, der den Job machen wol te.«

Das erklärte einiges, zum Beispiel den unterkühlten Empfang beim FIB. Es hatte nicht nur an mir gelegen. Glenn war ein Neuling, und er übernahm einen Posten, den al e außer seinem Vater für reine Zeitverschwendung hielten.

»Ich werde das nicht machen«, sagte ich mit Nachdruck.

»Finden Sie jemand anderen, der für Ihren Sohn den Babysitter spielt.«

Edden stel te den Kanister auf den Rücksitz. »Seien Sie bitte nicht al zu hart zu ihm.«

»Sie hören mir nicht zu«, protestierte ich frustriert. »Sie haben mir diesen Fal gegeben. Meine Partner und ich schätzen Ihre Hilfsbereitschaft, aber Sie haben mich herbestel t. Also lassen Sie uns in Ruhe unseren Job machen.«

»Großartig«, meinte Edden und knal te die Hintertür zu.

»Vielen Dank, dass Sie Detective Glenn zu Piscarys mitnehmen.«

Jetzt hatte ich endgültig genug. »Edden!« Die Passanten warfen mir schon schräge Blicke zu. »Ich habe Nein gesagt!

Ein Wort, vier Buchstaben, Missverständnis ausgeschlossen: Nein!«

Edden öffnete die Vordertür und forderte mich auf, Platz zu nehmen. »Tausend Dank, Morgan.« Mit einem Blick auf den Rücksitz fragte er: »Ach, was ich noch wissen wol te, warum sind Sie eigentlich vor den Tiermenschen geflohen?«

Ich holte tief Luft. Verdammt.

Edden kicherte, als ich in den Wagen stieg, die Tür zuknal te, und dabei versuchte, seine Wurstfinger einzuklemmen. Wütend drehte ich mich zum Fahrer um. Es war Glenn, und er sah genauso glücklich aus, wie ich mich fühlte. Eine unangenehme Stil e breitete sich aus. Ich musste etwas sagen. »Sie sehen Ihrem Vater überhaupt nicht ähnlich«, stel te ich schnippisch fest.

Er blickte unbewegt durch die Windschutzscheibe. »Als er meine Mutter geheiratet hat, hat er mich adoptiert«, erklärte er widerwil ig.

Jenks fegte von der Decke herab, einen leuchtenden Strahl Pixiestaub hinter sich herziehend. »Du bist also Eddens Sohn?«

»Hast du ein Problem damit?«

Der Pixie landete auf dem Armaturenbrett und stemmte wieder einmal herausfordernd die Hände in die Hüften. »Nö, für mich sehen sowieso al e Menschen gleich aus.«

Edden beugte sich runter und schob sein rundes Gesicht in das geöffnete Fenster. Er grinste breit.

»Hier ist Ihr Stundenplan.« Er reichte mir einen gelben Zettel. »Montag, Mittwoch und Freitag. Glenn wird Ihnen die nötigen Bücher kaufen.«

»Moment mal.« Mir wurde ganz anders, als ich das knisternde Papier in den Fingern hielt. »Ich dachte, ich sol te in der Universität nur herumschnüffeln. Ich wil nicht in den Unterricht.«

»Es sind exakt die Kurse, die auch Mr. Smather besucht hat. Gehen Sie hin, oder es gibt kein Geld.«

Mir wurde klar, dass ihm die Situation eine diebische Freude bereitete. »Verdammt, Edden«, rief ich, während er auf den Bürgersteig zurücktrat.

»Glenn, bring Ms. Morgan und Jenks zu ihrem Büro. Und gib mir Bescheid, wenn du in Dan Smathers Apartment etwas gefunden hast.«

»Ja, Sir«, bel te er zurück. Waren wir hier in einem Trainingscamp der Army? Glenns Hände, die das Lenkrad hielten, waren total verkrampft, seine Handgelenke und der Nacken waren mit pinken Antial ergika-Pflastern übersät. Mir war es ziemlich egal, dass er einen Großteil des Gesprächs gehört hatte. Ich wol te ihn nicht dabeihaben, und je eher er das verstand, desto besser für ihn.

4

»Biegen Sie an der nächsten Ecke rechts ab.« Ich ließ den Arm aus dem offenen Fenster des FIB-Wagens hängen.

Glenn fuhr sich durch das kurz geschnittene Haar und kratzte sich den Kopf. Er hatte die ganze Zeit kein einziges Wort rausbekommen. Als er merkte, dass ich ihn nicht in ein Gespräch verwickeln wol te, hörte er zumindest auf, mit den Zähnen zu knirschen. Hinter uns war niemand, aber er setzte trotzdem den Blinker, als wir in meine Straße einbogen.

Durch seine Sonnenbril e hindurch inspizierte er die Häuser der Nachbarschaft, den schattigen Bürgersteig und die vereinzelten Rasenflächen. Wir befanden uns im Herzen der Hol ows. Sie waren seit dem Wandel der Rückzugsort für den Großteil von Cincinnatis Inderlandern. Damals flohen die überlebenden Menschen in die Stadt mit ihrer trügerischen Sicherheit. Zwar hatte es immer wieder Begegnungen und Freundschaften gegeben, aber seit dem Wandel arbeiteten und lebten die Menschen hauptsächlich in Cincinnati und die Inderlander arbeiteten und, äh, amüsierten sich in den Hol ows.

Wahrscheinlich überraschte es Glenn, dass dieser Vor-Orl genauso aussah wie jeder x-beliebige Außenbezirk -mal abgesehen von den bunten Kreiderunen, die den Gehweg zierten und dem Basketbal korb, der um ein Drittel höher hing als es die NBA-Vorschriften vorsahen. Auf den Straßen herrschte eine friedliche Atmosphäre. Ruhe.

Zum Teil ließ sich das auch auf die Inderlanderschulen zurückführen, in denen der Unterricht fast bis Mitternacht dauerte, aber größtenteils war der anerzogene Selbsterhaltungstrieb dafür verantwortlich.

Jeder Inderlander über vierzig hatte seine Kindheit damit verbracht, zu verbergen, dass er kein Mensch war. Die Angst der Gejagten, zu denen in diesem Fal selbst die Vampire gehörten, ließ sich nicht so schnel ablegen. So wurde hier freitags von unwil igen Teenagern der Rasen gemäht, samstags wurden pflichtbewusst die Autos gewaschen, und dienstags lag der Mül in geordneten Haufen an der Bordsteinkante. Aber wann immer die Stadtverwaltung die Straßenlaternen instand setzte, wurden sie kurze Zeit später entweder mit einer Pistole oder durch einen Zauber wieder außer Betrieb genommen. Und wenn ein streunender Hund vorbeilief, wurde nicht der Tierschutzverein gerufen, denn es konnte ja eventuel das Nachbarskind sein, das mal wieder die Schule schwänzte.

Die gefährliche Seite der Hol ows wurde stets sorgfältig verschleiert. Um den Sicherheit versprechenden Anschein von Normalität aufrechtzuerhalten, hatten die Menschen gewisse Grenzen gezogen. Wenn wir die zu weit überschritten, würden die alten Ängste wieder geweckt und die Menschen würden zum Angriff übergehen. Sie würden diesen Kampf zwar verlieren, aber die Inderlander schätzten das bestehende Kräfteverhältnis und wol ten es nicht in Gefahr bringen. Gäbe es weniger Menschen, würden sich die Vampire andere Opfer suchen, um ihr uraltes, drängendes Bedürfnis zu stil en. Dann wären die Hexen und Tiermenschen an der Reihe. Auch wenn es hier und da eine Hexe gab, die insgeheim den vampirischen Lebensstil

»genoss«, so hielten wir doch zusammen und versuchten die Vampire abzuwehren, wenn sie uns in Futter verwandeln wol ten. Die älteren Vampire wussten das und achteten deshalb darauf, dass al e nach den Regeln der Menschen spielten.

Glücklicherweise haben sich die brutaleren Inderlander inzwischen an den Rand der Hol ows verzogen und leben jetzt nicht mehr in unserer Nähe. Die Amüsiermeile entlang der beiden Flussufer ist besonders gefährlich, da die gut gelaunten menschlichen Nachtschwärmer die gefährlichen Inderlander anziehen wie ein Signalfeuer in einer kalten Nacht, wie ein Versprechen von Wärme und Leben. Hier ist das Jagdrevier der Vampire.

Heute unterscheiden sich unsere Häuser kaum von denen der Menschen. Inderlander, die sich zu weit von dem scheinbaren Lebensstil eines Mr. Mustermann entfernten, wurden durch eine ziemlich einzigartige Nachbarschaftsinitiative dazu gebracht, sich entweder anzupassen - oder aufs Land zu ziehen, wo sie keinen großen Schaden anrichten konnten.

Ich betrachtete das humorige Schild, das aus einem Fingerhutbeet ragte. TAGSCHLÄFER: HAUSIERER WERDEN

GEFRESSEN - ODER ZUMINDEST ANGEKNABBERT.

»Sie können da vorne rechts parken«, sagte ich und deutete mit dem Finger in die Richtung. Glenn zog die Augenbraue hoch. »Ich dachte, wir fahren zu Ihrem Büro.«

Jenks sauste von meinem Ohrring zum Rückspiegel. »Ganz genau«, spottete er.

Glenn kratzte sich die Bartstoppeln. »Sie führen Ihre Agentur von einem Wohnhaus aus?«

Sein herablassender Ton ging mir auf die Nerven. »So ungefähr. Parken sie einfach irgendwo hier.«

Er hielt vor Keasleys Haus, der in der Nachbarschaft als der

»weise Alte« bekannt war. Keasley verfügte sowohl über die medizinische Ausrüstung, als auch über das Know-how einer kleinen Notaufnahme und versorgte jeden, der sein Maul halten konnte. Gegenüber von seinem Haus befand sich eine kleine Kirche, deren Turm weit über zwei gigantische Eichen hinausragte. Sie stand auf mehreren Kraftzentren und hatte ihren eigenen Friedhof.

Die Idee, eine ausgediente Kirche zu mieten, kam von Ivy, nicht von mir. Ich musste mich eine Zeit lang daran gewöhnen, beim Blick aus den kleinen Buntglasfenstern meines Schlafzimmers auf Grabsteine zu schauen, aber die Küche entschädigte mich dafür, dass tote Menschen im Garten lagen.

Glenn stel te den Motor ab, und absolute Stil e breitete sich aus. Bevor ich aus dem Auto stieg, scannte ich die Vorgärten der Nachbarschaft. Diese Vorsichtsmaßnahme hatte ich mir vor nicht al zu langer Zeit angewöhnt, als ich noch auf der Abschussliste der I. S. stand. Es war sicherlich nicht unklug, sie beizubehalten. Wie so oft saß der alte Keasley auf seiner Veranda, wippte in seinem Schaukelstuhl und behielt die Straße im Auge. Ich winkte ihm zu, und er erwiderte den Gruß mit erhobener Hand. Fal s nötig, hätte er mich vor Gefahren gewarnt, aber da al es in Ordnung war, stieg ich aus und öffnete die Hintertür, um den Fischkanister zu holen.

»Ich mache das schon, Madam«, sagte Glenn und schlug die Fahrertür zu. Über das Autodach hinweg sah ich ihn genervt an. Das hier versprach anstrengend zu werden. »Vergiss die Madam, ich heiße Rachel.«

Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf einen Punkt hinter mir, und plötzlich wirkte sein Gesicht angespannt. Das Schlimmste erwartend, drehte ich mich um - und musste lachen. Eine kleine Traube Pixiekinder kam angeflogen und plapperte so schril und schnel , dass man kein Wort verstand. Sie hatten Papa Jenks vermisst - wie immer.

Meine schlechte Laune löste sich in Luft auf, als die um herflitzenden goldenen und grünen Silhouetten ihren Vater in einen farbenfrohen Alptraum einhül ten, der von Disney hätte stammen können. Glenn nahm die Sonnenbril e ab und betrachtete das Spektakel mit geweiteten Augen und aufgerissenem Mund.

Schließlich pfiff Jenks grel , und die Horde rückte ein wenig ab, sodass ich ihn direkt vor mir erkennen konnte. »Rachel, ich bin hinten im Garten, fal s du mich brauchst.«

»Al es klar.« Ich sah zu Glenn hinüber und flüsterte: »Ist Ivy zu Hause?«

Der Pixie folgte meinem Blick und grinste breit. Ohne Zweifel malte er sich mit höl ischer Vorfreude aus, was passieren würde, wenn Ivy und Captain Eddens Sohn aufeinandertrafen. Jax, Jenks ältester Sohn, flog zu uns herüber. »Nein, Ms. Morgan.« Da er gerade im Stimmbruch war, versuchte er besonders tief und männlich zu sprechen.

»Sie macht ein paar Besorgungen. Einkaufen, zur Post und zur Bank. Sie hat gesagt, dass sie bis fünf zurück ist.«

Zur Bank, dachte ich schuldbewusst. Sie sol te doch warten, bis ich den Rest der Miete zusammengekratzt hatte.

»Bis dann, Ms. Morgan«, schrie Jax und sauste zu seinen Geschwistern, die ihren Vater hinter die Kirche und bis zu dem Baumstumpf eskortierten, den Jenks mit seiner großen Familie bewohnte.

Ich unterdrückte eine bissige Bemerkung und schüttelte den Kopf, als Glenn um den Wagen herumging und mir anbot, den Kanister zu tragen. So schwer ist der auch nicht, dachte ich und warf ihn mir über die Schulter. Ich begann mich schuldig zu fühlen, dass ich Jenks erlaubt hatte, ihn anzupixen. Aber da konnte ich ja noch nicht wissen, dass ich für ihn den Babysitter spielen würde. »Komm doch mit rein«, sagte ich und ging über die Straße auf die ausladende Steintreppe zu.

Er blieb unvermittelt stehen. »Du lebst in einer Kirche?«

Ich runzelte die Stirn. »Ja, aber ich habe keine Voodoopuppen unter dem Kopfkissen.«

»Häh?«

»Vergiss es.«

Glenn murmelte etwas und verstärkte dadurch irgendwie mein Schuldgefühl. »Danke, dass du mich nach Hause gebracht hast.« Ich erklomm die Stufen und öffnete ihm den rechten Flügel der schweren Holztür. Als er nichts sagte, wiederholte ich: »Wirklich, vielen Dank.«

Zögerlich stand er auf der Türschwel e und starrte mich an.

Ich hatte keine Ahnung, was in seinem Kopf vorging. »Nichts zu danken«, meinte er schließlich unverbindlich.

Ich führte ihn durch das Foyer in den leeren Altarraum.

Bevor wir die Kirche übernahmen, hatte sie eine Kindertagesstätte der Gemeinde beherbergt. Man hatte die Bänke und den Altar entfernt, damit die Kids genügend Platz zum Spielen hatten. Die Buntglasfenster und das Podium am Ende des großen Raums waren die letzen Überbleibsel der kirchlichen Ausstattung. Der Schatten eines großen, schon lange verschol enen Kreuzes zeichnete sich an der Wand ab und erinnerte an den ursprünglichen Sinn und Zweck des Gebäudes. Während Glenns Blicke umherschweiften, legte ich den Kopf in den Nacken, schaute zur Decke hoch und gab mich dieser neuen Perspektive hin. Es war sehr stil . Ich hatte ganz vergessen, wie friedlich es hier war.

Ivy hatte fast den ganzen Raum mit Turnmatten ausgelegt und nur einen schmalen Gang vom Foyer zu den hinteren Zimmern frei gelassen. Wir trainierten mindestens einmal in der Woche Kampfsport, um fit zu bleiben, da wir ja nun beide unabhängig und nicht mehr jeden Abend im Einsatz waren. Nach jedem dieser Kämpfe war mein ganzer Körper mit Schrammen übersät, und ich schwitzte wie die Höl e, während Ivy völ ig entspannt dastand und nicht einmal außer Atem war.

Ivy war ein lebender Vampir - so lebendig wie ich selbst und im Besitz einer Seele. Sie wurde von ihrer damals noch lebenden Mutter mit dem Vampirvirus infiziert.

Al erdings musste sie nicht bis zum Ende ihres Lebens warten, bis das Virus aktiv wurde und sie veränderte. Bis zu ihrem Tod war Ivy zwischen der Welt der Lebenden und der der Toten gefangen, erst dann würde sie zu einer wahren Untoten werden. Als lebender Vampir besaß sie eine Seele und konnte sich im Tageslicht bewegen, ohne Schmerzen beten und - fal s sie es wol te - auf geweihter Erde leben, was sie nun vor al en Dingen deshalb tat, weil es ihre Mutter zur Weißglut brachte. Von der Welt der Toten kamen ihre kleinen, aber ungeheuer scharfen Eckzähne, die Fähigkeit ihre Opfer in einen Bann zu ziehen - was mir eine Höl enangst einjagte -, und die Macht, diejenigen, die es zuließen, zu beherrschen. Ihre überirdische Kraft und Schnel igkeit waren zwar noch nicht so stark ausgeprägt wie bei einem Untoten, aber meinen Fähigkeiten immer noch haushoch überlegen. Im Gegensatz zu den toten Vampiren brauchte Ivy kein Blut, um bei Verstand zu bleiben, aber sie hatte einen beunruhigend starken Hunger danach, den sie jedoch bekämpfte und unterdrückte, da sie zu den wenigen Vampiren gehörte, die dem Blut abgeschworen hatten. Sie hatte wahrscheinlich eine interessante Kindheit hinter sich, aber bis heute hatte ich nicht den Mut aufgebracht, sie danach zu fragen.

»Komm mit in die Küche«, wies ich Glenn an und passierte den steinernen, verzierten Türbogen, der zu den hinterem Räumen der Kirche führte. Als wir an meinem Badezimmer vorbeikamen, setzte ich die Sonnenbril e ab. Früher war es die Herrentoilette gewesen. Wir ersetzten das übliche Inventar durch eine Waschmaschine und einen Trockner, ein kleines Spülbecken und eine Dusche. Die ehemalige Damentoilette auf der anderen Seite des Flurs war in ein konventionel es Bad mit einer großen Badewanne verwandelt worden. Es gehörte Ivy. Getrennte Badezimmer machten das Zusammenleben deutlich einfacher.

Die Art, wie Glenn stumm zu urteilen schien, passte mir nicht, und ich schloss im Vorbeigehen die Türen von Ivys und meinem Schlafzimmer. Sie dienten früher als Arbeitszimmer für die Geistlichen. Glenn schlurfte mir nach, als ich in die Küche ging, und brauchte dann einen Moment, um al es in sich aufzunehmen. So ging es den meisten Leuten, die uns besuchten.

Die Küche war unglaublich geräumig, sie war einer der Gründe, warum ich al ein mit einem Vampir in eine Kirche gezogen war. Hier gab es zwei verschiedene Herde, einen riesigen Kühlschrank und eine monströse frei stehende Arbeitsplatte, über der ein Metal gestel mit glänzenden Kochutensilien und Töpfen hing. Der verchromte Stahl blendete einen förmlich, und man hatte mehr als genug Bewegungsfreiheit zum Arbeiten. Abgesehen von meinem Siamesischen Kampffisch, der in einem Kognakschwenker auf der Fensterbank schwamm und dem großen, uralten Tisch, auf dem Ivy ihren PC eingerichtet hatte, sah unsere Küche aus wie das Set einer Fernsehkochshow. Niemand hätte im Hinterzimmer einer Kirche so eine Ausstattung erwartet - es war der Traum einer jeden Hexe.

Ich stel te den Fischkanister auf dem Tisch ab. »Setz dich doch«, lud ich Glenn ein. Es wurde höchste Zeit, die Howlers anzurufen. »Ich bin gleich wieder da.« Ich zögerte und erinnerte mich an meine guten Manieren. »Möchtest du etwas trinken. . oder sonst etwas?«

Ich konnte nicht die kleinste Gefühlsregung an ihm erkennen. »Nein, Madam.« Seine steife Stimme triefte vor Sarkasmus. Ich hätte ihm am liebsten eine geknal t und ihm dann geraten, sich mal ein bisschen zu entspannen.

Mit seiner Einstel ung würde ich mich später beschäftigen.

Jetzt musste ich erst die Howlers anrufen.

»Jetzt setz dich schon hin«, drängte ich ihn, wobei ich es nicht ganz schaffte, meine Gereiztheit zu überspielen. »Ich bin gleich zurück.«

Das Wohnzimmer lag der Küche genau gegenüber, auf der anderen Seite des Flurs. Während ich in meiner Tasche nach der Telefonnummer der Howlers kramte, hörte ich die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter ab.

»Hey, Ray-Ray. Ich bin's«, ertönte Nicks mechanisch verzerrte Stimme. Ich warf einen kurzen Blick in den Flur und drehte dann die Lautstärke runter, damit Glenn nicht mithören konnte. »Ich hab sie bekommen. Rechts außen, dritte Reihe von hinten. Jetzt musst du nur noch dein Versprechen wahr machen und die Backstage-Pässe besorgen.« Nach einer Pause fuhr er fort: »Ich kann immer noch nicht glauben, dass du ihn kennst. Wir hören uns.«

Als die Nachricht endete, seufzte ich schwer. Ich hatte Takata vor vier Jahren kennengelernt. Er hatte mich während der Proben zu einem Sonnwendkonzert auf den Rängen entdeckt. Als mich ein dicker Tiermensch im Crew-T-Shirt abholte, dachte ich schon, ich würde rausge-schmissen, aber stattdessen begleitete er mich, während die Vorgruppe spielte, in den Backstage-Bereich.

Es stel te sich heraus, dass Takata mein gekräuseltes Haar gesehen hatte und wissen wol te, ob die Locken natürlich oder angezaubert waren, und ob es einen geeigneten Zauber gäbe, um eine so wilde Mähne zu bändigen. Ich war hin und weg von seinem Charisma, stotterte mir etwas zurecht und gab schließlich zu, dass es meine ganz normale Frisur war, wenn auch ein wenig aufpoliert. Danach gab ich ihm einen Zauber, den meine Mutter und ich während meiner gesamtem High-School-Zeit weiterentwickelt hatten, um das Chaos auf meinem Kopf im Zaum zu halten. Er lachte und rol te eineseiner blonden Dreadlocks auf, um mir zu beweisen, dass seine Haare noch unbändiger waren und bei der kleinsten statischen Ladung in al e Richtungen abstanden. Seit dieser Begegnung habe ich nie mehr versucht, mein Haar zu glatten.

Meine Freunde und ich schauten uns die Show vom Backstage-Bereich aus an, und danach lud mich Takata zu einer wilden Jagd durch die Straßen von Cincinnati ein, wobei wir die ganze Nacht versuchten, seinen Bodyguards das Leben schwer zu machen. Ich war mir sicher, dass er sich an mich erinnern würde, hatte aber überhaupt keine Ahnung, wie ich mit ihm in Kontakt kommen sol te. Ich konnte ihn ja schlecht einfach anrufen und sagen: »Erinnerst du dich an mich? Bei dem Sonnwendkonzert vor vier Jahren haben wir Kaffee getrunken und uns über das Zähmen widerspenstiger Locken unterhalten.«

Während ich weiter an dem Anrufbeantworter herumfingerte, musste ich grinsen. Für einen so alten Typen war er wirklich in Ordnung. Damals war für mich al erdings jeder über dreißig steinalt.

Bis auf Nicks Nachricht war das Band leer. Als ich das Telefon nahm und die Nummer der Howlers wählte, wurde ich plötzlich unruhig, und als das Freizeichen ertönte, spielte ich nervös mit meinem Shirt. Nach der Jagd mit den Tiermenschen wurde es höchste Zeit für eine Dusche.

Am anderen Ende der Leitung gab es ein Klicken und eine tiefe Stimme knurrte: »Ja. Sie sind bei den Howlers gelandet.«

»Coach«, rief ich, die Stimme des Tiermenschen erkennend, »ich habe gute Neuigkeiten.«

Es entstand eine kurze Pause. »Wer ist da? Woher haben Sie diese Nummer?«

»Hier spricht Rachel Morgan«, erklärte ich langsam, »von Vampirische Hexenkunst.«

»Wer von euch Idioten hat den Escortservice angerufen?

Ihr seid Starathleten, verdammt noch mal. Könnt ihr euch nicht selbst ein paar Puppen aufreißen? Müsst ihr euch unbedingt welche bestel en?«

»Moment mal«, sagte ich, bevor er auflegen konnte. »Ihr habt mich gebucht, damit ich euer Maskottchen wiederbeschaffe.«

»Oh!« Im Hintergrund waren Kriegsschreie zu hören.

»Stimmt.«

Ich stel te mir kurz vor, wie Ivy wohl auf den Vorschlag reagieren würde, unseren Firmennamen zu ändern. Da sie schon eintausend Hochglanz-Visitenkarten, eine ganzseitige Anzeige im Branchenbuch und die passenden Becher in Übergröße mit dem Namen in Gold bestel t hatte, wäre sie wohl wenig begeistert. Dann wohl nicht.

»Ich habe euren Fisch«, meinte ich und konzentrierte mich wieder auf das Gespräch. »Wann kann ihn jemand abholen?«

»Oh«, murmelte der Coach. »Hat man Sie nicht angerufen?«

Mir fiel die Kinnlade runter. »Nein.«

»Als das Aquarium gereinigt wurde, hat einer der Typen den Fisch in einen anderen Behälter gesetzt. Sie war gar nicht verschwunden.«

Sie? Der Fisch war ein Weibchen? Wie konnten die das denn erkennen?

letzt war ich wirklich sauer. Ich war vol kommen umsonst in das Büro eines Werwolfs eingebrochen. »Nein«, entgegnete ich eisig. »Man hat mich nicht angerufen.«

»Mmmm. Das tut mir leid. Trotzdem vielen Dank für Ihre Hilfe.«

»Hey! Einen Moment mal«, schrie ich. Der Typ wol te mich einfach abwimmeln. »Ich habe ganze drei Tage in die Planung investiert. Ich habe mein Leben riskiert!«

»Wir wissen das ja auch zu schätzen, aber. .«

Ich stampfte wütend durch den Raum und starrte durch die schulterhohen Fenster in den Garten hinaus. Auf den dahinter liegenden Grabsteinen spiegelte sich die Sonne.

»Das glaube ich aber nicht, Coach. Jetzt reden wir mal Klartext!«

»Aber sie war doch nie verschwunden.« Der ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Sie haben nicht unseren Fisch. Es tut mir leid.«

»Mit einer Entschuldigung kann ich die Tiermenschen nicht von meiner Fährte abbringen.« Wutschnaubend umkreiste ich den Kaffeetisch.

»Wie wäre es«, sagte er beschwichtigend, »wenn ich Ihnen einige Tickets für das bevorstehende Trainingsspiel schicke.«

»Tickets?« Diese Dreistigkeit verblüffte mich wirklich.

»Dafür, dass ich bei Mr. Ray eingebrochen bin?«

»Simon Ray?«, fragte der Coach ungläubig. »Sie sind in Simon Rays Büro eingebrochen? Verdammt, das ist eine starke Nummer. Na dann, auf Wiedersehen.«

»Nein, warten Sie«, schrie ich, hörte aber nur noch, wie der Hörer aufgelegt wurde. Ich starrte das summende Telefon an.

Wussten die denn nicht, wer ich war? Wussten sie nicht, dass ich sie verhexen konnte - ihre Schläger brechen lassen, und selbst die einfachsten Bäl e ins Aus schicken konnte?

Dachten die wirklich, ich würde einfach so dasitzen und gar nichts tun, wenn sie mir die Kohle für die Miete schuldeten?

Mit einem Gefühl der Hilflosigkeit ließ ich mich in Ivys grauen Ledersessel fal en. »Ja, genau«, flüsterte ich. Für Sprüche ohne direkten Kontakt benötigte man einen Zauberstab. Meine Col ege-Ausbildung umfasste keine Herstel ung von Stäben, nur Zaubertränke und Amulette. Es war eine äußerst schwierige Prozedur und ich hatte keine Erfahrung, geschweige denn ein Rezept. Wahrscheinlich wussten diese Kerle ziemlich genau, wer ich war.

Aus der Küche hörte ich das quietschende Geräusch eines Schuhs, der über das Linoleum glitt. Verdammt. Glenn hatte die ganze Sache mitangehört. Peinlich berührt erhob ich mich aus dem Sessel. Ich würde das Geld schon irgendwo auftreiben. Ich hatte noch fast eine ganze Woche.

Als ich in die Küche kam, drehte sich Glenn um. Er stand neben dem Kanister mit dem nun nutzlos gewordenen Fisch.

Viel eicht konnte ich den Koi verkaufen? Ich legte das Telefon neben Ivys Computer und ging zur Spüle rüber.

»Sie können sich ruhig hinsetzen, Detective Edden. Wir bleiben noch eine Weile hier.«

»Ich heiße Glenn«, erwiderte er steif. »Die FIB-Vorschrif-ten erlauben es nicht, dass Mitglieder einer Familie einander direkt unterstel t werden. Behalten Sie das also bitte für sich.

Und jetzt werden wir zu Mr. Smathers Apartment fahren.«

Ich konnte mir ein spöttisches Lachen nicht verkneifen.

»Dein Dad mag es, die Gesetze ganz individuel auszulegen, nicht wahr?«

Er runzelte die Stirn. »Ja, Madam.«

»Wir werden erst zu Dan Smathers Apartment fahren, wenn Sara Jane von der Arbeit kommt,«, stel e ich klar, schaltete dann aber einen Gang runter. Ich wol te meine Wut nicht an Glenn auslassen, er hatte mit dem Fisch-Dilemma nichts zu tun. »Hör mal, warum fährst du jetzt nicht nach Hause und holst mich dann um halb acht wieder ab?« Ich wol te vermeiden, dass Ivy ihn hier fand, während ich noch unter der Dusche war.

»Ich bleibe lieber.« Er kratzte an einem Striemen unter seiner Armbanduhr, der sich zartrosa verfärbt hatte.

»In Ordnung«, erwiderte ich missgelaunt. »Mach, was du wil st. Ich werde jetzt auf jeden Fal duschen.«

Offenbar befürchtete er, dass ich ohne ihn gehen würde

-womit er gar nicht so falsch lag. Ich lehnte mich aus dem Fenster über der Spüle und brül te in den üppigen pixiege-pflegten Garten hinaus: »Jenks!«

Der Pixie schoss durch das Loch im Fliegengitter. Es passierte so schnel , dass ich jede Wette eingegangen wäre, dass er wieder mal gelauscht hatte. »Sie verlangten nach mir, Prinzessin von und zu Mief?« Er landete direkt neben Mr.

Fish auf dem Fenstersims.

Ich warf ihm einen genervten Blick zu. »Würdest du Glenn den Garten zeigen, während ich dusche?«

Jenks Flügel begannen zu schwirren. »Klar doch«, antwortete er, und zog wachsam in weiten Kreisen um Glenns Kopf. »Ich werde den Babysitter spielen. Na komm, Kleiner. Du kriegst die Fünf-Dol ar-Tour. Wir fangen beim Friedhof an.«

»Jenks«, warnte ich ihn. Mit einem breiten Grinsen ließ er sein blondes Haar elegant über die Augen fal en.

»Hier entlang, Glenn.« Jenks sauste in den Flur hinaus, Glenn stapfte missmutig hinterher.

Ich hörte die Hintertür zufal en und lehnte mich aus dem Fenster.

»Jenks?«

»Was?« Der Pixie flitzte irritiert zum Fenster zurück, die Stirn in Falten gelegt.

Bedächtig verschränkte ich die Arme. »Bring mir bitte einige Königskerzenblätter und Stängel vom Orangeblütigen Springkraut, fal s du sie findest. Ach ja, und haben wir Löwenzahn, der noch nicht verblüht ist?«

»Löwenzahn?« Er war so überrascht, dass er fast abstürzte, fing sich aber in letzter Sekunde mit klappernden Flügeln.

»Wil st du auf einmal weich werden? Du machst ihm doch keinen Antijuckzauber, oder?«

Ich lehnte mich noch weiter aus dem Fenster und sah Glenn, wie er steif unter dem Eichenbaum stand und sich den Nacken kratzte. Er sah mitleiderregend aus. Jenks hatte schon recht, wenn er mich damit aufzog, dass ich eine Schwäche für Underdogs hatte. »Besorg einfach die Zutaten, okay?«

»Na klar. In seiner jetzigen Verfassung ist er ja auch zu nichts zu gebrauchen.«

Ich musste ein Lachen unterdrücken, während Jenks aus dem Fenster und zu Glenn hinüberflog. Als der Pixie auf seiner Schulter landete, machte Glenn vor Schreck einen kleine Luftsprung. »Hey, Glenn«, tönte Jenks lauthals. »Geh erst mal an den gelben Blumen hinter dem Steinengel vorbei. Ich wil dich den restlichen Kindern vorstel en, sie haben noch nie einen FIB-Beamten gesehen.«

Ich musste schmunzeln. Fal s Ivy früher nach Hause kommen würde, wäre Glenn bei Jenks in Sicherheit. Sie legte extrem großen Wert auf ihre Privatsphäre und hasste Überraschungen, besonders solche, die FIB-Uniforinen trugen. Die Tatsache, dass Glenn Eddens Sohn war, machte die Sache nicht einfacher. Sie war zwar bereit, einen alten Grol auf sich beruhen zu lassen, aber wenn sie ihr Territorium bedroht sah, handelte sie ohne zu zögern. Dabei schützte sie der einzigartige politische Status eines Vampirs, der auf den Tod wartete, sodass sie sich Sachen leisten konnte, für die ich sofort in einer I. S.-Zel e landen würde.

Als ich mich umdrehte, fiel mein Blick auf den Fisch. »Was mache ich bloß mit dir - Bob?«, seufzte ich. Ich würde ihn auf gar keinen Fal in Mr. Rays Büro zurückbringen, aber ich konnte ihn auch nicht länger in dem Kanister lassen. Mit einem lauten Knacken öffnete ich den Verschluss und sah die rasend schnel pulsierenden Kiemen. Er hatte schon ziemlich Schlagseite. Viel eicht sol te ich ihn in der Badewanne aussetzen?

Mit dem Kanister in der Hand eilte ich in Ivys Badezimmer.

»Wil kommen zu Hause, Bob«, murmelte ich und schüttete den Behälter in Ivys schwarze, luxuriöse Wanne aus. In dem gerade mal einen Zentimeter hohen Wasser schlug der Fisch hin und her. Blitzschnel drehte ich beide Hähne auf und versuchte verzweifelt die Mischung auf Raumtemperatur zu bringen. Nach einigen Minuten drehte Bob ruhig und würdevol e seine Runden. Ich drehte das Wasser ab und wartete, bis auch die letzten Tropfen aus dem Hahn geflossen waren und sich die Oberfläche beruhigt hatte. Es war ein wirklich schöner Fisch, der sich da scharf umrissen von dem schwarzen Porzel an abzeichnete: Silberne Schuppen, lange, cremefarbene Flossen und ein schwarzer Kreis auf einer Körperhälfte, der an einen abnehmenden Mond erinnerte. Mit den Fingerspitzen planschte ich im Wasser, und er raste zum anderen Ende der Wanne.

Danach ging ich über den Flur in mein Badezimmer, holte mir frische Klamotten aus dem Trockner und stieg in die Dusche. Während ich darauf wartete, dass das Wasser warm wurde, löste ich die kleinen Knötchen in meinen Haaren.

Dabei fiel mein Blick auf die drei reifenden Tomaten, die auf der Fensterbank standen. Ich zuckte zusammen. Gut, dass sie weit genug weg standen - Glenn hatte sie höchstwahrscheinlich nicht gesehen. Eine Pixiefrau hatte sie mir als Bezahlung gegeben, weil ich sie über den Fluss auf die andere Seite Cincinnatis brachte. Sie befand sich auf der Flucht vor einer Zwangsehe. Zwar waren Tomaten nicht mehr il egal, aber es zeugte von schlechtem Geschmack, sie beim Besuch eines Menschen offen zu zeigen. Vor über vierzig Jahre war ein Viertel der Weltbevölkerung durch ein vom Militär entwickeltes Virus getötet worden. Es verschwand aus einem der Versuchslabore und nistete sich einer genetisch veränderten Tomatensorte ein. Bevor die Verantwortlichen das Verschwinden des Virus bemerken konnten, waren die Tomaten schon auf dem Weg in die ganze Welt. Dank der internationalen Luftfahrt verbreitete sich das Virus auf der ganzen Welt - der Wandel begann.

Das künstlich hergestel te Virus wirkte sich auf die Inderlander unterschiedlich aus. Hexen, Untote und die kleineren Spezies wie Pixies und Fairys wurden, bis auf ganz wenige Ausnahmen, überhaupt nicht angegriffen.

Tiermenschen, lebende Vampire, Leprechauns und ähnliche Gattungen bekamen nur eine Grippe. Die Menschen starben in Scharen, wie auch die Elfen, die durch ihre Angewohnheit, ihre Bevölkerungszahl durch Kreuzung mit menschlichen Genen zu erhöhen, für das Virus empfänglich geworden waren.

Die USA wären, genau wie die Länder der Dritten Welt, ins Chaos gestürzt, hätten nicht die Inderlander geholfen, das Virus aufzuhalten. Sie verbrannten die Toten und achteten darauf, die Zivilisation aufrechtzuerhalten, bis die verbliebenen Menschen ihre Trauer hinter sich gelassen hatten. Das Geheimnis unserer Existenz wurde bedroht, als die Frage auftauchte, warum wir gegen das Virus immun waren. Ein charismatischer lebender Vampir namens Rynn Cormel wies schließlich darauf hin, dass die gesamte Inderrlanderpopulation ebenso groß war wie die Zahl der überlebenden Menschen. Man fasste einen Entschluss, der fast einstimmig akzeptiert wurde - wir outeten uns als Inderlander, um ganz offen unter den Menschen leben zu können, deren Lebensstil wir aus Sicherheitsgründen so lange nachgeahmt hatten.

Auf den Wandel, wie dieser Umbruch von nun an genannt wurde, folgten drei alptraumhafte Jahre. Die Menschen projizierten die Angst, die sie eigentlich vor uns hatten, auf die überlebenden Bioingenieure und verurteilten sie in Gerichtsverfahren, die eigentlich nur als Legitimation für Mord bezeichnet werden können, zum Tode. Sie gingen sogar noch weiter und verbannten al e genetisch manipulierten Produkte sowie die gesamte Biotechnologie.

Eine zweite, langsamere Todeswel e folgte, da die Medikamente zur Behandlung diverser Krankheiten von Alzheimer bis hin zu Krebs nicht länger verfügbar waren.

Tomaten wurden von den Menschen heute immer noch wie Gift behandelt, obwohl das Virus schon längst ausgerottet war. Fal s man sie nicht selbst im Garten anbaute, musste man sich auf die Suche nach einem Spezialitätengeschäft machen.

Mit einem Stirnrunzeln betrachtete ich die roten Früchte, an denen das Kondenswasser der Dusche abperlte. Es wäre viel eicht gar nicht dumm, sie mit in die Küche zu nehmen, um Glenns Reaktion zu testen. Das könnte eine gute Vorbereitung auf den Besuch bei Piscarys sein. Einen Menschen in ein Inderlander-Restaurant zu schicken, gehörte nicht unbedingt zu den bril antesten Ideen des FIB.

Wenn er sich danebenbenahm, würden wir nicht nur keine Informationen, sondern eventuel stattdessen Lokalverbot bekommen, oder Schlimmeres.

Ich prüfte die Temperatur des Wassers und schob mich mit einigen Schmerzenslauten unter den prasselnden Strahl.

Zwanzig Minuten später stand ich eingewickelt in ein großes, pinkes Badetuch vor der Frisierkommode aus Spanholz, auf der unzählige Parfümfläschchen ordentlich aufgereiht standen. Am Spiegel steckte noch das verschwommene Bild des Howler-Fischs. Er sah genauso aus wie Bob.

Die fröhlichen Schreie der Pixiekinder drangen durch das offene Fenster und besänftigten meine miese Laune. Nur wenige Pixies konnten es sich leisten, in der Stadt Kinder großzuziehen. Jenks hatte mehr Kampfgeist, als man auf den ersten Blick vermutete. Er hatte schon früher getötet, um seinen Garten zu verteidigen, damit seine Kinder nicht verhungern mussten. Es tat gut, ihre lauten, glücklichen Stimmen zu hören - der Klang vermittelte familiäre Geborgenheit.

»Welcher Duft war es noch gleich?« Mit den Fingern glitt ich über die Flakons und versuchte krampfhaft, mich zu erinnern, mit welchem Parfüm Ivy und ich gerade experimentierten. Wann immer sie ein neues Fläschchen fand, das ich ausprobieren sol te, tauchte es kommentarlos in der Sammlung auf.

Ich griff nach einem der Flakons und ließ ihn prompt fal en, als Jenks direkt neben meinem Ohr rief: »Das nicht!«

»Jenks!« Fuchsteufelswild presste ich das Handtuch an den Körper und drehte mich um. »Verschwinde gefäl igst aus meinem Zimmer!«

Als ich ihn mir schnappen wol te, wich er mir blitzschnel aus. Mit einem breiten Grinsen schaute er auf das Stück Bein, das unter dem Tuch hervorschaute. Lachend umkreiste er mich und landete schließlich auf einer Flasche. »Das hier hat sich bewährt«, meinte er. »Und übrigens brauchst du jede erdenkliche moralische Unterstützung, wenn du Ivy erzählst, dass du wieder hinter Trent her bist und ihn listnageln wil st.«

Mit einem mürrischen Grummeln schnappte ich mir das Parfüm. Jenks erhob sich mit einem schnel en Flügelschlag in die Luft, wobei der Pixiestaub vor den glitzernden Fläschchen wie ein Regenbogen aufleuchtete.

»Danke«, antwortete ich verdrießlich, wohl wissend, dass sein Geruchssinn meinem um Längen überlegen war. »Und jetzt verzieh dich. Nein, warte mal.« Er verharrte vor dem kleinen Buntglasfenster, und ich machte mir eine gedankliche Notiz, das Pixieloch im Fliegengitter abzukleben. »Wer bewacht Glenn?«

Jenks glühte förmlich vor elterlichem Stolz. »Jax. Sie sind im Garten. Glenn hat ein Gummiband und schießt für die Kinder Wildkirschkerne in die Luft, die sie dann fangen müssen, bevor sie den Boden erreichen.«

Ich war so überrascht, dass ich fast mein triefnasses Haar und die Tatsache, dass ich außer einem Badetuch nichts anhatte, vergessen hätte, und mir das ansehen gegangen wäre. »Er spielt mit deinen Kindern?«

»Ja, er ist gar nicht so übel - wenn man ihn erst mal näher kennt.« Jenks verdrückte sich durch das Pixieloch. »Ich schick ihn in ungefähr fünf Minuten rein, okay?«

»Lieber zehn«, korrigierte ich, aber er hatte sich schon aus dem Staub gemacht. Ich schloss das Fenster, verriegelte es und überprüfte die Vorhänge zweimal. Bei Jenks wusste man ja nie. Dann nahm ich das von ihm empfohlene Fläschchen und tupfte mir das Parfüm hinter die Ohren. Der Duft von Zimt breitete sich aus. Ivy und ich waren nun schon seit drei Monaten verzweifelt auf der Suche nach einem Aroma, das ihren Körpergeruch, der sich immer mit meinem vermischte, überdecken konnte. Dieses hier war noch eines der angenehmeren Sorte.

Vampire, egal, ob untote oder lebende, wurden von ihren Instinkten gesteuert, die durch Pheromone und Gerüche aktiviert wurden. Sie waren noch stärker dem Diktat ihrer Hormone unterworfen als ein Pubertierender. Vampire verströmten einen kaum wahrnehmbaren und extrem haftenden Geruch. Es war eine territoriale Markierung, die anderen Vampiren riet, sich besser fernzuhalten. Viel subtiler als das Revierverhalten der Hunde, stel te sie im Zusammenleben doch ein ständiges Problem dar, denn Ivys Geruch hing an mir. Sie hatte mir einmal erklärt, dass es ein biologischer Automatismus war, der die Lebenserwartung eines Schattens erheblich verlängerte, da er andere Vamps vom Wildern abhielt. Ich war zwar nicht ihr Schatten, aber trotzdem hatten wir das Problem. Kurz gesagt, bedeutete es, dass die Vermischung unserer natürlichen Körpergerüche wie ein Blutaphrodisiakum wirkte. Egal, ob Ivy praktizierte oder nicht, es stel te für sie immer eine Versuchung dar, die es ihr erschwerte, ihre Instinkte zu unterdrücken.

Die Frage, warum ich immer noch bei ihr blieb, hatte zu dem einzigen großen Streit geführt, den Nick und ich bisher gehabt hatten. Sie war eine ständige Bedrohung für meinen freien Wil en, und Nick verstand nicht, warum ich das Risiko einging, dass Ivy viel eicht in irgendeiner Nacht den Schwur der Blutabstinenz brechen und ich sie dann nicht abwehren könnte. Doch ich war einfach stolz darauf, dass sie mich als ihre Freundin betrachtete. Die Tatsache, dass sie mir gegenüber den eisernen Griff, mit dem sie ihre Gefühle unter Verschluss hielt, lockerte und mich an sich heranließ, war überwältigend. Sie war der beste Runner, den ich je gesehen hatte, und mir schmeichelte es, dass sie eine vielversprechende Karriere bei der LS. aufgegeben hatte, um mit mir zusammenzuarbeiten - und mir hin und wieder den Arsch zu retten.

Ivy war besitzergreifend, dominant und unberechenbar. Sie hatte aber auch den stärksten Wil en, den ich je bei einem Menschen oder Inderlander gesehen hatte. Sie führte einen Kampf gegen sich selbst, in dem ein Sieg den Verlust eines Lebens nach dem Tod bedeutete. Und sie war bereit zu töten, um mich, ihre Freundin, zu beschützen. Mein Gott, wie sol te man so ein Wesen verlassen?

Abgesehen von der Zeit, die wir al ein verbrachten und in der sie sich vor Diskriminierung sicher fühlen konnte, gab sie sich cool und unnahbar oder verfiel in die klassische Vampirrol e vol sexuel er Dominanz. Ich hatte entdeckt, dass sie sich so von ihren Gefühlen abkapseln konnte. Sie hatte Angst vor ihrer weichen Seite, denn wenn diese überhandnahm, lief sie Gefahr, die Kontrol e zu verlieren. Ivy hatte sich in gewisser Weise mit mir verbunden, lebte durch mich, um ihre mentale Stabilität zu gewährleisten.

Gemeinsam mit mir stolperte sie durchs Leben und genoss den Enthusiasmus, mit dem ich al es durchzog - vom Kauf reduzierter roter Highheels bis zum Lernen eines Spruchs, mit dem ich die bösen Jungens von den Beinen holen konnte. Als meine Finger über den Flakons schwebten, die sie mir gekauft hatte, stel te ich mir die Frage, ob Nick viel eicht doch recht hatte und unsere Beziehung in Regionen abgleiten könnte, die ich nicht betreten wol te.

Ich zog mich schnel an und ging zurück in die leere Küche. Die Uhr über dem Spülbecken verriet mir, dass es kurz vor vier war. Ich hatte noch jede Menge Zeit, um für Glenn einen Zauber zu brauen, bevor wir losmussten.

Ich zog eines meiner Zauberbücher unter der Arbeitsplatte hervor und setzte mich auf meinen Platz an Ivys antikem Küchentisch. Vol er Zufriedenheit öffnete ich den vergilbten Wälzer. Der durch das Fenster hereinströmende frische Luftzug prophezeite eine kalte Nacht. Ich liebte es einfach, hier in meiner Traumküche zu arbeiten, umgeben von geheiligtem Boden mit seinem Schutz vor unliebsamen Eindringlingen.

Der Antijuckzauber war leicht zu finden, denn die von alten Flecken übersäte Seite war umgeknickt. Ich ließ das Buch offen und stand auf, um mir den kleinsten Kupferkessel und die Porzel anlöffel zu holen. Es kam nicht oft vor, dass ein Mensch ein Amulett tragen wol te. Aber wenn Glenn mir bei der Zubereitung zuschauen konnte, würde er sich viel eicht dazu überwinden. Sein Vater hatte einmal ein Schmerzamulett von mir angenommen.

Ich fül te gerade das Quel wasser in den Messzylinder, als ich am Hintereingang das Geräusch von schlurfenden Schuhen hörte. »Hal o? Ms. Morgan?«, rief Glenn, als er klopfte und dann die Tür öffnete. »Jenks hat mir gesagt, dass ich reinkommen kann.«

Ich starrte konzentriert auf die Skala des Zylinders. »Ja, in die Küche«, erwiderte ich.

Glenn schlich nervös durch die Tür. Er betrachtete verblüfft mein frisches Outfit, wobei seine Augen von den pinken Plüschpantoffeln über die schwarzen Nylons und den dazu passenden Minirock bis zur roten Bluse und der schwarzen Schleife wanderten, die mein nasses Haar zusammenhielt. Ich wol te bei dem abendlichen Treffen mit Sara Jane natürlich einen guten Eindruck machen.

Glenn hielt ein Bündel Königskerzenblätter, ein paar Stängel des Orangeblütigen Springkrauts und Löwenzahnblüten in seinen Händen. Er sah ziemlich verlegen aus. »Jenks, ah, der Pixie hat gesagt, dass sie das hier haben wol ten, Madam.«

Mit einem Nicken deutete ich in Richtung der Arbeitsplatte. »Danke, du kannst die Zutaten da drauf legen.

Und jetzt setz dich hin.«

Hastig stelzte er durch den Raum und legte das Grünzeug ab. Nach einem kurzen Zögern zog er Ivys geheiligten Stuhl unter dem Tisch hervor und machte es sich darauf bequem.

Er hatte seine Jacke ausgezogen, und sein nun deutlich sichtbares Pistolenhalfter wirkte bedrohlich. Al erdings hatte er die Krawatte gelockert und den obersten Knopf seines gestärkten Hemds geöffnet, aus dem ein paar schwarze Brusthaare hervorlugten.

»Wo ist deine Jacke?«, fragte ich vorsichtig, um herauszufinden, in welcher Stimmung er sich befand.

»Die Kids. .« Er zögerte. »Die Pixiekinder benutzen sie als Fort. Sie spielen Cowboy und Indianer.«

»Oh.« Um mein Lächeln zu verbergen, durchstöberte ich das Gewürzregal nach einer Phiole Schöl krautsirup. Jenks Fähigkeit, einem den letzten Nerv zu rauben, war umgekehrt proportional zu seiner Körpergröße. Das Gleiche galt für seine Verlässlichkeit in Freundschaften. Offensichtlich hatte Glenn Jenks' Vertrauen gewonnen. Wer hätte das gedacht?

Beruhigt darüber, dass seine Knarre mich nicht einschüchtern sol te, gab ich einen Schuss Schöl kraut in die Mischung und wischte dann den Porzel anlöffel gründlich ab, um auch den letzten Rest des klebrigen Flüssigkeit loszuwerden. Auf einmal breitete sich eine drückende Stil e aus, die durch das dumpfe Geräusch des sich entzündenden Gases noch verstärkt zu werden schien. Als bei einer Handbewegung die hölzernen Amulette an meinem Armband leise klapperten, konnte ich förmlich spüren, wie sich sein Blick darauf heftete. Das Kruzifix sprach für sich, aber wenn er den Sinn und Zweck der anderen Anhänger erfahren wol te, musste er mich schon fragen. Ich besaß nur noch drei armselige Amulette - die anderen waren verbrannt, als Trent den Zeugen, der sie trug, mit einer Autobombe tötete.

Das Gebräu auf dem Dreifuß begann zu kochen und Glenn hatte immer noch kein Wort über die Lippen gebracht.

»So-o-o-o«, sagte ich gedehnt. »Bist du schon lange beim FIB?«

»Ja, Madam.« Das war ja eine tol e Antwort: kurz, zurückhaltend und herablassend.

»Hör endlich mit dem Madam-Scheiß auf! Nenn mich einfach Rachel.«

»Ja, Madam.«

Oh Mann, dachte ich. Das konnte ja noch ein lustiger Abend werden.

Genervt schnappte ich mir die Königskerzenblätter. Ich stopfte das Gewächs in den von grünen Schlieren durchzogenen Mörser, zerdrückte es mit al er Kraft und warf es anschließend in das Gebräu. Dann wartete ich einen Moment lang, damit der Brei die Creme aufsaugen konnte.

Warum quäle ich mich hier eigentlich ab, um ihm einen Zauber zu machen? Er wird ihn doch sowieso nicht anwenden.

Das Gebräu hatte nun den Siedepunkt erreicht, und ich drehte die Flamme runter, um es noch weitere drei Minuten ziehen zu lassen. Ich stel te meinen heiß geliebten kuhförmigen Timer ein. Als ich mich mit dem Rücken an die Ecke der Arbeitsplatte lehnte, beobachtete mich Glenn ruhig und mit vorsichtigem Misstrauen. »Ich braue dir gerade etwas gegen den Juckreiz. Ich weiß zwar nicht warum, aber du tust mir leid.«

Sein Gesicht wurde hart. »Captain Edden hat mir den Befehl gegeben, dich mitzunehmen. Ich brauche deine Hilfe nicht.«

Wütend holte ich Luft, um ihm zu sagen, dass er mir mal den Besenstiel runterrutschen könne, aber dann hielt ich lieber die Klappe. »Ich brauche deine Hilfe nicht« war bis vor Kurzem auch mein Mantra gewesen. Aber Freunde machten das Leben doch wesentlich einfacher. Gedankenverloren zog ich die Augenbrauen hoch. Was hatte Jenks damals angestel t, um mich eines Besseren zu belehren? Oh, ja.

Geflucht und mir gezeigt, wie dumm ich war.

»Wenn es nach mir geht, kannst du dich wandeln.« In meiner Stimme klang unterschwel iger Hohn mit. »Aber Jenks hat dich angepixt und mir erzählt, dass du darauf sehr empfindlich reagierst. Der Staub breitet sich über dein Lymphsystem im ganzen Körper aus. Wil st du dich etwa eine Woche lang kratzen? Nur weil du zu stur bist, um einen lächerlichen Zauber anzunehmen? Das hier ist Kinderkram!«

Ich schnipste mit einem Fingernagel gegen den Kupferkessel.

»Nichts anderes als eine Aspirin, und genauso bil ig.«

Natürlich kostete das Amulett erheblich mehr, aber Glenn würde es sicherlich nicht annehmen, wenn er wüsste, wie viel man dafür in einem Zauberladen hinblättern musste, immerhin war es ein medizinischer Zauber der Stufe zwei.

Eigentlich hätte ich für die Herstel ung einen magischen Kreis schließen müssen, aber dazu muss man in Kontakt mit dem Jenseits treten. Und wenn Glenn mich unter dem Einfluss einer Kraftlinie erlebt hätte, wäre er sicherlich total ausgeflippt.

Der Detective wich meinem Blick aus, und sein Bein zuckte seltsam. Wahrscheinlich wol te er sich nicht durch die Hose kratzen und hampelte deswegen so rum. Der Timer klingelte, oder besser gesagt muhte, und ich machte mich wieder an die Arbeit, sodass er noch ein wenig Zeit hatte, sich zu entscheiden. Ich fügte das Orangeblütige Springkraut und den Löwenzahn hinzu und zerquetschte sie an der Kesselwand, während ich im Uhrzeigersinn - niemals dagegen! - rührte. Schließlich war ich eine weiße Hexe, und das sol te auch so bleiben.

Glenn gab al e Bemühungen auf, den Juckreiz zu verstecken und rubbelte seinen Arm durch den Hemdsärmel hindurch. »Wird jemand merken, dass ich mit einem Zauber in Kontakt gekommen bin?«

»Nur wenn jemand dich darauf überprüft.«

Ich war ein wenig enttäuscht. Er hatte Angst davor zuzugeben, dass er Magie benutzte, ein weit verbreitetes Verhalten. Wenn ich mich al erdings an meine erste und einzige Aspirinerfahrung zurückerinnerte, spürte ich immer noch Widerwil en. Lieber Schmerzen, als noch mal so ein Ding runterwürgen. Ich sol te also wohl besser stil sein.

»In Ordnung«, stimmte er schließlich zögernd zu.

»Al es klar.« Ich gab die kanadische Gelbwurz hinzu und drehte die Flamme wieder hoch. Als der Schaum eine gelbe Färbung angenommen hatte und das Gebräu nach Kampfer roch, schaltete ich den Brenner ab. Fast fertig.

Dieser Zauber ergab die üblichen sieben Portionen, und ich fragte mich, ob Glenn darauf bestehen würde, dass ich eine davon in einem Selbstversuch verschwendete, um ihm zu beweisen, dass ich ihn nicht in eine Kröte verwandeln wol te. Was viel eicht gar keine so schlechte Idee war. Ich könnte ihn dann zum Schutz der Hostapflanzen einsetzen, quasi als Krötenpolizei gegen Nacktschnecken. Edden würde ihn bestimmt erst nach einer Woche vermissen.

Glenn betrachtete mich wie hypnotisiert, als ich sieben saubere Rotholzscheiben von der Größe eines Fünfcentstücks aus einer Schublade zog. Ich breitete sie sorgfältig auf der Arbeitsplatte aus, damit er sie auch genau betrachten konnte. »Ich bin gleich fertig«, sagte ich gespielt munter.

»Das ist al es?« Er wirkte erstaunt.

»Das ist al es.«

»Keine brennenden Kerzen, magische Kreise oder Beschwörungsformeln?«

Ich schüttelte den Kopf. »Was du meinst, ist Kraftlinienmagie, und es sind auch keine Beschwörungsformeln, sondern ganz einfaches Latein.

Kraftlinienhexen ziehen ihre Energie direkt aus der Ader und brauchen eine Zeremonie, um sie zu kontrol ieren. Ich hingegen bin eine Erdhexe.« Glücklicherweise. »Meine Magie entspringt auch einer Kraftlinie, wird aber durch die Pflanzen, die ich benutze, natürlich gefiltert. Wenn ich die schwarzen Künste praktizieren würde, müsste ich Tiere anstel e von Pflanzen töten.«

Ich kam mir vor wie bei meiner Abschlussprüfung im Labor, und wühlte in der Besteckschublade nach einem Fingerstick. Der kurze Schmerz der Klinge an meiner Fingerkuppe war kaum spürbar. Ich massierte die erforderlichen drei Tropfen in den Trank. Der schwere Duft von Rotholz durchdrang meine Sinne und legte sich über den Geruch des Kampfers. Ich hatte al es richtig gemacht.

Nicht, dass ich daran gezweifelt hätte.

»Du hast da Blut reingeträufelt!« Durch seinen angewiderten Ton irritiert, schaute ich hoch.

»Natürlich, wie hätte ich es denn sonst beschleunigen sol en? Einfach in den Ofen stel en und backen?« Mit hochgezogenen Augenbrauen schob ich mir eine lose Haarsträhne hinters Ohr. »Jede Form der Magie verlangt einen Preis, der durch Tod in irgendeiner Form bezahlt werden muss, Detective. Bei der weißen Erdmagie bezahlt man diesen Preis mit dem eigenen Blut und dem Tod der Pflanzen. Wenn ich hingegen einen schwarzen Zauber brauen wol te, der dich umhaut, dein Blut in Teer verwandelt oder dir auch nur einen schlimmen Schluckauf beschert, müsste ich einige widerliche Zutaten verwenden, unter anderem Teile von Tieren. Die dunkelste Form der schwarzen Magie verlangt nicht nur mein Blut, sondern auch ein Tieropfer.« Oder Inderlander oder Menschen.

Das hatte härter geklungen, als ich es eigentlich gewol t hatte. Mich wieder auf die Arbeit konzentrierend, senkte ich den Blick, portionierte die exakte Dosis für jeden Zauber und ließ die Flüssigkeit in die Rotholzscheiben einziehen. Den Großteil meiner Zeit bei der I. S. hatte ich damit verbracht, Hexen einzukassieren, die graue Zauber anwandten - sie nahmen einen weißen Zauber, wie zum Beispiel einen Schlafzauber, und verwandelten ihn in etwas Schädliches -, aber ich konnte auch einige Abtrünnige festnageln, die schwarze Magie praktizierten. Sie waren fast al e Kraftlinienhexen, wohl da al ein die ekligen Zutaten eines schwarzen Zaubers jede Erdhexe von einem Übertritt abhielten. Molchesaug' und Unkenzehe? Nein danke. Einem lebenden Tier das Blut aus der Milz extrahieren und dabei das Quieken aus einem Maul ohne Zunge hören, während es den letzten Atemzug in den Äther haucht? Nun wirklich nicht!

»Ich würde niemals einen schwarzen Zauber brauen.«