10.
Die Maschine landete um 10.35 Uhr. Eine Viertelstunde später war ich Raumadmiral. Die anwesenden Offiziere gratulierten; die beiden Obersten warfen sich resignierende Blicke zu. Ich erhielt einen goldenen Stern über dem Kometensymbol. Sonst änderte sich an der Uniform nichts.
Die Männer vom Space-Department hielten sich über Mittag im Werk auf. Anschließend flogen sie zurück. Es war keiner dabei gewesen, der über meine wahre Aufgabe auch nur annähernd informiert war.
Da ich nicht anders konnte, mußte ich über die große Rundrufanlage des Werkes eine kurze Erklärung abgeben und mich für die Glückwünsche bedanken. Die noch auf vollen Touren laufende Röntgenuntersuchung bot den besten Grund, um eine kleine Gesellschaft herumzukommen. Das Geschwätz hätte mir gerade noch gefehlt.
Die Männer aus dem GWA-Hauptquartier ließen auf sich warten. Meine Gedanken kreisten ständig um Myrl Swizer. Ich ahnte Komplikationen.
Immer ungeduldiger werdend, beschloß ich einen Besuch in der Klinik. Hannibal flog mich hinüber. Als wir mit dem Schrauber auf dem Dach landeten, drängten sich unten die unfreiwilligen Gäste des Krankenhauses. Sie verschwanden schubweise in den Eingängen, um auf der anderen Seite mit dem Impfstoff im Blut wieder herauszukommen.
Ich inspizierte kurz den großen Saal mit den Robotstationen. Die Geräte arbeiteten sehr schnell. Männer mit entblößten Oberkörpern standen reihenweise vor den Einlaßkörben. Die Frauenstation war im Nebenflügel eingerichtet.
Doc Presped schüttelte nur den Kopf, als ich nach dem Ergebnis fragte. Also waren keine Nachahmungen entdeckt worden.
»Gib die Hoffnung auf!« sagte der Kleine, als wir durch den Verbindungsgang zur Frauenklinik schritten. »Die Dinger haben den Braten gerochen. Ich bin neugierig, wie viele sich heute nicht gemeldet haben. TS-19 wird gegen abend kommen.«
Dr. Gundry Ponjares lag in einem Einzelzimmer. Die Infektionsgefahr war schon beseitigt, so daß sie sich nicht mehr auf der Isolierstation aufzuhalten brauchte. Die anderen Infizierten waren längst auf dem Wege der Besserung. Unser Gegenmittel hatte die mutierten Erreger fast auf der Stelle abgetötet, jetzt mußten die Geheilten wieder auf ihr normales Gewicht gebracht werden. Auf alle Fälle waren sie Rekonvaleszenten.
Eine Schwester zeigte uns das Zimmer. Zögernd blieb ich vor der Tür stehen.
Der Zwerg begann unverschämt zu grinsen. Dann erlaubte er sich die Bemerkung:
»Dein Schlips sitzt genau in der Mitte, dein Hemd ist sauber, der goldene Stern ist nicht zu übersehen und rasiert bist du auch. Zusammen mit deinem markanten Gesicht, den grauen Schläfen und der tollen Figur bist du nahezu unwiderstehlich. Ha!«
Der Kleine verspritzte genießerisch sein Gift. Außerdem hatte er meine geheimsten Gefühle erraten. Hannibal war ein viel besserer Psychologe, als ich bisher angenommen hatte.
»Du bleibst hier, Wache schieben!« ordnete ich gereizt an. »Mein Besuch ist rein dienstlich, klar!«
»Der Befehl muß verweigert werden, Großer«, erklärte er achselzuckend. »Ich bin verpflichtet, auf dich aufzupassen. Wenn sie doch ein ›Ding‹ ist, wie leicht kann sie dich dann in eine Spirale verwandeln. In den Armen eines halben Roboters bist du nicht mehr als ein Kaugummi im Munde eines Menschen. Da sie aber einen so schönen Blinddarm hatte, will ich dir versprechen, sie nicht mit einem Explosivgeschoß zu begrüßen. Okay?«
Meine zornigen Bücke störten ihn überhaupt nicht. Dann klopfte ich vorsichtig an die Tür, nahm die Mütze unter den Arm und betrat ihr Zimmer.
Sie hatte die Klimaanlage auf kühl geschaltet. Der Duft der Rosenstöcke überlagerte den Krankenhausgeruch.
Sie lächelte nur. Ich näherte mich zögernd dem niedrigen Bett, das mit einer durch Preßluft lüftbaren Schaumplastikmatratze ausgestattet war. Nach einem verlegenen Räuspern, wünschte ich ihr: »Guten Tag.«
Sie lächelte immer noch, weniger mit dem Mund als mit den eindrucksvollen Augen.
»Bitte nehmen Sie doch Platz«, sagte sie sanft. »Ich freue mich, daß man Sie befördert hat, Sir. Sie haben schnell und sicher gehandelt.«
»Danke«, entgegnete ich linkisch und reichte Hannibal meine Mütze. Er betrachtete sie etwas verblüfft, bis er sich auf die Aufgaben eines Untergebenen besann und das goldbestickte Zeichen meiner neuen Admiralswürde zur Ablage brachte.
»Ich wollte nur einmal nach Ihnen sehen«, erklärte ich ungeschickt. »Doktor Presped sagte mir soeben, daß Sie zu allem Unglück auch noch eine Blinddarmoperation, zu überstehen hatten. Es tut mir leid. Wie fühlen Sie sich denn?«
Sie dankte mit wenigen Worten, und half mir feinfühlig darüber hinweg, nach einem Gesprächsstoff zu suchen. Herzhaft amüsierte sie sich über Hannibals salonfähige Scherze. Seit Tagen fühlte ich mich wieder einmal wohl. Den Gedanken, daß sie doch ein ›Ding‹ sein könnte, verdrängte ich immer tiefer in mein Unterbewußtsein.
Das Gespräch ging in ausgesprochen private Bahnen über. Ich fragte beiläufig nach ihrem Werdegang, und so erfuhr ich auch die Erbschaftsangelegenheit. Sie machte keinen Hehl aus ihrem ehemaligen Verhältnis zu dem Friscoer Großindustriellen. Ihr Hobby wäre schon immer Psychologie gewesen.
Sie fragte mich auch, warum ich immer behauptete, mein Raumkoller wäre kein Koller gewesen, sondern nur eine vorübergehende Schwäche und versuchte mir schonend beizubringen, daß ich diesem selbstsuggestiven Gedanken nicht länger nachgehen sollte. Ich wäre und bliebe raumuntauglich.
Hannibal staunte mir noch. Die Frau war nicht nur faszinierend, sondern auch hochintelligent. Sie kam auf die psychologische Auswertung, die von unserem Robotgehirn errechnet worden war.
Ich gab ihr gegenüber freimütig zu, daß ich mit dieser Stellung in keiner Weise zufrieden wäre. Sie riet mir, vorläufig noch abzuwarten und dann ein Versetzungsgesuch einzureichen, das mich vielleicht zu einem Außenposten auf dem Mond bringen könnte.
Sie akzeptierte auch meine Freundschaft zu Hannibal als völlig natürlich. Dazu meinte sie, daß Männer mit dem gleichen Schicksal und mit den gleichen Sorgen und Wünschen immer freundschaftlich zueinander fänden.
Das Gespräch gab mir privat sehr viel, rein dienstlich jedoch überhaupt nichts. Ihre Reaktionen und Erklärungen auf mein verkapptes Verhör waren völlig normal für eine kluge Frau, die obendrein noch etwas von ihrem Fachgebiet verstand.
Ihre Ratschläge entbehrten eines jeden Doppelsinns. Sie waren eindeutig freundschaftlich gemeint. Ich sagte mir, daß es nicht im Interesse eines ›Etwas‹ liegen könnte, mir ein sauberes dienstliches Verhalten im Sweet-Water-Werk zu empfehlen, damit ich diese Referenz bei einem Versetzungsgesuch anführen könnte. Das war – ganz im Gegenteil – klug und entgegenkommend gedacht. Ich kam in ihrem Fall auf keinen Nenner. Längst hätte ich sie als menschlich eingestuft, wenn mir nicht immer wieder die Bedenken des Alten eingefallen wären.
Nach dem Sinn ihrer lange zurückliegenden Industrieaufträge wagte ich nicht zu fragen. War sie doch ein Halbroboter, mußte das die Lawine des Mißtrauens ins Rollen bringen. Ich beschloß, vom Hauptquartier sämtliche Unterlagen anzufordern; wenn möglich, mit einer psychologischen Beurteilung aus der Zeit vor etwa drei Jahren.
Mein Verstand sagte mir jetzt nur, daß Gundry Ponjares menschlich war. Wir blieben eine gute Stunde. Kurz bevor wir gehen wollten, fragte sie zögernd, ob ich sie nach ihrer Genesung einmal besuchen wollte.
Ich bejahte das gern, nur kam sofort wieder mein ekelhaftes Mißtrauen auf. Natürlich konnte die Einladung ein rein menschliches Motiv haben. Unsere Biologen hatten mir schließlich ein Gesicht verliehen, auf das eine schöne Frau schon ansprechen konnte.
Der Zwerg feixte unverschämt. Ich wußte, daß er die letzte Spur eines Verdachtes ausgeräumt hatte.
Ich verabschiedete mich etwas hastig. Sie warf einen ironischen Blick auf Hannibal. Es war klar ersichtlich, daß sie ihn als Brennpunkt meiner Verlegenheit erkannt hatte.
In meinen Gefühlen herrschte ein Chaos, als ich das Zimmer verließ. Als der Kleine die Tür geschlossen hatte, ging er vorsichtshalber hinter dem Eckpfeiler des Treppenhauses in Deckung.
»Du siehst in mir ein schwaches Individuum«, sagte er rasch. »Keine Gewalttaten bitte.«
Dann schlug ihm die auffliegende Tür des großen Aufzuges gegen die Rippen. Ich konnte meine Schadenfreude nicht verheimlichen. Der Anprall war ziemlich heftig, und der Kleine schimpfte lautstark. Ein junger Arzt entschuldigte sich. Die ihn begleitende Schwester schob ein wuchtiges Gerät in den Gang. Es handelte sich um ein supermodernes Ultraschall-Schneidemesser, mit dem seit Jahren anstelle des veralteten Skalpells Körper- und Schädelöffnungen mit unglaublicher Präzision vorgenommen wurden.
Der Arzt und die Schwester verschwanden im benachbarten Zimmer. Nach diesem Zwischenfall machten wir uns auf den Weg zu unserem Hubschrauber.
Als wir ihn schon fast erreicht hatten, vermißte ich meine Mütze. Sie hing noch im Zimmer der interessanten Patientin. Diesmal blieb Hannibal zurück, und ich hatte einen guten Grund, nochmals ihren Raum aufzusuchen.
Als ich eintrat, zeigte sie schon lachend auf die Ablage.
»Man soll sich niemals zu sehr beeilen«, meinte sie. »Haben Sie Ihren kleinen Freund wieder mitgebracht?«
Ich schüttelte betont den Kopf. Dann hörte ich das helle Heulen eines anlaufenden Gerätes. Es mußte der Ultraschallschneider im Nebenraum sein.
Als ich gehen wollte, lagen die Töne längst über zwanzigtausend Hertz. Diese Frequenz kann man nicht mehr hören.
Ich winkte Gundry Ponjares noch zu, und da bemerkte ich plötzlich ihr zuckendes Gesicht. Sie lag mit geschlossenen Augen im Bett, während ihre Hände sich allmählich verkrampften.
»Was ist denn?« fragte ich erschreckt.
Sie antwortete nicht, sondern preßte statt dessen die Hand auf die noch frische Operationswunde. Ich eilte hinaus und rief eine vorübergehende Schwester an, die sofort einen Arzt alarmierte. Von da an durfte ich nicht mehr ins Zimmer.
Ich überlegte krampfhaft. Offensichtlich hatte sie überraschend heftige Schmerzen verspürt. Ob der Ultraschall der Auslösungsfaktor gewesen war?
Ich ging rasch zur Männerstation hinüber und erkundigte mich bei Doktor Presped.
»Schon möglich«, meinte er fahrig. Er hatte viel zu tun. »Ich sehe mir die Wunde noch einmal an. Das Gewebe kann auf energiereichen Ultraschall heftig reagieren, wenn der Schallstrahl nicht genau abgegrenzt wird. Der junge Arzt wird mit dem Schallfenster in der Gegend herumgefummelt haben. Jetzt glauben Sie wohl wieder, daß sie doch ein ›Ding‹ ist, wie? Major, machen Sie mich nicht verrückt! Ich habe die Frau selbst operiert. Das ist ein Mensch! Wie oft soll ich Ihnen das noch beteuern?«
Ich ahnte, daß ich nur deshalb so zweifelte, weil ganz andere Gefühle für Gundry Ponjares in mir erwacht waren. Ich wollte Gewißheit haben und außerdem mein Gewissen als GWA-Agent beruhigen. Deshalb gab ich ihm den Befehl, mit einer passenden Ausrede ihre Großhirnfrequenzen zu testen und die Daten mit den vorliegenden Angaben zu vergleichen.
Im Bunker angekommen, widerrief ich die Anweisung, da sich bei der Durchsicht der Vorschriften ergeben hatte, daß nur der Sicherheitschef persönlich einen solchen Test anordnen konnte. Wäre es also geschehen, hätte ich ihr direkt eine Erklärung geben müssen, und das war unmöglich.
Hindernisse über Hindernisse türmten sich auf. Nicht einmal in ihrem Fall konnte ich eine solche Untersuchung durchführen lassen. Wie hätte ich sie begründen sollen?
»Das Eisen ist schon bald zu heiß, um es noch schmieden zu können«, orakelte Hannibal. »Der Teufel soll’s holen; aber wenn das so weitergeht, traue ich dir bald auch nicht mehr! Wer sagt mir eigentlich, daß du kein Ding bist, eh?«
Ich sah ihn starr an. Und dann begriff ich die Gefahr!
»Und wer garantiert mir, daß du keins bist? Oder TS-19?« flüsterte ich.
Er lachte gekünstelt.
Es wurde allerhöchste Zeit für ein entscheidendes Manöver.
Vor Anbruch der Dämmerung landete endlich die Maschine mit den beiden aktiven GWA-Agenten. Sie wurden von den Männern des Sicherheitsdienstes mit größtem Respekt behandelt und sofort zu mir gebracht.
Die Kollegen wiesen sich aus, aber erst, als wir allein waren, kam die Angelegenheit Dr. Myrl Swizer zur Sprache.
»Sir, Sie fordern da allerhand. Wir haben unter Einschaltung sämtlicher Unterlagen ihre Vergangenheit durchstöbert, um einen einwandfreien Grund zur Verhaftung und Feststellung ihrer Großhirnquoten zu finden. Der Alte tobt.«
»Soll er«, erwiderte ich gereizt. »Haben Sie etwas gefunden? Die Ärztin ist ein Ding, verlassen Sie sich darauf. Ich verlange den Test. Was haben Sie ermitteln können?«
»Überhaupt nichts, was eine Verhaftung rechtfertigt. So haben wir notgedrungen einen Fall konstruieren müssen, der zeitlich genau in ihren Werdegang paßt.«
»Und …?«
»Sie studierte in Europa, und zwar in Paris. Dort war sie mit einem jungen Inder befreundet, was zuletzt zu einer dummen Szene führte. Sie wollte sich das Leben nehmen. Enttäuscht, und so weiter. Wir haben nun diesen Mann mit Einverständnis des Großasiatischen Geheimdienstes nach Washington geholt. Er ist jetzt Arzt. Da er noch vor einiger Zeit eine Studienreise in den USA unternahm, können wir ihm einen Spionagefall an Hand von gefälschten Dokumenten unterschieben. Er ist einverstanden. Seine ehemalige Freundin wird damit belastet; ein Verhör im GWA-Hauptquartier ist gerechtfertigt. Wir müssen sie jedoch unter allen Umständen wieder laufen lassen, das ist klar. Sind Sie damit einverstanden?«
»Selbstverständlich«, stimmte ich zu. »Nehmen Sie die Ärztin mit, erledigen Sie den Fall, und fertigen Sie baldigst die Testunterlagen an. Genau vergleichen, ob die Daten mit den registrierten Angaben übereinstimmen. Sie kam erst vor achtzehn Monaten ins Werk. Da dürfte sie noch ein Mensch gewesen sein.«
Eine halbe Stunde später wurde Dr. Myrl Swizer von zwei Leuten des Sicherheitsdienstes vorgeführt. Ich hatte den Befehl erlassen.
Es war ihr natürlich mitgeteilt worden, und so blitzte sie mich wütend an. Ehe sie ihrer Empörung Luft machen konnte, sah sie die beiden Zivilisten mit der leicht erkennbaren Dienstmaske der GWA.
Meine Hand hing dicht über der Waffe, doch sie verhielt sich ruhig. Sie wurde nur leichenblaß, griff mit der Rechten haltsuchend nach der nächsten Sessellehne und setzte sich dann wortlos.
In ihren Augen schien ein gehetzter Ausdruck zu liegen. Unpersönlich erklärte ich:
»Doktor Swizer, ich habe Sie auf Verlangen der beiden GWA-Beamten vorführen lassen. Kennen Sie einen Herrn namens Kutra Warangal?«
»Wie, wen?« fragte sie offensichtlich erstaunt.
Sie sah sich nochmals im Kreise um und begann dann zu lachen. Es war einwandfrei ein befreites Gelächter. Ich ahnte, daß sie eine ganz andere Frage erwartet hatte. Langsam zog ich die Hand von der Waffe zurück.
Sie gab es zu und fragte spöttisch, was die alten Geschichten zu bedeuten hätten. Ich zuckte lässig mit den Schultern.
»Interessiert mich nicht, Doktor. Ich bin nur für die Sweet-Water-Werke verantwortlich, nicht aber für Dinge, die sich außerhalb der Sperrzone ereignet haben. Darüber werden Sie sich mit den GWA-Leuten zu unterhalten haben.«
»Wir müssen Sie ersuchen, uns sofort ins Hauptquartier zu folgen«, sagte der eine Kollege gelassen. Er hatte die Hand auffällig dicht an der Jacke. Darunter hing die durchgeladene Taruff 222.
Sie sprang hoch, als wäre sie von einer Schlange gebissen worden.
»Nach Washington? Sind Sie verrückt geworden? Mich wegen einer derartigen Bagatelle von der Arbeit abzuhalten und …«
»Es tut mir leid«, wurde sie hart unterbrochen. »Betrachten Sie sich vorläufig als verhaftet. Dr. Warangal ist in einen Spionagefall verwickelt, in dem Sie, Dr. Swizer, direkt belastet werden. Wir sind über Ihre Zuneigung zu dem Inder sehr wohl unterrichtet.«
»Das ist längst vorbei!« schrie sie unbeherrscht. Wieder breitete sich die Blässe auf ihren Wangen aus.
Die Kollegen warteten nicht mehr lange. Wir brachten sie zum Flughafen, wo die Maschine und noch zwei Agenten warteten. Diese Männer trugen Uniformen. Ihre schweren Dienstwaffen hingen offen am Gürtel.
Als Myrl Swizer in die Kabine eingestiegen war, ordnete ich an:
»Drei Mann bleiben immer hinter ihr. Der kritische Augenblick wird bald kommen. Sie wird sich entscheiden müssen. Entweder geht sie zum Angriff über, oder sie lebt in der Hoffnung, ohne eine körperliche Untersuchung davonzukommen. Kann man nicht wissen. Passen Sie jedenfalls auf, und ziehen Sie so schnell, wie Sie noch nie in Ihrem Leben gezogen haben. Nur auf das Gesicht halten. Das wäre alles.«
Der schnelle Transporter stieß im Winkel von sechzig Grad in den roten Abendhimmel.
»Wenn die falsche Anklage nicht hundertprozentig durchdacht ist, erleben wir eine katastrophale Pleite«, sagte Hannibal gepreßt. »Selbst wenn sie ein Ding ist, müssen wir sie laufen lassen. Die Deneber wissen zu genau, daß sie niemals in einen Spionagefall verwickelt war. Sind wir gezwungen, sie zu erschießen, ist die Schweinerei passiert. Du hättest auf diese Maßnahme doch besser verzichten sollen.«
»Ich bleibe nicht auf der Stelle stehen. Wenn wir so nicht weiterkommen, muß es eben anders gehen. Komm nun, TS-19 muß bald hier sein.«
Der Schrauber brachte uns vom Flugplatz zum Bunker. Es lagen keine neuen Meldungen vor. Die Röntgenaktion lief noch immer. Rund dreiundvierzigtausend Menschen können nicht in wenigen Stunden abgefertigt werden. Die Aktion konnte trotz der leistungsfähigen Robotgeräte noch einige Tage dauern.
Als TS-19 seinen Abendbericht abgab, stellte es sich heraus, daß sich an diesem Tag weitere einundzwanzig Personen nicht in der Klinik eingefunden hatten. Sie waren ebenso verschwunden wie die anderen Leute. Damit waren es insgesamt dreißig Fälle, nur mit dem Unterschied, daß am vergangenen Tag keine Soldaten aus der Elitetruppe des Sicherheitsdienstes dabei gewesen waren!
Ich studierte die Namen meiner Männer, das heißt, meiner gewesenen Männer. Es waren nur Offiziere, was sich in diesem Fall von selbst verstand.
Ein Major aus dem II. Panzerregiment, zugleich Bataillonskommandant, drei Captains, Kompaniechefs und ein Leutnant aus dem Nachrichtenstab. Das waren alleine fünf Offiziere in wichtigen Positionen. Mit dem Leutnant hatte ich am vergangenen Morgen noch gesprochen.
»Es, wird hart, Sir«, bemerkte TS-19. »Ich würde dringend empfehlen, wenigstens die Soldaten vorn ›Energietrupp‹ unter den Gehirndetektor zu legen. Wenn in diesen Abteilungen auch ›Dinger‹ sind …«
Er schwieg. Es war auch besser so. Ich konnte mir selbst deutlich genug vorsteilen, was dann passieren mußte. Ich entließ den Kollegen mit dem Befehl zur verschärften Wachsamkeit. Natürlich war das nur eine lächerliche Phrase, denn wachsamer konnte er gar nicht mehr sein.
Als er gegangen war, murrte der Kleine zynisch:
»Wir sollten vordringlich ihn unter den Detektor legen. Ich mache dir einen Vorschlag, Großer, wir prüfen uns jeden Tag gegenseitig durch, okay? Mensch, ich traue dir schon nicht mehr über den Weg. Wir haben hier ein Robotgerät, das die Schaltungen und die Auswertung selbsttätig vornimmt. Wenn du in dem Käfig stehst, passe ich auf. Stehe ich drin, wirst du mich in die Mündung blicken lassen. Das bleibt unter uns. Wir werden ja wohl den Mund halten können. Also, wie ist das? Oder willst du nicht?«
In seinen Augen flackerte das Mißtrauen. Der Kleine begann durchzudrehen. Seine Hand umkrampfte die Waffe. Da wußte ich, daß es Zeit war.
»Einverstanden«, sagte ich leise. »Zwerg, ich bin dir nicht böse. Wenn mich die Monstren eines Tages erwischen sollten und du merkst es, erteile ich dir hiermit den Befehl, das Etwas sofort zu töten. Klar?«
»Darauf kannst du dich verlassen. Das gleiche verlange ich natürlich von dir.«
Wir gingen in den verschlossenen Raum hinüber. Ich bestieg die Plattform zuerst. Der Robot kontrollierte und verglich. Die Sache war einwandfrei.
Hannibal ließ stöhnend die Pistole sinken und warf sie auf den Boden. Nun war er an der Reihe. Als es etwas zu lange dauerte, sah ich die Angst in seinen Augen. Dann quäkte die Maschine ihr ›einwandfrei‹. Der Kleine taumelte in meine Arme.
Wenn wir das täglich machten, waren wir bald am Ende. Trotzdem taten wir es.
Dr. Myrl Swizer wurde etwa vierundzwanzig Stunden später zurückgebracht. Ein GWA-Schatten in Uniform entschuldigte sich in meiner Gegenwart bei ihr. Ich bedauerte ebenfalls den Vorfall. Natürlich war der Verdacht der Spionage unsinnig gewesen.
»Darf ich mich nun wieder um die Kranken kümmern, Sir?« fragte die Ärztin sarkastisch. »Es könnte ja sein, daß morgen eine andere Seuche ausbricht, wie?«
Als sie gegangen war, wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. Er perlte durch die Biomaske hindurch und näßte den künstlichen Haaransatz.
»Wie war es?« fragte ich erschöpft »Setzen Sie sich, dort gibt es scharfe Getränke. Wie sieht der Test aus?«
»Bis auf eine winzige Abweichung einwandfrei!« kam die Antwort zögernd. »Wir haben den Test dreimal wiederholt, aber in der Betakurve haben sich die Werte um zwei Dezimalstellen verändert. Das ist wenig, doch es hätte beinahe zu ihrer Vernichtung ausgereicht. Der Prüfungsrobot hätte sie im Säure-Regen aufgelöst, wenn wir nicht in letzter Sekunde den Stromschalter umgelegt hätten.«
»Also doch ein Ding. Ich dachte es!« stieß ich wie erlöst hervor. »Sie war mir zu sicher in der Durchleuchtungsangelegenheit.«
Der Kollege rutschte unruhig in dem Sessel hin und her.
»Sir, seien Sie lieber vorsichtig. Unsere Fachleute meinen, daß das gar nicht so sicher ist. Unter Umständen kann sich der Schwingungswert in der Betakurve schon etwas verändern. Das geschieht äußerst selten, aber wir meinen, daß …«
Ich bekam bald einen Tobsuchtsanfall und ließ mich dem Kollegen gegenüber zu beleidigenden Äußerungen hinreißen. Immer wieder diese Bedenken!
Hannibal tauchte plötzlich auf. Genußvoll lauschte er den rauhen Worten. Der Sergeant sank immer tiefer in den Sitz.
Als meine Erregung abgeklungen war, schlug ich ihm versöhnend auf die Schultern, während Hannibal ihn mit selbstgemixten Getränken von der Marke ›Tiefschlag‹ traktierte. Als er sich verabschiedete, hatte er sein Lachen wiedergewonnen. Abschließend gab ich ihm im neuerwachenden Zorn die Anweisung mit:
»Sagen Sie dem Alten, ich verlange eine hundertprozentige klare Definition, jedoch kein Wenn und Aber. Die Resultate nochmals überprüfen. Ich will wissen, ob das nun ein Ding ist oder nicht.«
Nach ihm traf TS-19 ein. Heute waren nur zwölf Personen verschwunden, unter ihnen vier Offiziere. Auch der Oberst vom atomar bewaffneten Luftlande-Einsatzregiment war darunter.
Da gab ich den Befehl, sämtliche Soldaten genau zu testen. Erstmalig machte ich von meinen Vollmachten Gebrauch, ohne vorher im HQ anzufragen.
Der Befehl ging an sämtliche Einheiten. Ich war im letzten Augenblick noch so schlau gewesen, den Männern sechs Stunden Zeit zum Antreten zu lassen.
Als der Morgen anbrach, waren genau vierundvierzig Soldaten aus allen Einheiten der Wachdivision verschwunden. Auch Offiziere vom hier stationierten Raumjägergeschwader. Kommodore Ferligs gehörte ebenfalls dazu.
Die Sache wirbelte einen unheimlichen Staub auf, doch ich hatte endlich meinen Grund. Er galt natürlich nur für die Soldaten, denn wenn vollkommen überraschend so viele Leute verschwinden, hat ein Kommandeur wohl Grund genug, der rätselhaften Angelegenheit nachzugehen. So wanderten die Männer nacheinander in die Robotdetektoren. Es wurde keine einzige Nachahmung entdeckt. Die Frequenzen waren in allen Fallen einwandfrei.
Ich gab eine Erklärung ab, die etwas mit ›verwerflicher Spionage‹ im allergrößten Umfang zu, tun hatte. Ich hoffte inständig, daß die unbekannten Mächte auf den hingeworfenen Köder anbissen. Wenigstens hatte ich erreicht, daß die Reihen der Soldaten nun gesäubert waren.
Als ich das dem Kleinen befriedigt mitteilte, fragte er in lakonischer Kürze:
»Wie lange?«