1.
Man hatte mir eine der neuentwickelten Biosynth-Masken gegeben, die in den Speziallabors der GWA entstanden waren.
Ich fühlte kaum die Haftstellen, wo sich das biochemisch gezüchtete Gewebe mit meiner natürlichen Haut verband. Sogar die Augenränder waren derart vervollkommnet, daß die Übergänge zwischen Synthofolie und Fleisch verschwanden. Man hätte sie bestenfalls mit einem Vergrößerungsglas bemerken können.
Immer, wenn ich in den herausschwenkbaren Metallspiegel meiner komfortabel eingerichteten Kabine sah, erfüllte mich ein Gefühl der Beruhigung.
Für jeden GWA-Agenten bedeutet eine gute Tarnung die Garantie für ein längeres Leben.
Ich war zu einem Mann mit leicht vernarbten Wangen und graumelierten Haaren geworden. Militärisch kurzgeschnitten, wie es sich für einen Kommandanten in der neugebildeten Raumflotte gehörte.
Ich trug die zartblaue Uniform der Garde. Auf den Ärmeln der Kombination prangten Symbole, die für die Zivilbevölkerung der Erde längst zu Begriffen geworden waren. Nur Männer aus der Astronavigatoren-Laufbahn konnten Kommandanten werden. Das schmale Ärmelband erhielt man erst nach Absolvierung eines fünfjährigen Spezialstudiums.
Man hatte mich zum Kommandanten der gewaltigen TITAN ernannt, obwohl sich die Fachleute der GWA darüber klar waren, daß es weitaus bessere Männer für diese verantwortungsvolle Position gab.
Ich war und blieb ein GWA-Schatten mit umfassender Schulung. Astronavigation hatte nicht oft auf unserem Programm gestanden. Dafür war die Raumfahrt noch relativ jung. Wer hätte schon damals daran gedacht, angehende GWA-Agenten auf Dinge vorzubereiten, die praktisch über Nacht und völlig überraschend gekommen waren!
So hatte man mich etwa drei Monate lang unterwiesen. Es war eine rein wissenschaftliche Schulung gewesen. Mir traten schon Schweißperlen auf die Außenseite der porösen Maske, wenn ich nur an die kommenden Aufgaben dachte. Ich sollte das größte und modernste Fernraumschiff der Erde zum Mars bringen, ohne vor der Besatzung aufzufallen. Rein theoretisch beherrschte ich das Gebiet; aber wie mochte es in der Praxis aussehen?
Man hatte mir versichert, daß die angehenden Navigationsoffiziere zu den besten Leuten der Amerikanisch-Europäischen Raumunion gehörten. Es lag praktisch an ihnen und den elektronischen Robotgehirnen, die TITAN genau auf Kurs zu halten.
Trotzdem mußte ich in meiner Eigenschaft als Kommandant die letzte Instanz bleiben. Wenn mir ein Fehler unterlief, war ich unten durch. Es brauchte durchaus nicht zu einer Katastrophe zu kommen, nein, viel entscheidender war die psychologische Wirkung auf die Männer der Besatzung. Was mußten sie vom Alten denken, wenn er sich als unfähig oder gar als unterlegen erwies?
Die TITAN hatte hundert Mann an Bord. Sechzig waren Mitglieder der strategischen Raumlandedivision. Die restlichen vierzig Männer stellten die eigentliche Besatzung dar.
Niemand an Bord ahnte, daß ich ein Agent der GWA war. Doch, ein Mann wußte es, aber er war selbst ein Schatten, wie wir im Volksmund genannt wurden.
Ich befand mich in einer Situation, die man mir praktisch aufgezwungen hatte. Die TITAN hatte eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Der Chef der GWA, Vier-Sterne-General Arnold G. Reling, hatte es deshalb für unbedingt erforderlich gehalten, zwei Leute des GWA-Raumkorps in die Besatzung einzuschleusen.
In allererster Linie mußte der Kommandant ein Schatten sein. An Bord des Fernschiffes war ich sozusagen Herrscher über Leben und Tod, doch dafür hatte ich auch die Verantwortung zu tragen.
Es war ein eigenartiges Gefühl. Getrieben von meiner inneren Unruhe, trat ich erneut vor den Klappspiegel. Die Maske war in Ordnung. Ich konnte sicher sein, daß mich niemand erkannte.
Mein nächster Griff galt den Schaltknöpfen der Außenbord-Bildanlage. Die Schirme flammten auf. Sie zeigten mir fast die gesamte TITAN. Es war, als schwebte man draußen im Raum, da die Aufnahmegeräte an den Enden der langen Trägerarme des Antennensystems montiert waren.
Schön war er nicht, dieser Gigant aus durchlochten und miteinander verschweißten Traggerüsten, die man im Raum zusammengefügt hatte. Der Bau hatte trotz aller Hilfsmittel länger als ein Jahr gedauert.
Das will etwas heißen, wenn man bedenkt, daß jedes einzelne Teil montagefertig auf die Kreisbahn gebracht worden war.
Dicht vor uns hing Raumstation Terra III, der neue Diskus auf Zweistunden-Umlaufbahn.
Tief ›unter‹ uns lag die Erde. Zur Zeit konnte ich den Stillen Ozean mit einem Teil des asiatischen Kontinents überblicken. Unsere Bahn führte von Pol zu Pol, so daß sich die Erde unter uns hinwegdrehte. Es war ein altgewohnter Anblick, der seine atemberaubende Wirkung längst verloren hatte.
Nun hing die TITAN im All. Unförmig, häßlich, bestehend aus unzählbaren Trägern und völlig offenen Gerüsten, bot sie den Anblick eines technischen Monstrums.
Zwischen den Einzelträgern waren mächtige Hohlkörper von mannigfaltiger Form aufgehängt. Hier und dort ergab sich der Eindruck, als wäre noch im letzten Augenblick ein zusätzlicher Kugeltank an irgendeine Trägerkante angeflanscht worden.
Hinter der großen Kommandokugel des Bugs, die gleichzeitig Lebensnerv und Forschungszentrale war, hingen inmitten des inneren Traggerüstes weitere Kugeln und walzenförmige Behälter. Das waren unsere Lade- und Wohnräume.
Nur die fünf Plasma-Reaktorbrennkammern waren mitsamt den Pumpen- und atomaren Stromaggregaten einigermaßen verkleidet worden.
Um den häßlichen Eindruck noch zu krönen, hatte man der TITAN die beiden großen Landungsboote auf Rücken- und Bauchseite angehängt. Im Gegensatz zu dem Fernraumer waren sie geflügelt und hatten gute aerodynamische Formen. Die TITAN selbst wirkte auf den Schönheitssinn des Laien wie ein Alptraum. Für die Ingenieure war die Konstruktion eine zwingende Notwendigkeit.
Nun, weshalb sollte man einem Fernschiff von der Art der TITAN eine geschlossene, formschöne Verkleidung geben, wenn sie niemals in die Atmosphäre eines Himmelskörpers eintauchen sollte! Im absoluten Vakuum des Alls existiert nun einmal nichts, was sich an den eckigen und offenen Formen hätte stoßen können.
Diese Gedanken bewegten mich, als ich das Schiff überschaute. Ich kannte jeden einzelnen Behälter. Die engen Verbindungsgänge zwischen den Hauptsektoren hätte ich im Schlaf finden können. Wenn die TITAN jedoch einmal in die Gashülle eines Planeten geraten sollte, änderte sich die Situation schlagartig. Das berührte mich um so mehr, als die Kreisbahn um den Mars sehr eng sein sollte.
Ich warf noch einen Blick auf die beiden Landungsboote. In ihnen sollten die Männer der Raumlandedivision ausgeschifft werden, außerdem eine umfassende Spezialausrüstung, zu der in erster Linie die marsianischen Energiestrahler gehörten. Mir schwindelte, wenn ich an diese Waffen dachte. Bisher wußten wir nur, daß wir sie in den uralten Mondstädten gefunden hatten und sie von den ausgestorbenen Bewohnern des Mars erbaut worden waren.
Inzwischen kannten wir auch die Funktion der Zielrichtungen, die Feuerknöpfe und die Stellautomatik für die Querschnittverschiebung des einseitig abgestrahlten Energieflusses.
Damit waren unsere Erkenntnisse jedoch erschöpft, da es uns bisher nicht gelungen war, die stabilen Waffenverkleidungen aus MA-Metall zu öffnen. Eine atomare Verzögerungsladung hätte zwar wirkungsvoll gearbeitet, aber niemand konnte voraussagen, wie die gefährlichen Strahler auf eine solche Behandlung reagierten. Wir waren uns darüber im klaren, daß im Inneren der Waffen ein atomarer Mikroprozeß ablief, der seine Kräfte in der Form von thermisch wirksamen Energien spendete.
Ich hätte an den marsianischen Entwicklungen nicht herumbasteln mögen, da ich deren Wirkung nur zu gut kannte.
Der Meinung waren auch unsere Wissenschaftler gewesen. So hatte man die Elitesoldaten der Raumgarde auf gut Glück damit ausgerüstet. Solange die Strahler schossen, schossen sie eben. Da an ein eventuelles Nachladen überhaupt nicht zu denken war, hatten die Leute noch die übliche Bewaffnung erhalten.
Das waren alles andere als befriedigende Gesichtspunkte, mit denen ich mich in meiner Eigenschaft als Kommandant auseinander zusetzen hatte. Ich machte mir nichts vor, die Aufgabe mußte einfach über meine Kräfte und Fähigkeiten gehen.
Leise fluchend drehte ich mich um. Die Magnetsohlen meiner Kombi-Schuhe lösten sich bei der heftigen Bewegung vom metallischen Folienboden, so daß ich haltlos durch die künstliche Atmosphäre schwebte, wie es bei dem schwerelosen Zustand nicht anders möglich war.
Schwankend wie ein Rohr im Winde balancierte ich den Körper aus, um nicht wieder durch die Gegend zu segeln. Wie üblich trat trotz der zahlreichen Injektionen ein Übelkeitsgefühl auf. Mein Magen schien irgendwo in der Gegend des Halses zu sitzen. Die vibrierenden Nerven erzeugten unerwünschte Muskelreflexe, die zum Hochfliegen meiner Arme führten.
Trotz des Plasma-Strahlentriebwerks würde die Fahrt zum Mars etwa zwei Monate dauern. Der größte Teil davon mußte im freien Fall, also im schwerelosen Zustand, ertragen werden. Ich begann innerlich zu stöhnen, wenn ich daran dachte.
Man sagt immer, der Mensch könnte sich an alles gewöhnen. An die völlige Schwerelosigkeit wird er sich jedoch niemals so vollständig anpassen können, daß er sie als erträglich oder gar als angenehm empfindet. Sie muß einfach erduldet und überwunden werden, was mit neuen Kreislaufmitteln möglich geworden war.
Vorsichtig bewegte ich mich zu meinem Arbeitstisch. Schreibstifte und Folienblocks waren magnetisch, die Tischplatte ebenfalls. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte ein Atemzug alle Utensilien vom Tisch geweht.
Draußen röhrte eine Maschine auf. Es mußte sich um den Notstrommeiler der Kommandokugel handeln, dessen angeschlossene Umformerbank Unregelmäßigkeiten gezeigt hatte.
Ich tastete nach dem Schaltknopf der Bordsprechanlage, um endlich die Klarmeldung des Reaktors zu verlangen, als es in meiner Spezialuhr zu summen begann. Es war ein kaum hörbares Geräusch.
Meine Rechte verharrte über dem Schalter. Starr sah ich auf die Uhr, in die unsere Mikrotechniker eine Alarmanlage eingebaut hatten. Sie war vom größten Empfänger aktiviert worden.
Es war ein Sup-Ultrakurz-Gerät, wie es nur die GWA besaß. Die SUK-Welle war noch immer ein streng gehütetes Geheimnis. Also konnte der Ruf nur von dem Verbindungsagenten auf Terra III kommen.
Der Summton hielt noch einige Augenblicke an. Ich blickte zu dem Wandsafe aus Leichtstahl hinüber. Dort hatte ich das kleine Gerät untergebracht. Bedächtig erhob ich mich von dem hochlehnigen Schreibtischstuhl und ging unbeholfen zu dem Safe.
Das elektronische Schlüsselgerät trug ich in einer Innentasche des breiten Uniformgürtels. Die Impulse wirkten auf das Schloß ein, und die grüne Kontroll-Lampe begann zu glühen. Die runde Tür öffnete sich mit einem leisen Zischlaut.
Hinter den Schiffspapieren und Geheimbefehlen stand das eckige Kästchen. Das angeschlossene Tondrahtgerät in Mikroausführung war schon ausgelaufen. Die für mich bestimmte Nachricht war also bereits durchgegeben worden. Diese Aufnahme war unbedingt erforderlich, da ich in den meisten Fällen nicht in der Kommandantenkabine weilte. Es war unmöglich, nach der Meldung durch die Empfängeruhr einfach alles stehen und liegen zu lassen, um schnellstens in die Kabine zu eilen.
Ich machte mir nicht viel Mühe. Der hauchdünne Tondraht konnte auch im Safe ablaufen. Zwei Schaltungen, genügten – eine leise Stimme klang auf. Es war die unseres Verbindungsmannes auf Raumstation Terra III, die nur wenige hundert Meter vor uns durch die Schwärze des Alls kreiste.
»Achtung, beschleunigte Eilnachricht an Major HC-9. Soeben empfangen aus Befehlsstelle Hauptquartier. Chef hat unterzeichnet.«
Bereits nach diesen wenigen Worten merkte ich auf. Was mochte da geschehen sein? Wenn der Alte so reagierte, hatte er immer zwingende Gründe.
»Die gleichen Anweisungen gelten auch für Leutnant MA-23. Ausführung sofort. Wortlaut:
Ablösung als Kommandant erforderlich geworden. Rückkehr zur Erde mit dem nächsten Kurierboot. Sämtliche Spezialbefehle hinsichtlich des Mars-Einsatzes nichtig. Neuer Kommandant wird Ihr bisheriger erster Offizier. Die TITAN startet planmäßig. Ein Bevollmächtigter aus dem HQ des Raumkorps wird den neuen Kommandanten einweisen. Zwei Agenten sind als Ersatz auf dem Wege. Sie haben sofort zu erkranken. Ursache für Ablösung schaffen. Nehmen Sie aus Ihrer Sonderausrüstung das Erregungsmittel. MA-23 damit versorgen. Sofort übersetzen zu Terra III und Arzt des Geheimdienstes konsultieren. Er wird Ihnen Startverbot erteilen. Sie leiden an Gleichgewichtsstörungen infolge des schwerelosen Zustandes. Raumuntauglich. Ich erwarte Sie im Hauptquartier. Ende. Gezeichnet, Reling.«
Es klickte; der Draht blockierte. Ich starrte sprachlos in die Wandhöhlung und traute meinen Ohren nicht.
Unmöglich – der Chef rief uns zurück, obwohl wir gerade für diesen Einsatz Vorbereitungen getroffen hatten, die schon jenseits des normalen Vorstellungsvermögens lagen! Das konnte doch nur ein Hörfehler sein!
Ich ließ die Nachricht nochmals durchlaufen. Die Worte änderten sich nicht. Verkrampft stand ich vor dem Safe. Wieder überfiel mich Ungewißheit, die mich gleich einem gereizten Raubtier ansprang.
Was mochte geschehen sein? Reling gehörte nicht zu den Männern, die für nichts und wieder nichts Millionen ausgaben. Wofür waren wir drei Monate lang hart und unerbittlich gedrillt worden? Ich wußte, daß sich ›unten‹ eine schwerwiegende Sache ereignet hatte, sonst hätte er uns niemals zurückgerufen.
Ich schloß den Safe mit bebenden Händen, ehe ich mit gleitenden Schritten zu den Schaltelementen ging. Über einem der nur handgroßen Schirme der Bildsprechverbindung leuchtete die Bezeichnung »Waffenoffizier«.
Das war Leutnant MA-23, dessen bürgerlicher Name Hannibal-Othello-Xerxes Utan lautete. Auch er hatte eine wichtige Position innerhalb der Besatzung erhalten. Seine Aufgabe bestand in der Wartung der marsianischen Hitzestrahler.
Ich drückte den Schalter nach unten und wartete die automatische Ausjustierung ab. Das Fernbild wurde klar. Ein kleiner Raum mit gewölbten Wänden erschien. Ein Sergeant saß hinter dem Gegengerät.
Als er mich auf seinem Schirm erkannte, erhob er sich leicht von dem Stuhl und meldete:
»Waffensergeant Maurents, Sir. Auf Wache, Sir.«
»Danke. Schicken Sie mir sofort den Ersten Waffenoffizier. Wo ist er?«
»Im Vakuumlager, Sir. Inspiziert die Verpackungen.«
»Können Sie ihn über Helmfunk erreichen?«
»Jawohl, Sir.«
»Okay. Ich erwarte ihn sofort. Ende.«
Danach schaltete ich ab. Der Sergeant würde den Befehl sofort ausführen.
Etwa eine Viertelstunde mußte ich warten, bis über der Schiebetür aus Leichtstahl die violette Lampe aufzuckte. Ich tippte auf den Öffnungsschalter.
Hannibal trippelte herein. Von seinem natürlichen Gesicht war in dem Augenblick kaum etwas zu sehen, da er ebenfalls eine der neuen Biomasken trug. Nur seinen großen Mund hatte man nicht retuschieren können. Wäre die Öffnung kleiner gearbeitet worden, hätte es irgendwo ein Loch gegeben.
Der Kleine nahm Haltung an und meldete sich mit lautstarker Stimme. Nachdem ich das druckfeste Schott hinter ihm geschlossen hatte, wurde er wieder normal.
Ich wußte, daß er nun sein übliches Grinsen nicht unterlassen konnte. In dem ausgeliehenen Gesicht wirkte es aber viel sympathischer.
Seine umgefärbten Augen lauerten und fragten zugleich. Die Hände suchten die gewohnten Hosentaschen, die es in der Raumkombi aber nicht gab. Das vergebliche Abtasten setzte meinen ohnehin strapazierten Nerven erheblich zu.
»Laß das«, fuhr ich ihn an. »Du solltest allmählich gemerkt haben, daß es darin kein Versteck für überflüssig erscheinende Hände gibt. Nimm endlich Platz.«
»Oh!« sagte er gedehnt. Es war ein Laut, in dem alles lag. Hannibal stand jetzt schon unter Hochspannung.
Er ging auf einen in der Nähe stehenden Kunststoffsessel zu und war peinlich darauf bedacht, mit den im Gesäß und Rücken eingearbeiteten Magnetstreifen die Metallhalterangen auf Sitzfläche und Lehne zu erwischen. Es klickte, als seine zwergenhafte Gestalt angezogen wurde.
Er bemerkte mein freudloses Lächeln und betrachtete das SUK-Gerät, das ich in der Zwischenzeit aus dem Safe genommen hatte. Ich schaltete es ein, ohne vorher ein Wort zu sagen. So hörte ich die Befehle erneut.
Sein getarntes Gesicht erstarrte nun wirklich zur Maske. Man konnte recht gut erkennen, daß es nicht echt war. Nicht umsonst hatten wir von den Biotechnikern die Anweisung erhalten, die normale Gesichtsmuskulatur immer in Bewegung zu halten. Man durfte alles tun, nur nicht wie erstarrt in die Gegend schauen.
Der Draht lief aus und blockierte. Hannibal sah mich nur an. Dann sagte ich langsam:
»Keine unnützen Fragen, Kleiner. Ich weiß selbst nicht, was der ganze Zauber bedeuten soll. Wir nehmen jetzt die Pillen, spielen die todkranken Leute und lassen uns ablösen. Der Alte hat dafür gesorgt, daß die TITAN mit einer erfahrenen und schlagkräftigen Besatzung auch ohne uns starten kann. Der I. O. wird befördert. Zweifellos wird er mit dieser Konstruktion aus Trägern und Behältern besser fertig als ich. Ich möchte beinahe erleichtert aufatmen, weißt du.«
»Beinahe«, lachte er rauh. Seine Stimme schwankte. »Mach dir nichts vor, Großer! Du gäbest zwei Finger dafür, wenn du das Kommando behalten könntest; behalten, obwohl du innerlich davor zitterst. Ich bin auch bedient.«
»Möglich«, gestand ich ein. »Der Mensch ist eben ein seltsames Geschöpf. Noch vor einer Stunde hätte ich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um von dieser Aufgabe freizukommen. Nun muß ich, und das ist mir auch wieder nicht recht.«
»Der Kahn soll in dreiundzwanzig Stunden starten«, gab er zu bedenken. Die Unruhe gewann in dem Kleinen die Oberhand. »Wer macht den neuen Chef mit den Geheimbefehlen vertraut? Kommt der in der kurzen Zeit überhaupt noch klar?«
»Muß er wohl. Ein Beauftragter aus dem HQ wird bestimmt schon auf Terra III sein. Ich kann mich nicht mehr darum kümmern. Hier, nimm die Pille.«
Ich hielt ihm die Kunststoffschachtel hin.
»Aus der Spezialausrüstung?« erkundigte er sich. Ich nickte nur.
»Was passiert dann? Mann, das hat mir noch gefehlt. Ich dachte, wir wären nun Agenten des GWA-Raumkorps. Was sollen wir auf der Erde?«
»Nimm die Pille.«
Er fluchte, griff dann aber in die Schachtel und holte eines der linsenförmigen Dragees heraus. Entschlossen steckte er es in den Mund und schluckte es hinunter.
»Und du?«
»Schon längst geschehen, etwa vor fünfzehn Minuten. Es könnte auffallen, wenn bei uns in der gleichen Minute die Symptome auftreten.«
»Fällt sowieso auf«, meinte er und stand vorsichtig auf. »Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich mich nun auf meine Station zu begeben, wie?«
»Stimmt genau. Mach es gut, Kleiner. Wir treffen uns auf Terra III im Revier. Dort sitzt ein GWA-Arzt. Er schreibt uns raumuntauglich.«
Ohne noch ein Wort zu verlieren, schlurfte er hinaus.
Ich ließ das Schott zugleiten und kümmerte mich um unser Spezialgepäck. Es mußte sorgfältig abtransportiert werden und durfte nicht in unbefugte Hände fallen.
Nur die normale Bordausrüstung ließ ich in den engen Fächern. Nur nicht auffallen, das war nach wie vor die gültige Regel. Die Leute mußten auch noch, etwas zu tun haben, wenn sie anschließend in meine Kabine kamen.
Dann saß ich reglos hinter dem Metalltisch und sah düster auf die leuchtenden Bildflächen der Außenaufnahme. Plötzlich erschien mir die unförmige TITAN wunderschön und durchaus harmonisch gestaltet. Ich glaubte das Geräusch der anlaufenden Triebwerke zu hören und den harten Druck der Startbeschleunigung zu spüren. Guter Gott, wie hatte man mich in den Zentrifugen gedrillt!
Bis auf zwanzig Gravos hatte man beschleunigt und ich durfte nicht die Besinnung verlieren. Wenigstens nicht länger als eine Minute.
Das war jetzt alles vorüber. Sämtliche Vorbereitungen waren gegenstandslos geworden. Ich kam mir vor, als wäre ich schon vor einer Stunde gestorben. Wann mochte wohl das Medikament zu wirken beginnen? Und wie?