9.

 

Ich hat­te die große Kli­nik in­spi­ziert. Bis zur spä­ten Mit­tags­stun­de wa­ren es sechs­un­dacht­zig Fäl­le.

Ge­gen sech­zehn Uhr hat­te ich über die all­ge­mei­ne Rund­ruf­an­la­ge den Be­fehl er­las­sen, daß sich je­de Per­son in­ner­halb des Sperr­ge­bie­tes, egal ob La­bor­die­ner, Wis­sen­schaft­ler oder Sol­dat, auf Ab­ruf zur Un­ter­su­chung be­reit­zu­hal­ten hät­te. Die Maß­nah­me wur­de ver­stan­den. Es gab da­ge­gen kein Auf­be­geh­ren. Die Leu­te wa­ren so­gar froh, daß sie von die­ser drücken­den Sor­ge be­freit wur­den.

Ei­ne noch­ma­li­ge Schutz­imp­fung war von Dr. Pre­s­ped an­ge­ord­net wor­den. Die Kran­ken la­gen in ei­ner iso­lier­ten Ab­tei­lung, die von ei­nem Ba­tail­lon des II. Ein­satz­re­gi­men­tes ab­ge­rie­gelt wur­de.

Ich sprach mit un­se­rem GWA-Arzt über die Fäl­le.

»Wel­che Me­di­ka­men­te sprit­zen Sie? Sor­gen Sie mir un­be­dingt da­für, daß die Er­krank­ten wie­der ge­sund wer­den.«

»Sie kön­nen sich dar­auf ver­las­sen. Die Bio­che­mi­sche-Ab­tei­lung hat mir das Ge­gen­mit­tel ge­lie­fert, na­tür­lich ab­ge­füllt in den nor­ma­len An­ti-Am­pul­len ge­gen Tb. Die Kran­ken sind in vier­zehn Ta­gen völ­lig wie­der­her­ge­stellt.«

»Was ist mit Dr. Swi­zer?«

Ich sah ihn for­schend an. Er zuck­te un­ge­wiß mit den Schul­tern.

»Der Rönt­gen­be­fund war ein­wand­frei. Wenn wir die ge­sam­te Be­leg­schaft un­ter­sucht ha­ben und kei­ne Nach­ah­mun­gen fest­stel­len konn­ten, dann möch­te ich eher be­haup­ten, daß sie viel­leicht ei­ne Nach­ah­mung ist. Dann sind eben die al­ten Mo­del­le ab­ge­ru­fen wor­den. Wol­len wir ein­mal so sa­gen. Es gä­be na­tür­lich noch an­de­re Mög­lich­kei­ten.«

»Ja …?«

»Ge­ben Sie mir die Er­laub­nis zu ei­nem klei­nen ope­ra­ti­ven Ein­griff, bes­ser ge­sagt – die Ge­neh­mi­gung für einen di­rek­ten Blick ins In­ne­re des Kör­pers. Dann ha­ben Sie in drei Stun­den einen ge­nau­en Be­fund.«

»Nein, auf kei­nen Fall«, wehr­te ich ab. »Das ist wirk­lich die letz­te Lö­sung. Wir kön­nen nicht vier­zig­tau­send Leu­te auf­schnei­den, Herz, Nie­ren und sons­ti­ge Or­ga­ne be­tas­ten, nur um zu se­hen, ob sie aus dem üb­li­chen Ge­we­be be­ste­hen. Hal­ten Sie es über­haupt für mög­lich, daß man sämt­li­che Or­ga­ne künst­lich nach­for­men kann?«

»Nun, die­se Or­ga­ne brauch­ten ja kei­ne Funk­tio­nen aus­zuü­ben. Es ge­nüg­te völ­lig, wenn sie den ei­gent­li­chen An­triebs­me­cha­nis­mus der Nach­ah­mun­gen ver­deck­ten und einen ab­so­lut na­tur­ge­treu­en Schat­ten auf den Schirm wer­fen wür­den. Das wä­re viel­leicht ei­ne Er­klä­rung. Fra­gen Sie mich aber nicht, wie man die­ses Kunst­stück zu­stan­de brin­gen kann. Das ist für un­se­re Wis­sen­schaft zu hoch.«

Mei­ne Un­ru­he stieg. So ord­ne­te ich an:

»Okay, ma­chen Sie wei­ter mit den Rei­hen­un­ter­su­chun­gen. Aus dem Sperr­ge­biet kommt nie­mand hin­aus, das ist si­cher. Not­falls las­se ich sämt­li­che Fa­bri­ken und La­bors stil­le­gen. Ur­laub, bis die ge­sam­te Be­leg­schaft bis zum letz­ten Mann ge­röntgt wor­den ist. Hat sich die­se Gun­dry Pon­ja­res noch nicht ge­mel­det? Seit der In­fi­zie­rung sind zwei­ein­halb Ta­ge ver­gan­gen. Wenn sie kein Mon­s­trum ist, müß­te sie ei­gent­lich schon et­was spü­ren, nicht wahr?«

»Mit dem mu­tier­ten Er­re­ger im Blut ga­ran­tiert.«

»Schön, wol­len wir uns die Da­me ein­mal an­se­hen.«

Han­ni­bal be­glei­te­te mich. Der schwe­re Be­reit­schafts­wa­gen brach­te uns hin­über zum psy­cho­lo­gi­schen In­sti­tut. Es war nur we­ni­ge Mei­len ent­fernt, am Ran­de der grü­nen­den Park­an­la­gen.

»War­ten Sie hier«, wies ich die Be­sat­zung des Wa­gens an.

In der küh­len Vor­hal­le ent­si­cher­ten wir mit ei­nem Griff die durch­ge­la­de­nen Dienst­waf­fen. Für das emp­find­li­che Ge­hirn ei­nes hal­b­or­ga­ni­schen We­sens ge­nüg­ten die Ex­plo­siv­ge­schos­se voll­kom­men. Das hat­te sich in zwei Fäl­len er­wie­sen.

Ein auf­ge­reg­ter Por­tier brach­te uns höchst­per­sön­lich nach oben. Dort trat uns der heim­lich be­nach­rich­tig­te Chef­psy­cho­lo­ge in den Weg. Mit flie­gen­dem Kit­tel stürz­te er aus sei­nem Bü­ro. Ich kann­te ihn schon.

»Oh, Sie sind es. Man rief mich an«, keuch­te er. »Kann ich et­was für Sie tun? Sa­gen Sie, was hal­ten Sie nur von die­sen Tb-Fäl­len? Völ­lig aus­ge­schlos­sen, daß erb­lich be­las­te­te Per­so­nen durch mei­ne Ab­tei­lung ge­gan­gen sind. Ich …«

»Bit­te, Pro­fes­sor, das steht jetzt nicht zur De­bat­te«, wehr­te ich un­wil­lig ab. »Ich ma­che Ih­nen kei­nen Vor­wurf. Da­ge­gen möch­te ich Dr. Pon­ja­res spre­chen. Ich hät­te ei­ni­ge Fra­gen hin­sicht­lich ih­res spe­zi­el­len Fach­ge­bie­tes. Sie lei­tet doch die Aus­wer­tungs­ab­tei­lung, nicht wahr?«

Der Wis­sen­schaft­ler at­me­te er­leich­tert auf. Han­ni­bal brumm­te ge­reizt, da auch er die stil­len Ängs­te des Man­nes er­kannt hat­te. Wahr­schein­lich hat­te er an­ge­nom­men, wir such­ten im psy­cho­lo­gi­schen In­sti­tut nach ei­nem Schul­di­gen.

Der Pro­fes­sor brach­te uns ein Stock­werk hö­her und trat dann zö­gernd zu­rück. Ich hat­te ihn nicht auf­ge­for­dert mit­zu­kom­men.

Im Vor­raum zum Bü­ro der Psy­cho­lo­gin stan­den ei­ni­ge jun­ge Leu­te her­um. Na­tür­lich spra­chen sie nur über die letz­ten Er­eig­nis­se. Of­fe­ne Tb im Jah­re 2004? Un­denk­bar!

»Ja, sie ist hier«, er­klär­te ein jun­ges Mäd­chen. »Soll ich Sie an­mel­den, Sir?«

»Dan­ke, nicht nö­tig. Kom­men Sie, Rinkle.«

Han­ni­bal war rechts hin­ter mir, als ich ein­fach die brei­te Schie­be­tür zu ih­rem Ar­beits­zim­mer auf­riß. Ich woll­te zur Waf­fe grei­fen, un­ter­ließ es aber, da ich mich ge­nau an die An­wei­sun­gen des Al­ten er­in­ner­te. Le­bend woll­te er das Ding ha­ben!

Nun wer­den Sie ein­mal mit den me­cha­ni­schen Kräf­ten ei­nes hal­b­en Ro­bo­ters fer­tig, wenn Sie mit Ih­ren nor­ma­len Ex­plo­siv­ge­schos­sen nicht auf den ein­zig ver­wund­ba­ren Teil schie­ßen dür­fen. Ich muß­te zu­rück­hal­tend sein. Ei­ne Ener­gie­waf­fe konn­te nur im Frei­en ein­ge­setzt wer­den. In dem re­la­tiv en­gen Raum wä­ren wir von den vier­hun­dert­fünf­zig­tau­send Hit­ze­gra­den ret­tungs­los ver­nich­tet wor­den, und das In­sti­tut hät­te schnell in Flam­men ge­stan­den. Das war eben der Nach­teil die­ser wir­kungs­vol­len Strah­ler.

Ich trat ein, mit ei­nem has­ti­gen Gruß auf den Lip­pen. Ich war eben der be­sorg­te Si­cher­heits­chef, der in­fol­ge der letz­ten Vor­komm­nis­se auf die Ge­bo­te der Höf­lich­keit kei­ne son­der­li­chen Rück­sich­ten nahm. Noch nicht ein­mal an­ge­klopft hat­ten wir.

»Hal­lo, Dr. Pon­ja­res! Ich hät­te gern ei­ni­ge Aus­künf­te über …«

Ich ver­stumm­te mit­ten im Satz und sah über­rascht nach vorn. Han­ni­bal stöhn­te. Sei­ne ge­ball­ten Hän­de zeug­ten eben­so wie die ver­knif­fe­nen Lip­pen von sei­ner maß­lo­sen Ent­täu­schung.

Mir er­ging es nicht bes­ser. Wä­re der Al­te jetzt hier ge­we­sen, hät­te er al­ler­hand zu hö­ren be­kom­men.

Die jun­ge Frau lag von Krämp­fen ge­schüt­telt vor ei­nem klei­nen Re­chen­au­to­ma­ten. Sie hat­te an­schei­nend auf dem Ar­beits­sche­mel ge­ses­sen, war dort in­fol­ge ei­ner plötz­li­chen Schwä­che her­un­ter­ge­fal­len und hat­te sich da­bei die Stirn­haut ober­halb des lin­ken Au­ges auf­ge­schla­gen.

Sie hus­te­te un­ter an­schei­nend großen Schmer­zen. Die wei­ßen Hän­de preß­ten sich ge­gen ihr Brust­bein. Ich sah in fie­brig glän­zen­de Au­gen von tief­dunk­ler, be­tö­ren­der Schön­heit. Das blauschwar­ze Haar fiel in ihr blas­ses, schweiß­be­deck­tes Ge­sicht.

Als sie uns sah, woll­te sie sich auf­rich­ten. Die Hand glitt kraft­los an den Bei­nen des Sche­mels ab. Trotz des un­auf­hör­li­chen Hus­ten­rei­zes be­gann sie lei­se zu wei­nen. Dann lag sie mit zu­cken­den Schul­tern auf den Bo­den und ver­barg das Ge­sicht in den Hän­den. Da­bei preß­te sie stän­dig die El­len­bo­gen ge­gen die schmer­zen­de Lun­ge.

Wenn das ein »Ding« war, dann woll­te ich nicht mehr Thor Kon­nat hei­ßen! Die Frau litt ganz of­fen­sicht­lich an der aus­bre­chen­den Krank­heit. Auch das war ein­wand­frei, da sie spä­ter als die an­de­ren Per­so­nen in­fi­ziert wor­den war. Die Sym­pto­me des ers­ten Schwä­che­an­falls wa­ren, ty­pisch!

Han­ni­bal rief nach ei­nem Kran­ken­wa­gen. Ich hob die Psy­cho­lo­gin vor­sich­tig auf und bet­te­te sie be­hut­sam auf die Couch.

»Nicht, bit­te nicht«, wein­te sie. »Sie – Sie ste­cken sich doch an. Ich in­fi­zie­re Sie mit mei­nem Hus­ten. Bit­te!«

»Ru­hig«, be­schwich­tig­te ich sie, wü­tend auf mich selbst und auf den Al­ten. »Ich bin heu­te noch­mals ge­impft wor­den. Ein neu­es Se­rum. Sie müs­sen jetzt ganz ru­hig blei­ben.«

Als sie nun auf der Couch lag, nahm ihr Ge­sicht wie­der et­was Far­be an. Sie war wirk­lich nicht schön. Die Lip­pen wa­ren zu voll, der Mund zu groß. Die sonst fein­ge­zeich­ne­te Na­se er­schi­en an den Flü­geln zu breit, et­was ne­gro­id. Ih­re Au­gen üb­ten je­doch ei­ne Fas­zi­na­ti­on aus. Sie wa­ren von rät­sel­haf­ter Tie­fe. Auch ih­re Fi­gur hät­te je­den an­spruchs­vol­len Ma­ler zu Freu­den­ru­fen ver­an­laßt.

Gun­dry Pon­ja­res war ge­nau das was der GWA-Chef be­haup­tet hat­te: un­glaub­lich fas­zi­nie­rend, in­ter­essant und völ­lig an­ge­füllt mit dem ge­wis­sen Et­was.

Ich gab ihr mein Ta­schen­tuch, das sie sich vor die Lip­pen hielt. Wenn sie ein hal­ber Ro­bo­ter mit Kno­chen aus MA-Me­tall und nach­ge­ahm­ten Or­ga­nen sein soll­te, dann wuß­te ich nicht mehr, wie ei­ne Frau aus­sieht.

»Dan­ke«, sag­te sie schwer at­mend. Ihr Lä­cheln brach­te mich an den Schei­tel­punkt mei­ner männ­li­chen Tu­gen­den. »Es geht schon wie­der. Sie wol­len mich in die Kli­nik brin­gen? Ich ha­be wich­ti­ge Ar­bei­ten zu er­le­di­gen.«

»Das hat Zeit«, be­ton­te ich et­was ver­le­gen. Höl­le, das hat­te mir noch ge­fehlt. Ich konn­te mich nicht er­in­nern, daß ich un­ter dem Lä­cheln ei­ner Frau schon ein­mal ver­le­gen ge­wor­den wä­re.

»Sie hät­ten schon heu­te früh un­be­dingt den Arzt auf­su­chen müs­sen. Ha­ben Sie denn nichts von der Tb-Seu­che ge­hört?«

»Doch, aber erst ge­gen elf Uhr. Ich fühl­te mich schon den gan­zen Mor­gen sehr schwach. Mir war ein­fach übel, da­zu Schwin­del­ge­füh­le. Da mir Tb-Sym­pto­me in die­ser Form über­haupt nicht be­kannt sind, dach­te ich nicht im Traum an ei­ne sol­che In­fek­ti­on. Ich war der Mei­nung, von der Lun­gen­tu­ber­ku­lo­se fühl­te man nichts, bis es zu spät sei.«

Ich räus­per­te mich er­neut. Sie war ei­ne schar­fe Den­ke­rin. Na­tür­lich hat­te sie recht, aber von un­se­rem mu­tier­ten Tu­ber­kel-Ba­zil­lus konn­te ich ihr ja nichts ver­ra­ten. Er be­wirk­te die ei­gen­ar­ti­gen Er­schei­nun­gen.

»Sie wer­den in ei­ni­gen Ta­gen wie­der auf den Bei­nen sein«, lenk­te ich ab. »Sie be­fin­den sich erst im An­fangs­sta­di­um. Ich ha­be an­de­re Leu­te ge­se­hen, die schon ei­nem Ske­lett gli­chen. Sei­en Sie froh, daß wir so­fort al­les ge­tan ha­ben. Die neu­en Se­ren sind schon in grö­ße­ren Men­gen mit Flug­zeu­gen un­ter­wegs. Im Werk wird je­der ge­impft.«

Ich blieb noch bei ihr, bis un­ten der Kran­ken­wa­gen er­schi­en. Da­nach ließ ich das psy­cho­lo­gi­sche In­sti­tut so­fort schlie­ßen. Die Leu­te muß­ten schleu­nigst un­ter­sucht und ge­impft wer­den.

»Ei­ne herr­li­che Plei­te!« höhn­te der Zwerg, als wir wie­der auf un­se­ren Ein­satz­wa­gen zu­gin­gen. »Da­bei hät­te ich ums Haar noch einen Hit­ze­strah­ler mit­ge­nom­men. Da ha­ben sich un­se­re Her­ren Fach­leu­te aber arg ge­täuscht.«

»Oder auch nicht!« be­harr­te ich auf mei­nen al­ler­letz­ten Zwei­feln. »Im­mer­hin sind ge­nü­gend Ver­dachts­grün­de vor­han­den. Sie ist drei­fa­che Mil­lio­nä­rin und ar­bei­tet hier für ein re­la­tiv ge­rin­ges Ge­halt. Warum? Aus Spaß an der Freu­de? Da­zu könn­te sie sich ein Pri­vat­in­sti­tut schaf­fen. Ich fin­de das nicht be­son­ders lo­gisch, oder?«

»Hmm!«

»Aha! Dann ist ih­re be­mer­kens­wer­te Vor­ge­schich­te zu be­ach­ten. Sie ver­gab ei­ni­ge die­ser rät­sel­haf­ten Auf­trä­ge an die In­dus­trie. Wir wis­sen heu­te noch nicht, was mit den Teil­fa­bri­ka­ten letzt­lich ge­schieht.«

»Sie ist aber ein­wand­frei krank, oder? Selbst wenn die De­ne­ber neue Nach­ah­mungs­mo­del­le mit sau­ber durch­ge­bil­de­ten In­ne­rei­en auf den Schau­platz ge­bracht ha­ben, kann sie keins da­von sein. Lun­gen aus täu­schend echt nach­ge­bil­de­ten Kunst­stof­fen wer­den wohl kaum auf den Er­re­ger rea­gie­ren.«

Da­mit war das ge­sagt wor­den, was mich an den Rand des Wahn­sinns brach­te. Bis zur Stun­de wa­ren schon zwei­tau­send Werks­an­ge­hö­ri­ge ge­röntgt und oben­drein ge­impft wor­den. Kein Er­folg! Al­les ein­wand­frei! Ich hat­te das Ge­fühl, als zeich­ne­te sich be­reits ein ge­wal­ti­ger Miß­er­folg ab.

Des­halb sag­te ich be­drückt:

»Egal, ich will we­nigs­tens in ih­rem Fall Klar­heit ha­ben. Wenn wir of­fen vor­ge­hen könn­ten, wä­re es kein Pro­blem. So aber müs­sen wir im­mer be­rück­sich­ti­gen, daß die De­ne­ber noch kei­ne Ah­nung von un­se­rem Wis­sen ha­ben. Der von dem Wahn­sin­ni­gen ge­tö­te­te Halb­ro­bot ist of­fi­zi­ell be­er­digt wor­den. Die Nach­ah­mung von Oberst Gur­ding be­fin­det sich eben­so of­fi­zi­ell im GWA-Haupt­quar­tier in Schutz­haft. Un­se­re Leu­te ha­ben schnell ge­schos­sen. Wir müs­sen nach wie vor im Hin­ter­grund blei­ben. Soll­ten sie ei­nes Ta­ges mer­ken, daß wir sie er­kannt ha­ben, steht ge­nau­en Un­ter­su­chungs­me­tho­den nichts mehr im We­ge. Heu­te geht es ein­fach noch nicht. Trotz­dem wer­de ich sie gründ­lichst un­ter­su­chen las­sen, mein Wort.«

Er sah mich dünn lä­chelnd an.

»Sie ist sehr schön, wie? Un­ser Ein­satz wird in­ter­essant. Wie willst du un­auf­fäl­lig fest­stel­len, daß sie ein wirk­li­cher Mensch ist?«

Er er­fuhr es ei­ne Stun­de spä­ter, als ich er­neut vor un­se­rem GWA-Me­di­zi­ner stand.

»Ich ha­be noch zwan­zig Ro­bot-Rönt­gen­sta­tio­nen an­ge­for­dert«, er­klär­te er ner­vös. »Wir kom­men mit den ver­füg­ba­ren Ge­rä­ten nicht schnell ge­nug durch. Ja, wenn ich al­le Ärz­te ein­span­nen könn­te.«

»Sie wer­den sich hü­ten. Es ge­nügt, daß wir au­ßer Ih­nen schon sechs Leu­te ein­wei­hen und mit ei­ner durch­sich­ti­gen Er­klä­rung über den Sinn der Sa­che ab­spei­sen muß­ten. Ach­ten Sie sorg­fäl­tig auf My­rl Swi­zer. Wann wer­den Sie die Ärz­tin noch­mals durch­leuch­ten?«

»Frü­he­s­tens über­mor­gen. Dann ha­be ich einen Grund, da sie lau­fend mit Er­krank­ten zu tun hat. Ich wer­de dies­mal Spe­zi­al­auf­nah­men an­fer­ti­gen und je­de win­zi­ge Klei­nig­keit aus­wer­ten. Was wol­len Sie tun, wenn ich or­ga­ni­sche Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten fest­stel­len soll­te?«

»Nichts. Wir las­sen sie vor­läu­fig lau­fen. Es wird höchs­te Zeit, daß wir in der Sa­che wei­ter­kom­men und fest­stel­len, wo der Herd die­ser de­ne­bi­schen Ei­ter­beu­le sitzt. Mit dem Ab­schuß un­ter­ge­ord­ne­ter Nach­ah­mun­gen ist uns nicht ge­dient. Sei­en Sie bei der Un­ter­su­chung al­so vor­sich­tig. Sie darf nichts mer­ken. Wie weit sind Sie mit Gun­dry Pon­ja­res?«

»Lun­gen­bil­der lie­gen vor. Hun­dert­pro­zen­tig ein­wand­frei. Zwei In­fek­ti­ons­her­de ha­ben sich be­reits durch­ge­fres­sen. Fie­ber, Hus­ten­an­fäl­le, be­gin­nen­de Ab­zeh­rung, ver­lang­sam­te Ner­ven­re­fle­xe und phy­si­sche Schwä­che. Ganz ty­pisch für die Wir­kungs­wei­se des mu­tier­ten Er­re­gers. Sie ist ein Mensch.«

Han­ni­bal lach­te, aber ich zwei­fel­te noch im­mer. Des­halb sag­te ich grob:

»Sie ist kei­ner. Fin­den Sie einen Weg, um die Pon­ja­res un­auf­fäl­lig zur Gy­nä­ko­lo­gie zu brin­gen. Der bes­te Frau­en­arzt der Kli­nik soll fest­stel­len, ob sie tat­säch­lich ei­ne Frau ist. Wenn Zwei­fel auf­tau­chen soll­ten, er­tei­le ich Ih­nen hier­mit die Son­der­er­laub­nis, einen klei­nen ope­ra­ti­ven Ein­griff vor­zu­neh­men. Mei­net­we­gen Blind­darm. Et­was, was in we­ni­gen Stun­den, mit Wund­plas­ma zu ver­hei­len ist. Geht das?«

»Gy­nä­ko­lo­gie?« frag­te er ge­dehnt. »In Ord­nung, ich wer­de ei­ne Dia­gno­se stel­len, die sie zum Frau­en­arzt brin­gen wird. Ma­chen Sie sich aber kei­ne Hoff­nun­gen. Wenn das kei­ne Frau ist, will ich auf mit­tel­al­ter­li­che Al­chi­mie um­sat­teln.«

»Ru­fen Sie mich so­fort an«, for­der­te ich ab­wei­send, be­vor wir gin­gen.

 

Die großen Sä­le der Rönt­gen­ab­tei­lung wa­ren über­füllt. Un­auf­hör­lich ström­ten die Werk­tä­ti­gen her­ein, wur­den un­ter­sucht, ge­impft und wie­der ent­las­sen. Un­ser neu­er Wirk­stoff ga­ran­tier­te ei­ne hun­dert­pro­zen­ti­ge Im­mu­ni­tät ge­gen den mu­tier­ten Er­re­ger. Die Me­di­zi­ner hiel­ten das Zeug für das üb­li­che Se­rum, da es in die­sen Am­pul­len ab­ge­füllt war. In die­ser Hin­sicht ging al­les klar. Die GWA hat­te sau­be­re Ar­beit ge­leis­tet, nur wir stan­den noch im­mer am An­fang.

Das Wach­ba­tail­lon rings um die Kli­nik war noch da. Bei Son­nen­un­ter­gang soll­ten die von der Hit­ze er­schöpf­ten Män­ner ab­ge­löst wer­den.

Han­ni­bal in­spi­zier­te kurz den so­ge­nann­ten ›Ener­gie­trupp‹. Das wa­ren die Spe­zia­lis­ten, de­nen wir noch schnel­ler, aber gründ­li­cher Aus­bil­dung die mar­sia­ni­schen Strah­ler an­ver­traut hat­ten.

Sie schwitz­ten in ih­ren Schutz­an­zü­gen wie rö­mi­sche Gla­dia­to­ren im Ent­schei­dungs­kampf auf Le­ben und Tod. Ich gab die An­wei­sung, die­se Män­ner an schat­ti­gen Stel­len zu pos­tie­ren und eis­ge­kühl­te Ge­trän­ke zu ver­tei­len. Mehr konn­te ich nicht tun, da die Schutz­an­zü­ge kei­ne ei­ge­nen Kli­ma­an­la­gen be­sa­ßen.

Das II. Pan­zer­re­gi­ment der S-Dienst-Di­vi­si­on stand an vier Brenn­punk­ten zum Ein­satz klar. Zwei Ba­tail­lo­ne des Re­gi­men­tes wa­ren mit leich­ten Flug­pan­zern aus­ge­rüs­tet. Die be­weg­li­chen 8-Ton­ner hin­gen an ih­ren mäch­ti­gen Ro­tor­krän­zen, und das hel­le Jau­len der kern­che­mi­schen Atom­trieb­wer­ke ging nicht nur mir auf die Ner­ven.

Na­tür­lich wa­ren die­se mi­li­tä­ri­schen Vor­be­rei­tun­gen längst auf­ge­fal­len. So keim­te die Mund­pa­ro­le auf, die ich ei­gent­lich er­war­tet hat­te. Man nahm un­ter den Zi­vi­lis­ten und Sol­da­ten an, die Sa­che mit der Tb-Seu­che wä­re auf ein At­ten­tat zu­rück­zu­füh­ren. Man tipp­te auf den Großasia­ti­schen-Staa­ten­bund, da die­se Groß­macht nach au­ßen hin im­mer noch als ver­hal­te­ner Geg­ner galt. In­fol­ge der be­gon­ne­nen In­va­si­on durch ei­ne au­ßer­ir­di­sche Macht konn­ten wir nun die Tat­sa­chen nicht be­kannt ma­chen. Auch Pe­king schwieg über un­ser Ab­kom­men, so daß wir so ziem­lich al­les ge­tan hat­ten, was hin­sicht­lich der Si­cher­heit über­haupt mög­lich war.

Wir flo­gen mit ei­nem schnel­len Hub­schrau­ber die ein­zel­nen Trup­pen­tei­le ab und schlos­sen end­gül­tig die Gren­zen der Sperr­zo­ne, so daß auch kei­ne Ma­te­ri­al­trans­por­te mehr durch­ge­hen konn­ten. Die Leer­zü­ge stan­den auf dem Zen­tral­bahn­hof, und auf dem Flug­ha­fen wur­den die rie­si­gen Trans­por­ter in die Han­gars ge­rollt.

Wenn hier ›Din­ger‹ wa­ren, so zap­pel­ten sie in un­se­rem Netz. Es war nur noch er­for­der­lich, sie auch zu er­ken­nen. Nur noch!

Als ich im S-Dienst-Bun­ker an­kam, war­te­te be­reits un­ser Ver­bin­dungs­mann. Es war TS-19, der uns im­mer auf al­len Ein­sät­zen be­glei­tet hat­te. Er war schon vor uns im Werk ge­we­sen, wo er die Po­si­ti­on des Per­so­nal­chefs be­klei­de­te. Er trug kei­ne Bio­mas­ke, da wir ihn oh­ne­hin kann­ten. Das ge­hör­te zu den ganz sel­te­nen Aus­nah­me­fäl­len in­ner­halb der GWA. Er hat­te neue Nach­rich­ten.

Ich bat ihn in mein Bü­ro und bot ihm er­fri­schen­de Ge­trän­ke an.

»Nun, Freund Mil­ler, wie läuft der La­den? Spre­chen Sie, wir sind un­ter uns.«

Er zeig­te sein be­ru­hi­gen­des Lä­cheln. Auf den Kol­le­gen konn­te man sich ver­las­sen.

»Vom Chef kei­ne neu­en Nach­rich­ten, Sir. Die Sa­che ›Teil­fa­bri­ka­ti­on‹ läuft wei­ter. In der Eu­ro­päi­schen Uni­on wur­de ei­ne klei­ne Fa­brik der op­ti­schen In­dus­trie ge­fun­den, in der ei­gen­ar­ti­ge Spe­zi­al­lin­sen her­ge­stellt wer­den. Der Auf­trag­ge­ber ist ein Schwei­zer, je­doch konn­te er nicht ge­faßt wer­den. An­geb­lich mit un­be­kann­tem Ziel ver­reist. Der Chef ver­sucht nun, den Lie­fer­weg der Lin­sen fest­zu­stel­len. Es han­delt sich um völ­lig fremd­ar­ti­ge Kris­tall­ge­bil­de, die nach kaum ver­ständ­li­chen Be­rech­nungs­grund­la­gen ge­schlif­fen wer­den müs­sen. Die Fa­brik er­hielt die zum Schliff er­for­der­li­chen Spe­zial­ma­schi­nen ge­lie­fert, die aber eben­falls aus ei­ner ir­di­schen Fa­brik stam­men. Sie ka­men aus Schwe­den. Es sieht so aus, als hät­ten die Un­be­kann­ten ein un­ge­heu­er weit­läu­fi­ges und kom­pli­zier­tes Pro­gramm ge­st­ar­tet. Sie las­sen erst die Spe­zi­al­ein­rich­tun­gen bau­en, und dann be­stel­len sie bei Fa­bri­ken, die mit die­sen neu­ar­ti­gen Ma­schi­nen vor­her be­lie­fert wer­den. So­zu­sa­gen auf Leih­ba­sis, bis die be­stell­ten Ar­ti­kel aus­ge­lie­fert sind. Ei­ne un­ge­heu­re Ar­beit, Sir! Die ge­sam­te GWA ist auf den Bei­nen. Auf der gan­zen Welt gibt es – bei­spiels­wei­se – kei­ne In­dus­trie, die mit die­sen selt­sa­men Kris­tall­ge­bil­den et­was an­fan­gen könn­te. Sie las­sen nur ul­tra­vio­lett durch.«

Ich rauch­te schon mei­ne drit­te Zi­ga­ret­te. Die An­ge­le­gen­heit be­gann aus­ge­spro­chen heiß zu wer­den.

»Hö­ren Sie, TS-19, es wird höchs­te Zeit, daß man mich als fet­ten Kö­der an­sieht und da­nach schnappt. Wir müs­sen die Zen­tra­le der Frem­den aus­fin­dig ma­chen. Sonst ist al­les sinn­los.«

Er nick­te sin­nend.

»Auch mei­ne Mei­nung, Sir. Wir müs­sen ab­war­ten. Nach den Wahr­schein­lich­keits­be­rech­nun­gen un­se­res Ro­bot­ge­hirns dürf­ten Sie von den De­ne­bern längst als wich­ti­ge Per­son ein­ge­stuft wor­den sein. Es ist mög­lich, daß man bald nach Ih­nen greift. Sie soll­ten um­ge­hend Ih­re Son­deraus­rüs­tung an­le­gen, Sir.«

Ich sah ihn bis­sig an. So sah er aus! Die Spe­zia­l­uni­form mit all den ge­ni­al dar­in ver­steck­ten »Scherz­ar­ti­keln« wog ei­ni­ge Ki­lo­gramm. Au­ßer­dem ist es ein be­un­ru­hi­gen­des Ge­fühl, wenn man ei­ni­ge Mi­nia­tur-Atom­bom­ben im Ho­sen­bo­den weiß. Ge­le­gent­lich muß man sich auch ein­mal set­zen, und da­bei denkt man dann un­will­kür­lich an den emp­find­li­chen Zün­der.

»Sonst noch et­was?« frag­te ich.

Er zog einen Zet­tel aus der Ta­sche und leg­te ihn mir auf den Tisch.

»Acht Per­so­nen aus der Be­leg­schaft des Wer­kes für die End­mon­ta­ge der ato­ma­ren Plas­ma-Strahl­trieb­wer­ke ha­ben sich nicht zur Rönt­gen­un­ter­su­chung ge­mel­det. Sie hat­ten den Be­fehl er­las­sen, daß das Per­so­nal die­ser Fa­brik zu­erst zu durch­leuch­ten wä­re, Sir.«

Ich griff has­tig nach dem Pa­pier. Tat­säch­lich, da wa­ren acht Na­men mit ge­nau­er Be­zeich­nung der ein­zel­nen Tä­tig­kei­ten auf­ge­führt. Zwei Fach­in­ge­nieu­re und ein Atom­phy­si­ker be­fan­den sich dar­un­ter.

Ich sah lang­sam auf. Ei­ne un­heim­li­che Ru­he über­kam mich.

»Nicht er­schie­nen, sag­ten Sie? Ist das ab­so­lut si­cher? Sind die Woh­nun­gen über­prüft wor­den?«

»Ja­wohl, Sir, un­auf­fäl­lig von den Leu­ten aus der Per­so­nal­ab­tei­lung. Völ­lig un­ver­fäng­lich. Drei der Leu­te sind ver­hei­ra­tet; die Frau­en sind zu Hau­se.«

Das Wort »Frau­en« gab mir einen Stich. Konn­te es mög­lich sein, daß sich ein »Ding« als Ehe­mann aus­gab? Muß­te das von ei­ner Frau nicht be­merkt wer­den?

TS-19 be­merk­te mei­ne plötz­li­che Bläs­se und lä­chel­te nicht mehr. Be­sorg­nis stand in sei­nen dunklen Au­gen. Ge­preßt mein­te er:

»Sir, ich bin da­von über­zeugt, daß es sich bei den ver­schwun­de­nen Per­so­nen um Nach­ah­mun­gen vom Gur­ding-Typ han­delt. Sie ken­nen na­tür­lich die Ge­fahr ei­ner Durch­leuch­tung, wes­halb sie nicht er­schie­nen, son­dern im Ge­gen­teil schnells­tens ver­schwun­den sind. Sie sind nicht auf­find­bar.«

»Wo­hin ver­schwun­den?« stöhn­te ich.

Han­ni­bal be­gann un­ter­drückt zu flu­chen. Die Ge­schich­te wur­de im­mer ver­wor­re­ner.

»Die Gren­zen des Sperr­ge­bie­tes sind der­art sorg­fäl­tig ab­ge­rie­gelt wor­den, daß kei­ne Maus durch­kommt. Wo­hin al­so ver­schwun­den?«

»Das Ge­län­de ist sehr groß, Sir. Im La­ra­mie-Be­cken gibt es ge­nü­gend Ver­ste­cke. Die um­lie­gen­den Ber­ge wei­sen zahl­rei­che Hohl­räu­me und un­zu­gäng­li­che Schluch­ten auf.«

Nun war das ein­ge­tre­ten, was ich be­fürch­tet hat­te. Die er­kenn­ba­ren Nach­ah­mun­gen mach­ten sich un­sicht­bar, und wir hat­ten das Nach­se­hen. Na­tür­lich wur­de da­mit er­reicht, daß die ge­fähr­li­chen Mons­tren aus den Sweet-Wa­ter-Wer­ken ver­schwan­den. Das war we­nigs­tens ein Tei­ler­folg, der sich aber sehr rasch ins Ge­gen­teil um­keh­ren konn­te.

»Von nun an sorg­fäl­tig auf­pas­sen, wer sich au­ßer die­sen acht Leu­ten eben­falls nicht zur Un­ter­su­chung ein­fin­det. Bild­ma­te­ri­al vor­be­rei­ten. Ich will von je­dem ein gu­tes Fo­to ha­ben. Ver­viel­fäl­ti­gen las­sen und zur Aus­ga­be an die Trup­pen be­reit­hal­ten. Nach au­ßen hin die Maß­nah­me mit der An­ga­be tar­nen, daß der Si­cher­heits­chef auf die Idee ge­kom­men wä­re, die plötz­lich ver­schwun­de­nen Per­so­nen könn­ten Agen­ten ei­ner aus­län­di­schen Macht sein. Ich be­to­ne ›aus­län­di­schen Macht‹, TS-19! Las­sen Sie kei­nen Ton über den Stern De­neb fal­len. Ist das klar? Ver­an­las­sen Sie das, und be­ru­fen Sie sich auf mich, falls man Ih­nen mit den Bildab­zü­gen Schwie­rig­kei­ten ma­chen soll­te.«

Er grüß­te kurz und ging. An­schlie­ßend be­kam Han­ni­bal sei­ne Auf­ga­be. »Okay, Klei­ner, schi­cke so­fort drei Hub­schrau­ber­kom­man­dos zu den Ehe­frau­en der ver­schwun­de­nen Leu­te. Zu mir brin­gen las­sen. Ver­hör. Los schon!«

Er war schon an der Tür, als ich ihm nachrief:

»Dok­tor Pre­s­ped soll in den Bun­ker kom­men. Ich möch­te die Frau­en nicht nach Ein­zel­hei­ten aus dem in­ti­men Ehe­le­ben be­fra­gen. Trotz­dem muß ich wis­sen, wie sich ih­re Män­ner ver­hal­ten ha­ben.«

»Pein­lich, sehr pein­lich«, lach­te der Klei­ne. Es war ein tro­ckenes Ge­läch­ter.

Mir war es noch pein­li­cher, aber es muß­te wahr­schein­lich sein. Ei­ne Fra­ge von aller­größ­ter Wich­tig­keit war da­mit auf­ge­taucht: Wie ver­hielt sich ein hal­ber Ro­bo­ter ge­gen­über ei­ner ab­so­lut nor­ma­len Frau, die höchst­wahr­schein­lich einen eben­so mensch­li­chen Mann ge­hei­ra­tet hat­te? Die­se Nach­for­schung muß­te doch ein Er­geb­nis brin­gen!

Oder – oder wa­ren die drei Ehe­frau­en eben­falls Nach­ah­mun­gen? Ich gab so­fort die An­wei­sun­gen, sie noch vor dem Ver­hör zu durch­leuch­ten.

Han­ni­bal be­stä­tig­te über Funk. Er saß be­reits in ei­nem der Hub­schrau­ber.

Ei­ne Stun­de spä­ter wa­ren die Frau­en ge­röntgt. Sie wa­ren ein­wand­frei. Ich ließ sie zur Si­cher­heit und un­ter dem glei­chen Vor­wand wie bei Gun­dry Pon­ja­res zur Gy­nä­ko­lo­gie brin­gen. Dr. Pon­ja­res war in­fol­ge der noch nicht ab­ge­klun­ge­nen In­fek­ti­on bis­her nicht dort ge­we­sen. So be­kam ich von dem Chef der Frau­enkli­nik zu­erst den Be­richt über die drei Ehe­frau­en.

Er frag­te über Bild­sprech ver­wun­dert an, was er ei­gent­lich an den kern­ge­sun­den Frau­en un­ter­su­chen und fest­stel­len soll­te! Völ­lig nor­mal. Ei­ne da­von wä­re in ge­seg­ne­ten Um­stän­den. Mei­ne Ver­mu­tung, es könn­te ei­ne krebs­ar­ti­ge Wu­che­rung in­fol­ge har­ter Strah­lun­gen vor­lie­gen, wä­re un­be­dingt falsch.

Ich er­teil­te ihm Re­de­ver­bot und ließ ihn so­fort zur Durch­leuch­tung brin­gen. Wer gab uns die Ga­ran­tie, daß er nicht eben­falls ein ›Et­was‹ war? Wir be­gan­nen mit dem Tanz auf dem Vul­kan, und da­zu ka­men noch die An­ru­fe des be­sorg­ten und un­ru­hig wer­den­den Al­ten. Warum wir – zum Teu­fel – in der Sa­che nicht vor­an­kämen? Die zwan­zig Rönt­gen-Ro­bot­sta­tio­nen wä­ren schon vor zwei Stun­den im Werk ein­ge­trof­fen. Er hät­te die elek­tro­ni­schen Ge­hir­ne für die be­son­de­ren Ge­ge­ben­hei­ten um­schal­ten las­sen. Die Ro­bots wür­den so­fort ei­ne Nach­ah­mung er­ken­nen und auf dem Dia­gramm­strei­fen einen un­über­seh­ba­ren Ver­merk mit­samt Na­men hin­ter­las­sen.

Ich konn­te ihn nur über die Flucht der acht Imi­ta­tio­nen un­ter­rich­ten. Re­lings Ner­vo­si­tät stieg zu­se­hends.

Kurz nach dem Ge­spräch über mei­nen klei­nen SUW-Sen­der brach­te Han­ni­bal die drei Ehe­frau­en zu mir. Ei­ne der Da­men war be­reits achtund­fünf­zig Jah­re alt. Sie hat­te drei er­wach­se­ne Söh­ne, die in der Raum­waf­fe als Of­fi­zie­re Dienst ta­ten. Es wur­de im­mer schö­ner.

Mein Ver­hör wur­de auf Ton­band fest­ge­hal­ten. Die Frau­en konn­ten über­haupt nichts aus­sa­gen. Ih­re Män­ner wa­ren eben seit vier­und­zwan­zig Stun­den nicht mehr zu Hau­se er­schie­nen. Das war al­les.

Auf mei­ne Fra­ge, ob sich ih­re Män­ner in den letz­ten Wo­chen oder Mo­na­ten ein­mal für ei­ni­ge Ta­ge aus dem en­ge­ren Werk ent­fernt hät­ten, wur­de po­si­tiv be­ant­wor­tet. Ja, al­le hat­ten sie die kur­z­en Ur­laubs­ta­ge in den na­hen Ber­gen und in den wei­ten Ge­bie­ten des La­ra­mie-Be­ckens ver­bracht. Sie hat­ten Aus­flü­ge zu Pfer­de ge­macht, hat­ten ge­jagt und ge­fischt. Na­tür­lich noch in­ner­halb des Sperr­ge­bie­tes, wo es ja ge­nü­gend Raum gab.

Da wuß­te ich, daß ich so nicht wei­ter­kam. Der Aus­tausch konn­te von den De­ne­bern nur zu je­nem Zeit­punkt vor­ge­nom­men wor­den sein, als sich die Leu­te in dem wei­ten Land auf­hiel­ten. Als die Nach­ah­mun­gen dann heim­kehr­ten, hat­te nie­mand et­was ge­merkt. Ich frag­te noch, ob sich die Ur­lau­ber an­ders als ge­wohnt ver­hal­ten hät­ten. Nein, hat­ten sie nicht!

Wei­ter konn­te ich nicht fra­gen. An­schlie­ßend schick­te ich die Da­men in den Ne­ben­raum zum war­ten­den Arzt. Die In­tim­sphä­re konn­te nur er zur Spra­che brin­gen.

Ich war­te­te ei­ne gu­te Stun­de. Es ging schon auf Mit­ter­nacht zu, als Dr. Pre­s­ped end­lich mein Ar­beits­zim­mer be­trat. Er sah mü­de aus. Die Frau­en wa­ren ent­las­sen wor­den.

»Nun?« frag­te ich ge­spannt. Han­ni­bal schob dem Me­di­zi­ner ei­ne hoch­pro­zen­ti­ge Mi­schung aus dem Ge­trän­kero­bot hin. Pre­s­ped ließ sich ab­ge­spannt in einen Ses­sel fal­len.

»Dan­ke. Ja, Ma­jor, die Be­fra­gung der Frau­en hat in Ih­rem Sin­ne ein ne­ga­ti­ves Er­geb­nis ge­bracht. In den Ehen war al­les völ­lig nor­mal. Über­haupt kei­ne Ab­wei­chun­gen, die in ir­gend­ei­ner Form be­merkt wor­den wä­ren. Tut mir leid. Wol­len Sie noch ge­naue­re Da­ten?«

Ich schüt­tel­te stumm den Kopf. Die Un­ru­he kehr­te wie­der mit be­täu­ben­der Ge­walt zu­rück.

Plötz­lich sag­te Han­ni­bal be­däch­tig:

»Gut, Dok­tor! Vor­aus­ge­setzt, die ver­schwun­de­nen Gat­ten wa­ren Nach­ah­mun­gen, so wis­sen wir jetzt we­nigs­tens mit größ­ter Be­stimmt­heit, daß die De­ne­ber ein Mit­tel ha­ben, um den Op­fern das ge­sam­te Wis­sen und sämt­li­che Er­in­ne­run­gen zu ent­zie­hen und die glei­chen geis­ti­gen Wer­te so­zu­sa­gen auf ein de­ne­bi­sches Ge­hirn um­zu­schal­ten. Da­zu ge­hö­ren auch Re­ak­ti­ons­mo­men­te, Ge­fühls­aus­brü­che je­der Art, be­stimm­te Ges­ten, der Gang und über­haupt al­les, was einen Men­schen cha­rak­te­ri­siert. Ich ge­he wohl nicht fehl, wenn ich an­neh­me, daß all die­se Tat­sa­chen im Ge­hirn ver­an­kert sind, oder?«

»Nur dort. Für einen Schritt brau­chen Sie den Im­puls des Hirns. Es stellt vor­her fest, warum be­sag­ter Schritt er­for­der­lich ist. Das als Bei­spiel von un­zähl­ba­ren Mög­lich­kei­ten. Das Hirn ist ei­ne or­ga­ni­sche Re­chen­ma­schi­ne, nicht mehr.«

»Hö­re auf zu den­ken, ja!« bat ich er­schöpft. Mein vol­ler Blick traf den Klei­nen. »Wenn du schon da­mit an­fängst, sieht die Sa­che sau­er aus. Dan­ke, Dok­tor, mehr woll­te ich nicht wis­sen. Wie weit sind Sie mit den Durch­leuch­tun­gen?«

»Mit den Ro­bot­sta­tio­nen geht es zü­gig vor­an. Wir ar­bei­ten Tag und Nacht. Sie wis­sen ja, daß bis­her noch kei­ne Ab­wei­chun­gen ent­deckt wer­den konn­ten.«

»Kein Wun­der, wenn die vor­her flüch­ten«, be­schwer­te sich Han­ni­bal.

Ich be­trach­te­te mei­ne ver­schränk­ten Fin­ger. Sie zit­ter­ten leicht; ein Zei­chen stei­gen­der Ner­vo­si­tät.

»Sa­gen Sie, Doc, hal­ten Sie es in der Tat für mög­lich, daß die Un­be­kann­ten Mo­del­le er­schaf­fen ha­ben, die ge­gen die Durch­leuch­tung ein­fach im­mun sind? Wir spra­chen dar­über, nicht wahr!«

Er zuck­te mit den Schul­tern und er­hob sich seuf­zend aus dem Ses­sel.

»Sie se­hen mich über­fragt, Sir. Das kann ich erst dann glau­ben, wenn ich einen Be­weis ha­be. Es ist schon un­faß­lich, daß die­se In­tel­li­gen­zen stäh­ler­ne Kno­chen mit ei­nem na­tür­li­chen Ge­we­be um­ge­ben und ein or­ga­ni­sches Hirn mit Pump­sta­tio­nen und ähn­li­chen Din­gen am Le­ben er­hal­ten kön­nen. Wenn Sie jetzt noch be­haup­ten wol­len, sie könn­ten einen kom­plet­ten Men­schen so ein­fach aus der Re­tor­te ent­ste­hen las­sen, dann streikt mein Ver­stand trotz al­ler Phan­ta­sie. Da kom­me ich nicht mehr mit, ver­ste­hen Sie! Ich ha­be in un­se­rem Ge­spräch auch nur ver­mu­tet, daß man bei den be­kann­ten Halb­ro­bot-Mo­del­len die feh­len­den Or­ga­ne zur Täu­schung aus Kunst­stof­fen haar­ge­nau nach­ge­ahmt ha­ben könn­te. Das er­scheint mir wahr­schein­lich, mehr aber nicht. Auf die­sem We­ge kön­nen so­gar wir je­de ein­zel­ne Ner­ven­fa­ser wun­der­bar durch­bil­den. Se­hen Sie sich ein­mal in der Kli­nik das Mo­dell des mensch­li­chen Kör­pers an. Da fehlt nichts, ab­ge­se­hen vom ech­ten Le­ben. Warum sol­len die das mit ih­rer vollen­de­ten Tech­nik nicht noch bes­ser und na­tür­li­cher kön­nen? Es kommt auf die Wahl der Kunst­stof­fe an. Viel­leicht trans­plan­tiert man so­gar or­ga­ni­sches Ge­we­be. Je­den­falls ha­ben wir bis­her in kei­ner Bauch­höh­le ei­ne Kraft­sta­ti­on fest­ge­stellt.«

Dok­tor Pre­s­ped ging wie ein ge­schla­ge­ner Mann. Von da an war ich über­zeugt, daß die De­ne­ber min­des­tens zwei Mo­del­le ent­wi­ckelt hat­ten. Das äl­te­re mit der ver­hält­nis­mä­ßig lee­ren Kör­per­hül­le und ein ver­bes­ser­tes mit groß­ar­tig durch­ge­bil­de­ten Ein­ge­wei­den, die in ir­gend­ei­ner Form noch strah­lungs­si­cher sein muß­ten und un­durch­läs­sig für ein­fa­che Rönt­gen­strah­len. Da­mit wa­ren auch die An­triebs­me­cha­nis­men nicht mehr zu se­hen.

Als ich so­weit war, kam der Arzt plötz­lich zu­rück. Er blieb un­ter der Tür ste­hen.

»Ja?« fuhr ich auf.

»Hö­ren Sie, Ma­jor, ich ha­be mir die Sa­che über­legt. Wir kom­men auf die­ser Ba­sis nicht wei­ter! Schla­gen Sie end­lich of­fen zu, klä­ren Sie die Leu­te auf und be­feh­len Sie für je­den Sol­da­ten so­wie für je­den Werks­an­ge­hö­ri­gen ei­ne Zwangs­un­ter­su­chung hin­sicht­lich der Ge­hirn­fre­quen­zen. Das ist über­haupt die ein­zi­ge Mög­lich­keit, denn ein de­ne­bi­sches Ge­hirn wird ex­trem an­de­re Kur­ven zei­gen. Au­ßer­dem kön­nen wir Nach­ah­mun­gen ein­wand­frei fest­stel­len, weil im Kör­per von Mis­ter X eben nicht mehr das Ge­hirn des Mis­ter X sitzt. Das kön­nen auch die Frem­den nicht um­ge­hen. Wir ha­ben von je­der Per­son in­ner­halb des Sperr­ge­bie­tes die ge­nau­en Fre­quen­zen, und die sind grund­sätz­lich ein­ma­lig für ein be­stimm­tes In­di­vi­du­um. Nun?«

Han­ni­bal sah mich an, Pre­s­peds Au­gen for­der­ten. Ich über­leg­te lan­ge, bis ich den Kopf schüt­tel­te.

»Schon längst dar­an ge­dacht, Dok­tor. Nein, sa­ge ich! Wenn, es einen un­be­dingt stich­hal­ti­gen und plau­si­blen Grund gä­be, sämt­li­che Leu­te un­ter die De­tek­tor­ge­rä­te zu le­gen, hät­ten wir die Sa­che mit der Tb-In­fi­zie­rung über­haupt nicht zu star­ten brau­chen. Das war aber ein plau­si­bler Grund zur all­ge­mei­nen Durch­leuch­tung. Nen­nen Sie mir nur ei­ne ab­so­lut gleich­wer­ti­ge Ur­sa­che als Be­grün­dung für einen Ge­hirn­schwin­gungs­test, und er läuft in vier Stun­den an. Al­so …?«

Er schwieg. Sei­ne Schul­ter­be­we­gung zeug­te von sei­ner Re­si­gna­ti­on.

»Viel­leicht – eh – Spio­na­ge­ge­fahr?« mein­te Han­ni­bal zö­gernd. »We­gen des Ver­schwin­dens von ei­ni­gen Leu­ten? Man könn­te das hoch­spie­len.«

»Das ist kein Grund für ei­ne der­art lang­wie­ri­ge Un­ter­su­chung. Sie er­for­dert pro Per­son min­des­tens ein­ein­halb Stun­den. Die Frem­den wür­den Ver­dacht schöp­fen. Noch wis­sen sie nichts, und das muß un­se­re ein­zi­ge Waf­fe blei­ben.«

»Ich ge­be auf«, er­klär­te der Arzt und ging end­gül­tig.

Zehn Mi­nu­ten spä­ter rief ich mit dem SUW-Sen­der das Haupt­quar­tier an. Ein hoch­flie­gen­der Atom­bom­ber der GWA-Flot­te diente als Re­lais­sta­ti­on. So be­kam ich di­rek­te Ver­bin­dung mit Wa­shing­ton.

Ich for­der­te ei­ne sorg­fäl­ti­ge Wahr­schein­lich­keits­be­rech­nung durch das ›Ge­dächt­nis‹, ob die An­ord­nung zur Ge­hirn­fre­quenz-Un­ter­su­chung trag­bar wä­re. Ich schlug vor, durch mich aus Si­cher­heits­grün­den einen sol­chen Test an­ord­nen zu las­sen, und er­bat für den Fall der Ge­neh­mi­gung ei­ni­ge Ro­ben­sta­tio­nen.

Mit­ten in der Nacht traf die Ant­wort ein. Das Ro­bot­ge­hirn hat­te schnell ge­ar­bei­tet. Nach­dem sich der Chef per­sön­lich ge­mel­det hat­te, schal­te­te er di­rekt auf das ›Ge­dächt­nis‹ um. Ich hör­te die me­tal­li­sche Stim­me.

»Be­trifft An­fra­ge durch HC-9«, er­tön­te es lei­se aus dem Laut­spre­cher. »Im­puls­test al­ler Werks­an­ge­hö­ri­gen en­det mit 98,82pro­zen­ti­ger Wahr­schein­lich­keit in ka­ta­stro­pha­ler Form. Die Be­rück­sich­ti­gung al­ler ver­füg­ba­ren Un­ter­la­gen über die In­tel­li­gen­zen und Men­ta­li­tät der De­ne­ber be­weist, daß sie Ver­dacht schöp­fen wer­den. Das ist zu ver­mei­den. Auf Grund der psy­cho­lo­gi­schen Fun­die­rung des Raum­ka­pi­täns Faet­cher, kann er un­mög­lich aus all­ge­mei­nen Si­cher­heits­grün­den ei­ne sol­che Mas­sen­un­ter­su­chung an­ord­nen. Es wi­der­spricht sei­ner vor­zutäu­schen­den Mei­nung über sei­ne neue Po­si­ti­on als Si­cher­heits­chef. Es wä­re völ­lig un­glaub­haft und ge­gen je­de Lo­gik, wenn er nun einen der­ar­ti­gen Test be­feh­len wür­de. Das wä­re nur dann zu be­für­wor­ten, wenn er von vorn­her­ein als Stre­ber und be­geis­ter­ter Ver­fech­ter der Si­cher­heits­auf­ga­be ein­ge­führt wor­den wä­re. Da das Ge­gen­teil der Fall ist, kann er nicht auf die Idee kom­men, den oh­ne­hin für ihn un­an­ge­neh­men und läs­ti­gen Dienst in die­ser Form zu kom­pli­zie­ren. Ich ra­te un­ter al­len Um­stän­den ab. En­de!«

»Na, ha­ben Sie es ge­hört?« ver­nahm ich die Stim­me des Al­ten. »Las­sen Sie die Fin­ger von der Sa­che, oder wir kön­nen gleich mit ei­ner Ar­mee an­rücken.«

Ich war nie­der­ge­schla­gen, förm­lich am Bo­den zer­stört.

»Chef, wenn die Durch­leuch­tun­gen wie bis­her kei­ne Er­geb­nis­se zei­gen, sind wir am En­de. Wenn ich nicht of­fen vor­ge­hen darf, wenn es mir nicht er­laubt ist, die zur ein­wand­frei­en Iden­ti­fi­zie­rung ver­füg­ba­ren Mit­tel ein­zu­set­zen, wer­den wir kein ein­zi­ges ›Ding‹ mehr fas­sen, ge­schwei­ge denn, daß wir die un­be­kann­te Zen­tra­le fin­den. Dann kön­nen wir ein­pa­cken.«

»Ver­ständ­lich und auch lo­gisch zu En­de ge­dacht. Sie müs­sen trotz­dem noch war­ten. Die größ­te Tu­gend ei­nes GWA-Schat­tens ist die Ge­duld. Wir wer­den sie ei­nes Ta­ges fas­sen, ver­las­sen Sie sich dar­auf! Je­der Si­cher­heits­chef ist un­be­quem, und Sie wer­den es lang­sam, ob­wohl Sie als un­zu­frie­de­ner und des­halb we­nig reg­sa­mer Mann gel­ten. Was er­gab die gy­nä­ko­lo­gi­sche Un­ter­su­chung von Gun­dry Pon­ja­res?«

Ich wuß­te es erst seit ei­ner Stun­de.

»Nichts, Sie ha­ben sich ge­wal­tig ge­irrt. Sie ist ei­ne hun­dert­pro­zen­ti­ge Frau. Un­ser Me­di­zi­ner hat in ih­rem Son­der­fall au­ßer­dem noch ei­ne künst­li­che Blind­darm­rei­zung ver­ur­sacht. Das ge­sch­ah un­auf­fäl­lig wäh­rend der Tb-Be­hand­lung. So ver­schaff­te er sich einen Grund zur Ope­ra­ti­on. Wenn Sie wol­len, Chef, schi­cke ich Ih­nen den ent­zün­de­ten Wurm­fort­satz mit­samt Fo­to­gra­fi­en über den Ein­griff. Pre­s­ped be­haup­tet, er hät­te sel­ten einen schö­ne­ren Blind­darm ge­se­hen. Hö­ren Sie mir um Him­mels­wil­len mit die­ser Frau auf. Schi­cken Sie mir lie­ber ein of­fi­zi­el­les GWA-Kom­man­do mit ei­nem be­grün­de­ten Haft­be­fehl für Dr. My­rl Swi­zer. Kon­stru­ie­ren Sie et­was, was mich be­rech­tigt, ih­ren Kopf un­ter ei­ne De­tek­tor­hau­be zu ste­cken. Au­ßer­dem las­sen Sie mich so­fort vom Space-De­part­ment zum Raum­admi­ral er­nen­nen. Ich wer­de von den hö­he­ren Of­fi­zie­ren schon schief an­ge­se­hen, da es au­ßer mir noch zwei Män­ner im Rang ei­nes Oberst gibt. Ich kann als Raum­ka­pi­tän nicht ei­ne kampf­star­ke Di­vi­si­on mit an­ge­glie­der­ten Ein­hei­ten der Raum­flot­te kom­man­die­ren.«

»Sie wä­ren heu­te oh­ne­hin be­för­dert wor­den«, er­klär­te er sach­lich. »Das Ge­dächt­nis hielt es zu ei­nem frü­he­ren Zeit­punkt nicht für rat­sam. Jetzt ha­ben Sie mit der prä­zi­sen Durch­füh­rung der Rönt­gen­an­ge­le­gen­heit ge­wis­se Qua­li­tä­ten ge­zeigt, die ei­ne Be­för­de­rung schon recht­fer­ti­gen. Sie er­hal­ten ge­gen elf Uhr Be­such. En­de – und Hals- und Bein­bruch.«