III Professor in Freiburg und Heidelberg. Aufstieg und Absturz
Seit Februar 1892 war Max Weber Privatdozent der Berliner Universität. Seitdem war es sein Ziel, eine feste Stelle als beamteter Professor an einer deutschsprachigen Universität zu erlangen. Das preußische Wissenschaftsministerium, geprägt von der Gestaltungskraft seines mächtigen Ministerialdirektors, Friedrich Althoff, sorgte dafür, dass der 29-jährige Max Weber ab Oktober 1893 zum außerordentlichen Professor für Handelsrecht an der Juristischen Fakultät der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin ernannt wurde und als solcher auch weiterhin mit der Vertretung seines erkrankten Lehrers, Levin Goldschmidt, beauftragt blieb. Dabei waren es wohl weniger seine beiden akademischen Qualifikationsarbeiten, sondern vor allem seine Gutsbesitzer-Enquêten, die ihm Anerkennung eingetragen hatten. Die daraus abgeleiteten sozialpolitischen Forderungen Webers lösten zwar heftige Kontroversen aus, schadeten jedoch keineswegs seiner erfolgreichen wissenschaftlichen Karriere.
Obwohl Althoff Weber gerne in Berlin halten wollte, teilte er ihm sein Verständnis mit, falls dieser den Ruf zur Übernahme des Ordinariats für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Großherzoglich Badischen Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg annehmen würde: «Daß ich Sie sehr ungern von hier scheiden sehe, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Andererseits aber kann ich Ihnen nicht verdenken, daß Sie die Wirksamkeit als Ordinarius an einer kleinen Universität und auf Gebieten, die Ihnen mehr zusagen, vorziehen. Ich zweifle nicht, daß einige Jahre Freiburg Ihnen für Ihre ganze Entwicklung von förderlichstem Einflusse sein werden.»
So kam es, dass Max Weber zum 25. April 1894 – er hatte gerade seinen 30. Geburtstag gefeiert – den Ruf nach Freiburg annahm, in der Nachfolge von Eugen von Philippovich. Mit der Berufung des Juristen Max Weber auf diesen wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstuhl war dessen berufliche Zukunft einigermaßen gesichert: Sie begann zwar an einer klassischen Durchgangsuniversität der damaligen Zeit und noch nicht an einer der renommierten Universitäten, wie jene in Berlin, Bonn oder Heidelberg, aber die existenzielle Sicherheit war erst einmal beruhigend. Von Berlin, der im Aufbruch befindlichen Hauptstadt des Deutschen Reiches, nach Freiburg im Breisgau zu gehen bedeutete für Weber die grundlegende Veränderung des ihn umgebenden Milieus: Freiburg war eine katholisch geprägte Stadt mit weniger als 40.000 Einwohnern, an der Peripherie des Reiches gelegen. Die Nachfolge auf den Philippovich-Lehrstuhl war ein großer persönlicher Erfolg, ungeachtet der Tatsache, dass die Besoldung in Freiburg notorisch schlecht war und diese Professur schon darum das Profil eines Anfänger-Lehrstuhls hatte.
Auch später war sich Weber immer der Tatsache bewusst, wie unwahrscheinlich dieser Schritt vom schlecht besoldeten Privatdozenten in prekärer Situation zum ordentlichen Universitätsprofessor gewesen war und dass es keineswegs immer nur an der tatsächlichen wissenschaftlichen Qualität liegt, ob dieser Schritt gelingt. Noch nach 2. Jahren, als er seine Rede über Wissenschaft als Beruf hielt, machte er dies unmissverständlich deutlich: «Ob es einem solchen Privatdozenten […] jemals gelingt, in die Stelle eines vollen Ordinarius und gar eines Institutsvorstandes einzurücken, ist eine Angelegenheit, die einfach Hazard ist. Gewiß: nicht nur der Zufall herrscht, aber er herrscht doch in ungewöhnlich hohem Grade. Ich kenne kaum eine Laufbahn auf Erden, wo er eine solche Rolle spielt. Ich darf das um so mehr sagen, als ich persönlich es einigen absoluten Zufälligkeiten zu verdanken habe, daß ich seinerzeit in sehr jungen Jahren in eine ordentliche Professur eines Faches berufen wurde, in welchem damals Altersgenossen unzweifelhaft mehr als ich geleistet hatten. Und ich bilde mir allerdings ein, auf Grund dieser Erfahrung ein geschärftes Auge für das unverdiente Schicksal der vielen zu haben, bei denen der Zufall gerade umgekehrt gespielt hat und noch spielt, und die trotz aller Tüchtigkeit innerhalb dieses Ausleseapparates nicht an die Stelle gelangen, die ihnen gebühren würde.»
Mit der Berufung nach Freiburg war zugleich ein Orientierungswechsel in Webers wissenschaftlicher Arbeit vollzogen: von der Jurisprudenz zur Nationalökonomie. Bald nach Rufannahme zum 1. Oktober 1894 erfolgte die Übersiedelung nach Freiburg, in das Haus Schillerstraße 22 mit Blick auf das Freiburger Münster. Weber bezieht zusammen mit seiner Frau Marianne, die er im September 1893 in Oerlinghausen geheiratet hatte, eine geräumige Etagenwohnung. Ebenfalls mit dem jungen Paar von Charlottenburg nach Freiburg ging Bertha Schandau, die bis zum Jahr 1917 Dienstmädchen dieses Professorenhaushalts bleiben sollte.
Wer war die junge Ehefrau, die mit dem frisch ernannten Lehrstuhlinhaber in das badische Freiburg mitkam? Marianne Weber (1870–1954), geborene Schnitger, war die Enkelin des Onkels von Max Weber, jenes Carl David Weber aus Oerlinghausen, der ihm als Idealtypus des modernen kapitalistischen Unternehmers diente. Geboren wurde Marianne Schnitger als Tochter des Landarztes Eduard Schnitger und dessen Ehefrau Anna, Tochter des genannten Carl David Weber. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 1873 lebte die Dreijährige allein mit ihrem Vater in Lemgo bzw. zeitweilig bei Großmutter und Tante väterlicherseits. Sie besuchte die Städtische Töchterschule in Lemgo und eine Höhere Töchterschule in Hannover. Nach dem Tod der Großmutter 1889 und einigen Jahren als «Haustochter» bei den Verwandten in Oerlinghausen zog sie 1892 nach Charlottenburg, ebenfalls als «Haustochter» bei Max Webers Eltern, wo sie Max Weber junior näher kennenlernte.
Verwandtenheirat war ein Grundelement des bürgerlichen Familienkapitalismus. So war die «Cousinenheirat» eine zu dieser Zeit überaus geläufige Verbindung, auch die Verbindung zwischen Nichte und Onkel erregte allenfalls dann die Gemüter, wenn der Altersabstand als zu groß wahrgenommen wurde, was bei der ehelichen Verbindung zwischen dem 29-jährigen Max Weber und der 23-jährigen Marianne Schnitger nicht der Fall war. Der Heiratsmarkt des deutschen Großbürgertums gegen Ende des 19. Jahrhunderts war bestimmt von impliziten Regeln, die sich sowohl aus den bürgerlichen Aufstiegsbedürfnissen als auch aus der defensiven Haltung einer Aristokratie ergaben, die ihren Status gegen die organisierte Titelinflation zu bewahren versuchte. Die gesellschaftlich akzeptierte Wahl eines Gatten oder einer Gattin war in jedem gesellschaftlichen Milieu begrenzt, in der «gehobenen Gesellschaft», zu der die gutbürgerliche Familie Weber gehörte, wurden die Ehen im Regelfall arrangiert oder zumindest von den Eltern und den Anwälten der beiden Familien in die Wege geleitet. Die Verhandlungen über die wirtschaftlichen und finanziellen Aspekte der Ehe erwiesen sich als von großer Bedeutung, wie man an dem komplizierten Ehevertrag zwischen Max Weber und Marianne Schnitger ablesen kann. Die Eltern von Max Weber verfolgten die Beziehung mit moderatem Wohlgefallen, die Mutter von Max Weber begleitete das Paar in jeder Hinsicht bis zu ihrem Tode im Jahr 1919.
Während seiner fünf Freiburger Semester war Max Weber enorm mit Lehrverpflichtungen beladen: Er und sein Kollege Gerhart von Schulze-Gaevernitz wechselten sich ab bei den drei Hauptvorlesungen (Allgemeine («theoretische») Nationalökonomie, Praktische Nationalökonomie, Finanzwissenschaft); gemeinsam boten sie in jedem Semester ein «Kameralistisches Seminar» an. Die Volkswirtschaftslehre war zu dieser Zeit an der Freiburger Universität als Disziplin alles andere als fest etabliert, Max Webers Lehrstuhl war anfangs in der Philosophischen Fakultät angesiedelt, wurde dann in die Juristische Fakultät verlagert, und erst in Webers Zeit – wesentlich auf sein Betreiben hin – kam es im Sommersemester 1896 zur Bildung einer neuen Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät – gewürdigt durch die Ehrenpromotion für Max Webers akademischen Lehrer, August Meitzen.
Von Marianne Weber wissen wir, dass der frisch ernannte Professor vom Umfang der Lehre überrascht war, sodass er sich als «gehetztes Wild» wahrnahm, als er nun «zum erstenmal bei sich selbst die großen nationalökonomischen Vorlesungen» hört. Selbstkritisch äußerte er sich seinem Fachkollegen Adolph Wagner gegenüber, dass er sich «auf 9/10 des Gebietes, das ich vertreten soll, als Anfänger» einschätzte. Die umfangreiche Vorlesung über Allgemeine Nationalökonomie, die Weber bereits in seinem ersten Semester 1894/95 hielt, gehörte zum obligatorischen Lehrkanon. Für den bis dahin als Jurist qualifizierten Weber bedeutete dies, sich nicht nur binnen kürzester Zeit ein ihm fachfremdes Gebiet zu erschließen, sondern dieses auch unmittelbar mit Dienstantritt zu lehren. Weber erleichterte sich die Arbeit dadurch, dass er das in Freiburg eingeführte Lehrbuch seines unmittelbaren Vorgängers, Eugen von Philippovich, heranzog und dessen Gliederung seiner eigenen Vorlesung zugrunde legte. Methodisch bezog Weber Stellung zwischen den herrschenden Schulen der zeitgenössischen Nationalökonomie und richtete die Behandlung seines Stoffes stark historisch aus. Marianne Weber berichtet, wie ihr Mann, zumindest ab der zweiten Wiederholung seiner Vorlesung, immer sicherer wurde: «er beherrscht ja nun seine Disziplin und hat selbst Freude an dem durchsichtigen, streng gegliederten Aufbau seiner großen Vorlesungen über theoretische und praktische Nationalökonomie, Agrarpolitik, Arbeiterfrage. Seine Kollegien sind stets sorgfältig disponiert, im übrigen aber überlässt er sich in freier Rede den Eingebungen des Augenblicks: das strenge Begriffsgerüst wird mit der Fülle historischen Wissens umkleidet, die ungewöhnliche Denkschärfe ergänzt sich durch ebenso ungewöhnliche plastische Kraft. So gestaltet er auch das Abstrakteste verständlich durch Fülle der Beispiele und Unmittelbarkeit des Vortrags. Jedes Kolleg scheint frisch aus der Werkstatt seines Geistes hervorzugehen.»
Die Freiburger Universität bot Weber, zusätzlich zu beruflicher Sicherheit, ein intellektuell überaus anregendes Umfeld. Neben bekannten Gelehrten wie Hugo Münsterberg begegnete er vor allem in Heinrich Rickert der südwestdeutschen Schule des Neukantianismus. Rickerts Interesse an einer Abwehr des Totalitätsanspruches der «exakten» Naturwissenschaften zugunsten einer Dichotomie Geisteswissenschaft vs. Naturwissenschaft unterstützte Max Weber schon deswegen, weil ihm sowohl «Naturalismus» wie «Historismus» gleichermaßen als «Ressortpatriotismus» ärgerlich waren.
Am 13. Mai 1895, zu Beginn seines zweiten Freiburger Semesters, hielt Max Weber seine akademische Antrittsrede Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Im Kern ging es ihm um das politische Schicksal des Deutschen Reiches. Für ihn war die zentrale Frage: Soll das Deutsche Reich auch weiterhin eine wesentlich (groß-)agrarisch bestimmte Nation bleiben, oder soll es zu einem exportorientierten Industriestaat entwickelt werden? Gerade weil der damalige Reichskanzler und preußische Ministerpräsident, Leo Graf von Caprivi, auf die Variante des exportorientierten Industriestaates setzte, leisteten die konservativen Eliten in Preußen und im Reich erbitterten Widerstand, da sie sich völlig zu Recht in ihrer Existenz bedroht fühlten. Max Weber war einer derjenigen, die die zukünftige Existenzberechtigung der getreideproduzierenden Großgüterwirtschaft im Besitz des (preußischen) Adels ganz besonders trickreich infrage stellte – trickreich deswegen, weil er seine Gegnerschaft zu den «Junkern» mit nationalistisch-patriotischen Überzeugungen begründete. Diese Gegnerschaft war weder sozialdemokratisch gefärbt, etwa weil ihm die Ausbeutung der arbeitenden Massen Sorgen bereitet hätte, noch war sie von kulturpessimistischen Motiven geprägt, die in der steigenden Industrialisierung und der dadurch zunehmenden Verstädterung eine Gefahr für die deutsche Kultur sahen. Solches waren Max Webers Sorgen nicht: Ihm lag die Sorge am patriotischen Herzen, dass durch den politischen und gesellschaftlichen Einfluss der preußischen Großgrundbesitzer die zukünftige und anzustrebende Rolle Deutschlands als wirtschaftliche und politische Weltmacht gefährdet war. Trickreich war seine Position aber auch deswegen, weil er seine Argumente in Forderungen nach der Verbesserung der Lage der – deutschen! – ostelbischen Landarbeiter kleidete und zugleich nach der Verteidigung der deutschen Nationalität gegenüber der besonders durch die polnischen Saisonarbeiter erzeugten «Überfremdung» aus den slawischen Nachbarländern rief, die durch die Ablösung der ostelbischen Großgüterwirtschaft zu erreichen seien. Das «Schicksal» der deutschen Landarbeiter auf den großen ostelbischen Gütern wurde für Max Weber zum Prüfstein der Auswirkungen des auch auf dem Lande unaufhaltsam vorrückenden modernen, rationalen Betriebskapitalismus.
Von bedrückender Tonlage sind die Diskussionen über die befürchteten Folgen der «Polonisierung» des deutschen Ostens, die insbesondere von der Nationalliberalen Partei geschürt und vom Allgemeinen Deutschen [später: Alldeutschen] Verband und dem Verein zur Förderung des Deutschtums in den deutschen Ostmarken wirkungsvoll radikalisiert wurden. Die Parolen von der Gefährdung des «Deutschtums» durch die unkontrollierten Einwanderungswellen der Wanderarbeiter vornehmlich aus Russisch-Polen und Galizien, in ihrer nur schwer erträglichen Kombination von xenophoben und antisemitischen Tönen mit Großmacht-Phantasien, erinnern fatal an spätere – und gegenwärtige – Agitationen gegen die «Überfremdung» Deutschlands.
In dieser Phase seines Denkens und Schreibens war Weber ein rücksichtsloser Nationalist. Dass seine zuweilen rassistischen Äußerungen nicht als Spinnereien eines jugendlichen Idealisten abgetan werden können, sondern eingeordnet werden müssen in einen längeren intellektuellen Reifungsprozesses, wird an dieser Freiburger Rede deutlich, die ihre Wirkung vor allem durch die gedruckte Fassung vom Juni 1895 entfaltete. Radikal und schockierend, mit persönlicher Genugtuung «über die Brutalität meiner Ansichten», verkündete Weber darin sein damaliges wissenschaftliches und politisches Credo. Inhaltlich sich an der Analyse der ostelbischen Agrarverhältnisse orientierend, benutzte er die Gelegenheit, scharfe Attacken gegen die verschiedenen Schulen der damaligen Nationalökonomie zu reiten. Er wandte sich gleichermaßen gegen die naiv-eudämonistischen «Kathedersozialisten» wie gegen die ethisch-kulturell orientierte Nationalökonomie eines Gustav von Schmoller. Demgegenüber forderte er eine klare Orientierung an nationalstaatlichen Wertmaßstäben: «Die Volkswirtschaftspolitik eines deutschen Staatswesens, ebenso wie der Wertmaßstab des deutschen volkswirtschaftlichen Theoretikers können deshalb nur deutsche sein.»
In dieser Rede bediente Weber sich einer nationalistischen Sprache in einer Begrifflichkeit, die starke Anleihen beim Gedankengut des Neukantianers Friedrich Albert Lange machte. Weber bekannte sich nachdrücklich zur «Realpolitik» und zum deutschen Imperialismus, wobei er in Großbritannien das politische Vorbild für Deutschland sah. In dieser flammenden Rede bescheinigte Weber sowohl der Arbeiterschaft als auch dem Bürgertum ein Versagen vor den nationalen Aufgaben. Weber erweist sich in dieser Phase seines Denkens, Schreibens und Verkündens – innerhalb und außerhalb des akademischen Raums – als ein (unkritisches) «Kind seiner Zeit», ein Protagonist des weitverbreiteten Sozialdarwinismus, der die Parolen von der Notwendigkeit der territorialen Ausdehnung der politischen Macht Deutschlands nachplapperte.
Allein die Tatsache, dass Max Weber Mitglied wurde im von Alfred Hugenberg im gleichen Jahr gegründeten Allgemeinen Deutschen Verband, der sich unter seinem Vorsitzenden Ernst Hasse ab 1894 Alldeutscher Verband nannte, ist aussagekräftig genug. Und es wird nicht besser, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass er seine Untersuchungsergebnisse auf dessen erstem Verbandstag im September 1894 in Berlin vortrug, was ihm deren Anerkennung als «einer der besten Kenner der östlichen agrarischen Verhältnisse» eintrug. Wirklich erhellend ist es nachzulesen, dass Weber 1899 aus diesem Verband austrat, weil ihm dieser einen zu wenig kompromisslosen Kurs in der «Polenfrage», dieser «Lebensfrage des Deutschtums», verfolgte, wie er in seinem Austrittsschreiben an den Vorsitzenden Hasse schrieb: «Die Rücksichtnahme auf die Geldinteressen des agrarischen Kapitalismus […] geht dem Verbande über die Lebensinteressen des Deutschtums. Um die Freiheit zu gewinnen, dies bei Gelegenheit auch öffentlich zu statuiren, trete ich aus.»
In Webers Augen galt es, das Deutschtum und seine Kultur zu schützen vor einer «slawischen Überflutung», die einen «Kulturrückschritt von mehreren Menschenaltern bedeuten würde». In seiner Freiburger Antrittsvorlesung schlug er die Mittel zur Verhinderung solcher Überfremdung vor: Wenn man davon ausgehe, dass «die physischen und psychischen Rassendifferenzen zwischen Nationalitäten im ökonomischen Kampf ums Dasein» eine zentrale Rolle spielten, wenn es also nicht um Frieden und Menschenglück gehe, das man den Nachfahren mit auf den Weg zu geben habe, sondern um den «ewigen Kampf», dann könne es nur noch um eines gehen: «die Erhaltung und Emporzüchtung unserer nationalen Art». Darum gelte es, ebenjene deutschen Eigenschaften zu erhalten, die das Überleben im «öden Ringen» mit einer «tieferstehenden Rasse», ebender «slawischen Rasse», garantieren könne. Nur so sei es den Deutschen möglich, ihre weltpolitischen Aufgaben zu erfüllen und die «Last einer großen Nation» zu übernehmen. Weber präparierte nicht nur wissenschaftlich-analytisch die Alternative heraus zwischen entweder mehr deutscher bäuerlicher Bevölkerung oder mehr deutschem Korn, er gab klare Anweisungen für die Politik. Wir wissen nicht wirklich, was Weber im Sinn hatte, als er 1913 schrieb, dass er sich mit seiner Freiburger Rede «in vielen wichtigen Punkten nicht mehr identifizieren» könne – vielleicht war sie ihm nachträglich nicht radikal genug ausgefallen?
Zur Nicht-Beruhigung lese man mindestens jene zehn Verweise unter dem Stichwort «Herrenvolk», die in der Sammlung der Schriften und Reden Max Webers während des Ersten Weltkriegs auftauchen: Sie kreisen alle, geradezu gebetsmühlenartig, um den einen, mehrfach wiederholten Satz: «Nur Herrenvölker haben den Beruf, in die Speichen der Weltentwicklung einzugreifen.» Die historische Kontextualisierung hilft hier nicht weiter: Der Bürger Max Weber und der Jahre später «Werturteilsfreiheit» fordernde Gelehrte erweist sich in dieser Phase bis zur deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg als verblendeter Visionär einer deutschen Großmachtpolitik.
Neben dem konventionellen Kanon seiner Lehrverpflichtungen wurde die Auseinandersetzung mit Fragen zur Funktion und Bedeutung der Börse das eigentlich zentrale Thema der wissenschaftlichen Arbeiten Max Webers in seiner Freiburger Zeit. Ebenso wenig, wie die genauen Umstände seiner Berufung nach Freiburg geklärt sind, weiß man darüber Bescheid, warum Weber sich der Börsenthematik zugewandt hat. Unfraglich stand aber auch bei diesen Arbeiten das nationale Machtinteresse, das zum einen gefährdet schien durch den Verrat der nationalen Interessen durch die Junker, zum anderen durch die politischen Hindernisse für die Schaffung einer «starken Börse» im Deutschen Reich, im Vordergrund. Nach dem Erlass des Börsengesetzes vom 22. Juni 1896 ergab sich für Weber im November 1896 überraschend die Möglichkeit, als «Sachverständiger» im «(Provisorischen) Börsenausschuß» des Deutschen Bundesrats mitzuwirken. Dieser Ausschuss beim verfassungsgemäß obersten Reichsorgan, der Vertretung aller 25 Bundesstaaten, umfasste insgesamt 30 Mitglieder, von denen 15 von den deutschen Börsen vorgeschlagen waren, vier direkt vom Bundesrat, elf von den Landesregierungen. Weber gehörte zu jenen vier, die der Bundesrat vorgeschlagen hatte.
Neben dieser politischen Beratertätigkeit schlug sich Webers wissenschaftliche Beschäftigung mit der Börse in zwei Arten von Arbeiten nieder: Zum einen verfasste er für die von Friedrich Naumann herausgegebene Göttinger Arbeiterbibliothek zwei Hefte über Die Börse, zum anderen nahm er in der Zeitschrift für das Gesammte Handelsrecht, im Handwörterbuch der Staatswissenschaften und in der Deutschen Juristen-Zeitung außerordentlich kritisch Stellung zu den Ergebnissen und Vorschlägen der Börsenenquête-Kommission und dem Börsengesetz vom 1. Januar 1897.
An seinen Börsen-Studien zeigt sich eine allmähliche Modifizierung jener Sichtweise, die Weber in seiner Beschäftigung mit der Lage der ostelbischen Landarbeiter entwickelt hatte. Wiesen die Landarbeiter-Studien darauf hin, dass das Vordringen des Kapitalismus traditionelle kulturelle Muster zerstörte, so wird aus Webers Untersuchungen der Börsenverhältnisse deutlich, dass das Vordringen des Kapitalismus auch neue, positive kulturelle Werte mit sich brachte. Erst die Institutionalisierung der Börsen ermöglichte die weltweite Ausdehnung des Tauschhandels von Massenartikeln und die Kalkulierbarkeit internationaler ökonomischer Vorgänge. Zu den Hauptanliegen Webers gehörte es, diese positiven Funktionen wesentlich vom «politischen und ökonomischen Machtinteresse einer Nation aus» zu bewerten und eine «rationelle, von den Interessen der Machtstellung Deutschlands ausgehende Börsenpolitik» durchzusetzen.
Max Webers Interesse für das Börsengeschehen stand keineswegs nur im Zusammenhang mit seinen vorangegangenen Landarbeiter-Studien, sondern war zugleich auch von einer Vertrautheit mit Aktien und Spekulation getragen, die ihm von Kindesbeinen an mitgegeben war. Sein Vater hatte große Teile des Vermögens seiner Frau – in den 1890er-Jahren etwa eine halbe Million Goldmark – in Aktien angelegt, vor allem in Eisenbahnaktien sowohl in Deutschland als auch in den Vereinigten Staaten. Wir können davon ausgehen, dass der Freiburger Professor für Nationalökonomie und Abkömmling einer Kaufmannsdynastie, der in ebendieser Zeit über die Börse schrieb, sehr persönliche Erfahrungen in seine wissenschaftliche und politische Bewertung einfließen ließ.
Mögen zwar seine Bemühungen, die Funktionen und Wirkungen der Börse einem interessierten Laienpublikum von Arbeitern zu erklären, von Erfolg begleitet gewesen sein, sein Engagement auf der Ebene der praktischen Politik endete mit einer großen Enttäuschung. Seine scharfe Kritik an den Vorschlägen der Börsenenquête-Kommission, der er vorwarf, nach moralischen statt politischen Gesichtspunkten und unter dem Druck der agrarischen Interessenvertreter, der von ihm so gehassten Junker, zu verfahren, führten letztlich dazu, dass er nicht in den endgültigen Börsenausschuss aufgenommen wurde. So endeten die beiden Freiburger Jahre mit der ersten großen Enttäuschung der bis dahin so steil verlaufenen Karriere des Max Weber.
Diese bittere Erfahrung in Sachen praktischer Politik ließ sich einigermaßen rasch verwinden, zeichnete sich doch ein großer persönlicher Erfolg in wissenschaftlicher Hinsicht ab: die Berufung auf einen der renommiertesten Lehrstühle in seinem neuen Fach, der Volkswirtschaftslehre. Er sollte Nachfolger von Karl Knies werden, einem der führenden Köpfe der Historischen Schule der Nationalökonomie, auf dessen Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaften an der Großherzoglich Badischen Universität Heidelberg. Die dortige Philosophische Fakultät hatte Max Weber auf Platz 3 der Berufungsliste für die Nachfolge des zu diesem Zeitpunkt bereits 75-jährigen Karl Knies gesetzt. Nachdem sowohl der Erstplatzierte, Georg Friedrich Knapp, als auch der Zweitplatzierte, Karl Bücher, abgesagt hatten, erhielt Weber den Ruf im Dezember 1896. Nach verhältnismäßig kurzen Verhandlungen nahm er ihn am 7. Januar 1897 an. Wieder einmal waren Leistung und Glück zusammengekommen, wie sein Kollege Adolph Wagner kommentierte: «Max Weber schätze ich sehr. Mit seiner gediegenen juristischen Kenntnis paßt er wohl zum Nachfolger des Verfassers von ‹Geld und Kredit›. Aber wirklich hat er auch hier wieder großes Glück; erst 3. Jahre!»
Ende April des Jahres 1897 fand der Umzug von Freiburg nach Heidelberg statt. In der Universitätsstadt am Neckar werden die Adressen innerhalb der anschließenden Jahre häufig wechseln, von der Leopoldstraße 53b in die Hauptstraße 73 und dann in die Ziegelhäuser Landstraße 27. Erst im April 1910 mieteten sich Max und Marianne Weber im Haus der Großeltern Fallenstein – Ziegelhäuser Landstraße 17 – ein, nachdem die Wohnung im Hochparterre durch den Tod des Onkels Adolf Hausrath frei geworden war. Der Personenname Max Weber und der Ortsname Heidelberg werden von nun an in einem Atemzug genannt werden: «Weber-Heidelberg» wird gewissermaßen zum Markenartikel – auch wenn dabei übersehen wird, dass er zeit seines Lebens ein Preuße blieb.
Am 21. April 1897 – seinem 33. Geburtstag – war Weber auf dem inneren und äußeren Höhepunkt seines beruflichen Lebens angelangt. Für ihn markierte diese Berufung einen großen persönlichen Triumph, handelte sich doch um den Lehrstuhl eines seiner eigenen akademischen Lehrer während seiner Heidelberger Studentenzeit. Auf ebendiesen Lehrstuhl an der ältesten Universität im Deutschen Kaiserreich als Nachfolger eines der renommiertesten Wirtschaftswissenschaftler berufen worden zu sein konnte er ganz allein seinen eigenen Leistungen im Wissenschaftssystem zurechnen. Mochte das mit dem Ruf nach Freiburg im Juli 1893 noch ein wenig anders gewesen sein, so hatte ihn der Ruf an die Universität Heidelberg von jedem Verdacht auf wissenschaftlich-politischen Nepotismus gereinigt. Aber nicht nur die universitäre Wissenschaft rief nach ihm in dieser Zeit: Noch zu Jahresbeginn 1897 hatte ihn ein liberaler politischer Verein in Saarbrücken zum Vortrag eingeladen, wenig später offerierte man ihm von dort eine Kandidatur für den Deutschen Reichstag, die er jedoch wegen des erwarteten Rufs nach Heidelberg abgelehnt hatte.
In Heidelberg, jener Stadt, in der seine Mutter aufgewachsen war und in der er selbst seine ersten Studien absolvierte, fühlte Max Weber sich von Anfang an wohl, er frischte seine Kontakte zu seinen früheren Lehrern Ernst Immanuel Bekker, Bernhard Erdmannsdörffer und Kuno Fischer auf, er knüpfte Beziehungen zum Verfassungsrechtler Georg Jellinek und zum Theologen Ernst Troeltsch. Der Weber’sche Haushalt wurde bald zu einem zentralen und wirkungsvollen Treffpunkt der Heidelberger akademischen Intellektuellen. Sowohl die Enttäuschung über die Nichtaufnahme in den endgültigen Börsenausschuss als auch der Verzicht auf eine Reichstagskandidatur für Saarbrücken wogen nicht schwer im Vergleich zum Triumph seines akademischen Erfolgs.
Auch für die persönliche Entwicklung Max Webers sollte das Jahr 1897 von zentraler Bedeutung werden. Am 14. Juni hatte er eine schwere Auseinandersetzung mit seinem Vater, der mit Webers Mutter zu Besuch in Heidelberg weilte. Der Streit ging um das von Max Weber junior scharf kritisierte autoritär-patriarchalische Verhalten des Vaters der Mutter gegenüber. Kurze Zeit nach dem Streit zwischen Sohn und Vater und ohne sich wieder mit Frau und Sohn verständigt zu haben, starb Max Weber senior am 10. August desselben Jahres in Riga.
Auf der Rückfahrt von einer Spanienreise, die Max und Marianne Weber gegen Ende des Sommersemesters 1897, in das zudem die Beerdigung des Vaters in Charlottenburg gefallen war, unternommen hatten, zeigten sich bei Max Weber zunehmende Zeichen von Reizbarkeit, Rastlosigkeit, nervöser Erschöpfung und gefühlter Bedrohung. Noch 2. Jahre später schien der Biographin Marianne Weber zu schaudern, wenn sie daran zurückdachte, was ihrem Mann in jenem Spätsommer geschah: «Da – an dem mit Arbeit überhäuften Semesterschluß streckt aus den bewußtlosen Untergründen des Lebens ein böses Etwas seine Krallen nach ihm aus.» Dieses «böse Etwas» meldete sich im Herbst desselben Jahres mit aller Macht, mit Anzeichen einer vollkommenen psychischen und physischen Erschöpfung. Die Symptome waren körperliche Schwäche, Schlaflosigkeit, innere Spannungen, Gewissensbisse, Erschöpfung, Angstzustände, anhaltende Unruhe. «Alles und jedes ist zu viel: Er kann ohne Qualen weder lesen noch schreiben, noch reden, noch gehen und schlafen», berichtete Marianne Weber über diese Zeit. Das folgende Jahr wurde, nach leichter Besserung, mit tagespolitischen Aktivitäten eingeleitet. Die Lehrtätigkeit fiel Weber allerdings unverändert schwer, im Frühjahr, zu Semesterschluss, erlitt er einen schweren nervlichen Zusammenbruch. Vor dem anschließenden Sommersemester brachte eine Erholungsreise zum Genfer See etwas Besserung, danach verlebte er den Sommer in einem Sanatorium am Bodensee. Das Lehren im folgenden Wintersemester wurde ihm zur Qual, zu Weihnachten hatte er einen erneuten Zusammenbruch und beendete nur mühsam das Semester.
Es ist viel geschrieben worden über diese Zäsur im Leben von Max Weber. Im heutigen Sprachgebrauch würde man von einem «Burn-out» sprechen. Klinisch formuliert, scheint es vertretbar zu sein, von einer schweren Depression zu sprechen, von einer manisch-depressiven Psychose («bipolaren Störung»), in jedem Fall einer schweren seelischen Erkrankung, die seine psychische und physische Reaktion auf ein Leiden an vielem war, das im Einzelnen aufzuschlüsseln hier nicht der Ort ist. Wie sehr seine Erkrankung Max Weber bis an den Rand seines eigenen Lebenswillens geführt hatte, lässt sich seinem Kondolenzschreiben an Bertha Tobler, die Witwe von Ludwig Tobler, dem Bruder von Mina Tobler – seiner späteren Geliebten –, entnehmen. In ihm eröffnete Max Weber im Juni 1915 einen Einblick in seinen Gemütszustand während seiner akuten Krankheitsphase: «Als junger Mensch habe ich mir nichts so sehnlich gewünscht als den Tod mitten in voller Manneskraft, ohne daß Schwäche oder Krankheit mir vorher das Bild des Lebens gestört hätten. Als ich aber, noch einige Jahre jünger als Ihr Mann, für immer Abschied zu nehmen hatte von der Welt der Gesunden – sie ist von der ‹unsrigen› getrennt durch eine nur uns sichtbare, aber immer vorhandene Kluft, über welche wohl eine Freundeshand reicht, die aber kein Fuß zu überschreiten vermag – hatte sich manches geändert. Ich weiß nicht, ob in meinem damaligen Zustand allein der Gedanke an die mir Nahestehenden stark genug gewesen wäre, mich von freiwilligem Scheiden abzuhalten. Entscheidend war, wie ich glaube, noch so wenig innerlich einheitlich und fertig zu sein, so sehr ein Suchender, mit sich selbst nicht Einverstandener, nicht zu seiner Vollendung Gelangter, daß das Leben mir darin noch etwas schuldig sei, auf das ich nicht verzichten vermöchte.»
Unstrittig ist, dass der 33-jährige Universitätsprofessor Max Weber schwer erkrankt war und dass er sich bis an sein Lebensende nie vollkommen erholte. Ein direkter Einfluss der Krankheit auf Webers Denken jedoch ist nicht festzustellen: Von 1889 bis zu seinem Tode publizierte er jedes Jahr, mit der einzigen Ausnahme des Jahres 1901. Allein der Umfang der Arbeiten, die Weber in den Jahren 1911 bis 1913 geschrieben hat – zusätzlich zu seinen geradezu überbordenden Briefwechseln –, widerlegt die Behauptung von einer Blockade der Produktivität Webers nach seiner Erkrankung.
Diese übte jedoch eine entscheidende Rolle für die berufliche Karriere Max Webers aus, die sie de facto für die folgenden 2. Jahre beendete. So ließ er sich für das Sommersemester 1899 aus gesundheitlichen Gründen von der Universitätslehre dispensieren; als er im Herbst des gleichen Jahres die Lehrtätigkeit wieder aufzunehmen versuchte, kam es zu einem erneuten, dem bis dahin schwersten Zusammenbruch. Da Weber erkannte, dass er für lange Zeit seine Lehrtätigkeit würde aufgeben müssen, stellte er das Gesuch um Entlassung aus dem Amt; statt der beantragten Entlassung gewährte man ihm einen langen Urlaub bei voller Bezahlung. Im Juli 1900 suchte Max Weber eine Nervenheilanstalt im schwäbischen Bad Urach auf, der seelische Tiefstand war erreicht. Er war unfähig zur Arbeit und Lektüre, zum Briefeschreiben und zum Sprechen, vollkommen nervlich überreizt.
Im Anschluss an eine Reise nach Korsika trat eine leichte Besserung ein. Im folgenden Jahr reiste Max Weber im März nach Rom und Süditalien, den Sommer verbrachte er in der Schweiz, wo er einen Rückfall erlitt, im Herbst kehrte er nach Rom zurück, um dort den Winter zu verbringen. Seinen äußeren Ausdruck fand der allmähliche Heilungsprozess in der Wiederaufnahme der wissenschaftlichen Lektüre. Um sein immer noch labiles inneres Gleichgewicht besorgt, reichte Weber ein zweites Gesuch um Amtsentlassung ein, dem erneut nicht stattgegeben wurde, sondern das in eine Dispensierung von der Lehre umgewandelt wurde.
Als beurlaubter Universitätsprofessor begann Max Weber in diesen Jahren mit seinen methodologischen Arbeiten: Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie (publiziert 1903–1906) und über Die ‹Objektivität› sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis (publiziert 1904). Die Angst vor dem Lehrbetrieb, vor termingerechten Arbeiten und sein eigener Anspruch dem Professorenberuf gegenüber führten dazu, dass er, im Oktober 1903, mit 3. Jahren, endgültig vom Lehramt zurücktrat. Er blieb von jetzt an Heidelberger Honorarprofessor mit Lehrauftrag ohne Promotionsrecht und ohne Mitspracherecht in der Fakultät. Max Weber wurde eine deutsche Version des gentleman scholar und erfreute sich seit Beginn seiner akuten Erkrankung einer nicht unerheblichen materiellen Versorgung durch die Kapitalerträge des Erbes sowohl seiner Mutter als auch seiner Ehefrau. Ohne äußere Verpflichtungen konnte er sich ausschließlich seinen wissenschaftlichen Interessen widmen, sowohl in Heidelberg als auch auf ausgedehnten Reisen im In- und Ausland, zumeist allein, zuweilen in Begleitung seiner Mutter oder seiner Ehefrau.