Gesprochen
Sie nahmen Wynter Schwert und Dolch ab und
brachten sie zu Emblas Zelt. Razi war bereits dort, und sobald sie
sich in den Eingang duckte, sprang er auf die Füße, die Fäuste
erhoben, bereit zum Kampf.
»Ich bin es nur.« Beschwichtigend hob sie die
Hände.
Er kam auf sie zu, fasste sie bei den Schultern und
blickte hinter sie. »Wo ist Christopher?«
Wütend schüttelte sie ihn ab. »Sie haben ihn
weggebracht! Er wollte mich nicht sehen, er wollte nur Ashkr und
Sólmundr bei sich haben, und sie haben ihn weggebracht!«
Razi verbarg das Gesicht in den Händen, drehte sich
um und stapfte ans andere Ende des puballmór.
»Du hättest es mir sagen müssen!«, fauchte Wynter
ihn an, und Razi schüttelte wortlos den Kopf. »Wie konntest du es
wagen, mir das nicht zu erzählen?«
Da wurde die Zeltklappe aufgeschlagen, und eine
große, dunkle Gestalt erfüllte den Eingang. Mit einem Satz war Razi
bei Wynter und zog sie hinter sich. Das Leder fiel zurück, und sie
erkannten Ashkr, ernst und still, der von einem zum anderen
sah.
»Tabiyb«, sagte er. »Coinín sagt, Ihr wusstet es
schon immer, aber Ihr sprecht nie davon.«
Razis Wangen färbten sich rot, er wandte den Blick
ab.
Ashkr musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Also sagt
Coinín die Wahrheit«, fuhr er leise fort. »Ihr schämt Euch für
ihn.«
»Nein!«, rief Razi. »Aber nein, natürlich nicht
…«
»Doch«, widersprach Ashkr. »Doch! Ihr
schämt Euch. Ihr versteckt Coiníns Natur. Sogar vor seinem
croí-eile muss er sie verbergen.«
»Nein«, wehrte Razi verzweifelt ab. »Das war
Christophers Entscheidung. Er hat diesen Teil von sich immer
unterdrückt! Er wollte nie …«
Ashkr trat ganz dicht vor Razi hin. »Dann kommt
jetzt«, forderte er ihn auf. »Kommt und redet. Sagt Coinín, dass er
gut ist.«
Razi ließ die Arme sinken, und Wynter entdeckte
Schuldgefühle und Hilflosigkeit in seiner Miene. »Ich weiß nicht,
was ich sagen soll. Ich … ich wusste nie, was ich sagen
soll.«
Sofort wurde Ashkrs Gesichtsausdruck weicher, und
er legte Razi die Hand in den Nacken. »Seid einfach sein Freund,
Tabiyb. Das ist alles, was Coinín von Euch braucht – zu wissen,
dass Ihr seid sein Freund.« Mit einer freundlichen, seltsam
väterlichen Geste strich er Razi das Haar aus der Stirn. »Alles
wird gut«, sagte er, dann wandte er sich an Wynter. »Iseult. Ich
möchte mit Euch sprechen.«
Erschrocken fasste Razi Ashkr am Arm. »Nein!
Christopher würde nicht wollen, dass wir …«
Ohne Hast löste Ashkr Razis Finger von seinem Arm
und wandte sich erneut Wynter zu, die ihn böse ansah; ihre Wut auf
Christopher und Razi durchdrang in diesem Moment alles. Doch Ashkr
ließ sich davon nicht abhalten, sondern hob sein Handgelenk und
tippte auf das geflochtene Armband aus Silber und Kupfer, das er
trug. »Ihr wisst, was das bedeutet?«
»Es ist ein Zeichen der Treue«, antwortete sie
verkniffen.
»Es bedeutet, dass Ihr Euch mit Leib und Seele Sólmundr
versprochen habt.«
Er nickte. »Seit ich weiß, was lieben bedeutet,
weiß ich, dass ich Sól liebe, und er hat auch schon immer so für
mich empfunden. Lange Zeit habe ich versucht, so zu tun, als hätte
ich nicht diese Gefühle – weil ich bin, wer ich bin, was ich
bin … Caora Beo. Aber tief in meinem Herzen, Iseult, ist Sól
der Einzige, für den ich je gefühlt habe so. Er macht mich
glücklich. Ich möchte gern glauben, dass ich ihn auch glücklich
mache. Deshalb …« Ashkr verstummte und schloss die Finger um sein
Armband.
Plötzlich verdüsterten sich seine Züge, und Wynter
ahnte, dass er sich an etwas Furchtbares erinnerte – an etwas, das
großen Zorn und Schmerz in ihm hinterlassen hatte. Gegen ihren
Willen spürte sie ihre Wut verebben.
»Dann kamen diese Piraten«, fuhr Ashkr kaum hörbar
fort. »Und mein Sól, er war fort. Ich war damals achtzehn und
verstand mit großer Klarheit, dass ich verloren hatte das einzig
Gute in meinem thóin caca Leben. Drei lange Jahre war er
fort, und mein Herz, es blutete jeden Tag … und dann war er wieder
da! Ich konnte es nicht glauben. Mein Sól! Läuft aus dem Wald! Es
war wie ein Traum. Ich sah die Narben auf seinem Körper, ich sah
seinen armen Hals und …« Ashkr biss die Zähne zusammen und
schluckte seine Gefühle herunter. Dann nahm er Wynters Hände in
seine und betrachtete das Wollband, das sie trug. »Das ist es
eigentlich, was ich Euch sagen muss. Verzeiht, dass ich so viel
rede. Was Ihr wissen müsst …« Plötzlich schien er verunsichert, als
wüsste er nicht recht, ob er es wirklich sagen sollte.
Aufmunternd drückte Wynter seine Hände.
Ashkrs Stimme wurde noch leiser. »Sól, er hat viel
erlitten,
als er ein Sklave war. Viele Schmerzen. Er … wurde gezwungen,
Scham zu fühlen, Iseult. Versteht Ihr?«
Wynter musste schlucken, ihre Augen füllten sich
mit Tränen. Sie nickte.
»Sól glaubt, wenn er mir erzählt diese Dinge, werde
ich immer nur das sehen. Er glaubt, ich werde nicht mehr sehen
ihn, sondern nur, was sie ihm angetan haben. Er glaubt, es
ist besser, zu behalten das alles in sich. Nichts auszusprechen.«
Nun kam Ashkrs Kopf ganz nah, sie sollte unbedingt begreifen.
»Die Scham lässt Sól schweigen. Deshalb spricht er nicht mit
mir. Und deshalb spricht Coinín nicht mit Euch. Es ist Scham. Sie
haben Angst, dass wir uns abwenden, wenn wir kennen die Wahrheit,
Iseult. Nur deshalb sie verbergen diese so sehr wichtigen Dinge vor
uns. Versteht Ihr?«
Abermals nickte Wynter, und Ashkr sah ihr forschend
in die schimmernden Augen.
»Gut«, flüsterte er. »Das ist gut. Und jetzt!«
Unvermittelt ließ er Wynters Hände los und drehte sich zu Razi um.
»Jetzt, Tabiyb. Kommt und versorgt die Wunden auf Coiníns Rücken.
Gebt ihm einen Grund, zu erzählen Euch, was in ihm vorgeht.«
Razi drückte sich weiter mit starrer Miene an die
Zeltwand, und Ashkr senkte den Kopf. »Ist schon gut, Tabiyb«, sagte
er gütig. »Ihr müsst jetzt stark sein. Ihr seid ein guter Mensch.
Geht und seid Coinín ein Freund.«
Einen winzigen Moment lang dachte Wynter, Razi
würde ablehnen; doch dann nahm er eilig seine Arzttasche und
schlüpfte durch den Zelteingang. Sie wollte ihm folgen, doch Ashkr
hielt sie davon ab.
»Ihr seid als Nächstes dran, lucha. Wir
lassen uns Zeit, tá go maith?«
Wynter fügte sich. »Ja, ist gut«, sagte sie.
Christophers Weinen, das durch die Wand von Ashkrs
Zelt drang, ließ sie zögern. Es war ein gedämpftes, klagendes
Geräusch, begleitet von Razis tiefem Murmeln. Wynter legte eine
Hand auf das Leder und horchte.
»Aber ich kann es fühlen!« Christophers
Stimme wurde höher. »Ich habe es herausgelassen, Razi. Nach all den
Jahren – nach allem, was mir zugestoßen ist – lasse ich es
jetzt heraus. Und ich kann es nicht beherrschen! Jedes
bisschen Wut, jeder Funken von Begehren, und es steigt in mir hoch!
Ich bin schlecht, Razi. Ich bin gefährlich!«
Wynter senkte den Kopf. Sie sah sich zu Ashkr und
Sólmundr um, die im Schatten der Bäume saßen und sie beobachteten.
Sólmundr bedeutete ihr, ins Zelt zu gehen.
Razi sagte etwas Unverständliches, und Christopher
unterbrach ihn ungehalten. »Du weißt, dass ich das werde! Du
hast mich doch erlebt!«
»Christopher.« Razis Ton war jetzt sehr klar und
gemessen. »Das ist Jahre her, und du warst nicht bei Sinnen. Du
warst im Fieberwahn.«
»Ich hätte dich umbringen können! Du hättest
sterben können.« Erneut brach Christopher in Schluchzen aus,
und Wynter hielt es nicht mehr aus. Sie taumelte um das Zelt herum
und kroch durch den Eingang.
Beide Männer schraken zusammen, und Christopher
heulte vor Entsetzen auf. »Nein! Nicht! Iseult, nicht!«
Sein Anblick trieb Wynter beinahe rückwärts wieder
hinaus; das verquollene, fleckige Gesicht, die Verzweiflung im
Blick. Er ist ein Wolf, dachte sie. Ein Wolf. Als er
ihre Miene sah, drehte Christopher den Kopf weg, und Wynter krümmte
sich innerlich vor Scham. Ach, du Närrin, dachte sie, es
ist doch Christopher. Er ist Christopher, sonst nichts. Sie
kämpfte
ihre eigene Feigheit nieder, kam ganz herein und ließ die Klappe
hinter sich zufallen.
Razi hatte neben Ashkrs Bett gekniet und
Christopher im Arm gehalten, doch nun entwand sich Christopher
hastig und rutschte in die Mitte des Lagers zurück, den Kopf in die
Hände gelegt, die Knie angezogen. Seine Füße und seine Brust waren
nackt, er trug nur seine Hose, woraus Wynter schloss, dass er Razi
endlich die Kratzwunden auf seinem Rücken hatte behandeln
lassen.
»Christopher«, sagte sie begütigend. Stöhnend
schüttelte er den Kopf, doch Wynter kam trotzdem näher. Christopher
drückte das Gesicht noch fester auf die Knie.
Razi war besorgt. »Schwester«, bat er. Nicht.
Sag bitte nichts.
Wynter stockte, bückte sich und zog unvermittelt
ihre Stiefel und auch das Oberhemd aus. Behutsam kroch sie über die
Felle auf Ashkrs Bett und kniete sich neben Christopher. Sie legte
ihm die Hände auf den Rücken und hörte Razi hinter sich zitternd
einatmen. Ganz nah beugte sie sich zu Christopher und flüsterte ihm
ins Ohr.
»Diese Wölfe hätten mir wehgetan.«
Christopher schniefte durch die Nase, das Gesicht
immer noch in den Händen verborgen. »Nn…«, machte er. »Sch…
schschsch.«
»Aber du hast sie nicht gelassen«, sprach sie sanft
weiter. »Sie wollten mir wehtun, aber du hast sie nicht gelassen.«
Nun legte sie die Arme um ihn, und ohne Widerstreben ließ er sich
an sie ziehen. »Das werde ich niemals vergessen«, flüsterte sie.
»Nie werde ich das vergessen, Christopher. Dass du mich vor ihnen
gerettet hast.« Sie spürte seine Hände zaghaft um ihre Taille, dann
krallten sich seine Fäuste in den Stoff ihres Unterhemds.
»Du bist nicht wie sie.«
Eine kurze Weile weinte Christopher mit
erschreckender Heftigkeit, sein gesamter Körper bebte, sein Gesicht
war fest in Wynters Schulter gepresst. Dann umklammerte er sie mit
aller Kraft und hielt den Atem an, bis er aufhören konnte. Sie
hörte ihn schlucken und tief atmen und legte ihm die Hand auf den
Hinterkopf.
»Ich lasse dich nicht gehen«, wisperte sie, die
Lippen an sein Ohr gedrückt. Christopher zog sie noch näher an sich
und legte die Stirn an ihren Hals. »Versprichst du mir dasselbe,
Christopher? Versprichst du es? Mich niemals gehen zu lassen?« Es
dauerte einen Moment, doch dann nickte er, und sie schloss
erleichtert die Augen und schmiegte die Wange an sein Haar.
Leise stand Razi auf. Als Wynter ihn ansah, hielt
er einen Finger an die Lippen. »Ich gehe nur nach Sólmundr sehen«,
sagte er. »Er gehört ins Bett.«
Wynter nickte lächelnd, aber plötzlich breitete
sich Entsetzen auf ihrer Miene aus, und sofort ging Razi wieder
neben ihr in die Knie. »Was ist denn?«, fragte er.
Christopher rührte sich nicht mehr in Wynters
Armen, und nun spürte sie, wie sich seine Fäuste abrupt von ihrem
Hemd lösten und ihren Rücken hinabglitten. Er war bewusstlos. Razi
runzelte die Stirn und drückte seinem Freund die Finger an den
Hals, um nach seinem Puls zu fühlen. Dann zog er aufatmend die Hand
zurück. »Er schläft, Wynter, das ist alles. Hier, lass mich mal …
so ist es gut.«
Zusammen betteten sie Christopher auf die Felle.
Einmal öffnete er noch kurz die Augen, sah sie verschwommen an,
dann rollte er sich auf die Seite, klemmte die Hand unter das Kinn
und schlief wieder ein.
Razi betrachtete ihn prüfend.
»Es wird aber auch Zeit«, sagte Wynter.
»Ich … ich sollte nach Sólmundr sehen.«
Trotz seiner gefassten Miene klang Razi furchtbar
aufgewühlt, und ehe er sich entfernen konnte, zog Wynter ihn heftig
an sich. Ganz kurz fügte er sich in die Umarmung, ließ das Kinn auf
ihre Schulter sinken und drückte sie; dann schob er sich von ihr
fort. »Ich bin bald zurück.«
Etwa eine halbe Stunde später sah Wynter Razis
Schatten um das Zelt herumlaufen. Sie lag neben Christopher, hielt
seine Hand und lauschte seinem friedlichen Atem. Seit Razi gegangen
war, hatte er sich nicht gerührt, sein Geist hatte seinem Körper
endlich gestattet, sich der Erschöpfung der letzten Tage zu
ergeben. Wynter zweifelte nicht daran, dass Sólmundr ihm sein Bett
überließe, solange er es nur brauchte, weshalb sie still liegen
blieb, als Razi die Klappe vor dem Eingang zurückschlug.
»Er schläft noch«, setzte sie an, doch es war gar
nicht Razi, sondern Ashkr, und seine Miene raubte Wynter das
Lächeln. Sie setzte sich auf und legte Christopher schützend die
Hand auf die Schulter. »Er schläft, Ashkr«, wiederholte
sie.
Ashkr hielt ihre Hüte in der Hand, kam zu ihr ans
Bett und gab sie ihr. »Es ist heiß geworden draußen«, sagte er.
Wynter nahm sie grimmig entgegen, sie wusste schon, dass es mit
Christophers Ruhe vorbei war.
»Wo ist Razi?«, fragte sie.
Ashkr antwortete nicht, ging stattdessen neben dem
Bett in die Hocke und rüttelte Christopher leicht.
»Coinín«, raunte er. »Wach auf.«
Mit einem Prusten kam Christopher zu sich. »Cad
é?«,
krächzte er, strich sich mit der Hand übers Gesicht und leckte
sich über die trockenen Lippen.
Ashkr griff hinter ihn, entkorkte einen
Wasserschlauch und bot ihn Christopher an, der sich auf die
Ellbogen stützte und seinen Durst stillte. Während er trank, sah
Wynter ihm an, dass die Erinnerung an die letzten Geschehnisse
allmählich zurückkehrte, und einen flüchtigen Moment lang
befürchtete sie, er würde sie wieder von sich stoßen, wie er es
anfangs getan hatte. Doch dann grinste er etwas unsicher. Beide
schwiegen sie weiterhin schüchtern, weil sie nicht wussten, wo sie
anfangen sollten.
»Geht es dir gut?«, fragte Wynter
schließlich.
Er bejahte.
»Und …« Sie betrachtete ihr wollenes Armband,
scheute sich zu fragen. »Sind wir … Christopher, sind wir uns noch
einig?«
Mit großen Augen blickte er sie an, er wirkte
erschreckend verunsichert. Doch dann nickte er.
Sie legte den Kopf schief. »Dann, Freier Garron:
Wie lautet mein Name?«, fragte sie streng. »Den scheinst du in
letzter Zeit völlig vergessen zu haben.«
Endlich zuckten Christophers Lippen, seine grauen
Augen blitzten in altvertrauter Heiterkeit auf. »Dein Name«, er
nahm ihre Hand, »lautet Iseult Ní Moorehawke Uí Garron, und du bist
mein croí-eile.«
Sie lächelten einander noch etwas wackelig an, und
Wynter strich mit dem Daumen über den gezwirbelten Wollfaden an
seinem Handgelenk. »Gut«, sagte sie leise. »Gut.« Dann quetschte
sie ihm ohne Vorwarnung die Finger zusammen, dass er aufjaulte.
»Vergiss das bloß nicht wieder«, drohte sie.
»Aua!« Christopher schüttelte seine Hand aus. »Ein
Drachen.« Er stöhnte. »Ich habe mich an einen verdammten
Hausdrachen gekettet! Mein Leben ist ruiniert.« Doch ein
Seitenblick auf Ashkr erstickte sein Lachen.
Die beiden Männer sahen einander wortlos an, ihre
Mienen verrieten, dass sie einander auch so verstanden. Ashkr
zögerte noch, dann aber drückte er den Rücken durch und räusperte
sich. »Ich möchte Rat halten«, erklärte er.
Christophers Augen weiteten sich. »Rat halten? Aber
warum?«
Ashkr wandte sich ab. »Was Ihr mir gestern sagtet …
davon, dass hier kein Platz für uns ist.« Er warf Christopher einen
kurzen Seitenblick zu. »Ich wünsche, dass Ihr Euer Anliegen
vortragt. Ich möchte es ausführlich hören. Ich möchte, dass alle es
ausführlich hören. Damit wir eine Wahl treffen können.«
Wynter sah, wie sich Erregung in Christophers müdes
Gesicht schlich. »Werden sie denn einen Rat gewähren?«, fragte er.
»Ich kann mir nicht vorstellen … es ist sehr spät, Ashkr. Ich kann
mir nicht vorstellen, dass sie einwilligen würden.«
»Ja«, gab Ashkr ihm recht. »Es ist sehr spät. Wir
wurden schon aufgehalten, weil Sól krank ist.« Er hob den Blick,
betrachtete den Bären und das Lamm auf der ledernen Zeltwand. »Aber
Úlfnaor, er wird zustimmen, glaube ich. Es kommt mir vor, als würde
er in seiner Pflicht zaudern, und ich glaube, er würde eine
Verzögerung begrüßen. Sól auch, wenn es nicht zu lange dauert und
wir nicht zu leiden haben, während wir warten. Aber meine Schwester
…« Seine Miene verdüsterte sich. »Embla will es vielleicht nicht
hören. Sie ist des Wartens müde.« Nun sah er in Christophers
blasses und erschöpftes Gesicht. »Aber dennoch, Coinín, wenn es
passiert, wenn ich schaffe, dass sie einwilligen … werdet Ihr
sprechen? Werdet Ihr sagen, was Ihr mir gesagt habt? Werdet Ihr
Euren Standpunkt vortragen?«
Christopher blickte Ashkr gerade in die Augen. »Ja,
das werde ich.«
»Chris?«, fragte Wynter vorsichtig.
»Überlass das bitte mir, Wynter«, sagte er in
ruhigem Südlandisch. »Achte du nur darauf, dass Razi keine
Versprechungen macht, ja?« Ehe Wynter noch etwas entgegnen konnte,
wandte sich Christopher wieder an Ashkr. »Kommt, Herr. Lasst uns
einen Rat einberufen.«