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Thomas fand das Empfangszimmer seiner Geliebten übertrieben weiblich, selbst für eine Frau. Es war dermaßen vollgestopft mit allerlei Tand und Flitterkram, dass es einen unvorbereiteten Gast geradezu schockieren konnte, war es doch nicht gerade ein Beweis für guten Geschmack. Nicht die auffälligen Samtvorhänge und auch nicht die diversen Statuetten und Bronzefigurinen auf dem Schreibtischchen. Überall türmte sich irgendein Plunder, sodass es kaum möglich war, sich in dem Zimmer frei zu bewegen. Thomas störte insbesondere das farbenprächtige Muster der rot-grün-golden geblümten Tapete, das seinen Augen geradezu wehtat.
Zum Glück musste er diese Beleidigung seiner Sinne nicht lange ertragen, denn nur wenige Sekunden nach seiner Ankunft schwebte Miss Grace Howell über die Türschwelle. Zweifellos eine attraktive Frau: zierlich und üppig zugleich, blondes Haar und haselnussbraune Augen. Sie trug ein blassgrünes Chiffonkleid, das die Schultern frei ließ und ein gewagtes Dekolleté zeigte.
»Hm, Armstrong, du siehst zum Vernaschen süß aus«, murmelte sie mit samtiger Stimme, ließ die Hand über seinen Nacken streifen und zog seinen Kopf zu sich herab, um ihn zu küssen. Vor zwei Wochen war er das letzte Mal bei ihr gewesen, und danach zu urteilen, wie sie mit ihrer Zunge in ihn eintauchte und lange und lustvoll mit seiner spielte, würde sie an diesem Abend nicht leicht zu befriedigen sein.
Thomas erlaubte sich den Luxus, ihren Kuss ausgiebig zu genießen, aber als sie die Hände an seiner Hose hinuntergleiten ließ und seine anschwellende Erregung ertastete, brach er zögernd ab. Sanft, jedoch entschieden, schob er ihre Hände beiseite.
»Ich möchte mich nicht von einem deiner Bediensteten dabei erwischen lassen, dich in deinem Wohnzimmer zu lieben«, flüsterte er heiser.
Grace lächelte ihn kokett an und klimperte mit den Wimpern. Wollust leuchtete in ihren Augen auf. »Was machen wir dann noch hier unten, Darling?« Sie ergriff seine Hand, wandte ihm mit einer verführerischen Drehung den Rücken zu und führte ihn durch den engen Flur die Treppe hinauf.
Thomas schätzte den erotischen Schwung ihrer Hüften. Kaum im Zimmer angekommen strebten sie dem großen Bett mit dem Baldachin zu. Grace ließ sich auf die Matratze fallen und zog ihn zu sich, sodass er auf ihr landete.
Ihre Lippen trafen sich, offen und hungrig, heiß und feucht spielten die Zungen miteinander. In null Komma nichts flog die Kleidung auf den Teppich. Grace war unersättlich in ihrer Lust, genau wie Thomas es vorhergesagt hatte, und stöhnte laut auf, als er erregt in sie hineinglitt.
Auch für Thomas waren es lange zwei Wochen gewesen. Er sog an ihren aufgerichteten Knospen und brachte sie damit zum Stöhnen. Ekstatisch warf sie den Kopf auf dem Laken hin und her, während er unablässig in sie hineinstieß. Sie schrie vor Lust, als sie kam, ein schrilles Geräusch, das von den Wänden widerhallte, und zuckte noch eine Weile unter ihm, bis ihre Erregung langsam verebbte. Und während sie anschließend zitternd in seinen Armen lag, fand er seine Erleichterung unter dumpfem Keuchen zwischen zusammengebissenen Zähnen.
Ausgelaugt und befriedigt rollte Thomas sich von ihrem erschlafften Körper herunter auf den Rücken. Seine Brust hob und senkte sich, und aus den Augenwinkeln sah er, wie sie sich langsam zu ihm drehte, spürte ihre Hand schläfrig über seinen Oberkörper gleiten. Sie war befriedigt, befand sich in anschmiegsamer Stimmung, wollte bei ihm sein, doch er sehnte sich nach seinem Bett. Allein.
Bis er Amelias Stimme in seinem Kopf zu hören glaubte, glasklar und schneidend, während sie die verhängnisvollen Worte sprach. Dass er zu sehr mit sich selbst beschäftigt sei, um sich um die Bedürfnisse anderer zu kümmern. Also blieb er liegen, genoss fügsam die Zärtlichkeiten seiner Geliebten, anstatt aufzuspringen, in seine Kleidung zu schlüpfen und nach Hause zu gehen, wie er es eigentlich geplant hatte.
»Bleibst du über Nacht?«, schnurrte sie zufrieden.
»Das geht nicht. Ich reise morgen nach Devon ab«, sagte er und drehte ihr den Kopf zu. »Das ist der andere Grund, weshalb ich gekommen bin. Ich wollte es dir persönlich sagen.«
In dem Moment, als ihre Hand genau über seinem Nabel innehielt, wusste Thomas, dass er einen Fehler begangen hatte. Grace schoss so abrupt hoch, dass die üppigen Brüste gegen ihre Rippen schlugen.
»Du reist nach Devon?«
Ihre Stimme nahm einen unangenehm schrillen Ton an. Du liebe Güte, warum hatte er ihr nicht einfach kurz nach seiner Ankunft eine Nachricht zukommen lassen?
Thomas setzte sich auf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Als unsere Affäre anfing, habe ich dir doch gesagt, dass ich zu dieser Zeit des Jahres üblicherweise heimfahre, um mich um meine Geschäfte zu kümmern.«
Es schien vergeblich, sie daran zu erinnern, denn schon stimmte sie eine Klage nach der anderen an. Dass seine Besuche in den letzten Monaten immer seltener geworden seien, dass sie sich vernachlässigt fühle und anderes mehr. Das verdammte Weib klang eher nach einer Ehefrau als nach einer Geliebten. Um aufrichtig zu sein, er begriff nicht recht, worüber sie sich eigentlich ärgerte. Schließlich hatte er ihr ein hübsches kleines Stadthaus in einem gesuchten Wohnviertel Londons besorgt und legte einmal im Monat eine nette Summe auf den Tisch, damit sie sich ein paar Annehmlichkeiten leisten konnte. Darüber hinaus waren in den besten Läden der Stadt Konten auf ihren Namen eingerichtet, die sie hemmungslos in Anspruch nahm, natürlich auch und vor allem bei den einschlägigen Juwelieren. Außerdem führte er sie des Öfteren aus und besuchte mit ihr allerlei unterhaltsame Veranstaltungen. Was um alles in der Welt konnte sie mehr wollen? Nun ja, außer mehr von seiner Zeit, doch dazu verspürte er keinerlei Neigung. Und sie hatte zudem nicht das Recht, so etwas von ihm zu erwarten.
»Wäre es dir lieber, dass meine Besuche nicht nur weniger würden, sondern ganz aufhören?« Er legte einen unüberhörbaren Hauch von Überdruss in seine Frage und machte nicht den geringsten Hehl aus seiner Ungeduld. Sein Blick gab ihr zu verstehen, dass es nur noch Minuten dauerte, bis er ging, falls sie so weitermachte. Für immer.
Innerhalb weniger Sekunden schwenkte Grace um und setzte eine zerknirschte Miene auf. Offenbar hatte sie die Warnung verstanden. Sie liebkoste ihn, zog ihn mit sich aufs Bett zurück und schloss ihre Finger um seine Männlichkeit, um diese zu neuem Leben zu erwecken.
Thomas griff nach ihren Händen und drückte einen Kuss auf ihre Finger. Im Moment stand ihm nicht der Sinn nach einer zweiten Runde. Weil Amelia Bertram schon wieder durch seine Gedanken geisterte?
Clayborough. Es mochte ja sein, dass er ihre Zuneigung gewonnen hatte, aber Thomas zweifelte ernsthaft daran, dass er ihr auch nur ein Jota an Leidenschaft entlocken konnte. Was ganz bestimmt generell nicht einfach war, für niemanden. Aber Clayborough? Thomas kannte ihn und traute ihm eine solche Ausnahmeleistung nicht zu. Wie sollte ein Mann wie er je bewerkstelligen können, dass sie nach ihm verlangte, sich nach ihm verzehrte: nach seiner Berührung, nach seinen Küssen? Dass sie sich genau nach dem sehnte, was sie verhöhnt und verspottet hatte? War er wirklich so gut, dass er sie aus der Reserve locken konnte? Obwohl er nicht in sie verliebt war?
Nein, da war Thomas ehrlich genug. Zurzeit eindeutig nicht. Doch er beschloss, daran zu arbeiten, damit sein Plan zum Erfolg führte.
»Was gefällt dir eigentlich an mir, abgesehen von meinem Titel, meinem Reichtum und meiner Erscheinung?« Er sah, wie sie unwillig den Mund verzog und ihn prüfend anschaute. Hatte er etwa nicht mehr zu bieten als diese Dinge?
Grace beantwortete seine Frage mit Schweigen. Thomas lachte trocken. »Ich gebe mir Mühe, nicht beleidigt zu sein, zumal ich es sowieso nicht ändern kann. Denn solche Dinge liegen weit außerhalb meines Einflussbereichs.«
»Nein, so ist es nicht, Darling. Vermutlich finde ich die Frage nur ein bisschen merkwürdig«, erwiderte sie lächelnd. »Jetzt erzähl mir nicht, dass du an deinem Charme zweifelst?«
»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.«
Grace befreite ihre Hand aus seinem Griff und zupfte spielerisch an seinem Brusthaar. »Du bist eine Herausforderung. Wir Frauen lieben Herausforderungen. Insgeheim wünschen sich alle, einen Mann wie dich zu besitzen, zu beherrschen.« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Brust, drehte den Kopf und rieb die Wange an seinen Haaren. Sie bewegte sich wie eine rollige Katze. »Und Frauen lieben es, sich erobern zu lassen. Ganz besonders von einem Mann, der weiß, wie man ihnen Lust bereitet.«
Diesmal landete der Kuss auf seinem Bauch. »Und du, mein Lieber, weißt nur zu gut, wie das geht. Darüber hinaus bist du sehr großzügig. Keiner meiner vorherigen Gönner hat an solche Dinge wie Geburtstag und Urlaub gedacht.«
Thomas war klar, dass sie auf den Rubinanhänger anspielte, das Geschenk zu ihrem Geburtstag vor einigen Wochen.
»Wie unendlich aufmerksam du sein kannst, wenn dir der Sinn danach steht.«
Oder auch unaufmerksam, wenn er es so wollte. Ein stummer Vorwurf, der ungesagt blieb, jedenfalls an diesem Abend.
Alles in allem schien Grace von seinen Qualitäten als Liebhaber überzeugt. Nur war die entscheidende Frage, ob es auch für einen Eisblock wie Lady Amelia Bertram ausreichte? Konnte er sie zum Dahinschmelzen bringen? Noch nie hatte er versucht, eine Frau zu verführen. Musste es bislang nicht, um es rundheraus zu sagen. Man riss sich um Männer wie ihn: junge, reiche und attraktive Gentlemen aus den höchsten Kreisen. Mit anderen Worten, Thomas hatte sich noch nie in der Verlegenheit befunden, eine Frau gegen ihren Willen erobern zu müssen.
»Warum fragst du?«, hakte Grace nach und rutschte mit der Hand weiter nach unten, wo die Körperbehaarung sich erst verjüngte, um dann wieder dichter zu werden.
»Vielleicht möchte ich bloß wissen, ob mehr als nur mein Geld dich hält.« Diesmal gestattete er ihr, die Finger um seine Männlichkeit zu schließen und ihn mit langsamen, festen Liebkosungen zu erregen. Das sanfte Auf und Ab ihrer talentierten Hände sorgte dafür, dass die Lust schnell in ihm aufstieg.
Grace glitt an ihm hinunter, nahm ihn in den Mund und wirbelte mit der Zunge eifrig um die empfindliche Spitze. Sekunden später hob sie den Kopf und musterte ihn mit verschwommenem Blick. Sie verzog die Lippen zu einem verführerischen Lächeln, während sie mit der Hand unablässig seine beachtliche Erektion bearbeitete. »Das ist es, was mich bei dir hält.«
Sie teilte die Lippen und nahm ihn tief in den Mund. Leise stöhnend warf Thomas den Kopf zurück. Sämtliche vernünftigen Gedanken hatten sich längst verabschiedet.