Dressiert, lebenslang

Begegnung mit Oberst Rataizick, der es genau so wieder tun würde

 

 

Sein Arbeitsplatz war auf keinem Stadtplan eingezeichnet. Oberst Rataizick war Chef des Stasi-Gefängnisses Berlin-Hohenschönhausen. Er war zuständig für die Zersetzung der Seelen von Regimekritikern. Begegnung mit einem, der das heute wieder tun würde.

 

Er setzt sich in die erste Reihe auf den ersten Stuhl links. Siegfried Rataizick kommt lange vor der Zeit zum Treff der alten Kameraden von der DDR-Staatssicherheit ins frühere Haus des »Neuen Deutschland«, als fürchte er, jemand würde ihm den Platz ganz vorn im Blauen Salon streitig machen.

Alles an der geheimnisumwitterten Person ist unscheinbar: gedecktes Sakko, beiges Hemd, braunes Mäppchen, das grauschwarze Haar betont die Farblosigkeit. Trotzdem sieht der Pensionär nicht so abweisend aus wie auf den Fotos seiner Kaderakte. »Streng vertraulich!« und akribisch hält das Dossier Rataizicks Aufstieg zum Oberst und Chef der Abteilung XIV im berüchtigten Stasi-Knast Hohenschönhausen fest, Kürzel UHA 1: zuständig für »Leitung, Planung und Organisation des politischoperativen Untersuchungshaftvollzugs«.

Sein Büro lag im Sperrbezirk an der Genslerstraße, eine der deprimierendsten Adressen der SED-Diktatur. 4 Meter 25 hohe, von Scheinwerfern abgetastete »Objektumwehrungsmauern« schotteten den Sektor ab. Man muss diese Insel der Verdammten vor Augen haben – abgekapselt von der Außenwelt, auf keinem Stadtplan verzeichnet. Man muss die Leidensgeschichten Inhaftierter kennen, »feindlich-negative Personen« im Stasi-Jargon, einfach von der Straße weggefangen wie zum Beispiel der Dichter Jürgen Fuchs. Mit dem Kastenwagen kamen Festgenommene in der »Garagenschleuse« an. Von Angst erfüllt, traten sie aus dem Dunklen ins grell explodierende Licht von 20 Lampen. Den Ort verschwieg man ihnen. Ein Wärter, »Major Arschkieker« im Slang, machte die Leibesvisitation.

Geheimdienstler warteten in Blümchentapeten, scherten sich nicht groß um Paragraphen, was zigfach belegt ist. Nach diesen Schilderungen verhielten sich die Bewacher, »als gehörten sie biologisch einer anderen Art an«.

Genslerstraße 66: eine kalte, perfekte Schattenwelt. Ein Areal umfassender Verlassenheit. In der heutigen Gedenkstätte gehen die Gespenster der Vergangenheit um, die Zeit steht still. Nicht greifbarer Schrecken lauert, der sich im »U-Boot« ins Grauenhafte steigert. In dem Kellerverlies folterten die Sowjets bis 1950 Gefangene. Die UHA 1 war Durchgangsstation für Verlorene wie Sylvester Murau. Stasi-Schergen hatten den in den Westen Geflüchteten hierhin zurückgeholt, er wurde bald in Dresden geköpft.

Über 38 Jahre war der Bau das Dienstobjekt, DO, von Oberst Rataizick.

Öffentliches Wissen über den Genossen gab es nicht. Er kassierte sagenhafte 46 500 Mark im Jahr, hatte einen Fahrer mit Fiat, die zehn Minuten zur Wohnung in einem Stasi-Block ging er zu Fuß. »Dr. Rataizick« steht auf der dritten Klingel rechts. Die Miete betrug 83 Mark für seine 69 Quadratmeter. Nun seien im frisch renovierten Haus 463 Euro fällig, was seine Empörung herausfordert. In Köpenick wartete damals auf die Eheleute (seine Frau war ebenfalls beim MfS) die standesgemäße Datscha. Im Viertel lebte viel Prominenz von Mielkes Firma, hübsch eingegrünt in klassenloser Toplage. Jetzt sind die Bonzen nicht mehr unter sich. Neue Häuser wurden gebaut. Rataizick fragt beim Spaziergang ums Karree, wer sich die leisten könne. »Ostdeutsche sicher nicht. Ich mit meiner Strafrente sowieso nicht.« Hunderte von Rataizick-Sätzen hatte man studiert, eine von Verfolgungsphantasien durchtränkte Prosa aus der bisher kaum erhellten Dunkelzone Hohenschönhausens. Dann war man mit dem Obristen unweit des Knasts verabredet. Und was passierte? Ein Opi im Freizeitlook mit saloppem Lederwestchen und Seidenschal kam ums Eck. Auf dem Strickhemd stand »Headlands S«. Die Gesundheitsschuhe waren gewienert.

Zum Gespräch im Café breitet er seine Utensilien aus. Eine Lederhülle mit Schreibblock, sichtlich aus DDR-Bestand, einen Kuli mit Namenszug. Er legt Artikel zum Thema hin, ganze Passagen sind rot angestrichen, Zettel mit Bemerkungen drangeheftet. Seine Schrift hält akkurat die Linie, wie 1959, als er sich mit feiner Feder der Stasi verpflichtete. Rataizick zündet sich eine »Davidoff mild« an. Jetzt kann’s losgehen »mit der Wahrheit, wie sie wirklich war«.

Von sich erzählt er mit dem freudlos-bitteren Lächeln des Deklassierten.

Ein höflicher, indes verdrossener Gesprächspartner, gelegentlich versteigt er sich zu einem drohenden Unterton. Rataizick hat etwas Lauerndes beim Sondieren, wie weit er mit seiner Schilderung kommt. Vielleicht ist das die von Vorgesetzten geschätzte »revolutionäre Wachsamkeit«. Einst schrieb man ihm dafür in Beurteilungen den »unerschütterlichen Klassenstandpunkt« gut: »weicht keinen kämpferischen Auseinandersetzungen aus!« Abrufbereites Gereiztsein und tiefsitzender Fanatismus lassen die Lippen schmal werden.

Heftig fuchtelt er herum, sobald sich aufgestaute Wut über die neue Zeit entlädt. Mit der kommt einer wie Rataizick nicht klar, Prototyp des dressierten Mannes, wie die Stasi ihn sich im Land der Vergangenheit erschuf. In der offenen Gesellschaft verwandelte sich sein im Konspirativen wurzelndes Verständnis von Recht und Ordnung in einen üblen Leumund.

Der 70-Jährige zählt zur eisernen Garde. Sein klares Feindbild hält das scheinbar unerschütterliche Ich intakt. Schuldgefühle? Von wegen. Es gebe, tönt er und klingt unheimlich, »weder Grund zur Reue noch Anlass«, sich »hinsichtlich der staatssichernden Tätigkeit dem Deutungsmonopol der damaligen DDR-Gegner zu unterwerfen«. Ähnlich Verbohrtes kennt man aus seiner Akte. 1986 warnte er intern, »im Rahmen der imperialistischen Menschenrechtsdemagogie« richteten sich die Angriffe »immer direkter gegen den Untersuchungshaftvollzug des MfS«. Damals wie heute ist Mielkes williger Helfer von seinem Laden begeistert. »Wir waren gut, wir kriegten den Kampforden.« Die »Hauptdelikte« der »8000 bis 10 000 Beschuldigten«, die er hat kommen und gehen sehen, seien »Grenzvergehen, Spionage, Terror gegen die Staatsgrenze, Fluchtversuche, Wirtschaftsverbrechen« gewesen.

Übersetzt man ihren Begriff der »sozialistischen Gesetzlichkeit« in die Sprache der Demokratie, ging es durchweg ums Wegsperren Oppositioneller und Ausreisewilliger.

Mit dem Einwand, die DDR-Justiz habe nach Partei-Maßgabe funktioniert und das Politbüro wichtige Urteile vorab ausgekungelt, muss man jemandem nicht kommen, der ungerührt von »sogenannter Wende«, »sogenannten Regimekritikern« giftet. Gefangener der Stasi-Ideologie, beharrt er auf der früheren Wahrnehmungswelt. »Als Sicherheits- und Rechtspflegeorgan waren wir darauf orientiert, die Errungenschaften unserer DDR zu schützen.« Basta. Dann reckt er gefährlich den Raubvogelkopf.

Die Empörung zittert nach bei der Schilderung des 14. Januar 1990. »Binnen Stunden« musste er sein Büro räumen. Er, der den Dienst liebte, »ich möchte keinen Tag missen, würde es jederzeit wieder machen«. Vorher heimlicher Held an der inneren DDR-Front, fegte ihn die Wende einfach weg.

Eine nie verjährende Demütigung für den Generalmajor in spe. Er fiel tief. Seine Abteilung wurde Objekt staatsanwaltlicher Ermittlungen, Zielscheibe von »Verleumdung«, wie er sagt. »Ausgegrenzt, disqualifiziert und kriminalisiert« habe man sie, klagt Rataizick und stilisiert sich quasi zum Opfer. Heute bekämpfter beinahe vollberuflich »diese Kampagne, diese Beschimpfungen bis zum Gehtnichtmehr. Ich habe solche Ordner zu Hause«, und zeigt mit den Händen die Höhe an. »In ausgesprochen negativer Weise« würden die Massenmedien berichten. Damit meint er wohl die immer wieder erschütternden Berichte von Stasi-Opfern.

Hervorgegangen aus dem sowjetischen Speziallager 3, gilt die UHA 1 heute als Synonym für das DDR-Repressionssystem schlechthin. Das Besondere habe im ausgefeilten Modus von »Desorientierung, Isolierung und Ohnmacht« gelegen, den man gegenüber Häftlingen praktizierte, hielt das Berliner Abgeordnetenhaus fest. Ausgeliefertsein an den »allmächtigen Staatsapparat in der Person des Stasi-Vernehmers war die prägende Erfahrung«.

Bürgerrechtler kamen rein, Bärbel Bohley, Ulrike Poppe, Freya Klier. In der Literatur steht das »Haus zur Ewigen Lampe« (Wolf Biermann) längst für den Versuch, Andersdenkende mit subtilen Mitteln des modernen Totalitarismus weichzuklopfen. Es gab Gummizellen und Freigang nur im »Tigerkäfig«. Jürgen Fuchs erfuhr am eigenen Leibe, wie Menschen »grausam, unmenschlich oder erniedrigend behandelt werden können, ohne dass ihnen ein Haar gekrümmt wird«. Die Stasi zielte auf »Zersetzung der Seele«.

Fuchs notierte: »Wo ist das Fenster/wo ist denn das Fenster/das ist doch kein Fenster/zwei Reihen Glasziegel, dazwischen ein Spalt/und atmen, wie soll ich denn atmen/das könnt ihr doch nicht machen/doch, das können sie machen/das machen sie/und nicht nur mit dir/denk bloß nicht, nur mit dir/und denk bloß nicht, nur hier.«

Die Brutalität kam im neuzeitlichen Gewand »operativer Psychologie« daher. In der klaustrophobischen Architektur nutzte man die Panik der von Ungewissheit Gequälten aus, zielte in raffiniert ersonnenem Wechsel zwischen Belohnung und Schikane, Himmel und Hölle auf ihre Würde. Ohne Kontakt zu ihren Angehörigen waren die zu Nummern Degradierten beliebig verfügbares Material der Stasi. Zur teuflisch-leisen Strategie gehörte, dass die Leidensgeschichte der Gebrannten in Freiheit fortdauert; die traumatische Erinnerung verfolgt viele bis in die Gegenwart.

Eine bizarre Vorstellung, Rataizick nun als Verteidiger der UHA 1 agieren zu sehen. Er traut sich was. »Im Kollektiv« mit 25 MfSlern kehrte er inkognito sogar zur Besichtigung zurück. Schon die Tafel am Eingang brachte ihn in Rage: »Als Ort des Leidens und Sterbens verfolgter Menschen ist die Gedenkstätte Hohenschönhausen ein Zeugnis und Mahnmal gegen politische Unterdrückung«, heißt es da. Sein letzter Besuch endete im Eklat. Er und seine Gesinnungsgenossen gaben sich zu erkennen, wurden als »Stalinisten« beschimpft. Den Namen mag er nicht, wiewohl er just bei der Stasi einstieg, als der Diktator Kultfigur war und Rataizick laut Akte später seine Leute »zu kompromisslosen Tschekisten« drillte. 1980 erhielt er ein »Ehrengeschenk des KfS der UdSSR, Armbanduhr 85 Rubel«. KfS war ihr Kürzel für den sowjetischen Geheimdienst KGB.

Sein mit schallisolierten Doppeltüren ausstaffierter »Leiterbereich« ist derzeit eine Baustelle. Die Gardinchen im Vorzimmer hängen noch: Hier saß also seine Sekretärin, Dienstrang Leutnant mit Facharbeiterabschluss Phonostenotypistin, ferner »Grundkenntnissen im Umgang mit Waffen«. Es riecht nach gestern. An der Wand hängt ein Kalender des VEB Verlag Kunst, aufgeschlagen ist der Dezember 89. Narva-Neonröhren, Stückpreis 13,90 Mark, spendeten warmweißes Licht. Die Schrankwände mit Plastikfurnier blieben.

In der biederen Büroflucht setzte er sein »Bestätigt, Rataizick Oberst« unter Anweisungen für »Kontrollpassierposten, KPP«, Bewaffnung »Pistole Makarow, 14 Patronen, MPI Kalaschnikow mit einem festgelegten Kampfsatz von 90 Patronen«. Kringelig unterzeichnete er »Geheime Verschlusssachen« für »die Gestaltung der Vorbereitungsarbeit auf Spannungsperioden«. Darin die verräterische Formulierung, sein Trupp sei »für die Entfaltung eines zentralen Isolierungsobjektes für das Territorium der Hauptstadt« verantwortlich und habe den Vollzug der Isolierungsmaßnahmen gegen dazu vorgesehene Personen zu gewährleisten. 139 Planstellen würden benötigt.

Hatte er die Gipsbüste von Lenin oder Feliks Dzierzynski, dem gefürchteten Geheimdienstler, vor Augen, gestürzte Götzen, die heute im Depot des Justizsenators verstauben? Sah er auf den »Wandteppich Plüsch« mit dem Motto »30 Jahre DDR«, auf Heldengemälde mit Arbeitern? Was dachte er sich bei der Einlegearbeit mit der Parole »Glück, Frieden, Solidarität«, die aufbewahrt wird nebst »600 Sekt- und 800 Biergläsern«? Mehr als vieles andere bezeugt das Ambiente die Banalität des Bösen. Im spießigen Interieur war sich der Chef nicht zu fein, Menschen zu denunzieren. Am 20. Juni 1983 etwa schwärzte er einen Schüler namentlich bei der »Abteilung XX-Leiter« an. Der zählte zu einer Gruppe »im Zug Werder/Havel-Karlshorst, die Aufkleber mit dem Symbol und der Schrift ›Schwerter zu Pflugscharen‹ trugen: Um Kenntnisnahme und weitere Veranlassung wird gebeten. Rataizick. Oberst«. Womöglich verweilte sein Blick dabei auf den von Häftlingen gepflanzten Strauchrosen vor dem Fenster, dort blühten die Sorten »Berlin«, »Fortissimo«, »Lichtblick« vom Gartenkollektiv »Roter Oktober«.

Im Panzerschrank verwahrte der Sachwalter nebst Pistole Brisantes für Topsecret-Konferenzen wie die vom 5. März 1986; »weiße Tischdecken, Selters, Cola, Citrus, Gläser, Blumen, Bestuhlung für 40 Genossen« wurden verfügt. Die Einladung mussten die Adressaten »bis zum 7.4.1986 in eigenständiger Zuständigkeit« vernichten. Rataizicks Referat lag vor, Thema »Die politisch-operativen Aufgaben zur einheitlichen Durchsetzung der Dienstanweisung 1/86 des Genossen Minister über den Vollzug der Untersuchungshaft«. In diesem Stil ging es über 93 endlose Seiten zur »Durchsetzung des Prinzips der Wachsamkeit, Konspiration und Geheimhaltung«. Ja, er beherrschte die Bürokratensprache, betete Mielkes Phrasen nach, die jene Humanität ins Gegenteil verkehrten, mit der die Menschheit beglückt werden sollte.

»Schreiben Sie das uff. Sie müssen mich anhören.« Fast bellt er jetzt im Befehlston. Was sei nicht alles über die UHA 1 geschrieben worden. Wegen angeblich ungesetzlicher Behandlung, wegen Misshandlung, Körperverletzung, Folter hätten »sogenannte Zeitzeugen« ihn und seine 250 Mitarbeiter beschuldigt. Alles habe sich »als Luftblasen« erwiesen. »Nicht ein Einziger von uns ist angeklagt und verurteilt worden.«

Rataizick in der Rolle der verfolgten Unschuld gegen »diese infame Hetze«.

Jeder Inhaftierte habe doch einen »Anwalt seiner Wahl« mit der Verteidigung beauftragen können. Er erwähnt die gute Kost und rechnet vor, »das Haftkrankenhaus gab jährlich 220 000 Mark für Medizin aus. Das ist Fakt.« Am Ende spricht er von »systematischer Täuschung und Manipulierung der Gedenkstätten-Besucher«, und man versteht eigentlich nicht, warum er in der Idylle keine Tage der offenen Tür veranstaltete, sondern sie militärisch völlig abschirmte.

Der Obrist kennt das Leben nur in der Extremform – von Mauern eng umgrenzt. Er meidet den Westen, als stünde er weiter im Banne des Eids, der ihm Anerkennung und Sicherheit gab, Staatssicherheit. Der kleine Siegfried wuchs bei Pflegeeltern auf. Die Mutter sei »1939 im KZ Waldheim umgekommen«. Den Vater sah er ein einziges Mal. Die schwierige Kindheit mündete in Autoritätssuche, die nach Klempnerlehre und diversen Jobs mit dem Eintritt in den Geheimdienst glückte. Im übertragenen Sinn ersetzt ihm die Partei die Mutter. Mielke wird der Übervater, die Stasi-Ordensburg seine Heimat.

Akte R., die exemplarische Biographie eines Untertans: Anfangs erfüllt er nicht mehr als die Mindestnorm, nämlich groß genug zu sein, um durch den Türspion in die Zelle linsen zu können. Bald fällt eine zwanghafte Hingabe und die aus den Dokumenten sprechende Unerbittlichkeit für die Sache auf.

Seine Regimetreue kommt einem Schuldgefühl gegenüber der SED gleich, die ihn fördert. Die Oberen schwärmen von Rataizicks Sekundärtugenden: »gewissenhaft, dienstfreudig, zuverlässig, ehrlich, verschwiegen«. Ideologisch verpanzert wird er »die progressivste Kraft der Abteilung«, er sei »vorrangig ursächlich« für die gewachsene Kampfkraft und was sonst an nicht geheuren Komplimenten über ihn geschrieben steht. Im Umgang müsse er »feinfühliger und verständnisvoller« sein.

Man hatte Pläne mit ihm. Er qualifiziert sich, macht seinen Diplomkriminalisten, die spätere Doktorarbeit verschwindet »versiegelt und verplombt« im Giftschrank, Gegenstand, natürlich der Stasi-Knast. 1965 erhält er 500 Mark Prämie für »hervorragende persönliche Einsatzbereitschaft« bei der Prozessvorbereitung gegen »vier Agenten imperialistischer Geheimdienste und Schleuserorganisationen«. Hätte der Machttechniker je am eigenen Tun gezweifelt, hätte man die Skrupel mit pompös klingenden Belohnungen zugedeckt: Orden, Ehrengeschenk des ZKGeneralsekretärs, Bulgarienreise mit Gattin, nicht zu vergessen die »Weinkaraffe mit 6 Gläsern/Kristall« für 1529 Mark von Mielke, Übergabe früh um neun. Zuletzt noch die »Verdienstmedaille der Organe des Ministeriums des Inneren« in Gold. Ob er gescheitert sei, ein falsches Leben im falschen führte? Aber nein!

Der Verlierer der Geschichte fühlt sich ungebrochen dem Sozialismus verpflichtet. Tickt gar die »Herrenuhr IX. Parteitag« noch, 1976 für die »Aktion Meilenstein« überreicht, was immer das war? Er drückt sich nicht klar aus. Egal. Ihre Zeit ist abgelaufen. Das ist Fakt. »Klarer Fakt«, würde er sagen.