Der stramme Max
Rudolf Maerker, SPD, und Oberst Kurt Gailat, Stasi – das Leben zweier Spitzel
Zwanzig Jahre lang war er Chef der Bonner SPD. Erst nach seinem Tod kam heraus, dass Rudolf Maerker ebenso lang für die DDR spionierte. Seine Biographie ist verwoben mit der Karriere eines mächtigen Stasi-Manns: des geheimnisvollen Oberst Kurt Gailat.
Die SPD hatte einen Kameraden. Einen besseren findst du nicht. Hoch klang das Lied vom braven Parteisoldaten bei der Beerdigung des langjährigen Bonner Unterbezirksvorsitzenden Rudolf Maerker auf dem Friedhof Beuel: Ein »Kämpfer für den Frieden und für die Aussöhnung zwischen den Völkern« werde zu Grabe getragen. Ein »aufrechter und unermüdlicher Sozialdemokrat«, stand in der von Hans-Jochen Vogel unterzeichneten Traueranzeige. Dem verdienten »Genossen Rudi« setzte die SPD ein Denkmal, benannte per einstimmigem Beschluss vom Oktober 1989 die örtliche Zentrale offiziell nach ihm: »Rudolf-Maerker-Haus«.
An dem hellen Backsteinbau in der Clemens-August-Straße sucht man das Namensschild vergeblich. Der heutige Bonner SPD-Chef Ulrich Kelber meint, es fehle seit Jahren, vielleicht seit der Renovierung. Das trifft sich gut. Die Sozis dort lassen sich ungern an den Ende 1987 Verstorbenen erinnern, nachdem der »Tagesspiegel« berichtet hatte, wer sich hinter Maerker verbarg: der ungeheuer produktive Spitzel »Max« der DDR-Staatssicherheit. Am Empfang leuchtet der Wimpel mit dem Motto »Einigkeit macht stark«. Der Mitarbeiter ist geradezu erleichtert, Maerker persönlich nicht gekannt zu haben. Er wisse nichts.
In ihrem Heimatverein erforscht niemand das bizarre Doppelleben der prägenden Figur. Auch die Bundes-SPD verdrängt das Kapitel, obwohl die Partei für die Stasi gläsern war, von München bis Kiel mit Agenten durchdrungen. Im Fall Maerker haben die Sozis Berührungsangst vor einem ungewohnten Bild: Rudi Maerker, ihr Weggefährte, nun Hauptdarsteller eines deutsch-deutschen Spionage-Thrillers. Man tut so, als handelte es sich weniger um einen gerichtsnotorischen Abgrund von Verrat als um Gerüchte, und übt sich im Abwiegeln. Kelber will jetzt, immerhin, über eine Vorlage mit dem Satz entscheiden lassen: »Das Haus trägt keinen Namen!«, mithin auch den Maerkers nicht mehr. Das wär’s mit der Vergangenheitsbewältigung.
Im Übrigen hoffen die Sozis auf das kurze Gedächtnis der Öffentlichkeit, derweil die Gauck-Behörde immer mehr Material zum Komplex findet: 400 Seiten sind es bereits, aus denen der »Tagesspiegel« hier erstmals zitiert. Das Mitglied des Bezirksvorstands Mittelrhein lieferte demnach Dossiers über Brandt, Ehmke, Engholm, Rau, Vogel und Wischnewski an Markus Wolfs »Hauptverwaltung Aufklärung«, HVA. Blatt für Blatt konkretisiert sich seine tiefe Verstrickung in Stasi-Machenschaften. Gern trug er Baskenmütze und langen Mantel. SPDler spotteten, Maerker sehe aus wie ein Spion. Nicht ahnend, wie recht sie hatten. Sein Deckname ist mit der Nummer XV/1628/68 am 18. Oktober 1968 in der Sira-Datei (einem System zur Informationsrecherche der HVA) verbürgt. Unter »Vorgangsart« heißt es IMB, »Inoffizieller Mitarbeiter mit Feindberührung«. Maerker schickte »A«-Information, das Kürzel für »zuverlässig«, die höchste Kategorie. Augenfällig deckt sich seine konspirative Karriere mit der Ära als SPD-Chef in der Bundeshauptstadt von 1967 bis 1986. Eine Kerblochkartei vom 25. April 1967 hält fest, er sei Journalist, arbeite für das »Referat Wiedervereinigung beim Parteivorstand der SPD«. Die Rubrik »Eigenschaften« vermeldet: »tritt selbstherrisch auf«. Maerker bevorzuge »sowjetische Zigaretten und original sowjetischen Wodka«. Später verfeinert er die Tabakware, pafft, so die Akte, »HB«. 1972 porträtiert die Stasi ihren Agenten als »ca. 1,90 cm groß, volles dunkelbraunes Haar nach hinten gekämmt, … Brille mit starken Gläsern, spricht Berliner Dialekt«. Kühn behauptet für den gebürtigen Rheinländer.
Unheilvoll ist seine Biographie mit der des HVA-Obristen Kurt Gailat verflochten, »Max« zählte zu seinen Favoriten. Das hieß einiges, da der Boss der Abteilung II auch für Kanzleramtsspion Günter Guillaume verantwortlich zeichnete. Gailats bis zu 50 Hauptamtliche zählende Truppe betrieb im »Operationsgebiet« BRD »Aufklärung und Bearbeitung der politischen Parteien«, vulgär Ausspähung und Infiltration, befehlsgemäß »tiefgründig und umfassend«. Referat 1 war für die CDU/CSU zuständig, die »6« für »Chaoten«, Grüne, Artverwandte. Die erfolgreichste Crew mit acht Supernasen stellte die »4«, angesetzt auf die SPD, fleißig unterstützt vom dichtgewebten Zuträger-Netz.
Was immer man gegen Gailat vorbringen kann, er verstand sein Geschäft. Spitzname »Genosse Brandt«; den Laden kannte er in allen Verästelungen. Seine als »geheim« eingestufte Doktorarbeit an der Stasi-Hochschule Potsdam enthält einen »Katalog politisch-operativer Maßnahmen zur Herausbildung einer fortschrittlichen Bewegung in der Sozialdemokratie«. Der sicher atemberaubende praktische Teil fehlt im Exemplar der Gauck-Behörde. Auch die Bundesanwaltschaft hätte ihn gern gelesen.
Selbst John le Carré hätte diese wahre Romanfigur nicht besser erfinden können. Beim Meister philosophieren Spione darüber, ob »nicht der Schein die einzige Art des Seins« sei? Gailat ist der lebende Beweis dafür. Am Telefon hat der rätselhafte Mann hinter »Max« eine wachsame Stimme. Man spürt ein Gefühl der Leere bei jemandem, der bessere Tage sah. Doch hört man auch das Behagen über eine klammheimliche Existenz heraus, die ihn zu einem der Besten des Fachs machte. Obwohl am Ende der DDR fast vierzig Jahre auf seiner Strecke aktiv, blieb er für den Klassenfeind eine unbekannte Größe. Heimlich knipst Schwedens Sicherheitspolizei 1978 den als »Dr. Kurt Lenkeit« zum Agententreff nach Stockholm Gereisten an der Seite Wolfs. Gailat verwaltet auf Touren mit ihm die Reisekasse, schildern Insider. Nach der Wende versiegelt er seine Lippen. Momentan ist er krank, würde aber auch gesund nicht mit dem »Tagesspiegel« über die »alten Geschichten« sprechen. »Dazu gebe ich mich nicht her.«
Wenn man in der »Wolfsschanze«, im HVA-Quartier Normannenstraße, »aktive Maßnahmen« plante, schottete »Kurt« seinen »Max« gegen Begehrlichkeiten anderer Abteilungen ab. Die kannten nur das Pseudonym, wussten nicht, wer sich dahinter verbarg. Besonders nach der Festnahme Guillaumes 1974 hütete Gailat den Bonner wie seinen Augapfel, nach Ansicht der Bundesanwaltschaft eine »Spitzenquelle«. Denn Maerker ging in der SPD-Baracke ein und aus, pflegte enge Beziehungen zum Vorstand, hielt Kontakt zu Prominenten und zur Fraktion, hatte überall sein Ohr. Mit Gailat und Maerker fanden sich Wesensverwandte, beide Jahrgang ’27, Rote mit Haut und Haaren, vom Sieg des Sozialismus besessen.
Laut »streng vertraulichen« HVA-Papieren begann Gailat anno ’42 als Laufbursche einer Buchhandlung im ostpreußischen Ebenrode, lernte dann Tischler. Mit Ausweis 1.849.069 SED-Mitglied der ersten Stunde, wird er Sekretär der Wismarer FDJ-Kreisleitung, kommt auf die Parteihochschule. 1951 steigt er beim MfS ein und auf. Etwa zu dieser Zeit beginnt Maerker beim SPD-Parteivorstand im Ost-Büro, einem »Feindobjekt« der HVA. Die Stasi nimmt ihn fest ins Visier: Er sei nach 1948 in die DDR gekommen, früher bei KPD, SED und FDJ gewesen, habe beim Staatlichen Rundfunkkomitee in der Masurenallee gearbeitet, nach diesem Intermezzo das Land 1952 »ungesetzlich« verlassen, steht in Dossiers. Man hielt ihn für einen französischen oder einen BRD-Spion, hoffte aber, »später an Maerker heranzukommen«, es bestünden »günstige Möglichkeiten«. Seine Ansicht wird notiert, »dass der Osten das Rennen macht«.
Gailat kommt voran. Seine Kaderkarteikarte vermerkt 14 Orden, Belobigungen samt Prämien bis 2500 Mark. Ein Passfoto zeigt ihn mit grimmigem Ernst. Letztes Gehalt: 2150 Mark. Die Musterbiographie ließe auf einen blassen Apparatschik tippen. 150-prozentig »auf Linie«, bei Bedarf scharfkantiger Vorgesetzter, dabei »pfiffig, belesen, gebildet und von gewisser Weltläufigkeit«, eine Ausnahme in Mielkes Schattenreich, betont ein früherer Kollege. Dank gepflegtem Pommerisch ein Kauz auf seine Art, der zur Erheiterung Wetterberichte im Dialekt herunterbetete. Trotz seiner drögen Ausstrahlung hatte Gailat erhebliche Phantasie und eine fast hypnotische Wirkung auf Spione, im Jargon »Kundschafter«. Seltsam fasziniert von der SPD, ließ er sich von der Obsession seines Lebens nur ablenken, wenn im Radio ein Boxkampf übertragen wurde, erzählen Ex-Offiziere.
Nach Erkenntnissen der Fahnder beteiligten sich die Obristen Gerhard Behnke und Werner Groth »an der Führung« des IMB Maerker. Behnke und Gailat hätten ihren strammen »Max« mehrfach getroffen. Kein Kunststück, er bereiste auf SPD-Ticket bevorzugt den Ostblock. Vielleicht sah man sich in Budapest; man munkelt, Gailat-Behnke seien dort gern im »Astoria« und »Duna-Interconti« abgestiegen. Die Datei nennt weitere fünf für Maerker unmittelbar Zuständige. Oberstleutnant Peter H. und Mitarbeiter der Auswertungsabteilung VII bestätigten Ermittlern den Rang des lange Zeit großen Unbekannten.
Um 1968 hatte sich der damals 40-jährige »Max« dem MfS angeboten, da saß er beim SPD-Vorstand in der für die allgemeine Parteiarbeit zuständigen Redaktion. Später war er freier Journalist und Autor des Deutschlandfunks. Die Tarnung hätte nicht perfekter sein können, Maerker schrieb bevorzugt DDR-Kritisches. 1978 stuft die Stasi-Hauptabteilung XX seine Artikel als »hetzerisch« ein, »gegen die marxistisch-leninistische Weltanschauung« gerichtet. Ein Beweis mehr, wie gut ihn Gailats »HVA Zwo« in der »Firma« abschottete.
Denkt man sich Maerker als gespaltene Persönlichkeit, sprach sein zweites Ich die Neuigkeiten so banal wie effektvoll auf Band. Völlig unspektakulär transportierten Kuriere das Material von hüben nach drüben, Routine für das sogenannte Verbindungswesen. Er schickte in guten Jahren 100 Berichte aus Bonn, darunter Top-Infos, die – »Streng geheim!« – auch an Erich Honecker gingen. Wegen der »hohen Wertigkeit« müsste »Max« mit Orden belobigt worden sein, versichern Alt-Kader.
In der Sira-Datei, dem organisierten HVA-Gedächtnis, sind 1281 »Max«-Dokumente thematisch erfasst, die Inhaltsangabe ist 2000 Seiten lang. Zum Puzzle zusammengefügt, entsteht ein Archiv der Vergeblichkeit, es ist gleichzeitig der Beleg für Maerkers verborgene Identität als einer der eifrigsten HVA-Zuträger. Die Papierflut setzt 1973 ein, man erfährt von ihm »interne Ausführungen Wehners über Brandt und Kühn«. Schlag auf Schlag meldet der Spezialist »Einschätzungen aus dem Parteivorstand«, die Ansicht zur »Tagung der Warschauer Vertragsstaaten in Bukarest« oder die Haltung von SPD-Spitze und »Kreisen der Bundesregierung« zur Ausbürgerung Biermanns. Was Wehner handverlesenen Funktionären in Essen steckt, erreicht umgehend Ostberlin. Es wird berichtet, wie man die Lage der »Ständigen Vertretung der BRD in der Hauptstadt der DDR« sieht. Maerker hinterträgt Interna über Gespräche von Kanzler Helmut Schmidt mit US-Präsident Jimmy Carter. Die HVA hört »konzeptionelle Vorstellungen zu Verhandlungen mit der DDR« mit, erfährt »Erwartungen … zum geplanten Honecker-Besuch in der BRD« (1987) aus erster Hand. Nummer 1168 und 1205 betreffen »Auswertungen« der Reisen von Kanzlerkandidat Johannes Rau nach Washington und Moskau, »Bewertungen des Besuches von Lafontaine in der DDR« folgen.
In seinem Buch »Der diskrete Charme der DDR« untersucht Hubertus Knabe »Max«-Aktivitäten zum SPD-Raketenparteitag 1982. In Münchens Olympiahalle stand eine historische Entscheidung an: Nachrüstung ja oder nein. Der Agent bringt acht den sicherheitspolitischen Leitantrag betreffende Tranchen, referiert »Haltungen« von Unterbezirken, gibt Infos zur Versammlungs-Regie, vermeldet »zu erwartenden Widerstand«, plaudert Ergebnisse der »Tagung linker Delegierter« aus, nennt die »voraussichtliche neue Führung«. Als wäre Wolf selbst da gewesen, ist die HVA über Demos zum Parteitag und Reaktionen des Vorstands auf den Protest im Bilde.
Ihr »Max« saß dann laut Protokoll als der »Delegierte Maerker, Rudolf« mit im Plenum, Prototyp des Einflussagenten aus dem Stasi-Lehrbuch. 1981 hatte Gailat – »Nur für den Leiter zur persönlichen Auswertung bestimmt!« – sein »Konzept für politischaktive Maßnahmen zur Förderung der Friedensbewegung in der BRD« ausgeheckt. Eine wesentliche Aufgabe sei es, »während der Tagung Initiativanträge zu formulieren und zu lancieren, um die Manöver der Führung zu unterlaufen«. Eine Wissenschaft für sich. Kapitel 4.4 seiner Doktorarbeit behandelte die »Einflußnahme auf fortschrittliche Alternativkräfte innerhalb der Sozialdemokratie durch IM und Kontaktpersonen«. Im vertrauten Kreis gefiel sich der Oberst gern mit Andeutungen, welche Anträge auf welchen SPD-Parteitagen von der HVA vorformuliert worden waren. Besonders häufig fiel der Name »Hessen-Süd«.
Ein Ohrenzeuge erläutert, Spitzel dieses Kalibers hätten sich nicht nur um das Aktuelle gekümmert, sondern gezielt Material zu »Info-Schwerpunkten« besorgt. Bei Gailat hieß es: »Das kann nur der Max.« In HVA-»Jahresarbeitsplänen« stand die bewährte Formel: »Realisierung/Max«! In der Summe wirkt die Masse seines Verratsmaterials zufällig und richtungslos. Die Bedeutung ergab sich nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft just aus »der Bandbreite«. Ihm hätte für Agententätigkeit nach Angaben aus Justizkreisen eine Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren gedroht.
Maerker war Mitautor des Buches »Sozialismus ist das Ziel«. 1984 wurde dem linken Flügelmann parteiintern vorgeworfen, »teilweise kritiklos« Positionen der Friedensbewegung übernommen zu haben. Beim Aufruf zur Blockade des Bonner Verteidigungsministeriums fehlte er nicht. Heute ist es eine Überlegung wert, was er als SPDler Rudi und was er als »Max« aus Wolfs Rudel tat.
Warum er sich einst der DDR verschrieb, liegt im Dunkeln. Den kargen Äußerungen Gailats ist lediglich zu entnehmen, »Max« habe »ausschließlich ideell« und aus »politischer Überzeugung« gehandelt, niemals Geld kassiert. Vielleicht ist der Anknüpfungspunkt im »Vorgang Ring« zu suchen, einem besonderen Schurkenstück aus dem Repertoire des Mielke-Ministeriums.
In den Sechzigern gewann »der Rudi« für seinen SPD-Ortsverein Beuel das Mitglied Kurt Jacob. Eine verhängnisvolle Begegnung in der Bonner Kneipe »Tante Clara«. Am 7. Januar 1972 holt die Stasi besagten Jacob zwischen Karl-Marx-Stadt und Leipzig bei Burgstädt aus dem Zug, beschuldigt ihn, »geheimzuhaltende Nachrichten« der DDR an SPD und Verfassungsschutz geliefert zu haben. Den Vernehmern erzählt Jacob, im Auftrag Maerkers unterwegs gewesen zu sein, jenes »Max« also, der längst als dicker Fisch an der HVA-Angel zappelte.
Federführend in der Aktion gegen Jacob ist die Stasi aus Karl-Marx-Stadt. Dort tauchen von der HVA II »die Genossen M. und B. (App. 3614 oder 2681)« auf – Maerkers Führungsoffiziere. Nach Punkt 2 einer Aktennotiz wollen sie »in Erfahrung bringen, welche … Maßnahmen bezüglich der Bearbeitung des Jacob wir einzuleiten beabsichtigen, da laut Zustimmung des Genossen Generalleutnant WOLF wir die operative Bearbeitung des Jacob mit dem Ziel der Liquidierung zugesichert bekommen haben«. Der Vorgang belegt nebenbei, dass sich der graue Wolf in seinem Leben eben nicht nur mit Kochbüchern beschäftigte. M. und B. stellten sicher, ihre Quelle dürfe keinesfalls »dekonspiriert« werden. War es Quelle »Max«, die unbedingt geschützt werden sollte?
In einem gespenstischen Geheimverfahren vor dem Militär-Obergericht Leipzig wird Maerkers in eine Falle getappter Freund wegen »Spionage« zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Die Haft wird per »Gnadenentscheid« auf sechs Jahre herabgesetzt, der 64-Jährige bald unter mysteriösen Umständen, womöglich wegen Krankheit, abgeschoben. Daheim berichtet er, »Opfer einer Denunziation« geworden zu sein. Sofern die Freiheitsberaubung nicht verjährt ist, womöglich ein Fall für die Bundesanwaltschaft.
»Max« stirbt Ende 1987. Am 3. November speist die HVA seine letzte Lieferung in die Datenbank ein: »Bewertung der gegenwärtigen innerparteilichen Differenzen«, eine Kopie geht nach Moskau. Der Genosse wird auf dem Friedhof Beuel unter einer deutschen Eiche beerdigt. Ob sein Führungsoffizier, Leutnant Dirk T., dabei war, ist nicht bekannt. In SPD-Nachrufen hieß es, Maerker habe sich »unermüdlich für die Partei eingesetzt«. Aber für welche?