KAPITEL VIII
Die Gärtner der Seichtgebiete
 
 
 
 
Die Folgen schlechter Ernährung durch TV-Fastfood über mittlerweile mehr als fünfundzwanzig Jahre sind in den Seichtgebieten immer dann zu hören und zu sehen, wenn sich das gemeineVolk trifft auf öffentlichen Plätzen, an FKK-Stränden, in Ess- und Trinkhallen, beim Zelten oder im Stadion. Der wahrlich blöde Spruch für alle Lebenslagen, die man simpel glaubt dadurch erklären zu können, indem man behauptet, dass so was von so was komme – hier stimmt er mal.
So was kommt wohl tatsächlich von so was.
Serviert wurden die fettigen oder süßen, aber alle gleich wirkungsvoll die Hirne verklebenden Gerichte von Blödmachern, die wegen ihrer ständigen Dienst- und Verfügbarkeit als Pilawa, als Kallwass, als Geissen usw. – den unverdienten Ruf erworben haben, prominent zu sein. Das schaffen Kellner in der Wirklichkeit nie. Es sei denn, sie würden, während sie auftischen, was die Küche zu bieten hat, auch noch italienische Opernarien zum Besten geben, die ihre Gäste mitsingen dürfen, beispielsweise den allseits beliebten Chor der in einem Weinkeller Gefangenen.
Wer aber schreibt die Speisekarten? Wer teilt das Personal für seinen Dienst ein? Wer engagiert die Köche? Wer wählt Winzer und Rebsorten aus? Wer lässt für Beilagen und Nachspeisen Gemüsebeete und Obstgärten bepflanzen, bewässern, bedüngen? Wer kalkuliert Umsatz und Gewinn? Wer lässt die Eier in den Legebatterien einsammeln? Wer schickt Waidmänner auf die Jagd nach Frischfleisch? Wer befiehlt Anglern, auch in trüben Teichen zu fischen?
Wer zum Teufel also gibt den Blöden um Himmels Willen denn letztlich ihr tägliches Futter?
Es sind sowohl die in kommerziellen als auch die in öffentlich-rechtlichen Anstalten fürs Gesamtprogramm Verantwortlichen, es sind die Verleger der wöchentlichen Knallpresse und der täglichen Gassenhauer, es sind die Stationsvorsteher sinnfrei fröhlicher Radiosender mit ihren nervig gute Laune verbreitenden Moderatoren.
Denen ist dieses Kapitel gewidmet. Weil es aber zu viele Gärtner gibt, müssen nur wenige daran glauben. Die stehen deshalb für alle, was ein Oberlehrer pars pro toto nennen würde und der Erstbeste, mit dem es gleich so richtig losgehen wird, selbstverständlich wörtlich übersetzen könnte.
Bühne frei für Günter Struve.
Um Leichtgewichtiges zu verkaufen, war der schwergewichtige ARD-Programmdirektor sechzehn Jahre lang wichtigster Ansprechpartner aller Seichtgewichtigen, die ins Erste drängten. Ihre Ideen für Serien und Showformate durften gern sinnfrei seicht sein. Das waren sie meist auch, und das störte kaum jemanden. Was jedoch so erstaunlich nicht ist. Es liegt nun mal im System. Bei vielen fest angestellten TV-Unterhaltungsverantwortlichen wird aufgrund der eigenen Vorliebe für Eintopf statt für Feinkost und ihrer über Jahre geschulten Abwehrreflexe, etwaige Risiken möglichst zu scheuen wie der Gottseibeiuns das Weihwasser, sinnfrei seicht mit sinnlich leicht verwechselt. Sie haben außerdem verlernt zu staunen und damit ihre wahrscheinlich mal vorhandene Spontanbereitschaft verloren, daran zu glauben, dass im Zweifelsfall viele staunen könnten, falls sie selbst zu staunen vermögen, weil sie schließlich entgegen ihrer Überzeugung eben doch nicht einzigartig sind.
Auch zur Unterhaltung würde Haltung passen. Wer die hat, fällt grundsätzlich nicht unter ein gewisses Niveau.Wer sie nicht hat, hält alles für unterhaltend, was irgendwie singt und tanzt und schunkelt und zotet – und vor allem: quotet.
Falls solche Menüs der Kundschaft dennoch nicht schmecken, weil es einfach an Würze fehlt, werden sie aufgewärmt in den Suppenküchen von RTL 2, Super RTL, Kabel eins etc. und dort zum Einstandspreis verkauft, um wenigstens die Herstellungskosten reinzuholen, oder aber nach Mitternacht entsorgt nach der Devise, möge es sich versenden. Die seit Jahren in Deutschland erfolgreichen Unterhaltungsformate basieren nicht auf hausgemachten Rezepten, sie wurden zuerst in England, den USA, Kanada, Italien ausprobiert: Superstar. Millionär. Dschungelcamp. Ich bin Kanzler. Unsere Besten.
Zuschauer hierzulande interessiert zu Recht nicht, woher die Zutaten kommen. Solange es ihnen schmeckt, essen sie ihre Teller leer. Falls sie sich für ihre Verhältnisse gut unterhalten und durch das Aufgetischte in ihren Bedürfnissen bedient fühlen, bleiben sie vor dem Fernsehapparat sitzen. Beim Entertainment ist, um das Bonmot eines berühmten pfälzischen Gourmands zu variieren, nur entscheidend, was vorne rauskommt.
Diese notdürftige Begründung war auch für Struve gut genug. Er hat sie in ihrer Bedeutung früher als andere begriffen und entsprechend gehandelt. Sobald ihm der betäubend süße Duft einer sich abzeichnenden Quotenblüte in die Nase stieg, ganz egal, woher der Wind ihm den zutrug, sobald es allzu verlockend nach Erfolg roch, stank ihm nichts mehr. Dann setzte er jedes bis dahin im Ersten als unversendbar geltende Niveau von roten Rosen über vom Schicksal gebeutelte Almhüttler, Stürme der Liebe bis zu Schunkelfesten der Volksmusik hemmungslos nach unten durch. Der gebildete Bürger Dr. phil. Struve genoss es geradezu, von denen, die gebildet waren wie er, verachtet zu werden.
Denn nicht nur die in Quoten messbaren Erfolge, sondern auch die Kritik an deren Qualität begründeten seinen legendären Ruf als Mister ARD. Selbst auf der Schattenseite seiner Macht konnte er sich noch sonnen. Er war der erste gebührenabhängige TV-Manager, der den im Staatsvertrag festgelegten hehren Bildungsauftrag des Fernsehens nicht ernst nahm, sondern sich vielmehr im Gegenteil darauf konzentrierte, die Privatsender auf ihren ureigenen Spielfeldern anzugreifen. Indem er ihr erfolgreich versendetes Angebot von Unterhaltung und Serien sendend adaptierte, statt mit intelligent gemachtem Leichten ein eigenes Profil fürs Erste zu entwickeln, bot er ihnen die Stirn.
Stirn ist hier zwar nur symbolisch gemeint.
Doch Struve ist nicht so blöde wie andere Blödmacher. Er weiß, dass private und öffentlich-rechtliche Sender zwar zu einer Welt gehören, aber in unterschiedlichen Landschaften verwurzelt sind und so wenig wie Regenwälder und Wüsten miteinander verglichen werden können. Sobald er als Seichtgärtner bezeichnet wurde, als Totengräber der ARD, diffamiert als Mitverursacher anwachsender Verblödung, verwies er auf die tägliche Grundversorgung der Bürger mit Wesentlichem, ganz so, wie es das Gesetz vorschrieb, auf den beachtlichen und beachtenswerten Anteil von Information und Aufklärung, von Kultur und Wirtschaft und Politik, also auf die sichtbare Relevanz in allen, auch den dritten Programmen der ARD, und setzte sich damit wortreich ab von Konkurrenten und Kritikern.
Er liebte es, dafür gehasst zu werden. Seine scharfzüngigen Gegenangriffe waren deshalb gefürchtet. Jederzeit wäre er für RTL oder Sat.1 ein idealer Obergärtner gewesen. In den unter privater Aufsicht blühenden Landschaften gab es anders als bei der ARD oder auch beim ZDF keine Gartenordnung per Gesetz, in denen war alles erlaubt. Einer ohne Bedenken wie Struve hätte sich erst recht alles erlauben können. Die kommerziellen Sender werden nicht von manchmal doch recht lästigen Rundfunkräten kontrolliert, sie dürfen ohne Einschränkungen alles anpflanzen – Stinkmorcheln und Löwenzahn und Alpenveilchen und Sumpfdottern -, dürfen Pestizide einsetzen und genmanipuliert aufwachsen lassen, um Neugierige in die eigenen Gärten des Lustigen und der Lüste zu locken. Ihre Züchtungen müssen aber bereits auf den ersten Blick Aufmerksamkeit wecken. Sonst ziehen die Blöden weiter durch die Seichtgebiete und schauen sich in fremden Gärten um.
In ihrem gewöhnungsbedürftigen Jargon – aber was ist schon in ihren Bedürfnisse erfüllenden Anstalten nicht gewöhnungsbedürftig – nennen die Veranstalter diesen Moment der Entscheidung einen Shitpoint. Das bedeutet, bis zu einem bestimmten frühen Zeitpunkt eines Unterhaltungsprogramms muss etwas Entscheidendes geschehen sein, das die Zielgruppe anmacht, weil sie sonst »Scheiße, ist nichts für mich« sagt – oder gar denkt? – und mittels Fernbedienung abtaucht in den nächsten Kanal.
Einfache Gemüter mit dem zu füttern, was in geruchsintensiv gedüngten Beeten gesät und geerntet wurde, ist nötig, um die immensen Betriebskosten der rein kommerziell betriebenen Gewächshäuser zu finanzieren und ihren Besitzern Rendite zu generieren. Die Privatanstalten brauchen möglichst viele möglichst teure Werbespots, denn andere Einnahmen als die aus der Werbung haben sie nicht. Die Agenturen wiederum achten vorrangig auf die zu ihren Produkten passenden Zielgruppen.Werden die verfehlt, ziehen auch sie weiter in andere Seichtgebiete und folgen den umschaltenden Zuschauern in deren Kanäle. Am liebsten sind ihnen die im Alter zwischen 14 und 49. Je größer die zuschauende Schar unter denen – Warum eigentlich? Sind alle Zuschauer über 49 mittellos? Können die sich das beworbene Produkt nicht mehr leisten? -, desto höher der Preis pro Minute, den sie für deren Aufmerksamkeit zahlen. Auf welche schamlose Art und mit welchen unterirdischen Inhalten die Quoten erreicht werden, ist ihnen egal.
Nicht die Liebe zählt, nur die Masse.
Dass ihnen in aktuellen Krisenzeiten diese Erlöse weggebrochen sind und deshalb zur Freude vieler Zuschauer die als Störung empfundenen Werbepausen ausbleiben, erfreut klammheimlich ARD und ZDF. Plötzlich sitzen sie wieder in der allerersten Reihe, wenn freie Produzenten bei ihnen um Aufträge buhlen. Man nehme aber nicht jedes Möbelstück, ätzte ARD-Programmdirektor Volker Herres, nur weil es die anderen auf der Straße abgestellt haben, und im Übrigen müsse auch die ARD sparen. Das Erste und das Zweite können jedoch mit festen Einnahmen rechnen und gelassen ihre Jahresetats planen. Gebührenzahler heißen Gebührenzahler, weil sie fürs Einschalten der staatlichen Sender Gebühren bezahlen müssen.
Von anderen Gärtnern in anderen TV-Gärten, die nach Gutdünken düngen und umpflanzen, was ihnen nicht gefällt, berichten Drehbuchautoren. Aber nur dann, wenn sie nicht namentlich zitiert werden. Unter vier, sechs, acht Augen klagen sie wortreich über allzu oft erlebte Situationen, in denen fest angestellte Besserwisser sowohl der öffentlich-rechtlichen wie der privaten Sender angewidert ihre Drehbücher abgelehnt haben, und zwar in einer Art und Weise, die beim Pöbel zum normalen Umgangston gehört. Die meisten schlucken gleichwohl solche Demütigungen, weil sie auch von der Gnade der Entscheidungsträger leben müssen und den nächsten Auftrag nicht gefährden wollen. Besser als gar kein Auftrag ist allemal ein Auftrag, für den sie sich eigentlich erst mal ein Pseudonym ausdenken müssten.
Die gängigsten Beleidigungen der eigentlich Kreativen seien Sätze wie: Einen solchen Haufen Mist habe man überhaupt noch nie auf dem Schreibtisch gehabt, das hätte sogar ihre Putzfrau nicht abzugeben gewagt, man solle doch bitte mal lesen, was die beiden Volontärinnen der Abteilung in ihrer Beurteilung geschrieben hätten. Und vor allem: Hätten sie, die zuständigen Redakteure, nicht immer wieder darauf hingewiesen, dass der Stoff frauenaffin zu sein habe, was so viel bedeute, dass Frauen nicht nur im Drehbuch eine entscheidende Rolle zugeschrieben werden muss, sondern die ihnen auf Leib und Seele zugeschriebenen Eigenschaften und Probleme viele Frauen bei der Ausstrahlung ansprechen sollten, auf dass sie sich in denen wiedererkennten.
Und so weiter.
In ihrer Ohnmacht fühlen sich Autoren von mächtigen Auftraggebern zu Erfüllungsgehilfen degradiert. Sie wollen stets lesen, was sie selbst nicht schreiben können. Das ist natürlich übertrieben und wie so vieles in diesem Buch gemein verallgemeinert. Es ging in der Branche ja nie anders zu, weil ein herausragender Film zwar von den Einfällen einzelner Genies – Schauspieler, Autoren, Regisseure – geprägt wurde, aber das dann versendete Produkt immer die Leistung eines eingespielten Teams war. Außerdem gibt es auf der anderen Seite nicht nur arrogante Blödmacher, sondern ebenso viele Beispiele von gebildeten menschenfreundlichen Redakteuren, die es tatsächlich besser wissen als bei ihnen vorstellig werdende scheinbar freie Radikale und mit den feinen Heckenscheren professioneller Gärtner die dramaturgischen Verwucherungen zurechtschneiden, um eine ihrem Ressort anvertraute Pflanze vor dem Unterpflügen zu retten, sie doch noch erblühen zu lassen.
Was sichtbar ist, egal, in welchem Kanal, sind dennoch seichte oder doppelschnarchig langweilig verfilmte Kompromisse. Die müssen entweder entstanden sein aufgrund erschöpfender Diskussionen, weil in tiefer Resignation am Ende nach dem Motto verfahren wurde, Augen zu und versenden, obwohl gerade in dieser doch mehrheitlich von Kreativen bevölkerten Branche bekannt sein müsste, dass nicht nur in Gefahr und Not der Mittelweg stets den Tod bringt, sondern auch dann, wenn der kleinstmögliche gemeinsame Nenner im TV-Alltag als großer Zampano die Regie führt.
Oder aber sie wurden sehenden Auges von den Verantwortlichen produziert, weil die außer der Quote nichts mehr im Sinn hatten. Solche Balken im Auge können dennoch erfolgreich Spuren hinterlassen, und dann fragt eh niemand mehr nach Qualität.Wenn es zudem gelingt, ein allenfalls durchschnittliches Movie schon vor der Ausstrahlung zum Event hochzujubeln, glauben anschließend viele Zuschauer, die Schauspielerin Veronica F., eingeladen zu einer politischen Talkrunde des Ersten, habe wirklich deshalb was zu sagen, weil sie einst tatsächlich, nicht nur in einem TV-Zweiteiler, am Checkpoint Charlie in Berlin gestanden und um ihre in der DDR festgehaltenen Töchter gekämpft habe.
Der Zürcher Schriftsteller Charles Lewinsky (»Johannistag«), der als Drehbuchautor, Schlagertexter und Erfinder von unterhaltenden TV-Shows für ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und das Schweizer Fernsehen SRG erfolgreich tätig war, gab der »Süddeutschen Zeitung« zu Protokoll, dass man vor allem deshalb privates Fernsehen haben müsse, um »wirklich Scheiße sehen zu können«, differenzierte dann aber, um sich auch denen verständlich zu machen, denen ein Wort wie »Scheiße« in diesem Zusammenhang stinkt: »Die Privaten sind ein Betrieb zur Herstellung von Zuschauern, die man anschließend an die Werbung verkaufen kann. Die Öffentlich-Rechtlichen sind ein Betrieb zur Herstellung von Sendungen.«
In seinem nicht bierernst gemeinten Standardwerk »Der A-Quotient: Theorie und Praxis des Lebens mit Arschlöchern« beweist er anhand seiner langjährigen Erfahrung, dass Menschen sowohl mit dem Kopf denken können als auch mit dem Gegenteil, dem Arsch. Oben werde das Ergebnis mit IQ gemessen, unten mit AQ.
Zumindest in der Theorie.
Zu der gehört ebenso die immer wieder bei den üblichen Symposien oder Tagen der seriösen Fernsehkritik oder bei der Verleihung von Grimme-Preisen unerhört verhallende Forderung,ARD und ZDF grundsätzlich jedwede Werbung zu verbieten und sie im Gegenzug dafür vom selbst auferlegten Quotendruck zu befreien. Dann könnten sie, frei vom Zwang, den Seichten Konkurrenz machen zu müssen mit eigenem Seichten, sich wieder konzentrieren auf das schon einmal erwähnte Wahre, Gute, Schöne. An solchen Stellen musste Struve immer lachen.
In den Jagdgründen der Seichten war der intellektuelle Zyniker so gut wie Winnetou einst in den Wäldern der Komantschen. Ohne Struve ging nichts im Ersten, gegen ihn auch nicht, egal, wer unter ihm gerade sein vorgesetzter Intendant war. Er wusste von seinen Gegnern in den Anstalten stets mehr als die von ihm. Das machte ihn sogar nach dem Skandal um sublim jahrelang praktizierte Schleichwerbung per Product Placement, aufgedeckt von Volker Lilienthal im Evangelischen Pressedienst (epd), intern aus Mangel an Beweisen unangreifbar. Ein möglicher Kronzeuge, der Einsicht anbot in Akten und bestimmte Briefwechsel, verstummte aber bestimmt nicht deshalb, weil ihm die ihn plötzlich ereilende Fülle von TV-Aufträgen die Sprache verschlug.
Wenn Medienkritiker Struve als Totengräber des anspruchsvollen Fernsehens bezeichneten, als geschmacks- und schmerzfreien Förderer von Musikantenstadeln und Seifenopern attackierten, voller Verachtung auf die ARD-eigene Filmeinkaufsorganisation Degeto hinwiesen, die sich ausschließlich am Massengeschmack orientiert und »Schmonzetten im dramaturgischen Einheitsbrei« (so der Bundesverband deutscher Regisseure) ausstößt, konterte er mit der typischen kühlen Gelassenheit des Norddeutschen, er sei als Programmdirektor für die Gesamtquote der ARD zuständig. Also qua Amt für die Nähe des Ersten zum Volk, und nicht dafür, dass ein paar Intellektuelle, zu denen er sich zählt, auf ihrem Level unterhalten werden.
Seine Argumente nicht von ungefähr, sondern von daher: Es gibt schließlich außer den verjodelten und verkitschten und verblödenden Seichtangeboten tatsächlich spannende Krimis, gewichtige Fernsehfilme, erstklassige Dokumentationen. Nicht zu vergessen bei der Aufzählung die Mutter aller Informationssendungen, die Tagesschau, und die – von Struve auf dreißig statt fünfundvierzig Minuten kastrierten – Polit-Magazine des Ersten. Man möge doch bitte sehr, so Struve, das ganze Bild ARD sehen, nicht nur die einzelnen Ausschnitte betrachten. Zudem hätten doch alle die freie Wahl, ab- oder umzuschalten.
Das zumindest geht heute einfacher als früher, da sich ein Zuschauer noch erheben musste, um vor seinem Gerät hockend nach Alternativen zu suchen. Die Fernbedienung ist mitverantwortlich für den Quotendruck. Buchstäblich. Wenn sich die Masse langweilt, drückt sie einfach drauf, schaltet um. Was für ein Format, das vielleicht mit besten Absichten und großen Hoffnungen ins Rennen geschickt worden ist, per Knopfdruck das Todesurteil bedeutet. Die primäre Tugend von Gärtnern, fürsorglich ein zartes, hoffnungsvolles Pflänzchen zu hegen und geduldig zu pflegen und beim Aufwachsen vor Käfern zu schützen, fehlt den Verantwortlichen. Sie würden am liebsten bei Einbruch der Dunkelheit säen und bereits am Tag drauf ernten, wenn ab 9.02 Uhr morgens die Quoten des Vorabends auf ihren Blackberrys und Laptops erscheinen.
Selbstverständlich hat Struve auch recht, wenn er auf die jedem freistehende Alternative hinweist, sich wiederum per Knopfdruck aus einem bestimmten Programm zu verabschieden und sich in ein passendes neues zu zappen.Täglich gibt es in Konkurrenz zum gnadenlos angekündigten und hemmungslos versendeten Schund gut gemachte spannende, unterhaltende, informative Alternativen zur gefälligen Anschauung. Nicht nur in der ARD, nicht nur im ZDF, nicht nur bei Arte und Phoenix und 3sat, sondern auch bei RTL, Sat.1, ProSieben,VOX usw.
Stets war die weißhaarige graue Eminenz der ARD bereit, ihre breite Brust zu öffnen und wie einst der heilige Sebastian die Pfeile der Gegner auf sich zu ziehen. Der Schmerz gehörte zum Amt und war im Gehalt inbegriffen. Schmerzensgeld und Schmutzzulagen in solchen Jobs verpflichten zu manchmal schmerzlichen, schmutzigen Entscheidungen. Sie stehen deshalb auch Chefredakteuren oder Fußballtrainern zu, die über Nacht entlassen werden können. Ein so jähes Ende stand bei Struve aber nie zur Debatte. In öffentlich-rechtlichen Anstalten fest verwurzelte Fernsehschaffende sind wie Beamte unkündbar. Auch das unterscheidet sie von ihren Konkurrenten.
Bei Privaten wird nach dem amerikanischen Hire-and-Fire-Prinzip verfahren. Man ist hierzulande noch nicht so weit wie die drüben, wo ab einer bestimmten Position jede und jeder den kleinen Karton unterm Schreibtisch verstaut hat, in den bei einem plötzlichen Abschied die persönlichen Habseligkeiten passen. Aus dem Fernsehen kennt in diesen verlustreichen Zeiten selbst der durchschnittliche deutsche Zuschauer solche Sitten, nachdem er gesehen hat, wie die bei Lehman Brothers fest angestellten Brüder und Schwestern nach der Pleite der Investmentbank in New York und in London mit ihren Kartons bepackt einen Abgang von der Bühne der Gierigen machten. Das haben wir alle gern gesehen, egal, in welchem Programm es gezeigt wurde. Schadenfreude ist schichtenübergreifend die allerschönste Freude. Da wird nicht umgeschaltet.
Auf welche Art Struve es schaffte, mit dem Ersten nachhaltig Erster zu werden, verstörte zwar seine Kritiker, ihn jedoch störte es nie. Seine Mittel heiligten ihm den Zweck. Hauptsache, es würde ihm letztlich gelingen.
Es gelang ihm.
Nachdem der Ruf erst mal ruiniert war, galt der Mann vom Ersten auch bei jenen Zulieferern der Seichtgebiete, die sich vorrangig um zu vergebende Sendeplätze bei den Privatsendern schlugen, als erste Adresse. Diesem Landschaftspfleger trauten sie als Einzigem in der ARD zu, selbst kümmerliche Pflänzchen bar jeglicher Einfälle so zu düngen, dass sie im Fernsehgarten ARD erblühten.
Struve enttäuschte sie nicht.
Da der oberste ARD-Gärtner klüger war als seine Konkurrenten von den kommerziellen Sendern, muss er strenger beurteilt werden als die.Von den Privaten erwartet niemand Experimente. Niemand verlangt von ihnen den Mut, in der Unterhaltung riskante neue Formate für den Massenmarkt Unterhaltung produzieren zu lassen, wenn die üblichen Verdächtigen nur ausgetretene Pfade beschreiten. Also alle möglichen Varianten zu senden von unterschichtige Frauen suchenden Bauern oder von halb debilem, nach Bräuten Ausschau haltendem Landadel oder ganz allgemein von der Sehnsucht nach Ruhm und Geld und Sex. Den bislang peinlichsten Einmarsch der Plagiatoren – und das heißt schon was angesichts der vielen versendeten Peinlichkeiten – schickte im Sommer 2009 ProSieben unter dem Titel Germany’s next Showstar in die Arena. Mitmachen durften Künstler, Akrobaten, Tänzer, Sänger. Es sollten sich nur Paare bewerben. Erster Preis: Die Sieger müssen mit dem Juror DJ Bobo auf Europatournee gehen.
Kommerzielle Sender sind Selbstversorger, müssen sich selbst ernähren. Keiner zahlt ihnen spezielle Pflanzenschutzmittel oder die langjährige, teure Aufzucht seltener, edler Gewächse. ARD und ZDF dagegen verfügen jährlich über mehr als 7,5 Milliarden Euro an Gebühren, eingetrieben durch die GEZ, wovon auch Dutzende von Rundfunkprogrammen zehren. Obendrauf kommen noch einmal 350 Millionen Euro an Werbeeinnahmen, denn bis 20 Uhr ist auch ihnen Werbung erlaubt. Dafür möchte ein Gebührenzahler von ihnen aber nicht nur bei Fernsehfilmen, bei Dokumentationen und Reportagen, bei den Themen Kultur, Wissenschaft, Politik,Wirtschaft, sondern auch bei leichter Unterhaltung mehr sehen als das, was man in den letzten Jahren zu oft zu sehen bekam.
Wieder mal ein Pauschalurteil. Deshalb muss differenziert werden, um Beifall von der falschen Seite zu ersticken. Wo sonst auf der Welt bekäme ein Kunde für etwas mehr als siebzehn Euro im Monat so viele Möglichkeiten geboten, sich zu unterhalten oder nachhaltig seinen Horizont zu erweitern? Eben.
Mit dem Zweiten sieht man, was Unterhaltung betrifft, nur noch verschwommen. Irgendwann sind auch die letzten vorzeigbaren deutschen Besten, moderiert von Johannes B. Kerner, wie ein Drops ausgelutscht, irgendwann wissen alle, wie schlau die Deutschen wirklich sind, weil sie es seit Jahren schon auf RTL bei Günther Jauch spielerisch erfahren haben, irgendwann hat Thomas Gottschalk keine Lust mehr, Freaks mit abartig speziellen Begabungen in Hundescheiße riechen zu lassen, damit sie die kotwerfende Rasse erschnüffeln. Irgendwann reicht der Verweis auf Neues aus der Anstalt als ein genialer, aber ziemlich einsam in der ZDF-Landschaft stehender Einfall nicht mehr.An überraschenden U-Ideen herrscht Mangel auf dem Lerchenberg.
Müsste sich deshalb ZDF-Unterhaltungschef Manfred Teuber einer unabhängigen Jury stellen statt einem abhängigen Verwaltungsrat, wäre seine Karriere im TV-Showbusiness gefährdet. Zieht man unterhaltende Veteranen wie Traumschiff, Leute heute, Carmen Nebels Willkommensgrüße, Tierische Schnauzen oder die alljährlichen Karnevalstumbenfeiern ab, bleibt kaum Innovatives übrig. Es stört der Mangel an Einfällen beim ZDF weniger als bei der ARD, weil sich das Zweite vorrangig – und dafür erstklassig aufgestellt – als Aufklärungsschiff im Dienste der Information und des Journalismus versteht und eben nicht mehr als der Unterhaltungsdampfer, der er früher mal war. Bei jener oft zitierten, Begehrlichkeiten weckenden Zielgruppe im Alter zwischen 14 und 49 sieht das Zweite verdammt alt aus.
Die ARD, einst gegründet als föderales Gegenmodell zum zentral gesteuerten Staatsrundfunk der Nazis, sowie das später gezeugte ZDF sind beide in die Jahre gekommen. Natürliche Falten werden von hauseigenen Maskenbildnern geschickt überschminkt, doch sie bleiben sichtbar. Die Krise der Großen ist zwar nur eine Lebenskrise, wie sie in einem bestimmten Alter jeden, auch außerhalb von geschlossenen Anstalten, ereilen kann. Daraus ließe sich gestärkt wieder auftauchen.Voraussetzung allerdings sind eine ehrliche Diagnose, eine mitleidslose Therapie und für eine dann stabile Zukunft die Einsicht, dass ein Rückfall tödlich sein könnte. Patienten in einen Heilschlaf zu versetzen mag kurzfristig wirken, ändert aber nichts an den Ursachen diagnostizierter Schwächen. Nur eine Radikalkur hilft. Die tut weh. Die dauert.Aber manche Chancen gibt es, wie im echten Leben, nur ein einziges Mal.
Das Erste liegt ja nicht etwa im Koma, es wurde von Struve & Co. nur ruhiggestellt, rührt sich nicht mehr recht seinen Möglichkeiten entsprechend. Es ist ein Fitnessprogramm erforderlich. Unter den täglich ausgestrahlten rund 1400 Stunden Rundfunk und 240 Stunden Fernsehen ist einfach zu vieles, was als Folter durch versendete Dummheit definiert werden darf, als Verletzung der Menschenrechte, die schließlich auch für Gebührenzahler gelten.
Ob die vor Jahrzehnten geschaffenen Strukturen noch zeitgemäß und manche Inhalte nicht mehr perfekt, sondern Plusquamperfekt sind, darf zumindest höflich gefragt werden. Viele der 24 000 fest angestellten Insassen in den neun Anstalten der ARD und viele in der zentralen Bergfestung ZDF fragen sich das auch. Weil die Systemveränderer von innen unter Druck gesetzt werden, muss ihnen durch Druck von außen geholfen werden.
Manche Planstellenbesitzer sind hauptsächlich damit beschäftigt, die Ideen freier Produzenten und kreativer Aushäusiger auszusitzen oder in die öffentlich-rechtliche Ablage zu verbannen.Wenn die hier gemeinten TV-Beamten sparen müssen, kürzen sie als Erstes die Honorare der Freien. Ihre Gehälter samt Zulagen bleiben unberührt. Diese Arroganz der Macht, verbeamtet und verfettet auf Lebenszeit, ist systemimmanent. Um dieVerfettung abzubauen, die Verkrustung aufzubrechen, müsste das System radikal geändert werden.
Nötig wäre eine Kulturrevolution. Bei der BBC, traditionsreiches Vorbild für Rundfunk- und Fernsehanstalten in der westlichen Welt, sind nach Amtsantritt des Generaldirektors Mark Thompson 2500 Stellen in der Verwaltung abgebaut und das eingesparte Geld ausschließlich ins Programm gesteckt worden. Denn nur ein gutes Programm sichert die Zukunft derer, die es heute verantwortlich leiten. Macherinnen und Macher mit unverwechselbarem Profil, mit Risikobereitschaft, Fantasie, Haltung, Bildung – ja, Bildung! – sowie einer unzähmbaren Lust am Widerspenstigen, zu ändern, was zu ändern ist.
Aus Angst, ermordet zu werden, wurde seit den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, als das Zeitalter des privaten Fernsehens begann, von den Öffentlich-Rechtlichen Selbstmord in Raten begangen, statt sich der Herausforderung selbstbewusst zu stellen. Die Formel der ARD und des ZDF darf eben nicht wie bei der Konkurrenz lauten: Qualität oder Quote, sondern Qualität und Quote und im Zweifelsfall auch Qualität ohne Quote. Dafür und nicht für die Startgebühr beim Rattenrennen mit den anderen sind die Einnahmen durch staatlich garantierte Gebühren gedacht.
Das zentral geführte ZDF hat es leichter als das föderale Konstrukt ARD. Es reden auch in Mainz viele mit, manche nicht nur befugt qua politischen Amts, wie Roland Koch oder Edmund Stoiber, sondern qua Leistung und Können, aber am Schluss der Debatten entscheidet einer, der Intendant. Der wirkt grundsätzlich gegen Ende seiner Amtszeit stärker als zu Beginn, was daran liegt, dass Markus Schächter ein aufrechter Mann ist und ihn das für eine Wiederwahl nötige Wohlwollen von graugesichtigen Gremlins nicht mehr interessieren muss. Bei der ARD reden neun Intendanten mit, und irgendeiner steht immer gerade zur Wahl.
Da müsste erstens das bisherige System dran glauben, und auf dessen Trümmern zweitens radikal Neues gebaut werden. Die Intendanten, Direktoren, Chefredakteure der Landesanstalten würden zwar drittens ihre Ämter und Privilegien wie Dienstwagen und Fahrer behalten dürfen.Aber die Intendanten werden viertens qua Amt delegiert in einen Aufsichtsrat, als oberstes Gremium der überregionalen Mutteranstalt ARD. Das gesamte Abendprogramm, das frei von Werbung nach 20 Uhr gesendet wird, machen fünftens zukünftig nur noch Befähigte, vergleichbar dem Vorstand eines Unternehmens in der freien Wirtschaft, der verantwortlich ist für das operative Geschäft. Im Fall ARD ist ein erfolgreiches Programm mit nachhaltigem Inhalt das Geschäft. Die entmachteten Regionalfürsten entscheiden sechstens wie bisher, aber autark, was in ihren heimatlichen Sendern läuft. Sie liefern auf Anfrage oder mit ihren Angeboten dem eigentlichen Ersten siebtens zu, was verlangt wird oder was sie sich ausgedacht haben. Die dritten Programme veranstalten zwar die üblichen Talkrunden und kommen ihren Sendepflichten für Regionales nach – Wie singt der Sachse? Wo jodelt der Braunbär? Was fließt die Saar runter? Wo herrscht Stau im Ruhrgebiet? Wann wackelt die Heide? usw. -, werden jedoch hauptsächlich als Spielwiesen für Talente betrachtet und gefördert. Hier darf sich achtens bereits früh austoben, Frau oder Mann, Ost oder West, was mal zentral für höhere Aufgaben infrage kommt.
Weil diese Vision nie Wirklichkeit werden wird, weil die Theorie an der Praxis scheitert und sofort in den Ablagen verschwindet, sobald es um Namen geht, wird sie hier neuntens wenigstens einmal namentlich ausgemalt:
Erster Generaldirektor wie der bei der BBC wird Nikolaus Brender, dessen Vertrag als Chefredakteur des ZDF im Jahre 2010 ausläuft und dessen Absetzung eine von Betonköpfen gesteuerte CDU-Riege munter betreibt. Er kann, was er macht, und machte im Zweiten vor, was trotz aller Fallgruben sogar innerhalb des Systems möglich ist. Fernsehfilme verantwortet Bettina Reitze vom Bayerischen Rundfunk, sie ist einfach die Beste. Ihre erste Amtshandlung besteht darin, dass sie per Hausmitteilung bittet, zukünftig die Bezeichnung TV-Movie, mit der unzählige unterirdische Plotten geadelt worden sind, den Privaten zu überlassen. Sie hat Weisungsrecht auch bei der Degeto, kann deshalb par ordre de mufta geplante Einkäufe oder Eigenproduktionen von allzu Seichtem im Keim ersticken. Der jetzige ARD-Chefredakteur Thomas Baumann wird Koordinator für Gesellschaft und Politik und Kultur und beaufsichtigt Magazine und Dokumentationen, die von starken Ressortchefs geleitet werden.
Für die Unterhaltung, wo die Schnarchquote noch viel höher ist – denn Entertainment lebt nun mal von Kreativität und Wahnsinn -, wird Thomas Schreiber vom NDR mit Kompetenzen ausgestattet. Er muss nicht mehr wie bisher im Land rumreisen und in jeder Anstalt um Beistand für neue Ideen bitten, sondern diese anordnen. Für den Samstagabend müsste vom WDR Zimmer frei, heitere Unterhaltung auf bestem Niveau, fürs Erste freigegeben werden. Hape Kerkeling ist teuer, aber das Gehalt von mindestes vier Programmdirektoren wert, falls er nicht schon wieder mal weg ist. Günther Jauch muss endlich wieder dahin, wohin er gehört, koste es, was er wolle. Eine investigative Reportercrew für Dokumentationen mit nutzwertigen Enthüllungen wird als feste Einrichtung für den Montag eingeplant. Die Polit-Magazine leiden unter zu kurzer Sendezeit, aber bis auf Panorama und Monitor krankt es auch zu oft an Inhalten. Wesentlicher wäre es, Schwerpunkte zu setzen, statt im Alarmdeutsch betextete Aufreger der Güteklasse »Platte Reifen von Lastwagen in Niederbayern«, »Hartz-IV-Ungerechtigkeiten in Hessen Süd« oder »Ausbeutung von alleinerziehenden Nazi-Großmüttern in Sachsen-Anhalt« zu versenden. Wie gut man ein Magazin machen kann, macht das ZDF mit Frontal 21 ja vor.
Natürlich müssen für ihre Gebühren auch jene bedient werden, die einfachen Gemütes sind, alle in den Seichtgebieten beheimateten Armen im Geiste. Schunkelnde Dialektbrüderundschwestern reichen aber einmal pro Woche. Für die freiwillige Aufgabe eines festen Sendeplatzes wird wie bei der bundesweiten Aktion gegen Blöde und Verblödung eine Abwrackprämie nur dann bezahlt, wenn parallel zum Antrag eine zündende Idee für ein Alternativprogramm vorgelegt wird. Dass die Deutschen, wir alle also, immer älter werden, ist leider wahr.Aber noch sind nicht alle so verkalkt, so verstützstrumpft, so verblödet, dass sie außer Volksmusik nichts mehr hören wollen. Die Mehrheit ist durchaus noch in der Lage, die Knöpfe auf der Fernbedienung zu ertasten.
Mister ARD Struve wusste genau, was er anrichten würde mit dem, was er über viele Jahre dann anrichten ließ, verachtete insgeheim, was die Zuschauer begeisterte, hätte sich solche Sendungen nie zugemutet, weder Abende der Volksmusik noch Heimatschnulzen der Berge und Täler, weder die Verbotene Liebe noch den Marienhof, weder den Sturm der Liebe noch die Roten Rosen, hat lieber die Übertragung einer Mozart-Oper auf 3sat genossen oder sich bei einem intensiven Abendmahl einer aufstrebenden Seriendarstellerin gewidmet.
Erst nach seiner Pensionierung ereilte ihn die gerechte Strafe für sein jahrelanges Treiben und das Schielen nach noch ausbeutbaren Trieben der Unterschicht. Doktor Struve, seit 2008 Rentner mit Ruhesitz in Los Angeles, muss als einer von drei Gastgebern die regionale Talkrunde Riverboat in den MDR-Seichtgebieten des Ostens moderieren. Weil offenbar trotz intensiver Castings in allen Sendern der ARD niemand außer ihm als dritter Mann infrage kam, fliegt Struve seit März 2009 regelmäßig aus L.A. nach Dresden, um freitagabends ein paar Fragen zu stellen. Die ihm verpflichteten alten Freunde aus seinen aktiven Zeiten waren bei der Premiere vor Ort und lobten pflichteifrig das Können des Meisters. Einer hat ihnen das nicht geglaubt, weil er nicht so blöde ist – Struve selbst.
Sein Nachfolger, nunmehr als Programmdirektor zuständig für die Pflege des großen Gartens ARD,Volker Herres, grenzt sich von den Privaten kämpferisch ab, was die eigenen Leute motiviert. Bei der Konkurrenz gebe es bis auf einige wenige Spartenkanäle keine journalistische Berichterstattung mehr, sondern Boulevardmagazine, die sich »den Nachrichten-Pelz nur überwerfen«, wie er in der »Frankfurter Rundschau« betonte: »Wo unsere Information zu 80 Prozent aus Politik, Kultur und Wirtschaft besteht, haben die Privaten Rotlicht und Blaulicht.« Diese beiden Farben stehen im Branchenjargon für allseits beliebte Magazine über Sex and Crime.
In der Beurteilung seines Vorgängers schlägt er ein paar feine, gemeine Töne an. Sie klingen ähnlich wie eine Bemerkung im Arbeitszeugnis, mit der dem scheidenden Mitarbeiter XY attestiert wird, dass er sich immer bemüht habe, recht pünktlich zu sein. Was eine solche Formulierung in Wahrheit aussagt, ist unter Eingeweihten bekannt – der Scheidende habe es leider nicht immer auf den Punkt geschafft trotz all seiner Bemühungen.
In diesem Sinne dürfte das Lob von Herres zu verstehen sein – was er wahrscheinlich umgehend mit Abscheu und Empörung als üble Unterstellung zurückweisen würde: Günter Struve sei eines der »ganz großen Talente im Fernsehen«, das versucht (!) habe, »unter schwierigsten Bedingungen [...] eine Balance zu finden zwischen inhaltlichem Anspruch und dem, was wir leisten müssen«.
Wenn die wollen, können die viel leisten. Konnten die immer schon. Zum Beispiel hohe Qualität verbinden mit hoher Quote. Das eine schließt das andere nicht aus. Im Gegenteil.
Als 1970 die ARD in der fiktiven Show Das Millionenspiel zur besten Sendezeit durchspielte (Drehbuch: Wolfgang Menge, Regie: Tom Toelle), was künftig im Fernsehen vielleicht möglich sein, oder besser: was dem Volk drohen könnte, und nicht ahnte, wie nahe sie damit der künftigen Wirklichkeit kam, schrieb der junge Intellektuelle Günter Struve noch geistreiche Reden für den Kandidaten Willy Brandt und himmelte dabei im Wahlkampfbüro der SPD in Berlin die schöne Gudrun Ensslin an. Die seichtreiche Welt, die dann mal seine werden sollte, lag dem Sozialdemokraten damals noch fern.
Im Millionenspiel ging es um Leben und Tod, aber nicht wie üblich in einem Krimi bei der Jagd der Guten nach den Bösen, sondern in einer scheinbar normalen Unterhaltungsshow. Ein Mann wird von drei Killern durchs Land gejagt. Falls die ihn erwischen, bekommen sie vom Sender eine Abschussprämie von 120 000 Mark, falls dagegen er lebend das Ziel erreicht, erhält er 1,2 Millionen. Ausgedacht und inszeniert, als sei es eine TV-Show, in der tatsächlich gemordet wird zur allgemeinen Entspannung und Erheiterung, eine konsequent mörderische Fortentwicklung der bis dahin bekannt friedfertigen Showformate. In denen wurden zwar auch Wettkönige gekürt – am Ende sollte dank der stets freundlichen Spielleiter Hans-Joachim Kulenkampff oder Peter Frankenfeld immer einer gewinnen -, aber auch die Ausgeschiedenen überlebten fröhlich ihre Niederlage. Heute würde man solche Familienshows natürlich anders verkaufen, als die Suche nach dem Samstagabend-Superstar der ARD vermarkten.
Wie genial Menge und Toelle die vergrabenen, bis dahin noch nicht als Potenzial entdeckten Bedürfnisse ihrer Zuschauer eingeschätzt hatten, ließ sich nicht nur ablesen an der hohen Einschaltquote – womit die heute zur Grundausbildung der TV-Verantwortlichen zählende Lehrmeinung, am meisten Quote würden Tote machen, geboren war -, sondern auch an den Anrufen beim Sender am Tag nach der Ausstrahlung. Es meldeten sich viele Männer, die wissen wollten, wann und wo die nächste Auswahl des WDR für Kandidaten stattfinden würde. Sie seien sowohl für die Rolle des Killers als auch für die des Opfers geeignet und selbstverständlich bereit, alle ihnen gestellten Aufgaben zu erfüllen. Auch die, im Fall eines Countdowns notfalls zu töten.
Das meinten sie wirklich ernst. Sie waren tatsächlich bereit, notfalls zu töten. Nicht erst die jungen Verblödeten von heute wären bereit, unter allen Umständen alles zu tun, um bei einem Casting in die Endausscheidung zu kommen und dann je nach Ausgang für zwei Minuten oder zwei Monate berühmt zu werden. Beim allgemeinen Rattenrennen konnte schon damals fest auf Voyeure, Gierige, Irre, Blöde gezählt werden. Dass im Millionenspiel einer den Spielleiter verkörperte und die fiktive Menschenjagd moderierend begleitete, der auch im normalen Showleben als Master galt, war ein genialer Einfall der Macher. So was wie Dieter Thomas Heck wurde mit Dieter Thomas Heck ideal besetzt.
Sogar die Reporter, die Heck im Spielrahmen der fiktiven Show losschickte, um in der Wirklichkeit deutscher Fußgängerzonen Passanten zu interviewen – »Darf man so was oder darf man das nicht?«, lautete ihre Frage -, waren aus dem echten Fernsehen bekannt. Die Befragten dachten sich deshalb nichts dabei, als vertraute Fernsehgesichter ihnen das Mikrofon vor- und die Kamera ins Gesicht hielten – sie wollten vielmehr wissen, wann ihre Antworten denn gesendet würden. Die Mehrheit der befragten Normaldeutschen fand die Idee toll, sehr modern und die Show deshalb spannend. Einige wenige fragten entsetzt zurück, ob denn alle verrückt geworden seien.
Ganz so tief wie in dieser einst gemein ernst gemeinten Satire haben die Gärtner der Seichtgebiete auf der Suche nach der ultimativen Quote bislang nicht gegraben. Es gibt noch moralische Grenzen. Es wird noch nicht live gekillt.
Gestorben allerdings schon.
Und zwar live.
Die damals 20-jährige britische Arzthelfern Jade Goody, unbelastet von schulischen Abschlüssen, wurde 2002 in England bekannt durch ihre Auftritte in Big Brother. Sie benahm sich, wie sie sich auch ohne laufend auf sie gerichtete Kameras im Alltag benommen hätte.Was einst als unmöglich galt – Prolos in ihrer Ursprünglichkeit zu versenden -, war das Erfolgsgeheimnis der Sendung. Jade vögelte vor laufender Kamera – Warum auch sollte ihr nicht gestattet sein, was Paris Hilton erlaubt ist? -, gab fröhlich zu, so blöd zu sein wie die meisten Zuschauer, belegbar durch ihren Intelligenzquotienten, aber genauso wie die Big-Brother-Zielgruppe keinen Anlass zu sehen, sich deswegen schämen zu müssen.
Dafür wurde sie von der englischen Unterschicht – die traditionell auf ihre Klasse stolz ist und mit gestrecktem Mittelfinger die da oben verachtet, von deren Sex- und Machtspielchen sie aus der eigens für ihre Bedürfnisse produzierten Massenpresse weiß – geliebt, verehrt, bewundert. Je heftiger die Oberschicht polemisieren ließ gegen die Show und gegen ihren ordinären Star, desto mehr wuchs in der Unterschicht Miss Piggys Ruhm.
Den vermarktete sie in einer Autobiografie, die sie, wie andere Promis ja auch, nicht selbst verfasste, mit einem Parfüm namens »Shhhh«, das sie selbst betörend fand. Da sie nichts zu verlieren hatte, gewann sie alles. Die als Tochter eines drogenabhängigen Kleinganoven in armen Verhältnissen aufgewachsene Engländerin verdiente am Ruhm der kommenden Jahre drei Millionen Euro, die sie – getreu dem Motto der heimischen Umgebung:Was die da oben können, das können wir auch, falls wir zu Geld kommen – sowohl in einer protzigen Villa anlegte als auch im Statusauto der feineren Briten, einem Bentley.
Bei der nächsten Staffel von Big Brother war sie schon nicht mehr nur irgendeine tätowierte Blödtussi aus irgendeinem der zahlreichen englischen Problemstadtviertel, sondern gehörte zu jenen Ikonen der dortigen Seichtgebiete, mit denen das Prekariat vor die Glotze gelockt wird, um die aus ihren Biotopen zu sehen, die es nach oben geschafft hatten. Wie manches Mal im Leben folgte dem schnellen TV-Ruhm der jähe Absturz. Als Jade Goody gegenüber einer in Indien geborenen britischen Big-Brother-Konkurrentin mit rassistischen Äußerungen auffiel, die allerdings ihren Fans aus dem Herzen sprachen, flog sie über Nacht aus der Show. Ihre Beleidigungen, bei denen sie sich nichts Besonderes gedacht hatte, weil die in ihrer Nachbarschaft gang und gäbe waren, wurden ihr offiziell verziehen, als sie sich, selbstverständlich medienwirksam live versendet bis ins ferne England, in der indischen Version der Containerspiele tränenreich bei der Frau entschuldigte.
Jade Goodys Bekanntheitsgrad, also ihre persönliche Quote, stieg aber erst dann in bislang unerreichte Höhen, als sie im Februar 2009 live während einer Show bekannt gab, an Krebs erkrankt zu sein, und dass deshalb nur noch wenige Wochen Leben vor ihr lägen. »Ich habe vor laufenden Kameras gelebt, vielleicht werde ich jetzt vor laufenden Kameras sterben«, sagte sie, woraufhin der Sender Livin TV (kein Scherz, der heißt so) und das Magazin »OK« eine Million Pfund, trotz gefallenen Kurses noch 1,3 Millionen Euro, für die Exklusivrechte am Restleben und Sterben bezahlten.
Trash-Lady Jade tat es vorgeblich, um die Zukunft ihrer beiden Kinder zu sichern. Sie heiratete im Zuge der Totalvermarktung ihren Geliebten, der gerade aus dem Gefängnis entlassen worden war und eigentlich unter Hausarrest stand, auf veröffentlichten Druck der Unterschicht aber Ausgang bekam für die Hochzeit – und ließ sich kurz vor ihrem Tod erstmalig sogar feiern von der Oberschicht. Seit ihrer Abschiedstournee, verkündeten britische Gynäkologen, hätten sich zwanzig Prozent mehr Frauen als sonst für Krebsvorsorgeuntersuchungen angemeldet.
Daraus ließe sich schließen, dass sogar Big Brother gut ist für die Volksgesundheit, dass die Blöden im Fernsehen keine Verachtung verdienen, sondern hin und wieder Dankbarkeit, weil nur sie die anderen Blöden erreichen.
Am 22. März 2009 starb Jade Goody. Sie wurde 27 Jahre alt. Ein Nachruf hätte wohl selbst ihr noch die Sprache verschlagen. Premierminister Gordon Brown nannte die Prolo-Queen der Herzen in seiner Würdigung eine »mutige Frau«. Er hat ganz offensichtlich gute Berater, die wissen, wie ihr Klient bei der wahlberüchtigten Klientel punkten kann.
Was seit der Gründung des Privatfernsehens bei der Bepflanzung der damals noch brachliegenden Seichtgebiete gelungen ist, wissen die heutigen führenden Landschaftsarchitekten zu schätzen. Sie ernten zwar das, was ihre Vorgänger über zwei Jahrzehnte hinweg gesät haben, werden aber stets daran gemessen, wie sich die von ihnen eingesetzten Sprösslinge entwickeln.
Ob sich jemand in der Gründungszeit etwas gedacht haben mag, meint RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt, eine studierte Betriebswirtschaftlerin, weiß sie nicht. Aber dabei herausgekommen sei eine Fernsehlandschaft mit einer beispiellosen Vielfalt an Sendern und Angeboten. Ihre These veranlasste einen Reporter von der«Süddeutschen Zeitung« zu der naheliegenden Frage, ob sie vielleicht dennoch ein gewisses Qualitätsdefizit sehe bei RTL.
Ein solches Defizit, auch ein nur gewisses, sah sie natürlich nicht. Ihre Antwort macht beispielhaft deutlich, warum es vergeudete Zeit ist, den Machern des kommerziellen Fernsehens vorzuhalten, sie würden die Bereiche Information und Bildung vernachlässigen. Sie haben eine ganz andere Vorstellung als ihre Kritiker davon, was Information ist und was der Volksbildung dient und was im Restaurant des Kölner Senders serviert werden muss. RTL-Wirtin Schäferkordt beschreibt die Spezialitäten in ihrem Lokal so: »Wir sind nicht nur auf Unterhaltung spezialisiert.Wir haben ein Vollprogramm und bieten in großem Umfang Informationsformate an.«
Dazu zählt sie in einem Atemzug neben Stern TV und Spiegel TV – einst von RTL ungeliebte Bastarde, zu deren Ausstrahlung man aber per Rundfunkstaatsvertrag verpflichtet war, über die sie inzwischen jedoch behauptet, es seien immer Wunschkinder gewesen – auch die Magazine Extra, Explosiv, Exklusiv und Punkt 12. Oder bei den Nachrichten RTL aktuell und das Nachtjournal. Angeblich sei Information für viele Zuschauer der hauptsächliche Grund, RTL einzuschalten.
Wenn das der Bohlen wüsste!
Klug, wie auch sie ist, spart die Frau nicht mit vergiftetem Lob für die ehrenwerte Konkurrenz, die sich in der Unterhaltung, »teilweise sogar in der Information« ihrem Sender und den anderen Privaten angenähert habe. Genau das werfen viele ja der ARD und dem ZDF vor. Und natürlich hat auch sie recht, wenn sie das Fernsehen in Deutschland insgesamt in Schutz nimmt im Vergleich zu dem, was auf den als vorbildlich gerühmten Sendern der Vereinigten Staaten, Englands, Italiens, Spaniens so alles läuft. »Wir haben die vielfältigste und qualitativ stärkste Fernsehlandschaft weltweit. Es gibt wenige Länder, die das so anbieten«. Sind wir gar die Besten weltweit, oder gibt es außer uns doch noch einige wenige Bessere möchte man da verblüfft nachfragen. Lässt es aber, denn offensichtlich kann das so gesehen werden oder auch so. Anke Schäferkordt sieht das so. Das kommerzielle Fernsehen habe der deutschen Gesellschaft Vielfalt, Qualität und Wettbewerb gebracht.
Aha.
Auch ihr oberster Chef, Gerhard Zeiler, ebenfalls ein Studierter, in seinem Fall mit den Fächern Psychologie und Pädagogik als geisteswissenschaftlicher Gesprächspartner des verhinderten Philosophen Günter Struve vorstellbar, sieht die RTL-Group, die der Wiener leitet, längst auf Augenhöhe mit dem öffentlich-rechtlichen System. Er schämt sich nicht, dem Dschungelcamp »Kultaspekte« zu attestieren, statt einfach nur zuzugeben, dass dieses Format bei der werberelevanten Zielgruppe ein riesiger Erfolg ist und damit beiträgt zum 5,7-Milliarden-Umsatz der neunzigprozentigen Bertelsmann-Tochter. Ihr gehören 45 TV-Stationen und 33 Radiosender in elf Ländern. Sie erreicht mit ihren Erfolgsformaten sowohl die Gierigen bei allen möglichen Superstars-Ausscheidungen als auch die Wissbegierigen bei Wer wird Millionär?. In Krisenlagen der Nation schaffen es mehr denn je nur die Harten in die Gärten, und zu denen gehört Obergärtner Gerhard Zeiler.
Natürlich drückt er das gewählter aus. Etwa so, dass in stressigen Zeiten wie den unseren stressfreie Unterhaltung ein Gebot vieler Stunden sei, die Menschen aufzuheitern. Er hat offenbar von Höherem den Auftrag, die Menschen glücklich zu machen und für ein paar Stunden von ihren alltäglichen Ängsten zu befreien. Besonders stolz ist er darauf, dass RTL bei den jungen Zuschauern seit Jahren schon die Nummer eins ist. Da Zeiler – wie auch Struve – nicht blöde ist, wird er es andererseits nicht für Zufall halten, dass insgesamt die Zahl junger Blöder, die von RTL bedient werden, im gleichen Maße angewachsen ist. Allerdings nie zugeben.
Nur ProSieben hat keine Probleme damit, seine Inhalte zu verteidigen.Weil der Sender von Finanzinvestoren geleitet wird, ist es denen völlig wurscht, womit sie die Rendite steigern. Sie sehen Erklärungsbedarf nur ihren Aktionären gegenüber. Alle anderen Anstalten, ob nun privat oder öffentlich-rechtlich, haben zumindest ein Bewusstsein für das, was sie tun. Dies Sendungsbewusstsein zu nennen wäre zwar zu hoch gegriffen, doch wenigstens machen sie bewusst das, was sie für ihre Zielgruppe für sinnvoll halten.
Es ist am Ende deshalb wohl doch sinnlos, den Gärtnern der Seichtgebiete vorzuwerfen, was durch das kommerzielle Fernsehen und die sich ihm anpassenden öffentlich-rechtlichen Anstalten sowie die ihnen anhaltend hinterherhechelnde gedruckte Konkurrenz alles untergegangen ist: Niveau. Anspruch. Diskursfähigkeit. Kurzum: Kultur. Für eine solche These gibt es keine wasserdichten relevanten Statistiken und Quoten, nur Anschauungsmaterial.
Das lässt sich nachlesen, lässt sich sehen, ist anschaulich, versendet oder gedruckt, immer dann, wenn sich Leute heute, Hallo Boulevard, Deutschland exklusiv, Explosiv,Taff treffen.Weil Kinder unter zwölf nicht zugelassen sind, schon deshalb, um sie vor dem Anblick der Anwesenden zu schützen, ruft niemand: Schaut mal, die sind ja alle nackt.
Denn auch so was kommt von so was.
Was?
Dass Blödmacher als gesellschafsfähig gelten, nur weil sie sich auf gesellschaftlichen Veranstaltungen treffen.