KAPITEL I
Unternehmen Seichtgebiete
 
 
 
 
Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens. Bei Gott kein überraschender erster Satz für ein Buch, in dem es um Blöde und um Blödmacher gehen wird und warum es ihnen – seid hiermit verschlungen, Millionen – Arm in Arm, gelungen ist, die Gesellschaft grundlegend zu verändern, indem sie diese tieferlegten so wie einen Opel Manta. Autos dieser Marke, Spoiler und Blondine im Preis ab Werk inbegriffen, waren für armselige Unterschichtler das, was ein Porsche für neureiche Oberschichtler verkörperte: Statussymbol und Penisersatz in einem.
So vereinfacht lassen sich heute weder diese noch jene einordnen. Allgemeine Verblödung und sie fördernde Blödmacher und die wiederum tragende Blöde müssen vielmehr auf einer Expedition erkundet werden. Spurensuche in den Seichtgebieten also. Nur wenn das gelingt, werden die wahren Ursachen sichtbar, hörbar, spürbar. Und bevor die nicht erforscht sind, fehlen die Voraussetzungen für die Bekämpfung der Wirkungen. Dann bleiben Gegenmaßnahmen wirkungslos. Die Suche dürfte vor Ort nicht immer lustig sein, und für zart Besaitete ist zudem die Gefahr groß, sich anzustecken. Im Tiefland lauern Viren auf sie. Die machen mitunter blöde. Wer sich fürchtet, sollte deshalb hier schon die Reise abbrechen und das Buch verschenken.
Doch neugierig?
Auf eigene Gefahr also.
Los.
Freiwillige Teilnehmer an den Exkursionen in die Dschungelcamps des Fernsehens, des Internets, des Radios, der Zeitschriften, der Bücher, der Schulen, der Politik, der Gesellschaft, der Familien müssen sich zuvor jedoch impfen lassen. Nicht nur wegen der stets möglichen Ansteckung durch Dumpfsinn-Viren. Wer sich selbst errötend dabei ertappt, gelegentlich hemmungslos unter seinem Niveau zu lachen, gehört zwar noch nicht automatisch gleich zu den Blöden. Für den ist’s nur mal momentan dumm gelaufen, und falls es niemand miterlebt hat, bleibt der Ausrutscher sogar ohne Folgen.Vorsorglich muss deshalb geimpft werden, um immun zu sein gegen selbst gezüchtete Erreger in Kulturen wie Arroganz, Einbildung und Besserwisserei.Von oben herab zu lästern über die Blödheit derer da unten ist erstens nicht komisch, zweitens nicht schwer und drittens nicht besonders originell.
Sind wir doch mitunter alle mal blöde.
Auch Oberlehrer der Nation, von denen die Deutschen, erst recht seit der Einheit, mehr haben als andere Nationen, könnten das Buch jetzt zur Seite legen und sich wieder auf die eigenen wohlfeilen Klagen über die Blödheit ihrer Mitbürger stürzen. Die Hölle, das wissen sie, sind ja immer die anderen.
Wer sind die anderen?
Dass es Sender gibt, die bei den Blöden erste Wahl sind und Heimvorteil genießen – weil die Dummies nicht allzu viel wissen, aber eines dann schon: Bei RTL und Sat.1 und ProSieben und VOX würden sie täglich die ihrem IQ entsprechenden Showformate finden, bei ARD und ZDF nicht immer -, ist auch eines jener Vorurteile, die vor Antritt der Forschungsreisen abgelegt werden müssen. Zwar hat an einem März-Samstag des Jahres 2009 die Übertragung der wöchentlichen Mottoshow zu Deutschland sucht den Superstar, moderiert von Marco Schreyl, auch »Karteikarten-Marco« genannt, 5,61 Millionen Zuschauer zu RTL gelockt, doch der zeitgleich in der ARD laufende Musikantenstadl, moderiert von Andy Borg, auch »Schunkel-König« genannt, kam locker auf 5,68 Millionen Fans.
Da es sich aufgrund des Lebensalters der Zuschauer um unterschiedliche Zielgruppen handeln muss, sind mögliche Überschneidungen durch Doppelseher ausgeschlossen. Was wiederum den Schluss zulässt, dass insgesamt 11,29 Millionen Deutsche die beiden ihren Bedürfnissen am meisten zusagenden Angebote unter allen TV-Programmen am betreffenden Samstagabend ausgewählt haben. Eines ausgestrahlt von einem privaten, das andere von einem öffentlich-rechtlichen Sender. Beide wären in diesem Fall zu definieren als klassische Bedürfnisanstalten des Volkes.
Womit zwei der bekannten Vorurteile begraben werden könnten. Das Vorurteil, kommerzielle TV-Anbieter seien hauptverantwortlich für die Ausbreitung der Seichtgebiete und die dort gelagerten Container voller Leergut, sowie das Vorurteil, die Alten seien nicht so leicht für blöd zu verkaufen wie die Jungen. Es gibt offenbar keine typische Generation Doof minus x und keine auffällige Generation Doof plus y, sondern ein generationenübergreifendes gesamtdeutsches Bedürfnis nach der Seichtigkeit des Seins. Die Unart älterer Mitbürger, einer ihnen fremd vorkommenden Gruppe von eindeutig Jüngeren das Etikett »Generation« aufzukleben, um dann als Experten für Jugendprobleme in Talkshows eingeladen zu werden, ist gleichfalls symptomatisch für die allgemeine Verunsicherung und gemeingefährliche Verflachung. Dass junge Blöde auffälliger doof sind als alte, liegt nur daran, dass sie sich lautstark äußern – Boah, Ey, Super, Geil -, während die Alten allenfalls laut mitsingen.
Bei aufkeimender Verzweiflung während der Forschungsreisen auf der Suche nach den Wurzeln des Übels hilft allerdings kein noch so starkes Serum. Gegen Depressionen schützt entweder Zynismus oder aber Gelassenheit. Was nicht mehr zu ändern ist, muss offenbar als Bodensatz der Gesellschaft akzeptiert werden. Zudem ist ja niemand verpflichtet, sich auf Niveau null aufzuhalten. Es lassen sich deshalb die meisten Begegnungen mit Blöden dadurch vermeiden, dass man die Stätten ihrer Vergnügen meidet; es lassen sich traumatische Erfahrungen verhindern, indem man bestimmte Fernsehprogramme nicht einschaltet, bestimmte Bücher, bestimmte Zeitschriften und Zeitungen ignoriert, bestimmte Veranstaltungen und Partys meidet.
Hilfreicher ist es, um wenigstens die Schieflage der Nation zu justieren, die Blöden nicht als gottgegeben zu akzeptieren oder schweigend zu verachten, sondern sie lächerlich zu machen. Was nur dann funktioniert, wenn Blödmacher und Blöde ernst genommen werden in ihrer vielfältig sich zeigenden Einfalt. Sinnvoller ist es, in heiterer Gelassenheit jeden Erfolg der Dummheit zwar ehrlich als verlorene Schlacht zu registrieren, aber unverdrossen an einen noch möglichen Gesamtsieg zu glauben.
Früher hieß das Weisheit.
Eine gewisse Schar von Blöden gab es immer schon, und die gab es auch in jedem Land. Doch die Blöden der anderen Nationen berühren uns nicht, solange wir ihnen nicht am Strand über den Weg laufen müssen oder sie mit ihren Handtüchern unsere Liegestühle am Pool besetzen. Die eigenen Blöden sind uns gut genug. Es ist einfacher als früher, sie aus der Nähe zu beschreiben, weil ihre Dummheit nicht mehr im Verborgenen blüht. Um ihre Wünsche zu wecken und ihre Instinkte zu befriedigen, sind Fernsehanstalten gegründet, Zeitschriften entwickelt, Bücher gedruckt, Helden erfunden worden. Die Prinzipien der Marktwirtschaft haben sich bei der Eroberung auch dieser Klientel bewährt.Wo es eine Nachfrage gibt, die in diesem Fall einem dringenden Bedürfnis entsprach, wäre es schlicht blöde, keine entsprechenden Angebote zu entwickeln.
Das geschah in vier Phasen einer wohlüberlegten Strategie: Zielgruppe erkannt. Zielgruppe analysiert. Zielgruppe eingekreist. Zielgruppe gefangen. Strategen in Sendern und Verlagen, die erfolgreichen Gärtner der Seichtgebiete, haben sich deshalb im Gegensatz zu Bad Bankern ihre Boni verdient. Weil sie clever genug waren, früh die Möglichkeiten zu erkennen, die sich Investoren boten, denen so etwas wie Schamgefühl, Moral,Anstand fremd war. Blöde sind fruchtbar und wachsen nach. Der TV-Markt, bei dem hohe Renditen garantiert sind, weil er sich auf niedrigem Niveau selbst stets neu erfindet, ist deshalb ein Wachstumsmarkt.
Das befreit die Marktbeschicker aber nicht von ihrer Verantwortung. Mit Hinweis auf die geistigen Bedürfnisse der Unterschicht, zu der – was Verstand und Geschmack und Stil betrifft – auch viele gehören, die sich aufgrund von Einkommen, Einfluss und Einbildung zur Oberschicht zählen, entschuldigen sie sich zwar.Weil es aber einen solchen Rabauken-, Rummel- und Rammelplatz nun mal gebe, wäre es schön blöd, ihn nicht mit eigenen Produkten zu beschicken und dort nicht selbst gezüchtete Sumpfblüten anzubieten, bevor andere die ihren auf die Plätze, fertig, los schicken.
Dennoch wird ihnen keine Vergebung zuteil. Denn sie wissen, was sie tun. Das können sie täglich an den Quoten ihrer TV-Formate ablesen oder an den verkauften Auflagen von Produkten bemessen, denen selbst die karge Bezeichnung »Druckerzeugnisse« noch schmeichelt. Früher galt die stillschweigende Übereinkunft, dass über Sex und Geld öffentlich nicht geredet wird. Basta. Heute ist die offenhosige, die Beine breitmachende Bereitschaft, Privates öffentlich zu machen, die Voraussetzung dafür, um überhaupt bei gewissen Talkshows eingeladen zu werden. Mitschuldig am Zustand einer Gesellschaft diesseits aller Tabus sind gleichgültige Eltern und frustrierte Lehrer und moralfreie Manager und geschwätzige Politiker – aber auch wir Journalisten, die sich übers dumme Volk und seine Helden lustig hermachten und dadurch ungewollt viele unbedarfte Deppen zu Stars hochgeschrieben haben.
Allen vereinfachenden Schlagzeilen zum Trotz gibt es also keine Generation von Doofen, ebenso wenig, wie es einst eine Generation der besonders klugen 68er gab. Es sind immer nur wenige, die das Denken oder Nicht-Denken und den Stil oder die Unsitten von vielen prägen. Ende der Sechzigerjahre im vergangenen Jahrhundert begannen die überfälligen Denkprozesse mit den Demonstrationen von Studenten gegen den tausendjährigen Muff an deutschen Universitäten, gegen braunes Gesindel im Amt. Daraus wuchsen dann Proteste von vielen Tausenden auf den Straßen mit den bekannten Folgen.
In Frankreich, wo Revolution allerdings zur Tradition gehört und im kollektiven Bewusstsein der Nation im Gegensatz zur deutschen positiv verankert ist, brannten im Mai 1968 die Barrikaden. In England blieb es britisch ruhig, weil die Klassengesellschaft ungerührt die Parolen der Klassenkämpfer über sich ergehen ließ, sowohl die Ober- als auch die Unterklasse. In den Vereinigten Staaten vereinten sich in leidenschaftlichem Protest gegen den Vietnamkrieg Jung und Alt, weil die einen nicht sterben und die anderen nicht ihre Söhne verlieren wollten.Von diesen gewalttätigen Auseinandersetzungen wurde weltweit berichtet. Die gesendeten Bilder beflügelten Anti-Kriegs-Demonstranten im fernen Europa.
Da es um kritisches Bewusstsein ging, blieben die Protestierenden in Deutschland auch innerhalb ihrer Generation eine lautstarke radikale Minderheit. Die Mehrheit der Jungen war zufrieden mit einem kleinen Glück, so wie es ihnen ihre Eltern vorgelebt hatten, aber sie waren letztlich gemeinsam mit denen irgendwann doch dazu bereit, mehr Demokratie zu wagen.Angesichts erreichter Wohlstandsziele schien gegen ein wenig undeutsche Leidenschaft prinzipiell nichts einzuwenden zu sein. Sie wählten 1969 Willy Brandt zum Bundeskanzler.
Im anderen Teil Deutschlands gab es auch 68er, deren mutiger Protest gegen die steinernen Verhältnisse sich jedoch an einem speziellen Datum festmachen ließ, dem 21. August 1968, jenem Tag, an dem die Truppen des Warschauer Paktes den Prager Frühling erstickten. Bevor aus dem Protest von wenigen Mutigen im Osten eine die Verkrustungen der Gesellschaft zerbrechende Bewegung werden konnte wie die im Westen, brachen ihnen die Machthaber das Rückgrat und sperrten sie ein.
Nur Rockmusik übertönte alle Mauern, wurde zur Internationale von Jugendlichen über alle nationalen Grenzen hinweg und zur Mutter aller Jugendbewegungen. Rock’n’ Roll als vielfältige Hymne einer Generation verstanden weltweit alle.
Auch die Einfaltspinsel.
Nach 1969 gingen im Westen die Gleichaltrigen, die nur kraft und dank ihres Alters zu einer Generation gehörten, wieder getrennte Wege. Die einen begannen den langen Marsch durch die Institutionen, die anderen richteten sich in ihren Verhältnissen ein.Wie groß das Potenzial an Blöden schon damals war, fiel nicht weiter auf, weil sie nicht als geschlossene Gruppe auftraten und sich nicht als kommende Kraft der Zukunft verstanden.
Es gibt heute zwar mehr Verblödete denn je, aber auch das ist einfach zu erklären. Mittlerweise ist eine ganze Generation von Deutschen – hier stimmt endlich mal der Begriff »Generation«! – aufgewachsen mit Tutti-Frutti-TV. Das konnte nicht ohne Folgen für denVerstand bleiben. Im Westen waren es seit Gründung des Privatfernsehens 25 Jahre, im Osten, wo RTL und Sat.1 bis zum Untergang der DDR nicht empfangen werden konnten, nur 20. Inzwischen ist zusammengewachsen, was zusammengehört, wie an den Quoten bestimmter Sendungen deutlich wurde. Doch ebenso viele tapfere Widerständler haben, im Westen wie im Osten, alle Attacken der Blödmacher abgewehrt und sich jenseits der Seichtgebiete in bewässerten Oasen behauptet.Auch unter den Nicht-Blöden ist zusammengewachsen, was zusammengehört. Die neue deutsche Grenze, an der nur verbal geschossen wird, verläuft zwischen Wissenden und Unwissenden.
Letztere müssten mit allen Mitteln aus den Fesseln der Blödmacher befreit werden. Denn auch sie werden für die Zukunft der Nation gebraucht.
Aber wie soll das gelingen?
Weil heute weder Weise noch Götter helfen, weil verbretterte Köpfe mit Argumenten nicht zu löchern sind, weil auch das Recht auf Dummheit zu den unveräußerlichen Menschenrechten zählt, ist im Kampf gegen die Blöden außer selbstverständlicher Tapferkeit eine Strategie bestehend aus List,Tücke,Witz, Fantasie nötig.
Auf Altkluge, die ungebrochen an sich und die Überlegenheit ihrer göttlichen Gedanken glauben, muss dabei verzichtet werden. Die Alten sind zwar immer noch klug und weise, doch nicht mehr so beweglich wie einst. Deshalb schweben sie über den Niederungen des Alltags.Wenn auf Erden alle gültigen Normen zum Teufel gehen, wenn die letzten Tabus sterben, wenn singende, grölende, tanzende Prolos die Mattscheiben bevölkern, wenn Lehrer von ihren Schülern gemobbt, Eltern von ihren Kindern beschimpft, wenn sprachlose Bücher die Hirne verkleben, wenn brutale Killerspiele echte Killer produzieren, wenn eine Gesellschaft Shakespeare mit einem Hersteller von besonderen Angelruten statt mit jenem Besonderen assoziiert, bedarf es sprachgewaltiger, laufstarker Guerillataktik statt mahnender Worte. Gegen die Besatzungsmacht der Kopflosen ist eine verbale Intifada nötig.
Darf man das?
Darf man.
Wie so oft im Leben gibt es zwei mögliche Wege zum Ziel. Alternative drei, den Blöden das Tiefland zu überlassen und sich in den nah wie fern vorhandenen Hochburgen der Kultur – Kunst, Literatur,Theater, Musik – an den Freuden schöner Götterfunken zu ergötzen, ist keine Option. Ein solcher Rückzug wäre Feigheit vor dem Feinde.
Auf, auf zum Kampf also.
Alternative eins: Einmarsch mit offenem Visier ins Feindesland, im Tornister profunde Bildung verstaut, die passende Munition gegen alles, was im Fernsehen stinkt oder was nach sprachlosen Büchern riecht oder was im Internet die Luft verpestet. In den eigenen Schützengräben lauern zur Unterstützung Gleichgesinnte, ebenfalls mit Sprache bewaffnet. Wackere Kämpfer fürs Wahre, Gute, Schöne aber, so grimmig entschlossen sie auch sein mögen, wecken jedoch selten Leidenschaft, erreichen Blöde nicht, reden bedeutend, aber unverständlich, sind ausgerüstet mit schusssicheren Überzeugungen, die in ihrer Jugend 1968 revolutionär waren, aber mittlerweile Patina angesetzt haben. Ihre Schüsse gehen sozusagen nach hinten los.
Das sehen sie natürlich anders. Ihre Erzählungen, wie mutig und leidenschaftlich sie mal die Welt verändert haben oder zumindest verändern wollten, wenn ihnen nicht leider im letzten Moment was dazwischengekommen wäre, will jedoch niemand mehr hören. So wenig, wie sie es einst hören wollten, wenn ihre Väter die ewig gleichen Geschichten erzählten, wonach früher alles besser war – die Kirche im Dorf, die Ordnung im Staat, der Respekt vor dem Alter.
Die hartleibigen Besserwisser unter inzwischen Zweifelnden sind aber immer noch und nichtsdestotrotz überzeugt davon, wenn auch nicht mehr recht überzeugend, besser als andere zu wissen, was Schüler lernen müssen – siehe da: Ordnung einhalten; warum sich Erwachsene so benehmen sollten, dass sie in ihrem Tun ein Vorbild sind – siehe da: Beispiele geben; wie Eltern ihre Kinder erziehen sollten – siehe da: Disziplin durchsetzen. Die Anhänger von Alternative eins glauben vor allem – außer an die genannten Tugenden, die Böswillige sekundäre nennen würden – unerschütterlich daran, dass sich mit den klassischen Methoden Humanismus, Bildung,Vernunft der Sumpf trockenlegen ließe. Ihre auf intellektuelle Einsicht in das Notwendige bauende Taktik versteht jedoch keiner von denen, die sie erreichen wollen, weil die nun mal keine Intellektuellen sind. Und sie erzielt keine nennenswerten Quoten bei noch unentschlossenen Schlachtenbummlern, die zögern, wem sie sich anschließen sollen, um am Ende bei den Siegern zu landen, den Kämpfern oder den Bekämpften.
Niemand mag Oberlehrer.
Niemand schätzt Besserwisser.
Deutsche Blöde schon mal gar nicht.
Hiermit wird die »Operation Klugscheißer« beerdigt.
Alternative zwei ist erfolgversprechender: Der Einmarsch ins Feindesland wird angepasst an die zu erobernde Umgebung. Visier heruntergeklappt, um sich als Blödkopf getarnt dem tümelnden Volk nähern zu können. Die Massen werden nicht in offener Feldschlacht gestellt, sondern unauffällig und klammheimlich unterwandert. Das macht zudem grundsätzlich mehr Spaß als die im deutschen Wesen verankerte Neigung, andere mit ernster Miene zu belehren.
Sobald die Blöden ihre diversen Dschungelcamps verlassen, um schwimmend neue Ufer zu erobern, werden sie unauffällig unter Wasser begleitet. Das schaffen nur die Besten unter den Klugen. Jede Art von Ekel muss zuvor abtrainiert werden, man braucht einen langen Atem, und die Guerilleros müssen lernen, ihre Intelligenz so zu verbergen, dass ihnen niemand von den Blöden auf die Schliche kommt. Ihr verborgenes Wissen macht sie zwar stark. Doch die Stärke dürfen sie um Himmels willen nicht ausspielen, denn Taktik zwei verlangt, ihr Mehrwissen nur unauffällig trickreich einzusetzen.
Wie denn nun?
Wer Blödmacher besiegen will, muss sie lächerlich machen. Werden sie ausgelacht statt ausgezählt, veräppelt statt verehrt, verlieren sie ihre Anziehungskraft bei den Blöden. Das Volk lässt dann seine bloßgestellten, entblößten Helden fallen, statt ihnen zu verfallen.
So erging es bekanntlich einst jenem Kaiser aus dem Märchen von Hans Christian Andersen. Ein eitler Tropf. Er hielt sich mehr in seiner Garderobe auf als bei seinen Staatsgeschäften und er ging nicht ins Theater und er las kein Buch und er hörte keine Musik. Doch weil er nun mal der Herrscher war, konnte er sich seine eitle Blödheit, ohne Folgen befürchten zu müssen, erlauben.
Wie eitel und wie blöde er tatsächlich war, erkannten zwei kluge Betrüger, die ihm einredeten, ihr neues Format, anschmiegsame Haute Couture, das sie ihm auf den Leib schneidern könnten, sei nicht nur unglaublich schön und würde ihn noch schöner machen, als er eh schon war, sondern hätte auch die sensationelle Eigenschaft, für alle unsichtbar zu sein, die »unverzeihlich dumm« seien. Blöde, wie er war, glaubte ihnen der Kaiser. Die Behauptungen der Betrüger, die heute als Unique Selling Point (USP) bezeichnet würden, sprachen sich im Lande herum, wurden nicht hinterfragt. Der Kaiser gab bei Anproben nie zu, dass er im Spiegel nichts sah, um nicht als unverzeihlich dumm zu gelten, bewunderte stattdessen Muster und Farben, obwohl die beiden Schneider noch keinen einzigen Faden gesponnen, aber bereits viel Geld für die teure Seide kassiert hatten.
Endlich war es so weit, dass sich der Kaiser in den neuen Kleidern zeigen konnte. Er wollte es, denn zur Dummheit gehört die Eitelkeit. Das wollte er öffentlich zelebrieren und ging, von seinem Hofstaat begleitet, durch die Stadt. Des Kaisers Untertanen, die ebenfalls nicht für blöde gehalten werden wollten, stießen bewundernde Rufe aus und lobten seine neue Kleider. Heute würden ihre Hochrufe als Quotenhoch gewertet werden. Keiner aber wollte zugeben, nichts zu sehen. Bis auf einmal ein kleines Kind rief, der Kaiser habe doch gar nichts an. Der sei ja nackt. Da merkten alle Erwachsenen, für wie dumm sie sich hatten verkaufen lassen, und erst dann lachten sie ihren dummen Kaiser aus.
Was für dessen Ego und dessen Ansehen natürlich tödlich war.
Was wäre also, würde nach der Art dieses wunderbaren Märchens verfahren werden beim Kampf gegen die allgemeine Verblödung? Zum Beispiel die Welt der Blödmacher auf den Kopf stellen, um zu sehen, wer hinten runterfällt, statt wie bisher als bewunderter Popanz auf den Seichtgebieten zu agieren? Zum Beispiel im nächsten Kapitel mit der Realität spielen, statt sie tief grübelnd ändern zu wollen?
Zum Beispiel schauen, ob die beim Volk beliebten Kaiserinnen und Kaiser auch dann noch so beliebt wären, wenn man sie nackt, wie sie im Geiste sind, gegeneinander antreten ließe in einem einzigen furiosen Showdown?
Schauen wir doch einfach mal.