VIERZEHN

Eine Viertelstunde später trafen Max und Jamie bei Alexa ein. Streifenwagen standen um das kleine Holzhäuschen herum, das taubenblau gestrichen und von Blumenbeeten mit üppig orangefarbenen Tigerlilien umgeben war. Alexa unterhielt sich im Wohnzimmer leise mit Lamar. Ihre Augen waren vom Weinen geschwollen. Als sie Max sah, stand sie sofort auf.

»Sie wissen genau, warum das passiert ist«, sagte sie.

Max nahm ihre Hand. »Wir finden Ihren Sohn. Erst mal muss ich genau wissen, was passiert ist.«

»Das habe ich schon alles aufgenommen«, sagte Lamar.

»Ich möchte es aber von Alexa hören.«

Alexa schniefte und rieb sich mit einem Taschentuch die Augen. »Ich habe Lamar schon erzählt, dass ich noch nach Danny sehen wollte, bevor ich ins Bett gegangen bin.«

»Um wie viel Uhr?

»Kurz nach zehn. Als ich in sein Zimmer kam, war er weg. Danny ist Diabetiker. Wenn er nicht pünktlich das Richtige isst oder seine Insulinspritze nicht bekommt …« Sie unterbrach sich und schluckte die Tränen hinunter. »Er kann ins Koma fallen.«

»Das wird nicht passieren, Alexa«, sagte Max. »Haben Sie irgendwas im Haus gehört, bevor Sie gemerkt haben, dass er weg ist?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe im Schlafzimmer ferngesehen.«

»War die Haustür abgeschlossen?«

»Ja, aber die Fenster waren offen, damit ein bisschen frische Luft reinkommt. Ich kann es mir nicht leisten, die ganze Zeit die Klimaanlage laufen zu lassen.«

»In Dannys Zimmer ist das Fliegengitter aufgeschnitten worden«, sagte Lamar. »Und auf dem Kissen des Jungen roch es nach Chloroform. Wahrscheinlich hat er das meiste davon verschlafen.«

Jamie ergriff Alexas Hand. »Kann ich irgendwas für Sie tun?«, fragte sie. Alexa sah von ihr zu Max. »Er ist alles, was ich habe. Finden Sie ihn.«

»Heilige Scheiße, Frankie!«, sagte Beenie. »Guck dir mal der ihre Titten an!« Er reichte Frankie eine Zeitschrift, aber Deedee riss sie ihrem Mann aus der Hand.

»Wag es nicht, Frankie Fontana. Die einzigen Titten, die du anguckst, sind meine.«

»Ach ja. Hab ich nicht dran gedacht.«

Beenie streckte sich. »Mann, ist das langweilig. Ich muss mal raus hier.« Deedee betrachtete ihn in seiner Jeans, einem zerknitterten T-Shirt und alten Turnschuhen. »Du darfst nicht fahren.«

»Bock auf einen Zug durch die Gemeinde, Frankie?«

Frankie wollte gerade antworten, als die Haustür aufging. Big John führte Swamp Dog herein. Seine schwarze Augenklappe wirkte noch unheilvoller.

»Duncan hat mich gerade auf dem Handy angerufen«, sagte er. »Sie haben Choo-Choo gefunden.«

Deedee sprang vom Sofa auf. »Wo ist er? Geht es ihm gut?«

»Wer ist Choo-Choo?«, fragte Beenie.

Deedee winkte ungeduldig ab. »Mein Hund. Geht es meinem Kleinen gut?«, wiederholte sie.

Swamp Dog nickte. »Dem geht‘s gut. Duncan hat sich erst mal hingelegt, der hat seit über achtzehn Stunden nicht mehr geschlafen. Ich kann ja rüberfahren und den Köter holen.

»Ich komme mit«, sagte Deedee. »Choo-Choo wird immer so nervös bei Fremden.«

Frankie legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich fahre mit, Schnuckelchen.« Er sah Swamp Dog an. »Wie lange dauert das? Ich lasse Deedee nicht gern allein.«

»Sie haben ihn in einem verlassenen Gebäude in der Stadt gefunden. Mehr weiß ich auch nicht, nur, dass Duncan will, dass ich ihn sofort abhole. Wir sind in zwanzig Minuten da und wieder zurück.«

Frankie stand auf. »Dann mal los.«

»Aber Frankie …«, begann Deedee. »Du musst bei Beenie bleiben«, sagte er. »Soll ich mitkommen?«, fragte Big John. »Nein. Ich möchte nicht, dass irgendjemand durch diese Tür geht, solange ich weg bin.« Big John nickte.

»Wir können meinen alten Truck nehmen«, sagte Swamp Dog. »Das geht schneller.« Sie eilten hinaus.

»Du weißt ja, wo ich bin, falls du mich brauchst«, sagte Big John zu Deedee und nahm wieder seinen Posten an der Haustür ein.

»Das gefällt mir gar nicht«, flüsterte Deedee Beenie zu, als sie allein waren. »Ich habe ein ganz ungutes Gefühl.

»Was macht dir denn Sorgen?«, fragte er.

»Du erinnerst dich bestimmt nicht, was hier alles passiert ist. Aber du kannst mir glauben, wir waren alle ernsthaft in Gefahr.«

»Das habe ich mir schon gedacht, als ich in der Notaufnahme aufgewacht bin.«

»Es gefällt mir gar nicht, dass Frankie einfach so mit …«

»Swamp Dog?«

Sie nickte. »Er sieht so böse aus.«

»Der hört sich sogar böse an, und wenn du mich fragst, benimmt er sich auch reichlich daneben. Ich könnte ihm mal zeigen, wo es langgeht.«

Deedee ignorierte ihn und lief auf und ab. Sie wandte sich zur Tür. »Komm mit.«

»Was?«

»Du musst mir helfen.«

Beenie seufzte und folgte ihr in die Küche, wo Choker sich ein Brot schmierte. Er lächelte Deedee an.

»Soll ich Sie eine Weile ablösen?«, fragte Beenie.

Choker sah ihm zwar ins Gesicht, bemühte sich aber offensichtlich, sich keine Regung anmerken zu lassen. »Geht schon, Cowboy.«

Deedee ging auf die Tür zum Weinkeller zu.

»Was hast du denn vor?«, fragte Choker.

»Sie haben Choo-Choo gefunden«, sagte sie aufgeregt. »Ich will jede Menge Champagner zum Feiern.«

»Ich mach das schon«, sagte Choker.

Deedee schüttelte den Kopf. »Oh, den findest du nicht. Den guten habe ich ganz hinten im Keller, den finde ich nicht mal selbst.«

»Dann suche ich eben«, sagte Choker achselzuckend. »Unser John Wayne hier kann ja solange bei dir bleiben.«

Er ging die Treppe hinunter.

»Kannst du mir vielleicht mal sagen, was du vorhast?«, fragte Beenie.

»Wir fahren Frankie hinterher.«

Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Hat dein Lockenstab dir das Gehirn verbrutzelt, Lady? Warum sollte ich so was Beklopptes tun, wenn dein Mann eindeutig gesagt hat, du sollst hierbleiben?«

»Weil du und ich uns mal sehr nahe standen, und weil du ein sehr schlechtes Gewissen kriegst, wenn du dein Gedächtnis wiederhast und feststellst, dass du mich im Stich gelassen hast.«

»Okay, noch einmal, falls du das falsch verstanden hast. Frankie hat gesagt …«

»Es ist mir egal, was Frankie gesagt hat, und ich habe es satt, wie eine Porzellanpuppe behandelt zu werden, die jeden Moment kaputtgehen kann. Ich habe immer noch meinen eigenen Kopf.«

»Gut gebrüllt. Was willst du damit sagen?«

»Dann gehe ich eben allein.«

Beenie versperrte ihr die Tür. Er taxierte Deedee. »Wie nah standen wir uns denn?« Sie zögerte. Schließlich nahm sie Beenies Gesicht in beide Hände und küsste ihn leidenschaftlich. Als sie von ihm abließ, pfiff er leise.

»Weiß dein Mann das?«

»Dem ist es egal, was ich tue.« Deedee lächelte verführerisch und öffnete die Hintertür. Der Wachmann sah auf. »Können Sie mir einen winzigen Gefallen tun?«, fragte sie den Mann. »Choker, der Wrestler, ist im Keller und sucht Champagner. Ich will nicht, dass er da unten allein ist.«

»Wir haben unten auch einen Mann postiert, Ma‘am«, sagte die Wache.

»Ja, aber es wäre mir doch lieber, wenn Sie mal nach ihm sehen könnten«, flötete sie und kniff ihn leicht in die Wange. »Er ist schon so lange da unten. Und, na ja …« Den Rest flüsterte sie. »Er hat Angst vor Spinnen. Haben Sie auch Angst vor Spinnen?«

Der Mann straffte die Schultern. »Ach was. Ich helfe Ihnen gern.« Er öffnete die Kellertür und ging hinunter.

Deedee wartete einen Augenblick, schloss die Tür dann vorsichtig und drehte den Schlüssel um. Beenie grinste, und sie gingen schnell zur Hintertür hinaus. »Hier lang«, sagte sie und ging zu Jamies Auto.

Beenie erreichte es zuerst. »Der Schlüssel steckt nicht.«

»Ich weiß aber, wo sie den Ersatzschlüssel hat.« Deedee griff in die hintere Stoßstange. Sie zog ein schwarzes Mäppchen mit einem Magneten daran hervor, öffnete es und zog den Schlüssel heraus. »Du musst fahren«, sagte sie. »Mir haben sie den Führerschein abgenommen, weil ich dauernd Leute über den Haufen fahre.«

»Ich dachte, ich soll nicht fahren wegen der Gehirnerschütterung. «

»Lässt du dich von so was Blödem abhalten?«

»Scheiße, nein.«

»Dann sieh zu, dass wir hier wegkommen. Wenn Choker erst mal merkt, dass er im Keller eingesperrt ist, tritt er die Tür ein.«

Sie stiegen in Jamies Auto. Beenie ließ den Motor an, legte den Gang ein, und sie schossen los. Die Sicherheitskontrolle am Eingangstor sah überrascht auf, als sie einfach vorbeirasten.

»Schneller«, sagte Deedee. »Wenn wir Glück haben, holen wir sie vielleicht noch ein. Aber komm ihnen nicht zu nah! Swamp Dog braucht nicht zu wissen, dass wir hinter ihm her sind.«

Beenie warf ihr einen gereizten Blick zu. »Ich weiß selbst, was ich tue, okay? Halt einfach den Mund, und lass mich fahren. Übrigens bist du mir dafür ganz schön was schuldig.«

»Ich nehm dich zum Shoppen mit nach Charleston«, sagte sie. »Und wir gehen in deinem Lieblingsrestaurant Mittag essen.«

Er runzelte die Stirn. »Wieso soll ich shoppen gehen?«

Sie seufzte. »Ach, egal. Wie ist es mit einer Packung Redman Kautabak und einer Kiste Bier?«

»Klingt schon besser.« Er betrachtete sie. »Aber ich wüsste noch was Besseres.«

»Herrje«, sagte Deedee.

Max wählte Duncans Handynummer, und der nahm beim ersten Klingeln ab. »Suchen Sie Swamp Dog«, sagt Max grußlos.

»Ich wollte Sie auch gerade anrufen«, antwortete Duncan. »Wir haben ein Problem.«

»Ich höre.«

»Swamp Dog ist vor nicht mal einer Viertelstunde mit Frankie weggefahren. Er hat behauptet, sie hätten Deedees Hund gefunden.

»Was soll das denn heißen?«, fuhr ihn Max an und erschreckte Jamie und Alexa, die ihm gegenüber auf dem Sofa saßen.

»Es kommt noch schlimmer«, sagte Duncan. »Deedee und ihr Assistent sind hinter ihnen her. Sie sind einfach durch die Sicherheitskontrolle gebrettert. Ich habe versucht, in meinem Truck endlich mal ein bisschen Schlaf zu kriegen, als mich einer meiner Jungs benachrichtigt hat. Ich habe schon einen Trupp losgeschickt. Sie suchen sie, aber sie haben zehn Minuten Vorsprung.«

»Wie konnte das denn passieren?«, fragte Max.

»Deedee hat Choker und noch einen Wachmann im Keller eingeschlossen. Bis Choker die Tür aufgebrochen hatte, waren sie schon weg.«

»Meine Schwester gibt einfach nicht auf. Sonst noch was?«

»Ja. Ist Swamp Dog auf unserer Seite oder nicht?«

»Ich glaube kaum, dass Swamp Dog je auf irgendwessen Seite ist«, sagte Max. »Betrachten Sie ihn einfach als gefährlich, und rufen Sie mich an, wenn Sie etwas wissen.«

»Was ist los?«, fragte Jamie, als Max aufgelegt hatte. Er erzählte die Geschichte schnell.

»Von Swamp Dog habe ich schon gehört«, sagte Alexa und wurde ganz blass. »Wenn der damit zu tun hat, kann mein Sohn schon längst tot sein.«

Max sah sich im Zimmer um. »Ich brauche Ihre Hilfe, Alexa. Auf die letzte Seite der Ausdrucke der Städtischen Bilanzen haben Sie REVESER geschrieben. Da haben wir nichts drüber gefunden. Ich glaube, das ist ein Kennwort für irgendwas.«

»Ich habe keine Ahnung, was es heißt«, sagte sie. »Der alte Grimby kritzelt immer beim Telefonieren rum. Da habe ich das Wort mal gesehen und es mir notiert. Aber was hat das mit meinem Sohn zu tun?«

»In dieser Stadt gibt es eine Menge Korruption, Alexa, aber das wissen Sie ja längst, sonst hätten Sie mir den Namen REVESER nicht gegeben.« Alexa blieb still.

»Es könnte wichtig sein«, sagte Max.

Jamie bemerkte die Angst im Blick der Frau. »Hat man Sie bedroht? Wollen Sie deswegen nichts sagen?«

»Wenn ich da jetzt jemanden reinziehe, kann ich auch mit reingezogen werden«, sagte sie.

»Wie?«, fragte Max.

»Jemand hat für Danny ein Konto über fünfzigtausend Dollar angelegt. Ich hatte solche Angst, dass ich den Brief verbrannt habe. Aber ich weiß, dass das Konto bei einer Bank in Delaware geführt wird.«

»Wissen Sie noch, wer Ihnen den Brief geschickt hat?«, fragte Max.

»Es stand kein Absender drauf. Ich habe Angst, Max. Die meinen das ernst. Solange ich mitgespielt habe, ist mir nichts passiert.«

»Aber so was macht doch niemand, bloß weil Sie die Bilanzen ausgedruckt haben«, erinnerte Max sie. »Außerdem waren das sowieso nicht die echten.«

»Nein. Also warum tun die das? Warum nehmen sie nicht mich? Danny hat doch überhaupt nichts damit zu tun.«

»Sie wollen Ihnen Angst machen, das ist alles. Die wissen genau, dass Sie mehr Angst um Ihren Sohn haben als um sich selbst. Das ist reine Einschüchterungstaktik, Alexa, mit Sicherheit. Die haben gar nicht die Absicht, Danny etwas anzutun. Das ist nur die Rache dafür, dass Sie mit mir zusammengearbeitet haben.« Max klang überzeugter, als er war. Er hatte den Verdacht, dass Danny tatsächlich in Gefahr war.

»Wissen Sie, ob Phillip mit der ganzen Sache zu tun hat?«, fragte Jamie.

Alexa sah sie ausdruckslos an. »Er hat Sie doch zu mir geschickt. Wenn er nicht wollte, dass Sie was rauskriegen, dann hätte er das doch nicht getan, oder?«

Jamie kaute auf der Unterlippe, während sie darüber nachdachte.

»Entschuldigt«, sagte Max, »ich muss mal eben an meinen Computer«, und weg war er.

»Er hat den Computer im Auto«, erklärte Jamie Alexa.

»Meinen Sie nicht, Lamar sollte das FBI verständigen?«, fragte Alexa und rang die Hände. »Es handelt sich immerhin um eine Entführung.«

»Mal langsam«, sagte Jamie. »Max‘ Computer ist wahrscheinlich schlauer als das FBI.«

Max glitt ins Auto. »Ich habe Neuigkeiten für dich, Muffin.«

»Wegen des verschwundenen Jungen? Danny Sanders?«

»Ja. Jemand hat für ihn ein Konto bei einer Bank in Delaware eingerichtet, damit seine Mutter die Klappe hält. Ich schätze, da gehen die verschwundenen Steuergelder hin. Die Banken-Gesetzgebung ist dort ziemlich lax, sodass das Geld leicht gewaschen und irgendwohin transferiert werden kann. Vielleicht ist REVESER das Kennwort, mit dem wir da reinkommen.

»Okay, ich suche schon.«

»Wie lange dauert das?«

»Es gibt tierisch viele Banken, Max, und wir wissen nicht, ob es das Passwort für die Bank oder für ein privates Konto ist. Ich sage Bescheid, sobald ich was gefunden habe. Sonst noch was?«

»Mir fällt gerade was ein. Bin gleich wieder da.«

»Ist es hier?«, fragte Frankie, als Swamp Dog langsamer wurde und auf den Parkplatz der Stadtverwaltung fuhr.

»Ja.« Swamp Dog griff unter seinen Sitz und zog eine Fernbedienung hervor. Er drückte auf einen Knopf, und ein Tor ging auf. Er fuhr hinein, und das Tor schloss sich hinter ihnen. »Das war‘s, Kumpel. Ende der Reise.«

Frankie nickte, als hätte er verstanden. »Ich habe nur eine Bitte. Es ist mir egal, was Sie mit mir machen, aber tun Sie meiner Frau nichts.«

»Wenn ich die gewollt hätte, hätte ich sie hergelockt. Sie und ihr komischer Junge sind uns schon von Anfang an gefolgt. Aber im Moment haben sie sich so verirrt, die haben keine Ahnung mehr, wo sie sind.« Swamp Dog grinste. »Die wollen Sie, Fontana. Sie und Ihren tollen Schwager, Max Holt.

»Den kriegen Sie nicht.«

»Das werden wir sehen.«

»Mist!«, sagte Beenie. »Wo sind die denn hin? Ich habe doch gesehen, dass sie hier eingebogen sind.«

»Du Idiot!«, schrie Deedee. »Ich hab doch gesagt, du sollst schneller fahren.«

Beenie starrte sie an. »Sprich nicht so mit mir, sonst schmeiß ich dich aus dem Wagen, verstanden?« Einen Augenblick lang hoppelten sie über die Straße.

»Ach du Scheiße«, sagte er.

»Was ist denn?«, jaulte Deedee.

»Mir ist gerade eingefallen, wer mir eins übergebraten hat. Dieses Arschloch Swamp Dog. Ich habe ihn nicht gesehen, aber die Stimme würde ich überall wiedererkennen.«

Deedee schnappte schockiert nach Luft. Sie griff nach Beenies Arm. »Wir müssen sie finden!«, kreischte sie.

Das Auto geriet ins Schlingern und wäre fast im Graben gelandet. »Fass mich nicht an, bist du verrückt?« Beenie lenkte in die andere Richtung, allerdings zu heftig, und verlor die Kontrolle über den Wagen. Deedee kreischte, als sie gegen einen Baum prallten.

»Alles in Ordnung?«, fragte sie Beenie.

»Scheiße, nein, nichts ist in Ordnung«, schrie er. »Ich bin mit dem Kopf aufs Lenkrad geknallt!«

Deedee schnitt eine Grimasse. »Du hast Jamies Auto kaputt gemacht. Das wird sie mir nie verzeihen. Was machen wir jetzt?«

»Blöde Frage, Lady. Wir gehen zu Fuß.«

»Denken Sie nach, Alexa«, bohrte Max. »Wenn jemand in der Stadt irgendwas oder irgendwen verstecken wollte, wo würde er das tun?«

Sie rang nervös die Hände. »Ich weiß es nicht. Wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen sagen.«

Durch die Eingangstür kam ein mittelalter Mann mit Kollar herein. »Alexa?«

Sie drehte sich um. »Vater Joseph? Was machen Sie denn hier? Oh Gott, schlechte Nachrichten, oder?«

»Ich bin nur gekommen, weil ich gehört habe, dass Danny verschwunden ist. Ich weiß überhaupt nichts, Alexa.«

Sie sah sich im Zimmer um. Beamte standen herum und hatten mitleidige und betretene Mienen aufgesetzt. Der Geistliche schaute gequält. »Sie glauben, er ist tot, oder?«, sagte sie und brach in Tränen aus. »Ihr glaubt doch alle, mein Sohn ist längst tot!

»Nein«, sagte Max. »Er ist nicht tot. Daran müssen wir fest glauben.«

»Lassen Sie uns doch mal unter vier Augen sprechen«, sagte Vater Joseph. »Ich wäre gern ein paar Minuten mit Ihnen allein.« Er führte die schluchzende Frau aus dem Zimmer.

»Und was machen wir jetzt?«, fragte Jamie Max. Sie fragte sich, wie lange Alexa das aushalten würde. »Hast du einen Plan?«

Max konnte nicht antworten, denn sein Handy klingelte. Er zog es aus der Tasche. »Max Holt«, sagte er knapp.

Jamie beobachtete die Veränderungen in seinem Gesicht. Seine Augen sagten ihr, dass etwas nicht stimmte, und zwar ganz und gar nicht. Er klappte das Telefon zu. »Ich muss mal kurz weg«, sagte er. »Bleib du so lange bei Alexa.«

»Was ist denn passiert?«

»Nimm nicht gleich das Schlimmste an, okay?«

»Ich kenne dich doch, Max. Wer hat angerufen?«

»Ist nicht so wichtig, ich muss nur kurz was erledigen. Dauert nicht lange. Jetzt vertrau mir doch einfach mal.«

Sie betrachtete ihn. Sie vertraute ihm, aber sie wusste, dass er durchaus Risiken einging, und das machte ihr Sorgen.

Er sah sich um. »Ich muss Lamar Bescheid sagen, dass ich kurz weg bin. Ich bin gleich wieder da.«

Jamie wartete, bis Max zu Lamar unterwegs war, dann flitzte sie zur Tür hinaus. Sie öffnete Max‘ Autotür. »Muffin, Max ist in Gefahr«, sagte sie. »Ich hab keine Zeit, das jetzt zu erklären. Mach den Kofferraum auf, dass ich da reinkann.«

»Normalerweise nehme ich nur von Max Befehle an«, sagte Muffin.

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass es um Leben und Tod geht. Wenn du mir jetzt nicht hilfst, ist Max vielleicht bald nicht mehr da, um dir Befehle zu erteilen.«

»Es ist aber ganz schön eng da drin«, sagte Muffin, »obwohl der Wagen schon größer ist als der normale Porsche.«

»Ja, schon gut«, sagte Jamie und schloss die Tür. Der Kofferraum sprang auf. Sie war überrascht, dass er vorne war. Ohne eine Sekunde zu zögern, rannte sie in die Richtung.

»Oh, Mist«, murmelte sie, als sie sah, wie eng es dort war. Sie stieg ein, die Beine unters Knie gepresst, und machte sich so klein wie möglich. Sie schloss den Kofferraum nur Sekunden, bevor Max die Haustür öffnete, sich auf den Fahrersitz fallen ließ und den Motor anließ.

»Ich bin da in einer Situation, Muffin«, sagte er, als der Sicherheitsriegel sich über ihm schloss, »die ist echt ernst.«

»Ich bin ganz Ohr.«

»Swamp Dog hat sich im Stadtverwaltungsgebäude verschanzt. Er hat Frankie und Alexas Sohn. Und Deedees Hund«, fügte er hinzu.

»Als Geiseln?«

»Ja, also, hör zu, wenn ich nicht wiederkomme …«

»Sag nicht so was, Max.«

»Hör mir zu, Muffin, es ist wichtig. Ich habe noch mal über das Wort REVESER nachgedacht. Vielleicht ist das ein Anagramm für RESERVE.«

»Weil sie den Leuten die letzten Reserven aus der Tasche ziehen?«

»Daran haben sie vielleicht nicht gedacht, als sie sich das überlegt haben, aber darauf läuft es hinaus. Vielleicht ist das das Kennwort für irgendwelche Banken in Delaware.«

»Wieso bin ich denn da nicht selbst draufgekommen, Max? Ich meine, das ist doch Kinderkram.«

»Weil es zu einfach war, und wir neigen dazu, die Dinge komplizierter zu machen, als sie sind. Es hätte uns gleich ins Gesicht springen müssen.

»Max, ich kann dich da nicht reinlassen. Der da drin ist total verrückt.«

»Ich kann schon auf mich selbst aufpassen.«

»Ja, klar. Gegen einen Bekloppten wie Swamp Dog ist dein schwarzer Gürtel einen Scheiß wert. Karate hilft nicht gegen Bleikugeln. Ich muss das FBI informieren. Mit dem Hubschrauber sind die in einer Stunde hier.«

»Keine Zeit. Swamp Dog hat gesagt, wenn ich nicht in einer Viertelstunde da bin, fängt er an zu schießen.«