Kapitel 4

Zu Hause steckte ich die beiden Disketten in durch Magie verstärkte Plastikhüllen und schloß sie in eine Schublade ein. Das erledigte ich, bevor ich ins Bad ging und ungefähr zwei Pfund Ziegelstaub aushustete. Danach nahm ich eine Dusche und zog frische Kleider an. Anschließend fühlte ich mich etwas besser, aber immer noch zu aufgewühlt, um mich an die Arbeit zu machen. Ich beschloß, statt dessen meine schmutzigen Sachen in die Reinigung zu bringen und auf dem Rückweg einen neuen Rasierapparat zu kaufen. Gerade als ich das Haus verlassen wollte, ertönte aus dem Wohnzimmer laute Klaviermusik.

Ich öffnete die Tür. Die Diabelli-Variationen schlugen mir wie Donnerhall entgegen. »Kann mich gar nicht erinnern, den CD-Player angelassen zu haben«, sagte ich vor mich hin und ging zur Stereoanlage, um ihn abzustellen.

»Hast du auch nicht.« Stans körperlose Stimme klang etwas verschämt. »Die CD lag drin, und ich merkte, daß ich das Gerät durch Gedankenkraft anstellen konnte. Es ist die Art intellektueller Musik, die mich in meinem derzeitigen Zustand anspricht. Ich kann sie leiser machen, wenn du möchtest.«

»Schon gut. Ich will gerade weggehen. Amüsier dich ruhig, bis ich wiederkomme.«

Bei meiner Rückkehr lief die CD immer noch. Sie endete und fing von vorn an, während ich mir in der Küche etwas zu essen zusammensuchte. Eine halbe Stunde ertrug ich es, dann ging ich wieder hinein. »Soll ich dir was anderes einlegen?«

»Nein, nein«, wehrte Stan ab. »Diese Musik ist genau richtig. Aber ich werde sie leiser stellen, während du mir erzählst, was passiert ist.«

Die Diabelli-Variationen verebbten zu einem leisen Geklimper im Hintergrund, Erwartung lag in der Luft. Kein Zweifel, daß Stan sich langweilte. Bisher war mir nie der Gedanke gekommen, daß ein Gespenst sich langweilen könnte - aber warum eigentlich nicht? »Im Thronsaal ist eine Bombe hochgegangen«, sagte ich, setzte mich hin und erzählte ihm die ganze Geschichte.

»Diese Disketten werden sich löschen«, verkündete er spontan, als ich geendet hatte. »Falls Nachkommen da sind, wird keiner sie mehr finden können, und das war’s. Nächstes Jahr werden sich sechs Usurpatoren gegenseitig an die Gurgel fahren, und dann bricht die ganze Chose auseinander.«

»Vielleicht«, gab ich zu, »aber ich bin verpflichtet zu helfen - auch wenn ich sicher sein kann, dabei einen Computer zu ruinieren.«

»Aber bitte in deiner Freizeit. Vergiß nicht, deine eigentliche Aufgabe besteht darin, einen Magid zu finden, der meine Nachfolge antritt. Du solltest morgen nach Bristol fahren.«

»Nein. Nicht während ein spannendes Computerproblem hier der Lösung harrt. Ich könnte an nichts anderes denken.«

Ich wollte nicht sagen, daß ich die fruchtlose Magidsuche satt hatte bis obenhin; mir war jeder Grund recht, um mich zu drücken. Stan protestierte. Wir diskutierten bis zum Ende der Diabelli-Variationen. Als sie wieder von vorn anfingen, sagte ich, um ihn zu beschwichtigen: »Na gut. Ich schreibe den vieren, von denen wir den Aufenthaltsort kennen, einen Brief und bitte sie, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Kannst du damit leben?«

»Gibt es ein Leben vor dem Tode?« antwortete Stan philosophisch. »Gut. Was willst du ihnen schreiben?«

»Je nachdem. Thurless ist Schriftsteller, solche Leute kriegen Post von Bewunderern. Mallory ist Studentin, also chronisch knapp bei Kasse. Ihrer Mutter habe ich schon die Geschichte von der Erbschaft aufgetischt - am besten bleibe ich dabei. Madame Fisk kommt mir vor wie jemand, der an einer neuen Wunderkur interessiert sein könnte, und Kornelius Punt... «

Der Quell meiner Inspiration versiegte.

»Er ist weit gereist. Frag ihn, ob er Interesse daran hat, einen Reiseführer zu schreiben«, schlug Stan vor.

»Bravourös!« Weil ich wußte, er würde keine Ruhe geben, bis ich meine Worte in die Tat umgesetzt hatte, verfaßte ich die Briefe gleich an Ort und Stelle, und ich war recht zufrieden mit mir. Ungeachtet der Tatsache, daß ich nie ein Buch von Thurless auch nur gesehen hatte, erging ich mich in lyrischen Lobpreisungen seines Stils. Mallory schrieb ich, sie hätte 100 £ geerbt - so viel konnte ich mir nach meiner Schätzung gerade eben leisten. Für Tansy-Ann Fisk war ich der Freund eines Freundes eines Freundes, der gehört hatte, sie wäre in der Klinik, und ihr von den Mirakeln der Stanley-Diät berichten wollte. Kornelius Punt stellte ich mich als kleiner Verleger vor, auf der Suche nach interessanten Projekten.

»Was ist diese Stanley-Diät?« wollte Stan wissen.

»Luft und Liebe, genau wie du.«

»Dachte ich mir. Nur weiter so. Mach dich lustig über mich, nur keine übertriebene Rücksichtnahme.«

Ich brachte die Briefe zur Post. Dann endlich durfte ich mich mit Stans Erlaubnis den Koryfos-Disketten widmen. Darüber vergingen die nächsten drei Tage.

Ich nahm mir eine der Disketten vor und studierte sie unter Zuhilfenahme aller einem Magid zu Gebote stehenden und auf diesen Fall anwendbaren Methoden. Als ich glaubte, genug über die Eigenschaften des Programms und die darin implantierten Knallfrösche herausgefunden zu haben, räumte ich meinen ältesten Computer leer und trimmte ihn auf Koryfos-Format. Ein schönes Stück Arbeit. Koryfos benutzte Disketten einer anderen Form und Kapazität, eine andere Spannung und eine rationellere Programmiertechnik. Ich mußte Metall und Plastik meines armen alten Amstrad aufweichen, neu modellieren und dann in der passenden Form erstarren lassen. Ich mußte einen Adapter konstruieren. Dann mußte ich ihn, so genau wie möglich, nach dem Muster des Computers konfigurieren, von dem ich die Diskette kopiert hatte. Das war die härteste Nuß. Ich darf mit Überzeugung behaupten, daß nur ein Magid es bewerkstelligen konnte. Zu Stan sagte ich: »Ein Glück, daß ich mit so was Übung habe. Vielleicht ist es Schummelei, aber ich nehme auch beim normalen Programmieren oft Magie zur Hilfe. Hast du bei deinen Pferden von Magie Gebrauch gemacht?«

Keine Antwort. In meinem Wohnzimmer setzten erneut die Diabelli-Variationen ein.

Eigentlich brauchte ich keine Bestätigung. Ein Magid zu sein beeinflußt unweigerlich alle Bereiche des Lebens, manchmal so unauffällig, daß es einem vorkommt wie Intuition. Ein anderes Mal, wenn man versucht, ein Problem zu lösen, scheint es ohne magische Hilfe kein Weiterkommen zu geben, und man macht ohne Rücksicht auf Verluste davon Gebrauch, wie ich bei diesem Programm.

Am Ende des ersten Tages war ich bereit für einen Probelauf. Ich schob die Koryfos-Diskette ins Laufwerk und befahl ihr, auf die Festplatte zu kopieren. Sie widerstand all meinen Überredungsversuchen, auch dann noch, als ich behutsam die Schutzvorrichtungen entfernte. Ich seufzte, setzte die Schutzvorrichtungen wieder in Kraft und befahl ihr, die Dateien anzuzeigen. Nichts. Ich nahm Zuflucht zu elektronischer Gewalt - ein Fehler.

Der Absturz erfolgte derart rasant, daß einiges im Innenleben des Amstrad zu schmelzen begann. Flämmchen spielten über das Gehäuse und nur im letzten Moment gelang es mir, wenigstens den Adapter zu retten, so blieb es mir erspart, noch einen basteln zu müssen. Ich fluchte. Ich mußte mich beeilen, die geschmolzenen und verschmorten Überreste zu untersuchen, und natürlich waren sie noch heiß - kein Vergnügen. Wie sich herausstellte, waren nicht weniger als drei magische Knallfrösche in das Programm integriert gewesen; es gab zwei große Fehler in meinem Versuch, Koryfos-Software zu imitieren, und einige mehr in meiner Adaption des unglückseligen Amstrad. Den restlichen Abend verbrachte ich damit, fieberhaft Pfade zu rekonstruieren.

»Was hat dieser Narr Timos sich dabei bloß gedacht?« beschwerte ich mich bei Stan über die Fortissimi aus dem CD-Player hinweg. »Es kommt einem fast vor, als hätte er gesagt: >Ich kann nicht Kaiser sein, wenn ich tot bin, also sorge ich dafür, daß es auch kein anderer ist.<«

»Vielleicht hat er das«, meinte Stan. »Aber einige von den Würdenträgern, die mit ihm in die Luft geflogen sind, müssen es gewußt haben. Vielleicht hat er sich auf sie verlassen. Unwichtig. Nicht dein Bier.«

»Die Menschen sind wichtig.« Ich sah das angespannte, übernächtigte Gesicht von General Dakros vor mir. »Da ist ein einfacher, ehrlicher Mann, der versucht, sich der Aufgabe gewachsen zu zeigen, die das Schicksal ihm aufgebürdet hat. Da sind Millionen von anderen einfachen Menschen, die vielleicht zwischen die Mühlsteine geraten, wenn der Adel aus den anderen zehn Reichen Morgenluft wittert und gegen Dakros ins Feld zieht. Es wird einen entsetzlichen Bürgerkrieg geben. Vielleicht hat er schon angefangen.«

»Nicht sentimental werden. Entweder die Usurpatoren gewinnen, oder dein General Dakros findet Gefallen an der Macht und reißt sich den Thron unter den Nagel. Das kommt vor.«

In dieser Nacht im Bett mußte ich mir eingestehen, daß er recht hatte. Aber es reizte mich auch, das Problem zu lösen.

Am nächsten Morgen erhielt ich einen Brief von Maree Mallory. Die finanzschwache Studentin hatte mit nächster Post geantwortet.

Sehr geehrter Mr. Venables,

ich gebe gern zu, daß ich 100 Pfund gut

gebrauchen könnte.

Ich werde bis Juli unter dieser Adresse

erreichbar sein, also können Sie das Geld jederzeit schicken.

Aber machte es Ihnen etwas aus, mir zu erklären, wem ich diese Erbschaft verdanke?

Ich bin ein adoptiertes Kind. Ich weiß nichts über meine richtige Familie, und ich dachte, sie wüßten auch nichts von mir.

Freundliche Grüße M. Mallory

»Ein kunstloser und ziemlich mißtrauischer Brief«, sagte ich zu Stan.

»Ja. Man bekommt einen guten Eindruck von ihr. Du würdest sie jetzt erkennen, wenn sie auf der anderen Straßenseite geht.«

Er hatte recht. Der Brief atmete Persönlichkeit. Das Papier stammte eindeutig aus dem Besitz des Onkels, entweder geborgt oder stibitzt; der Text unter dem Briefkopf in gotischen Lettern: Ted Mallory, Autor von Dämonen ohne Zahl< war einem Nadeldrucker der ersten Stunde abgerungen worden, der an Tintenmangel krankte. Ja, insgesamt verriet dieser Brief eine starke Persönlichkeit.

»Ärgerlich, daß sie ein Adoptivkind ist.« Ich nagte an der Unterlippe. »Wer, um Himmels willen, könnte ihr das Geld vererbt haben?«

»Ich«, sagte Stan. »Erzähl ihr, ich hätte Ahnenforschung betrieben und geglaubt, ich sei ihr Onkel. Ich hatte ziemlich lebenslustige Brüder, also könnte es sogar stimmen.«

Ich schickte der starken Persönlichkeit eine höfliche Nachricht, daß ich ihr in Kürze das Geld bei einem persönlichen Besuch übergeben und seine Herkunft erklären würde, und setzte an meinem Zweitältesten Computer, einem Toshiba, den ich seit einem Jahr kaum angerührt hatte, meine Bemühungen zur Lösung des Koryfos-Mysteriums fort.

Es war harte, konzentrierte Kleinarbeit, noch dazu unter dem Druck zu wissen, daß ich nur noch diese eine Diskette zur Verfügung hatte. Ich wünschte inzwischen, ich hätte die beiden anderen nicht Dakros gegeben. Um die Wahrheit zu sagen, gegen Ende des Tages war ich entnervt genug, seine Com-Nummer anzurufen und ihn zu bitten, mir eine davon zu überlassen. Die Antwort kam prompt, ein lakonisches Fax:

»Beide Disketten geschmolzen.«

Verdammt! Und mir stand wahrhaftig nicht der Sinn danach, noch einen Computer zu ruinieren. Aber was blieb mir anderes übrig, als das Beste zu hoffen und die zweite Diskette einzuschieben.

VIRUS ENTDECKT, meldete der Toshiba.

Schnell zog ich die Diskette wieder heraus, doch wenigstens befand ich mich auf vertrautem Boden. Ich schüttelte den Kopf über Timos’ Verfolgungswahn und machte mich daran, den Virus zu entschärfen. Es handelte sich um ein magisches Implantat, und die Arbeit daran ähnelte dem Aufzupfen alter Spitze.

»Kein Abendessen heute?« erkundigte Stan sich eine Weile später.

Ich blickte auf und merkte, es war dunkel geworden, früh zwar, denn es war noch früh im Jahr, aber Zeit für eine Pause. Ich machte mir eine Tasse Kaffee, während ich überlegte, was ich essen könnte. Als ich das nächstemal aufschaute, saß ich wieder vor dem Toshiba. Es war nach Mitternacht. Aber der Virus war verschwunden, als ich die Diskette testete.

»Du bist besessen von diesem Koryfos«, tadelte Stan.

»Berichtigung: Ich bin besessen von einem Computerproblem. Man hat nicht alle Tage mit einem magischen Virus zu tun.«

An diesem Tag gelang es mir tatsächlich, das Programm zu überreden, daß es auf die Festplatte kopierte und den Inhalt anzeigte. Das war eine Erleichterung, weil ich nun eigene Disketten formatieren und Backups machen konnte. Doch ein echter Erfolg war es nicht. Alles, was ich auf den Schirm bekam, war die Meldung, Timotheo wäre gelöscht sowie die stereotype Aufforderung KENNWORT EINGEBEN. Demütigend, denn immerhin war ich schon hinter den Kulissen gewesen, sozusagen, um den Virus unschädlich zu machen, und hätte in der Lage sein sollen, das Kennwort zu umgehen. Doch wenn ich es versuchte, bekam ich überhaupt nichts mehr. Und ich wagte nicht, nach Magid-Art den Zugang zu erzwingen, aus Angst vor einem neuerlichen Absturz. Stan hörte mich fluchen und kam in mein Arbeitszimmer gedriftet.

»Dann gib ihm ein Kennwort!« sagte er. »Und wenn du einen Moment Zeit hast, könntest du die CD für mich wechseln?«

»Was ist los mit Diabelli? Kennst du ihn auswendig?« »Jeden Ton. Beethoven ist mir jetzt wie ein Freund.«

Ich verurteilte ihn zu einem Sampler mit Chorälen, zur Abwechslung, und wählte noch einmal Dakros an. Antwort erhielt ich von Magus Jeffron:

»Im Kaiserreich verwendet man allgemein Kennworte mit sieben Buchstaben. Wir haben nicht viele ausprobiert, weil die Disketten bei jeder dritten Fehleingabe geschmolzen sind. Aber Prinzessin Alexandra vermutet, das Wort könne aus einem Kinderreim stammen.«

Ein Kinderreim? Nun, ich war bereits zu der Erkenntnis gelangt, daß Prinzessin Alexandra mehr zu bieten hatte als rein äußerliche Vorzüge, und ihre Vermutung entbehrte nicht der Wahrscheinlichkeit, immerhin ging es hier um Kinder. Die im Kaiserreich gebräuchlichen Kinderreime unterschieden sich nicht sehr von denen auf der Erde, gehören sie doch zu den Dingen, für deren Verbreitung wir Magids verantwortlich zeichnen.

Aber ein Wort mit sieben Buchstaben, in irgendeiner der vierzehn im Reich gesprochenen Sprachen - das war schlimmer als Scrabble! Trotzdem war ich frohen Mutes, als ich einen meiner anderen Computer darauf programmierte, sämtliche Möglichkeiten durchzuprobieren. Ich war nur verwundert darüber, daß Timos IX. gewußt haben sollte, daß es so etwas wie Kinderreime gab.

In diesem Moment schlug einer von Stans Chorälen dröhnend an mein Ohr: »In Babylon, der hochgebauten Stadt...«

Es durchfuhr mich wie ein elektrischer Schlag. Babylon ist eins der Großen Geheimnisse der Magids, doch abgesehen davon kommt es auch in einem Kinderreim vor. Ich setzte mich an den Toshiba und tippte >BABYLON<.

Bingo!

Weltkarten begannen sich auf dem Schirm zu entfalten, in der Art von Isobaren, eine nach der anderen, eine Welt nach der anderen, wie die Hälfte der Unendlichkeit. Ich lehnte mich zurück und betrachtete sie und fragte mich, was Timos bewogen haben mochte, dieses spezielle Wort zu wählen, aus diesem speziellen Kinderlied. Babylon war nie ein Ort in seinem Reich gewesen. "Nach einer Weile erschien ein Band aus animierten Grafiken: Menschen und Kentauren, die im Profil vor den Karten vorüberzogen. Sie hatten das Aussehen von wirklichen Personen, aus Fotografien entnommen, und es handelte sich um verschiedene Individuen, doch es war schwer zu sagen, ob sie eine besondere Bedeutung hatten oder einfach nur darauf hinweisen sollten, daß das Programm jetzt ordnungsgemäß lief. Endlich war das Intro zu Ende, der Schirm wurde dunkel, dann erschien die Aufforderung:

EINGEBEN >KNARROS<.

Ich tippte >KNARROS<.

NUN EINGEBEN NAMEN MEINER GOTTHEIT.

Ich wirbelte zu dem Computer herum, der mein gesammeltes Wissen über Koryfos enthielt, obwohl ich wußte, es war in jedem Fall zu spät. »Stan!« schrie ich. »Stan, wie ist der Name dieser vermaledeiten Göttin, die der Kaiser angebetet hat?«

»Kann mich nicht entsinnen«, rief er zurück, umjauchzt von Händeis Hallelujah. »Irgendein verdammter Zungenbrecher.«

Mein Gedächtnis lieferte die Information – Aglaia - Ualaia - genau im selben Moment, als die Diskette sich löschte.

»Und das ist der Mann, der den Namen jedes Rennpferds aus dem Jahr 1935 auswendig weiß!« sagte ich »Na ja, wenigstens habe ich Backups.«

Also die ganze Prozedur noch mal von vorn. Am frühen Abend war ich wieder soweit, diesmal mit einer Liste diverser anderer Gottheiten, Heroen und sonstiger historischer Persönlichkeiten bewaffnet - für den Fall der Fälle; mittlerweile hatte ich einen gesunden Respekt vor Timos’ Paranoia. Doch es schien, daß der Name der Göttin sein letzter Trumpf gewesen war. Ich tippte >KNARROS< und anschließend >AGLAIA-UALAIA<, und eine Liste erschien.

KNARROS CODEWELT LIXOS

WEIBL.,GEB. 3390CODENAME NATHALIA

WEIBL.,GEB. 3390CODENAME PHYSILLA

WEIBL.,GEB. 3400CODENAME ANANTE

MÄNNL.,GEB. 3401CODENAME EKLOS

MÄNNL.,GEB. 3402CODENAME MAGRAKES

PLUS ZWEI MÄNNL. KENTAUREN GEB. 3394 und 3396

CODEWELT BABYLON

WEIBL., GEB. 3393 CODENAME TIMOAEA

MÄNNL., GEB. 3399 CODENAME JELLIERO

Zu jedem der Namen gehörte ein Batzen von Buchstaben, Ziffern und Symbolen - für mich ein Buch mit sieben Siegeln, aber vermutlich Koryfos’ Version von Blutgruppen oder genetischen Codes. Den beiden Listen folgte der Hinweis:

KNARROS GEWÄHRT ZUGRIFF AUF INFORMATIONEN BEZÜGL. IDENTITÄT UND AUTHENTIZITÄT VON ERBEN NUR BEVOLLMÄCHTIGTEM ABGESANDTEN NACH ERBRACHTEM BEWEIS FÜR DEN TOD VON TIMOS IX.

»Geschafft!« sagte ich mit Inbrunst und öffnete zur Feier des Tages eine Flasche Wein, bevor ich mich daranmachte, Dakros auf seiner Com-Nummer zu erreichen. Nach all der Übung der letzten Tage war es ein leichtes, ihn in mein Telefon einzuspleißen. Nach einer halben Stunde erreichte mich seine Stimme durch die knisternden Störgeräusche, sie klang weit weg und todmüde.

»Zwei Gruppen«, berichtete ich, »auf Welten mit Codenamen.« Ich las ihm den Bildschirm vor.

Seine Reaktion war alles andere als überschwenglich. »Wer ist dieser Knarros?«

»Irgendein Wächter, denke ich mir. Möglicherweise meldet er sich, wenn er hört...«

»Bis jetzt hat er es nicht für nötig befunden, das zu tun. Und was für Welten verbergen sich hinter Lixos und Babylon?«

»Ihr könntet den Imperialen Secret Service darauf ansetzen«, schlug ich vor.

»Könnte ich, wenn sie nicht allesamt eine Bande hirnloser Gauner wären«, entgegnete er. »Die meisten von ihnen haben wir gestern abend exekutiert. Versuchter Staatsstreich. Und«, er kam wieder auf die offensichtliche Hauptschwierigkeit, »mir gefällt nicht, wie alles von diesem Knarros abzuhängen scheint. Nur über ihn führt der Weg zu dem ältesten Sohn, auch wenn er auf einer anderen Welt leben sollte. Wenn er nun ein Halunke ist oder jemand ihn abmurkst?«

»Gebt die Schuld der Kurzsichtigkeit Eures verstorbenen Herrschers«, sagte ich.

»Wie auch immer, mir gefällt das alles nicht.«

»Mir ebensowenig.« Die Tatsache, daß das Kennwort ausgerechnet Babylon gewesen war, beunruhigte mich aus irgendeinem Grund. »Ich habe Jeffros die Liste gefaxt, soll er ein paar Leute daransetzen. Und gebt Bescheid, wenn ihr Hilfe braucht.«

»Die werden wir garantiert brauchen bei dieser idiotischen Geheimniskrämerei!«

Ich legte auf und seufzte. »Er wird von mir verlangen, Babylon für ihn zu finden. Ich sehe es kommen.«

»Das kannst du nicht tun!« sagte Stan scharf.

Oha! »Ich glaube, wir reden über zwei verschiedene Dinge, geschätzter Mentor«, erwiderte ich in ähnlichem Ton. »Oder wenigstens hoffe ich das. Könntest du die Musik leiser stellen? Ich habe Kopfschmerzen.«